BT-Drucksache 17/6682

Grundlagen für die Entscheidung zur atomaren Kaltreserve

Vom 26. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6682
17. Wahlperiode 26. 07. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ingrid Nestle, Oliver Krischer, Sylvia Kotting-Uhl,
Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Cornelia Behm, Harald Ebner, Dr. Anton Hofreiter,
Stephan Kühn, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Dorothea Steiner,
Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Grundlagen für die Entscheidung zur atomaren Kaltreserve

Mit der Novellierung des Atom- und Energiewirtschaftsgesetzes hat die Bun-
desregierung die Option eröffnet, dass eins der sieben ältesten Atomkraftwerke
(AKW), die aus Sicherheitsgründen endgültig stillgelegt werden, noch bis zum
31. März 2013 in einem Reservebetrieb gehalten werden kann. Die Entschei-
dung hierüber soll die Bundesnetzagentur bis zum 1. September 2011 fällen.
Als Grundlage für diese Entscheidung müssen neben der verfügbaren Erzeu-
gungskapazität auch die Lasten mit den Potenzialen zur Lasteinsenkung sowie
die Netzinfrastruktur aber auch kurzfristige Netzoptimierungspotenziale einbe-
zogen werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welches ist das Hauptproblemen, dem mit dem Reservebetrieb eines AKW
begegnet werden soll (z. B. erzeugungsseitige Versorgungssicherheit, Ver-
sorgungssicherheit unter Einbeziehung von Netzengpässen, Spannungshal-
tung)?

2. Wird das Reserve-AKW benötigt, um die erzeugungsseitige Versorgungs-
sicherheit zu gewährleisten?

3. Wie wird die Netzinfrastruktur konkret in die Entscheidung einbezogen
(z. B. Netzberechnungen)?

4. Welche kurzfristig umsetzbaren netzseitigen Maßnahmen, die die Sicherheit
oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in der jeweiligen
Regelzone erhöhen können, fließen in die Entscheidung über den Reserve-
betrieb eines Atomkraftwerks ein?

5. Inwiefern wird konkret der Phasenschieberbetrieb in die Entscheidung mit
einbezogen, der nach Umbaumaßnahmen innerhalb von nur drei bis sechs
Monaten technisch möglich ist (nach Bundesnetzagentur, Auswirkungen des
Kernkraftwerk-Moratoriums auf die Übertragungsnetze und die Versor-

gungssicherheit – AKTUALISIERUNG, S. VIII).

6. Zu welchem Ergebnis kam die Bundesregierung in Bezug auf die im o. a.
Bericht der Bundesnetzagentur aufgeworfenen offenen „rechtlich kompli-
zierte[n], noch zu untersuchende[n]“ Fragen in Bezug auf den Phasenschie-
berbetrieb (ebenda S. VIII)?

Drucksache 17/6682 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

7. Findet neben der Ermittlung der Erzeugungskapazitäten auch eine systema-
tische Ermittlung des Potenzials zur Lasteinsenkung statt, die den gleichen
Effekt wie zusätzliche Erzeugung hat?

8. Inwieweit bezieht die Bundesnetzagentur diese Kapazitäten zur Lastein-
senkung z. B. bei energieintensiven Betrieben mit in die Abwägung ein,
um eine Kaltreserve damit überflüssig zu machen?

9. Plant die Bundesregierung, die rund 300 Megawatt (MW) der derzeit auf-
grund hoher Pflanzenölpreise ungenutzten hocheffizienten Pflanzenöl-
blockheizkraftwerke über Gesetzesänderungen – z. B. durch eine vorüber-
gehende Aufnahme in das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz – zu aktivieren,
oder welche andere Maßnahmen will sie ggf. ergreifen, um diese Kapazitä-
ten schnell zu reaktivieren?

10. Welche weiteren stillliegenden Blockheizkraftwerksreserven werden in
Betracht gezogen?

11. Zu welchem Ergebnis kam die Ermittlung der Erzeugungsanlagen von un-
ter 100 MW der Bundesnetzagentur (Angabe von Art der Erzeugungsanla-
gen und korrespondierender Leistung), insbesondere in Bezug auf die von
den AKW-Abschaltungen besonders betroffenen Netzregionen?

12. Inwiefern werden fluktuierende und nichtfluktuierende erneuerbare Ener-
gieanlagen in die Berechnungen der Bundesnetzagentur einbezogen?

13. Prüft die Bundesregierung in Bezug auf einen AKW-Reservebetrieb auch
die Einbeziehung anderer dezentraler Erzeugungsanlagen wie Notstrom-
aggregate, die intelligent angebunden auch gezielt in Engpasssituationen
eingesetzt werden können?

Falls ja, mit welchem Ergebnis?

Falls nein, warum nicht, und plant sie trotzdem, die Einbindung und Nutz-
barmachung dieser Anlagen zeitnah voranzutreiben?

14. Inwieweit werden die verschiedenen Alternativen (atomare Kaltreserve,
Lasteinsenkungen, Aktivierung dezentraler Stromerzeuger) auch wirt-
schaftlich und auf ihren nachhaltigen Nutzen hin bewertet und verglichen?

15. An welche Institution hat die Bundesnetzagentur den Auftrag zur Erstel-
lung des Gutachtens gegeben, das als Grundlage für die Entscheidung zum
Einsatz eines AKW als Kaltreserve dienen soll?

16. Wann wird dieses Gutachten an die Bundesnetzagentur übergeben?

17. Wann und wie wird das Gutachten veröffentlicht?

18. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass der AKW-Betreiber aus dem
Reservebetrieb seines AKW gegebenenfalls Gewinne generiert?

19. Wer trägt gegebenenfalls die anfallenden Kosten des AKW-Reservebe-
triebs?

20. Spielen Sicherheitsbewertungen bei der Auswahl des AKW als Kaltreserve
eine Rolle vor dem Hintergrund, dass es aus sieben AKW, die aus Sicher-
heitsgründen vom Netz gehen sollen, ausgewählt wird?

Wenn ja, inwiefern?

21. Wie lautet das Ergebnis der Erhebung der gesicherten Kapazität, der Blind-
leistungsbereitstellung und anderer für die Entscheidung zur atomaren
Kaltreserve wesentlicher Kennzahlen durch die Bundesnetzagentur (bitte
nach Erzeugungsart und den für die Entscheidung der Bundesnetzagentur
relevanten Netzgebieten aufteilen)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6682

22. Zu welchem Ergebnis kommt die Bundesnetzagentur nach ihren Unter-
suchungen in Bezug auf die Anordnung eines Reservebetriebs nach dem
geänderten § 7 Absatz 1e des Atomgesetzes?

Berlin, den 26. Juli 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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