BT-Drucksache 17/6807

Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung

Vom 17. August 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6807
17. Wahlperiode 17. 08. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Bärbel Höhn, Cornelia Behm,
Harald Ebner, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Markus Tressel,
Hans-Josef Fell, Oliver Krischer, Dorothea Steiner, Daniela Wagner
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung

Die Entstehung antibiotikaresistenter Keime, wie den besonders gefährlichen
MRSA-Keimen (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus), rückt zuneh-
mend in den Blick der Öffentlichkeit. Zu der kritischen Aufmerksamkeit trug
bei, dass nach Aussagen der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene e. V.
in Deutschland jährlich circa 7 000 Menschen an MRSA-Keimen sterben. Neben
der zu sorglosen Verschreibung von Antibiotika in der Humanmedizin ist auch
der übermäßige Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung verantwortlich
für die Entstehung solcher Resistenzen. Wissenschaftler des Robert Koch-
Instituts (RKI) haben 2010 bei Untersuchungen von Mastgeflügel in fast jeder
dritten Probe MRSA-Bakterien im Auftauwasser gefunden. Über unvollständig
erhitztes Fleisch oder verschmutzte Küchenutensilien können diese Erreger
leicht auf den Menschen übergehen. Das RKI empfiehlt deshalb bereits die
Verwendung von Einmalhandschuhen bei der Zubereitung von Geflügel. Die
MRSA-Keime können aber auch auf die Beschäftigten in der Landwirtschaft
und Fleischverarbeitung übergehen und dann im zweiten Schritt in die Kranken-
häuser und Arztpraxen eingeschleppt werden.

Obwohl seit 2006 der Einsatz von Antibiotika zur Leistungsförderung in der
Tiermast in der EU verboten ist, werden die Masttiere, vor allem in der Geflügel-
mast, immer noch mehrmals in ihrem Leben mit Antibiotika behandelt. Insbeson-
dere große Bestände und Regionen mit hoher Tierdichte könnten bei der Entste-
hung von Resistenzen eine Rolle spielen, da hier eine schnelle Verbreitung und
rasche Mutation möglich ist. Dazu trägt bei, dass bei auftretenden Krankheiten
in der Regel nicht einzelne Tiere, sondern ganze Bestände behandelt werden.
Auch das Europäische Parlament hat die Gefahr durch Resistenzbildungen er-
kannt und fordert in einem gemeinsamen Entschließungsantrag (B7-0295/2011)
schärfere Kontrollen und auf lange Sicht eine Tierhaltung ohne Antibiotika.

Doch derzeit fehlen für die wissenschaftliche Erfassung der Zusammenhänge
von Antibiotikagaben und der Entwicklung von Resistenzen noch solide Daten-
grundlagen.
Um die Auswirkungen des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung besser ab-
schätzen und Missbrauch vorbeugen zu können, müssen Tierarzneimittel künf-
tig durch ein elektronisches Meldesystem angesiedelt beim Deutschen Institut
für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) erfasst werden.

Konkret bedeutet dies, dass pharmazeutische Unternehmer und Großhändler seit
Januar 2011 die jährlich abgegebene Gesamtmenge von Arzneimitteln unter An-

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gabe der ersten beiden Postleitzahlen der Anschrift des behandelnden Tierarztes
melden müssen. Lediglich für „Arzneimittel, die ausschließlich für Geflügel zu-
gelassen sind“ gibt es eine Ausnahmeregelung: diese Medikamente müssen
nicht nach den Ziffern der Postleitzahlen aufgeschlüsselt werden.

Die Bundesregierung begründet dies mit der Notwendigkeit „zum Schutz per-
sonenbezogener Daten“ (Bundestagsdrucksache 17/3619). In einer Sprecher-
erklärung gegenüber „NDR Info“ vom 7. Juli 2011 begründet sie dies weiter
damit, „dass es in Deutschland nur wenige ausschließlich auf die Behandlung
von Geflügel spezialisierte Tierärzte gibt und diese bereits durch die Angabe der
ersten beiden Ziffern der Postleitzahl, insbesondere in schwach besiedelten Ge-
bieten, in Kombination mit dem Erhalt ausschließlich für Geflügel zugelassener
Arzneimittel, im Gegensatz zu den übrigen Tierärzten eindeutig zu identifizieren
wären.“

Im Widerspruch zu dieser Aussage sehen weder der Beauftragte der Bundes-
regierung für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, noch
sein schleswig-holsteinischer Kollege Dr. Thilo Weichert die Notwendigkeit für
eine Ausnahme für Geflügelmedikamente. Im Gegenteil: In einer Stellung-
nahme gegenüber „NDR Info“ vom 4. Mai 2011 schreibt Peter Schaar, dass
„unter dem Gesichtspunkt der Informationsfreiheit und des Verbraucherschutzes
[…] mehr Transparenz wünschenswert“ sei.

Wir fragen die Bundesregierung:

Umfang der Antibiotikagaben in der Tierhaltung

1. Wie oft erhalten Nutztiere nach Schätzung der Bundesregierung im Durch-
schnitt Antibiotika (bitte nach Tierarten aufgeschlüsselt), und worauf begrün-
det sich diese Schätzung?

2. Wie hoch ist der Antibiotikaeinsatz (Gesamtgewicht) in Deutschland in der
Tierhaltung pro Jahr insgesamt, wie hat sich deren Einsatz in den letzten
Jahren – vor allem seit dem seit 2006 EU-weit geltenden Verbot des Anti-
biotikaeinsatzes zur Leistungsförderung – verändert, und auf welcher Grund-
lage beruhen diese Zahlen?

3. Welche Antibiotika-Wirkstoffgruppen werden in der Tierhaltung hauptsäch-
lich eingesetzt?

4. Inwieweit hat bei den Antibiotika in den letzten fünf Jahren ein Wechsel zu
anderen Wirkstoffgruppen stattgefunden?

5. Wie hat sich der Einsatz der Reserveantibiotika in der Tierhaltung in den letz-
ten Jahren verändert?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die Zahlen des Niedersächsischen Minis-
teriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesent-
wicklung, nach denen Masthähnchen im Laufe ihres ca. 32-tägigen Lebens
im Durchschnitt 2,3-mal Antibiotika erhalten, während es zehn Jahre zuvor
noch 1,7 Einsätze waren?

Risiken aus dem Einsatz von Antibiotika

7. Vergrößert der derzeitige Umfang der Antibiotikagaben in der Tierhaltung
nach Einschätzung der Bundesregierung die Gefahr der Entwicklung von an-
tibiotikaresistenten Keimen, und welche Folgerungen zieht die Bundesregie-
rung aus ihrer Einschätzung?

8. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage des Präsidenten des Bundes-
instituts für Risikobewertung (BfR) Dr. Dr. Andreas Hensel, wonach Resis-

tenzen bei Krankheitserregern in Tieren und auf Lebensmitteln ein gravieren-
des Problem im gesundheitlichen Verbraucherschutz darstellen?

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9. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass durch von Lebensmitteln
übertragenen antibiotikaresistenten Keimen eine Gefahr für die mensch-
liche Gesundheit ausgeht?

10. Von welchen Lebensmitteln geht nach Information der Bundesregierung die
größte Gefahr einer Übertragung von resistenten Keimen aus?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die Befunde von Wissenschaftlern des
RKI aus dem Jahr 2010, wonach bei Untersuchungen von Mastgeflügel in
fast jeder dritten Probe MRSA-Bakterien, also die besonders gefährlichen
Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus Keime, im Auftauwasser ge-
funden wurden?

12. Wie bewertet die Bundesregierung die Empfehlung des RKI, insbesondere
Hähnchenfleisch nur noch stark erhitzt zu verzehren und bei der Verar-
beitung von Fleisch Einmalhandschuhe zu tragen, um sich vor der Konta-
mination mit resistenten Keimen zu schützen?

13. Wie bewertet die Bundesregierung Untersuchungen des BfR aus dem Jahr
2009, wonach Isolate von Salmonellen, Escherichia coli und Campylabac-
ter aus Tier- und Lebensmittelproben zu einem hohen Prozentsatz Resisten-
zen aufwiesen und zum Teil in einem Drittel der Proben sogar multiresis-
tente Keime gefunden wurden?

14. Hat die Bundesregierung entsprechend der Analyse von Mellmann et al.
(2011) („Prospective Genomic Characterization of the German Enterohe-
morrhagic Escherichia coli O104:H4 Outbreak by Rapid Next Generation
Sequencing Technology“) Erkenntnisse darüber, dass der EHEC-Stamm
O104:H4 unter anderem Antibiotikaresistenzgene enthält, und hat sie
darüber hinaus Kenntnisse über die Entstehung dieser Antibiotikaresistenz-
gene?

15. Hält die Bundesregierung die Entstehung dieser Antibiotikaresistenzgene
im Rahmen der Antibiotikaverwendung in der Tierhaltung für möglich?

16. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, welche Rolle
Antiobiotikaresistenzgene für die besondere Aggressivität des EHEC-
Erregers O104:H4 spielen?

17. Wie bewertet die Bundesregierung Angaben des BfR aus dem Jahr 2009,
wonach in 50 bis 60 Prozent aller Schweinebetriebe besonders gefährliche
MRSA-Keime zu finden sind?

18. Wie viel Prozent der Mastbetriebe (aufgelistet nach Haltungsform und Tier-
art) sind nach Schätzungen der Bundesregierung mit MRSA-Keimen kon-
taminiert?

19. Welche Zahlen liegen der Bundesregierung über die unterschiedliche Belas-
tung von Ökofleisch und konventionellen Fleisch mit multiresistenten Kei-
men vor?

Wie erklärt sich die Bundesregierung, das Biofleisch in den meisten Fällen
deutlich weniger belastet ist?

20. Wie bewertet die Bundesregierung die Ergebnisse der Studie des RKI, bei
der es um den Zusammenhang von Haltungsverfahren und Auftreten von
MRSA ging (Neuland, Erzeuger-Rundbrief 2/2010), nach denen in keinem
einzigen der untersuchten Neuland-Betriebe MRSA bei Tieren nachgewie-
sen werden konnte, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus diesem Zusammenhang zwischen Haltungsform und dem Vorkommen
von MRSA?

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21. Wie bewertet die Bundesregierung Zahlen des BfR aus dem Jahr 2009, wo-
nach Antibiotikaresistenzen insbesondere in reinen Mastbetrieben mit ho-
hen Bestandszahlen und Teil- oder Vollspaltböden auftritt?

22. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass es einen Zusammenhang
zwischen der Größe von Tierbeständen, regionalen Besatzdichten und der
Höhe des Antibiotikaverbrauchs gibt?

23. Wenn ja, auf welche Grundlagen stützt sich diese Einschätzung, und wenn
nein, wie plant die Bundesregierung eine brauchbare Datengrundlage zu er-
reichen, wenn die ausschließlich für Geflügel zugelassenen Arzneimittel von
der DIMDI-Arzneimittelverordnung (DIMDI-AMV) ausgenommen sind?

24. Wie bewertet die Bundesregierung die Einschätzung des RKI, wonach
Antibiotikaresistenzen vor allem ein Problem der Massentierhaltung sind
und bei artgerechter Tierhaltung deutlich weniger auftritt?

Welchen Zusammenhang sieht die Bundesregierung zwischen Haltungs-
form und Antibiotikaeinsatz beziehungsweise dem Auftauchen von Resis-
tenzen?

25. Wie schätzt die Bundesregierung die gesundheitliche Gefahr für Tierhalter
und deren Mitarbeiter ein, die häufig täglich direkten Kontakt zu Tieren mit
zum Teil multiresistenten Keimen haben?

26. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass mehr als 30 Prozent der
Landwirte im Münsterland MRSA auf den Händen tragen, und von welchen
Schätzungen geht die Bundesregierung aus, bezüglich der Belastung von
Landwirten mit multiresistenten Keimen?

27. Studien aus den Niederlanden zeigen, dass in sieben von zehn Schweine-
betrieben, in denen MRSA nachgewiesen wurden auch die Mitarbeiter
besiedelt waren. Gibt es für Deutschland vergleichbare Zahlen?

28. Wie bewertet die Bundesregierung die Stellungnahme des BfR aus dem Jahr
2009, wonach sich Menschen durch den Kontakt mit Nutztieren mit MRSA
infizieren können und diese Keime dann an andere Menschen übertragen
können beziehungsweise ein Eintrag der Keime in die Krankenhäuser über
diese Personen möglich ist?

Welche Konsequenzen will die Bundesregierung aus diesen Erkenntnissen
ziehen?

29. Gibt es Pläne der Bundesregierung, für die Krankenhäuser ein verbindli-
ches Screening von Risikogruppen, die vermehrt mit antibiotikaresistenten
Keimen kontaminiert sind, vorzuschreiben – wie es zum Beispiel in den
Niederlanden praktiziert wird?

30. Wie bewertet die Bundesregierung die Erkenntnisse des BfR aus dem Jahr
2009, wonach sich in der Umgebungsluft von Massentierhaltungsanlagen
höhere Konzentrationen von MRSA nachweisen lassen?

DIMDI-Datenbank

31. Welche Stellen in den Bundesländern und gegebenenfalls darüber hinaus
haben derzeit und künftig Zugriff auf die DIMDI-Daten?

32. Werden ausschließlich für Geflügel zugelassene Arzneimittel überhaupt er-
hoben, und wenn ja, in welcher Form, und welche Konsequenzen ergeben
sich bei möglichen Auffälligkeiten in den Daten?

33. Wie viele Medikamente sind nur für Geflügel zugelassen, und zu welcher
Wirkstoffgruppe gehören diese jeweils?
34. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass die nur für Geflügel zugelas-
senen Medikamente auch in der Schweinehaltung eingesetzt werden?

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Datenschutz

35. Hat die Bundesregierung Kenntnis von der Haltung des Beauftragten der
Bundesregierung für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter
Schaar, zur Ausnahme der Geflügelmedikamente in der DIMDI-AMV,
wann hat die Bundesregierung Kenntnis von dessen Meinung bekommen,
und welche Relevanz hat diese für die Bundesregierung?

36. Wie beurteilt die Bundesregierung die in der Stellungnahme vom 4. Mai
2011 gegenüber „NDR Info“ getroffene Aussage des Beauftragten der Bun-
desregierung für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar,
die im Wesentlichen auch von seinem Kollegen aus Schleswig-Holstein,
Dr. Thilo Weichert, vertreten wird, dass die Nennung von Postleitzahlen im
Zusammenhang mit der DIMDI-AMV nicht datenschutzrelevant sei und
„unter dem Gesichtspunkt der Informationsfreiheit und des Verbraucher-
schutzes […] mehr Transparenz wünschenswert“ sei?

37. Liegt es in der Absicht der Bundesregierung, dass konzentrierte Tierhaltung
mit mehr Datenschutz einhergeht?

38. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass es wie in der Geflügelhaltung
auch in der Schweinemast spezialisierte Tierärzte gibt und so in schwach
besiedelten Gebieten Rückschlüsse auf die einzelnen Tierärzte und damit
auch die Betriebe möglich sind?

39. Sieht die Bundesregierung ein datenschutzrechtliches Problem in der Tat-
sache, dass Biobetriebe nach der Öko-Durchführungsverordnung tierärztli-
che Behandlungen mit Antibiotika der Kontrollbehörde offenlegen müssen,
und wenn nein, warum nicht?

40. Wie beurteilen jeweils das Bundesministerium der Justiz und des Innern die
Datenschutzrelevanz der Ausnahme von Arzneimittel für Geflügel in der
DIMDI-AMV?

41. Wäre es aus ausschließlich fachlicher Sicht im Sinne einer
a) risikoorientierten Überwachung und
b) wissenschaftlichen Auswertung der in der Tierhaltung eingesetzten

Antibiotika
nicht sinnvoller, auch die ausschließlich für Geflügel zugelassenen Medi-
kamente in der DIMDI-Datenbank zu erfassen?

42. Sieht das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz eine Notwendigkeit, den Einfluss von Lobbyisten im Bundes-
ministerium zu verringern, wie dies der Bundesminister für Gesundheit,
Daniel Bahr, laut Presseberichten plant, und wenn ja, was ist hier vorgese-
hen, und wenn nein, warum nicht?

43. Ist es korrekt, dass vorhandene Hinweise auf Missbrauch aus der DIMDI-
Datenbank nicht zur Strafverfolgung genutzt und an die Bundesländer wei-
tergegeben werden dürfen, und wie will die Bundesregierung in diesem Fall
Hinweisen auf den Missbrauch von Arzneimitteln nachgehen bzw. was legt
sie den Bundesländern hierzu nahe?

Haltung der Tierärzte

44. Wie bewertet die Bundesregierung den Antrag der Bayerischen Landestier-
ärztekammer, der bundesweit größten Tierärztekammer, zur DIMDI-AMV,
der am 1. Juni 2011 in Nürnberg beschlossen wurde?

45. Wie steht die Bundesregierung zu den im Sinne einer risikoorientierten
Überwachung genannten Forderungen der Bayerischen Landestierärzte-

kammer, die jährlich abgegebene Gesamtmenge an Arzneimitteln aufge-

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schlüsselt mit der Anschrift des jeweiligen Tierarztes anzugeben sowie die
Ausnahmeregelung für Medikamente, die für Geflügel zugelassen sind, zu
streichen?

Haltung der Bundesländer

46. Welche Landesregierungen sind nach Kenntnis der Bundesregierung für
eine strengere Regelung der DIMDI-AMV oder gegen die Ausnahme für
Geflügelmedikamente, und welche Landesregierungen sind mit diesem
Wunsch an die Bundesregierung herangetreten?

47. Erkennt die Bundesregierung die Bedenken einiger Bundesländer an, die
befürchten, dass mit der Ausnahme von Geflügelbetrieben aus der DIMDI-
AMV die Datengrundlage für eine risikoorientierte Überwachung der Anti-
biotikagaben in der Tierhaltung unzureichend ist?

48. Wie steht die Bundesregierung zur Aussage von Niedersachsens Minister
für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung,
Gert Lindemann, vom 7. Juli 2011 gegenüber „NDR Info“, dass es „gerade
mit Blick auf das gestiegene Vorkommen von multiresistenten Keime“
sinnvoll sei, „umfangreich Daten über die Antibiotikavergabe zu sammeln
und auszuwerten“?

49. Sind die Vollzugsbehörden der Länder aus Sicht der Bundesregierung per-
sonell in der Lage, die bei den Tierhaltern bzw. den behandelnden Tierärz-
ten vorhanden Unterlagen über die Anwendung von Arzneimitteln regelmä-
ßig zu überprüfen und rechtlich und fachlich zu bewerten?

50. In welchem Umfang geschieht dies nach Kenntnis der Bundesregierung
derzeit, und welche Erkenntnisse konnten daraus gewonnen werden?

51. Stimmt die Bundesregierung zu, dass eine risikoorientierte Auswertung der
gesammelten Daten nötig ist, um erfolgreich die Verwendung von Antibio-
tika in der Tierhaltung zu überprüfen?

52. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass eine risikoorientierte Über-
wachung (über reine Stichproben hinaus) der Bundesländer durch die Ab-
frage bei Betrieben möglich ist?

Europäische Initiativen

53. Hat Deutschland seit 2009 in die Datenbank des ESVAC (Europäisches Pro-
jekt zur Überwachung des Verbrauchs antimikrobieller Mittel in der Veteri-
närmedizin) bereits Daten eingespeist (bitte genaue Aufschlüsselung der
Herkunft der Daten), und wo können diese Daten jeweils eingesehen werden?

Falls nein, was plant die Bundesregierung zu tun, um das Netzwerk zu
unterstützen?

54. Sind der Bundesregierung bereits Zwischenergebnisse des Projekts be-
kannt, und wenn ja, wie sehen diese aus, und wenn nein, wann sind Ergeb-
nisse zu erwarten?

55. Sieht die Bundesregierung die Möglichkeit, durch Impfungen mit bereits
bestehenden oder neuen Impfmitteln den Einsatz von Antibiotika zu verrin-
gern?

Wenn ja, bei welchen Erkrankungen sieht die Bundesregierung diesbezüg-
lich Potenziale, und welche Planungen gibt es bereits?

56. Wie bewertet die Bundesregierung die vom Europäischen Parlament aufge-
stellte Forderung „dass die Daten nicht nur erhoben, sondern auch ord-
nungsgemäß analysiert, die Ergebnisse in die Praxis umgesetzt und die er-

forderlichen Maßnahmen sowohl auf Unionsebene als auch auf der Ebene

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der Mitgliedstaaten ergriffen werden müssen“, und wie sieht die Bundes-
regierung diese Forderung aus dem fraktionsübergreifenden Entschließungs-
antrag (B7-0295/2011) gewährleistet, solange ausschließlich für Geflügel
zugelassene Medikamente von der DIMDI-AMV ausgenommen werden?

57. Wie bewertet die Bundesregierung die Annahme des Europäischen Parla-
ments, dass 50 Prozent der in Europa eingesetzten Antibiotika in der Tier-
haltung verwendet werden?

58. Wie ist aus Sicht der Bundesregierung die Diskrepanz zu beurteilen, die
sich aus der Forderung des fraktionsübergreifenden Entschließungsantrags
des Europäischen Parlaments ergibt, „dass vollständige Informationen
darüber notwendig sind, wo, wie und bei welchen Tieren antimikrobielle
Substanzen heute eingesetzt werden“ und der Ausnahme von nur für Ge-
flügel zugelassene Arzneimittel aus der DIMDI-AMV?

59. Erwägt die Bundesregierung einen nationalen Plan zur Reduktion des Anti-
biotikaeinsatzes in der Tierhaltung, vergleichbar etwa mit den Plänen der
Niederlande, die den Antibiotikaeinsatz bis 2013 auf das Niveau von 1999
zurückfahren wollen, aufzusetzen?

Wenn ja, für wann ist ein solcher Plan vorgesehen, und welche Maßnahmen
sind für diesen Plan angedacht?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 17. August 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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