BT-Drucksache 17/6872

Risiko-Betrachtung bei deutschen Atomkraftwerken: Precursor-Analysen

Vom 29. August 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6872
17. Wahlperiode 29. 08. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Cornelia Behm, Harald Ebner,
Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Oliver Krischer, Stephan Kühn, Undine Kurth
(Quedlinburg), Dorothea Steiner, Markus Tressel, Daniela Wagner,
Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Risiko-Betrachtung bei deutschen Atomkraftwerken: Precursor-Analysen

In den vergangenen Jahren ereigneten sich in den 17 deutschen Atomkraftwer-
ken (AKW), die noch eine Betriebsgenehmigung hatten, insgesamt zwischen
80 und 120 meldepflichtige Zwischenfälle/Pannen pro Jahr. Die sicherheits-
technische Bedeutung und Analyse dieser Pannen erschöpft sich nicht in ihrer
formalen Meldung an die Atomaufsichtsbehörden.

Einige der Pannen führen zu sogenannten Weiterleitungsnachrichten der Ge-
sellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit mbH (GRS; vgl. hierzu Bundes-
tagsdrucksache 17/6731). Daneben lässt sich mit einem in Amerika entwickel-
ten Ansatz namens „Precursor-Analyse“ eine über die nur sehr grobe Einstu-
fung in die Internationale Nukleare Ereignis Skala (INES) hinausgehende, dif-
ferenziertere Betrachtung vornehmen.

Die Bezeichnung Precursor (englisch: Vorbote) rührt daher, dass es bei dieser
Art der Analyse darum geht zu ermitteln, inwiefern ein Zwischenfall, bei dem
es noch nicht zu einem Kernschaden kam, ein möglicher Vorbote für einen sol-
chen Schaden war. Dazu wird mittels Wahrscheinlichkeitsberechnungen eru-
iert, wie viel Sicherheitsabstand noch zu einem Schaden am Reaktorkern war.
Dabei kann sich insbesondere bei Zwischenfällen, die alle auf derselben INES-
Stufe liegen, ein differenziertes Bild ihrer Risiko-Bedeutung ergeben.

Deutsche Precursor-Analysen können wertvolle Hinweise für die nach der
Atomkatastrophe von Fukushima angekündigte Verschärfung der Sicherheits-
anforderungen für die hierzulande am Netz verbleibenden AKW enthalten. Ein
systematischer öffentlicher Überblick über hiesige Precursor-Analysen existiert
jedoch nicht.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Seit wann gibt es in Deutschland für meldepflichtige Ereignisse eine syste-
matische Precursor-Auswertung und Precursor-Berichterstattung, und wer

führt sie durch?

2. Wie regelmäßig erfolgt die Auswertung?

Wie regelmäßig erfolgt die Berichterstattung, in welcher Form (Jahres-
berichte o. Ä.), und an wen?

3. Welche meldepflichtigen Ereignisse in welchen AKW wurden als Precursor-
Ereignis identifiziert, und welche Wahrscheinlichkeit für einen System-

Drucksache 17/6872 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
schadenszustand pro Reaktorbetriebsjahr wurde dabei jeweils ermittelt (bitte
anlagenscharfe tabellarische Übersicht mit Datum, Kurzangabe des melde-
pflichtigen Ereignisses selbst sowie Kurzangabe des auslösenden Ereignis-
ses im Sinne der Precursor-Analyse – Eingreifen von Sicherheitssystemen –
bzw. des unterstellten Ereignisses im Sinne der Precursor-Analyse – einge-
schränkte Funktionsweise mindestens einer Sicherheitseinrichtung)?

Welche meldepflichtigen Ereignisse wurden dabei zu einem Precursor-
Ereignis zusammengefasst?

4. Welche meldepflichtigen Ereignisse wiesen zwar einen Einfluss auf die
Sicherheitsreserven auf, wurden aber in die Dokumentation der im Sinne der
Precursor-Analyse nicht bewertbaren Ereignisse aufgenommen, weil sie
nach den vorhandenen Informationen oder Methoden als nicht mit vertret-
barem Aufwand zu bewerten eingestuft wurden (bitte wiederum möglichst
genaue anlagenscharfe tabellarische Übersicht)?

Welche meldepflichtigen Ereignisse wurden dabei jeweils zu einem Ereignis
in dieser Dokumentation zusammengefasst?

Berlin, den 29. August 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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