BT-Drucksache 17/678

Starker Anstieg der Prämien in der privaten Krankenversicherung

Vom 10. Februar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/678
17. Wahlperiode 10. 02. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Elke Ferner, Bärbel Bas, Dr. Edgar Franke, Iris Gleicke, Angelika
Graf (Rosenheim), Ute Kumpf, Dr. Karl Lauterbach, Steffen-Claudio Lemme,
Hilde Mattheis, Thomas Oppermann, Mechthild Rawert, Dr. Carola Reimann,
Dr. Marlies Volkmer, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Starker Anstieg der Prämien in der privaten Krankenversicherung

Seit vielen Jahren wachsen die Prämien der privaten Krankenversicherung
(PKV) annähernd doppelt so schnell wie vergleichbare Beiträge in der gesetz-
lichenKrankenversicherung. Obwohl die PKV in einer Reihe von Bereichen von
Kosten senkenden bzw. Kosten begrenzenden Maßnahmen der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) wie den Festbeträgen im Arzneimittelbereich oder
der Anwendung der Fallpauschalen der GKV in der stationären Versorgung pro-
fitiert, ist der drastische Prämienanstieg weiterhin ungebrochen. Insbesondere
immer mehr ältere Versicherte haben daher unter zum Teil zweistelligen Prä-
miensteigerungen zu leiden.Während die PKV sich offiziell selbst als „zukunfts-
trächtiges System“ bezeichnet, wird aufgrund der ökonomischen Situation in den
konzernangehörigen Versicherungen längst über eine Abwicklung dieses Sys-
tems nachgedacht, da offenbar die Gewinnerwartungen – erst Recht in der
aktuellen schweren Krise der Finanzmärkte – nicht dauerhaft erfüllt werden kön-
nen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Studien bzw. Veröffentlichungen zur Entwicklung der Prämien der
PKV imZeitraum ab 1990 oder später sind der Bundesregierung bekannt, und
welche wesentlichen Ergebnisse haben diese Studien, insbesondere im Ver-
gleich zur GKV?

2. WelchewesentlichenUrsachen für denBeitragsanstiegnennendieseStudien?

3. Verfügt die Bundesregierung über eigene Erkenntnisse zum Beitragsanstieg
in der PKV, und wenn ja, welche?

4. Wie bewertet die Bundesregierung die Ergebnisse dieser Studien, und welche
Konsequenzen will sie ggf. daraus ziehen?

5. Welche Erfahrungen über die Praxis der laut § 204 des Versicherungsver-
tragsgesetzes gegebenenMöglichkeit des jederzeitigenWechsels in Tarifemit
gleichartigem Versicherungsschutz eines Krankenversicherers z. B. bei Prä-
mienerhöhungen liegen der Bundesregierung vor?

Sieht sie hier Bedarf für gesetzliche Änderungen, insbesondere mit Blick auf
mehr Transparenz für die Versicherten über die Existenz solcher Tarife?

6. Auf welche wesentlichen Leistungsbereiche (ambulante haus- bzw. fachärzt-
liche Versorgung, Arzneimittelversorgung, stationäre Versorgung) geht nach
Kenntnis der Bundesregierung der drastische Kostenanstieg der Prämien zu-
rück (bitte nach Leistungsbereichen untergliedern)?

Drucksache 17/678 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

7. Plant die Bundesregierung, wie von der PKV gefordert, mit gesetzlichen
Maßnahmen gegen die Tendenz in der stationären Versorgung vorzugehen,
wonach durch sogenannte Ausgründungen von Privatkliniken aus Plan-
krankenhäusern die dort vorgesehene Abrechnung nach den Fallpauschalen
der GKV umgangen wird, um so wesentlich höhere Preise in Rechnung stel-
len zu können?

8. Wann wird die Bundesregierung den bereits in der letzten Legislaturperiode
erarbeiteten Entwurf der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) vorlegen,
und wird diese Gebührenordnung wie von der PKV gefordert, eine Öff-
nungsklausel enthalten, die es den Versicherern erlauben würde, für zahn-
ärztliche Leistungen abweichende Preise zu vereinbaren?

9. Wann wird die Bundesregierung einen Entwurf einer neuen Gebührenord-
nung für Ärzte (GOÄ) vorlegen, und wird diese Gebührenordnung wie von
der PKV gefordert, eine Öffnungsklausel enthalten, die es den Versicherern
erlauben würde, für ärztliche Leistungen abweichende Preise zu vereinba-
ren?

10. Wie soll die laut Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vorgese-
hene klarere Abgrenzung zwischen GKV und PKV bei den Wahltarifen der
gesetzlichen Krankenversicherung genau aussehen, und in welcher Weise
sollen die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen GKV und PKV
beim Angebot von Wahl- und Zusatzleistungen die Abgrenzung zwischen
diesen beiden Versicherungssäulen verändert werden?

11. Wie hat sich die Bevölkerung sowie die Gesamtzahl der GKV- und PKV-
Versicherten seit dem Jahr 2000 bis 2009 jährlich entwickelt, undwie fiel der
Wechselsaldo zwischen GKV und PKV in jedem Jahr aus?

12. Warum will die Bundesregierung die mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungs-
gesetz eingeführte „Drei-Jahres-Wechsel-Frist“ für freiwillig Versicherte
wieder auf ein Jahr reduzieren, undwelche finanziellenBelastungen sind da-
mit für die GKV verbunden?

13. Will die Bundesregierung den laut Koalitionsvertrag angestrebten Wettbe-
werb im Krankenversicherungswesen auch dadurch fördern, dass für aktive
Beamte und/oder Versorgungsempfänger die Möglichkeit eines Arbeitge-
berzuschusses vorgesehen oder ein Teilkostentarif in der GKV eingeführt
wird und so für diesen Personenkreis die Wahl einer Absicherung in der
GKV faktisch überhaupt möglich wird?

Wenn nein, warum nicht?

14. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über die Bürokratiebelastung der
privat Versicherten durch das in der PKV geltende Verfahren der Kosten-
erstattung vor, und beabsichtigt sie, diese im Rahmen des von ihr beabsich-
tigtenBürokratiekostenabbaus durch Einführung derMöglichkeit derDirekt-
abrechnung zwischen Leistungserbringer und Krankenversicherungsunter-
nehmen zu reduzieren?

15. Welchen Anteil machen einerseits die Verwaltungskosten an den gesamten
Beitragseinnahmen sowie den Leistungsausgaben der GKV (im Durch-
schnitt sowie höchster und niedrigster Wert) aus, und welchen Anteil an den
Prämieneinnahmen sowie den Leistungsausgaben nehmen andererseits die
Kosten des Versicherungsvertriebs (Verwaltungs- und Abschlusskosten zu-
sammen) in der PKV in Anspruch (im Durchschnitt sowie höchster und
niedrigsterWert)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/678

16. Wie viele Versicherte sind nach letztem bekannten Stand im Standardtarif
der PKV versichert?

Für wie viele dieser Versicherten findet die Beitragsbegrenzung entspre-
chend GKV-Höchstbeitrag Anwendung?

17. Wie viele Versicherte sind nach letztem bekannten Stand im Basistarif der
PKV versichert?

Wie viele Versicherte nehmen die Beitragshalbierung aufgrund von Hilfe-
bedürftigkeit in Anspruch?

18. Wie hoch ist der tatsächliche Umverteilungsbedarf durch die Beitragsdecke-
lung und -halbierung, und in welchem Umfang werden alle PKV-Versicher-
ten insgesamt dadurch tatsächlich belastet?

19. Wie viele Versicherte sind innerhalb ihres Versicherers in den Basistarif ge-
wechselt, und wie viele Versicherte sind in den Basistarif eines anderen Ver-
sicherers gewechselt?

20. Wie viele ehemals nicht Versicherte hat die PKV seit 1. Juli 2007 aufgenom-
men, wie viele davon wurden in den modifizierten Standardtarif bzw. ab
1. Januar 2009 in den Basistarif aufgenommen, und wie viele ehemals nicht
Versicherte wurden seit 1. Juli 2007 in andere Tarifen der PKV aufgenom-
men?

21. Wie beabsichtigt die Bundesregierung das Problem der sogenannten Bei-
tragslücke bei hilfebedürftigen Basistarif-Versicherten zu lösen, und bis
wann ist mit einem entsprechenden Gesetzgebungsvorschlag zu rechnen?

22. Wie hat sich in den letzten Jahren nach Kenntnis der Bundesregierung die
(Netto-)Verzinsung der Kapitalanlagen der einzelnen privaten Krankenver-
sicherungsunternehmen entwickelt?

Gibt es Unternehmen, die den gesetzlich verlangten Rechnungszins zuletzt
nicht mehr aus der (Netto-)Verzinsung bedienen konnten, und welche waren
dies dann?

23. Welche Unternehmen der PKV hatten im Jahr 2008 in welchem Umfang
Kapital bei den Landesbanken, der HypoReal Estate Bank (HRE) oder ande-
ren Instituten angelegt?

24. In welchemUmfang hat sich die PKV oder ggf. die Versicherungswirtschaft
insgesamt an den Garantien zur Rettung der HRE beteiligt?

25. Hält die Bundesregierung die Kontrolle der finanziellen Leistungsfähigkeit
der Versicherer durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
(BaFin) für ausreichend, oder plant sie hier Änderungen, und wenn ja,
welche?

26. Wie viele Beschäftigte der BaFin widmen sich derzeit der Wahrnehmung
von Verbraucherschutzinteressen der privat Krankenversicherten?

Wie viele Beschäftigte waren dies vor fünf bzw. vor zehn Jahren?

27. Wie viele privat Versicherte haben sich bei der BaFin wegen Beitragserhö-
hungen ihrer Versicherer beschwert (bitte jährlich seit 2000 auflisten)?

28. WelcheMöglichkeiten hat die BaFin, zu prüfen, ob Beitragserhöhungen von
privaten Krankenversicherungen berechtigt sind oder nicht?

Hat sie von diesenMöglichkeiten in den letzten Jahren Gebrauch gemacht?

Wie viele Beanstandungen gab es in den vergangenen Jahren (bitte jährlich
seit 2000 auflisten)?

Drucksache 17/678 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
29. Werden aus Sicht der Bundesregierung die Verbraucherinteressen privat
Versicherter angemessen gewahrt, wenn private Krankenversicherungs-
unternehmen Beitragserhöhungen ausschließlich von einem unabhängigen
Treuhänder genehmigen lassen müssen?

30. Hält die Bundesregierung die Wahrnehmung von Verbraucherschutzbelan-
gen der Versicherten durch die BaFin für ausreichend, oder plant sie hier
Änderungen, und wenn ja, welche?

31. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung zur Schaffung von mehr
Wettbewerb innerhalb der PKV?

32. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Rechte der privat
Versicherten hinsichtlich einesWechsels innerhalb der PKVunterMitnahme
der Alterungsrückstellungen zu stärken?

Berlin, den 10. Februar 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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