BT-Drucksache 17/6891

Verkehrsprojekt B 50 neu: Kostensteigerung, verkehrlicher Nutzen und Gefährdung des Mittelmoseltals

Vom 1. September 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6891
17. Wahlperiode 01. 09. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Heidrun Bluhm,
Thomas Lutze, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Verkehrsprojekt B 50 neu: Kostensteigerung, verkehrlicher Nutzen und
Gefährdung des Mittelmoseltals

Die Bundesstraße 50 neu soll das Autobahnkreuz Wittlich mit dem Flughafen
Hahn und weiter mit Rheinböllen verbinden. Teil dieser Strecke ist die Hoch-
moselbrücke, die in einer Höhe von 158 Metern mit vier Fahrstreifen und zwei
Standstreifen bei Ürzig über die Mosel führen soll. In diesem Bauabschnitt an
der Mittelmosel liegt eines der bedeutenden Weinanbaugebiete der Bundes-
republik Deutschland. Die gewählte Trassenführung bringt große Gefahren für
Bevölkerung und Wirtschaft sowie das Risiko einer extremen Kostensteigerung
des Projekts mit sich, da die Weinhänge auf der rechten Seite instabil sind.

In den letzten Monaten werden immer wieder Informationen über teilweise
erheblich höhere Kosten für das Bauvorhaben der Bundesstraße 50 neu und vor
allem den Hochmoselübergang publik. Auf der Homepage des Landesbetriebs
Mobilität Rheinland-Pfalz in Trier (LBM) werden für das Gesamtprojekt
331 Mio. Euro, davon 182 Mio. Euro für den Abschnitt Hochmoselübergang
veranschlagt (www.hochmoseluebergang.rlp.de/kosten.html). Das Tourismus-
gutachten der Fachhochschule Worms (Prof. Dr. Scherhag) nennt mit Berufung
auf das LBM auf Seite 65 die Summe von 360 Mio. Euro (www.fh-worms.de/
fileadmin/medien/FB_touri/Pressemeldungen/Downloads_neu/Ist_Analyse_
Bernkastel_Download_2011-05-11.pdf). In einer Mitteilung in der „Eifel-
Zeitung“ 16/2011 vom 20. April 2011 heißt es: „Der umstrittene Hochmosel-
übergang wird mehr als die geplanten 400 Millionen Euro kosten. Hinter vor-
gehaltener Hand sprechen Experten in den beteiligten Behörden von Kosten von
weit über einer Milliarde Euro.“ Ein wie auch immer geartetes Dementi von
offizieller Seite ist bisher nicht bekannt. Zudem ist das auf der Grundlage von
330 Mio. Euro Gesamtkosten errechnete Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) von
1,8 für ein Straßenbauprojekt vergleichsweise gering. Die Verkehrsprognosen
lassen den steigenden Ölpreis unberücksichtigt und gehen von einem steigenden
Verkehrsaufkommen auf der Straße sowie des Flugverkehrs am Flughafen
Frankfurt-Hahn aus. Dieser aber verzeichnete gegen den Wachstumstrend im
ersten Halbjahr 2011 einen deutlichen Rückgang bei den Passagierzahlen. Ent-
gegen dem Trend von 3 Prozent Zunahme verzeichnet dieser Flughafen nach

Ermittlung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) e. V.
einen Rückgang um 13,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (www.adv.aero/
fileadmin/pdf/statistiken/2011/ADV-Monatsstatistik_Juni_2011.pdf, S. 9).

Die Gründung der Pfeiler für die fast 160 m hohe Brücke im tektonisch gestör-
ten Hang auf der linken Moselseite ist ein gewaltiges Problem: Man wählte bei
der Planung einen Ort mit einer etwa 400 m tiefen tektonischen Verwerfung
(Graben im Rheinischen Schiefergebirge). Die Einwendungen der Dipl.-Geo-

Drucksache 17/6891 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

login Dr. Elisabeth von den Hoff aus Wittlich erläutern die Problematik
(www.pro-mosel.de/html/presse/ hoff.pdf). Laut einem Schreiben des Landes-
betriebs Mobilität an Herrn Körlings, Mitglied der Bürgerinitiative Pro-Mosel,
vom 1. August 2011 ist die „Untersuchung der statischen Auswirkungen des
Lastfalls Erdbeben“ noch nicht abgeschlossen. Welche Risiken und Kostenstei-
gerungen damit verbunden sein könnten, kann also noch nicht abgeschätzt wer-
den.

In ihrer Antwort zu Frage 1 auf einer Kleinen Anfrage der Fraktion DIE
LINKE. (Bundestagsdrucksache 17/5326) führt die Bundesregierung aus, dass
die B 50 eine „verkehrlich wichtige West-Ost-Verbindung im Land Rheinland-
Pfalz“ darstellt, die die Regionen Eifel, Mosel und Hunsrück miteinander ver-
bindet und „die wichtigste Anbindung des Flughafens Frankfurt-Hahn“ sei. Zu-
dem sei sie „ein bedeutsames Teilstück der internationalen Verbindung zwi-
schen den Wirtschaftsräumen Lüttich/Brüssel sowie Antwerpen/Rotterdam/
Amsterdam (mit den Nordseehäfen) und dem südwestdeutschen Wirtschafts-
raum, insbesondere dem Rhein-Main-Gebiet“. Angesichts mittlerweile gut aus-
gebauter Alternativrouten, wird diese verkehrliche Bedeutung aber von ver-
schiedenen Seiten wie dem BUND Landesverband Rheinland-Pfalz in Frage
gestellt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Kostenschätzung von Seiten des für diese Auftragsangelegenheit zu-
ständigen LBM in Trier liegen dem Bundesministerium für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung vor?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung die Mitteilung in der „Eifel-Zeitung“
16/2011 vom 20. April 2011 und das Tourismusgutachten der Fachhoch-
schule Worms hinsichtlich der dort veranschlagten Kosten?

3. Welche neueren Erkenntnisse sind in diesen Zahlen berücksichtigt, die in der
Kalkulation der Bundesregierung von rund 330 Mio. Euro für das Gesamt-
projekt noch nicht berücksichtigt sind?

4. Sind die Angaben im Straßenbauplan 2012 (Anhang Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2012
auf Bundestagsdrucksache 17/6600), wonach den lfd. Nr. 370, 371 und
371.1 (S. 99 f.) Gesamtkosten für die B 50neu von 338 278 000 Euro entste-
hen, die aktuellsten, mit den die Bundesregierung derzeit rechnet, oder lie-
gen bereits neuere Berechnungen vor?

5. Beinhaltet die lfd. Nr. 371 auch die Kosten für den Zubringer B 53neu (zur
B 53neu sind im Straßenbauplan keine Kosten aufgeführt), oder werden die
Kosten hierfür erst in späteren Straßenbauplänen aufgeführt werden?

6. Ist nach Abschluss und Prüfung aller Gutachten (u. a. zur Erdbebensicher-
heit, siehe Frage 8) mit einer Neuberechnung der lfd. Nr. 371 zu rechnen,
zumal diese trotz relevanter neuer Erkenntnisse gegenüber dem Straßenbau-
plan 2011 unverändert geblieben ist, und wenn ja, wann werden diese vorlie-
gen und in welcher Form veröffentlicht?

7. Welcher Kostenanteil entfällt bei lfd. Nr. 371 auf den Hochmoselübergang?

8. Wie bewertet die Bundesregierung das Risiko, dass das NKV durch Kosten-
steigerung sowie geringere Verkehrsströme unter 1,0 fällt und das Projekt
damit nicht mehr zu rechtfertigen wäre?

9. Warum wird der Übergang gerade an der einzigen bis zur Mosel herunter
tiefgründig instabilen Stelle im Moseltal zwischen Trier und Cochem ge-

baut?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6891

10. Ist im Ausschreibungsverfahren die Besonderheit des instabilen Ürziger
Hangs angesprochen worden?

Wenn ja, wie?

Werden dort der Eurocode 8 bzw. die Erdbebennorm DIN 4149 zur Grund-
lage genommen, und wenn nein, warum nicht?

11. Liegen bereits Untersuchungsergebnisse der statischen Auswirkungen des
Lastfalls Erdbeben vor?

Wenn ja, wie sehen diese aus, und wenn nein, wann ist damit zu rechnen?

12. Wurde von der Bundesregierung eine Abschätzung der möglichen Risiken,
die für das Projekt von den instabilen Stellen im Moseltal ausgehen, veran-
lasst?

Wenn ja, was ergab diese konkret

a) für die Fortführung des Projektes;

b) in Bezug auf evtl. Schadensersatzansprüche an das Land Rheinland-
Pfalz, wegen der möglicherweise nicht ordnungsgemäßen Erfüllung
einer Auftragsangelegenheit des Bundes?

13. Wurde bei der Prognose des Verkehrsaufkommens für die B 50neu die von
den holländisch-belgischen Wirtschaftsräumen her gesehen schnellere,
kürzere und durchgehend vierspurige Verbindung über die A 61 berück-
sichtigt?

Wenn ja, mit welchem Verlagerungsszenario?

14. Welche Annahmen rechtfertigen die vierspurige Planung des Hochmosel-
übergangs vor dem Hintergrund, dass die A 60 zwischen den Anschluss-
stellen Prüm und Winterspelt wegen mangelndem Verkehrsbedarf zwei- bis
dreispurig bleibt, die B 50neu in Longkamp teils zweispurig geplant ist und
von dort ebenfalls zweispurig bis zur zweispurigen Hunsrückhöhenstraße
(B 327) weitergeführt wird und das Moseltal neben dem Zubringer für zwei
Orte mit insgesamt 800 Einwohnern (Erden und Lösnich) kaum an die
B 50neu angebunden werden soll?

15. Wie beabsichtigt die Bundesregierung angesichts einer möglichen Unter-
brechung wichtiger Wasserzuflüsse am „Moselsporn“, die drohende Quali-
tätsverschlechterung der betroffenen Weinlagen zu vermeiden bzw. ihr ent-
gegenzuwirken?

Welche Gutachten mit welchen Ergebnissen wurden zu diesem Problem
bisher in Auftrag gegeben?

Berlin, den 29. August 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.