BT-Drucksache 17/6884

Spezielle Milchprodukte für Kleinkinder und Säuglinge

Vom 1. September 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6884
17. Wahlperiode 01. 09. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Nicole Maisch, Markus Tressel, Cornelia Behm, Harald Ebner,
Hans-Josef Fell, Bettina Herlitzius, Bärbel Höhn, Oliver Krischer, Stephan Kühn,
Undine Kurth (Quedlinburg), Friedrich Ostendorff, Dr. Hermann Ott und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Spezielle Milchprodukte für Kleinkinder und Säuglinge

Säuglinge und Kleinkinder haben besondere Anforderungen an ihre Ernährung.
Dies gilt sowohl hinsichtlich des Nährwertprofils als auch hinsichtlich der Be-
lastung durch Pestizide und Keime. Deshalb unterliegen Produkte, die sich an
Säuglinge und Kleinkinder richten, besonderen, in der Diätverordnung geregel-
ten, Auflagen.

In den vergangenen Monaten sind jedoch immer wieder Produkte, die für Säug-
linge und Kleinkinder ausgelobt werden, in die Kritik von Wissenschaft, Ver-
braucherverbänden und Behörden geraten. Sie beanstandeten sowohl die ge-
sundheitlichen Risiken für die kleinen Konsumenten wie auch unangemessen
hohe Preise.

So warnte das Bundesinstitut für Risikobewertung in einer Pressemitteilung
vom 16. August 2011 vor Kleinkindermilchgetränken, die von den Herstellern
als Ersatz für Kuhmilch angeboten werden. Das Bundesinstitut warnt, dass die
Substitution von fettarmer Kuhmilch durch diese Produkte in der Kleinkind-
ernährung zu einer Überversorgung mit bestimmten Nährstoffen und mit Fett
führen könne.

Eine Studie der Verbraucherzentrale Hamburg vom August 2011 ermittelte,
dass die Preise der Milchersatzgetränke bis zu 400 Prozent des Preises von
Kuhmilch betragen. Von vielen Herstellern von Babynahrung werden außer-
dem Beikostprodukte für Kinder im zweiten Lebenshalbjahr angeboten, die auf
der Basis von Kuhmilch hergestellt sind und als Cremespeisen, Joghurts,
Milchdesserts oder Ähnliches vertrieben werden.

Die Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugend-
medizin e. V. hat bereits im Jahr 2002 zu milchhaltiger Beikost (Joghurt, Quark)
Stellung genommen und rät vom Einsatz solcher Produkte im ersten Lebensjahr
ab, da dies zu einer übermäßigen Eiweißzufuhr und gesundheitlichen Belastun-
gen für die Säuglinge führen kann.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die Aussage des Bundesinstituts für Risikobe-
wertung, dass so genannte Kleinkindermilch oder Kindermilch nicht an die
Ernährungsbedürfnisse von Kindern im Alter von ein bis drei Jahren
angepasst sind und damit nicht die Anforderungen der Verordnung über
diätetische Lebensmittel erfüllen?

Wenn ja, welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus?

Drucksache 17/6884 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussagen „Auf die Ernährung von
Kleinkindern abgestimmt“, „kindgerechter zusammengesetzt als Kuh-
milch“, „Anders als Kuhmilch ist sie (die Kindermilch)ideal auf die Be-
dürfnisse von Kleinkindern abgestimmt“, „gesünder als Kuhmilch“ die
sich auf den Verpackungen von Kindermilchprodukten und auf den Werbe-
seiten für diese Produkte im Internet finden?

3. Wie bewertet die Bundesregierung das Risiko einer Überversorgung mit
Vitaminen und Spurenelementen, etwa Eisen und Zink, durch den Ersatz
von Kuhmilch durch „Kindermilch“ in der Kleinkindernährung, da diese
Nährstoffe in den Ersatzprodukten in höherer Konzentration enthalten sind,
und welche Schlussfolgerung zieht sie daraus?

4. Wie bewertet die Bundesregierung die Gefahr einer Unterversorgung mit
Calcium und Vitamin B2 durch den Ersatz von Kuhmilch durch „Kinder-
milch“ in der Kleinkindernährung, da diese Nährstoffe in den Ersatzpro-
dukten in geringerer Konzentration enthalten sind, und welche Schlussfol-
gerung zieht sie daraus?

5. Hält die Bundesregierung die Bezeichnung „Kindermilch“ für lebensmit-
telrechtlich zulässig, vor dem Hintergrund, dass es sich bei diesen Produk-
ten um erheblich veränderte Milch(substrate) handelt und damit bei einer
„optimierten“ Milch bestimmte Nährstoffe künstlich verringert bzw. erhöht
(speziell Eisen, Zink und Eiweiß) werden sowie „Kindermilch“ den Füll-
stoff Maltodextrin, Aromen, und Zusatzstoffe enthält, die in Kuhmilch
nicht vorkommen?

6. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass diätische Lebensmittel für
Kleinkinder nur zugelassen werden, wenn von ihnen keine gesundheit-
lichen Risiken ausgehen?

7. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass diätische Lebensmittel für
Kleinkinder nur zugelassen werden, wenn sie einen wissenschaftlich nach-
gewiesenen Mehrwert für die Ernährung bieten?

8. Wie bewertet die Bundesregierung die Stellungnahme der Ernährungs-
kommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin
e. V. aus dem Jahr 2002 nach der ein zusätzlicher Verzehr von Milch und
Milchprodukten jenseits des empfohlenen Milch-Getreide-Breis über die
Beikost keinen Nutzen, sehr wohl aber vermeidbare renale und metabolische
Belastungen für den Säugling mit sich bringt?

9. Wie bewertet die Bundesregierung die Gefahr einer Überversorgung mit
Eiweiß durch kuhmilchhaltige Beikostprodukte und die daraus resultieren-
den gesundheitlichen Belastungen, und welche Schlussfolgerung zieht sie
daraus für die lebensmittelrechtliche Zulassungspraxis?

10. Hält die Bundesregierung Beikostprodukte wie Cremespeisen, Frucht-
Joghurt-Breis, Puddings und Frischkäsezubereitungen, die für Kinder im
zweiten Lebenshalbjahr angeboten werden, für an die Ernährungsbedürf-
nisse von Säuglingen angepasst?

11. Hält die Bundesregierung solche Produkte für konform mit der Diätverord-
nung?

12. Welche Abwägung zwischen dem Vorsorgeprinzip des gesundheitlichen
Verbraucherschutzes und den geschäftlichen Interessen von Herstellen von
Beikost wurden beim Inverkehrbringen milchhaltiger Beikostprodukte vor-
genommen, und welche Erwägungsgründe führten zur Zulassung?

Berlin, den 1. September 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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