BT-Drucksache 17/6639

Vorläufige Sicherheitsanalyse Gorleben

Vom 20. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6639
17. Wahlperiode 20. 07. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Dorothea Steiner, Harald Ebner,
Hans-Josef Fell, Bettina Herlitzius, Bärbel Höhn, Oliver Krischer, Stephan Kühn,
Undine Kurth (Quedlinburg), Ingrid Nestle, Brigitte Pothmer, Daniela Wagner,
Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Vorläufige Sicherheitsanalyse Gorleben

Im Sommer 2010 beauftragte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (BMU) die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktor-
sicherheit (GRS) mbH mit der vorläufigen Sicherheitsanalyse Gorleben, deren
vorrangiges Ziel eine nachvollziehbar dokumentierte Prognose sei, ob der
Standort Gorleben die neuen Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung
wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle einhalten könne (vgl. BMU-Presse-
mitteilung vom 5. August 2010). Zwischenergebnisse sollen im Internet beim
BMU, der GRS und dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) einsehbar ge-
macht werden.

Neben der GRS arbeiten weitere Institutionen wie die Bundesanstalt für Geo-
wissenschaften und Rohstoffe (BGR), die DBE TECHNOLOGY GmbH, das In-
stitut für Nukleare Entsorgung (INE) des Karlsruher Instituts für Technologie
und das Institut für Gebirgsmechanik GmbH (IfG) in Leipzig an der Analyse
mit. Hinzu kommen weitere Unterauftragnehmer wie Dr. Bruno Thomauske.
Nach seinem Ausscheiden aus dem BfS im Jahr 2003 war Dr. Bruno Thomauske
Leiter des Geschäftsbereichs Atomkraftwerke bei der Vattenfall Europe AG, bis
es bei der Kommunikation zu den Reaktorschnellabschaltungen der Atomkraft-
werke Brunsbüttel und Krümmel zu Pannen und infolgedessen zur Entlassung
Dr. Bruno Thomauskes kam. Nicht zuletzt deshalb gilt Dr. Bruno Thomauske
als umstrittene Figur der deutschen Atompolitik (vgl. beispielsweise „Thomaus-
kes Baustellen“, Frankfurter Allgemeine, FAZ.NET vom 16. Juli 2007 und
„Vatten-Stör-Fall“, Neue Osnabrücker Zeitung vom 14. Juli 2007).

In seinem 2004 in der Zeitschrift „Die Atomwirtschaft“ erschienenen Artikel
„Wege zur Endlagerung radioaktiver Abfälle in der Bundesrepublik Deutsch-
land“ stellte Dr. Bruno Thomauske als bereits vorliegendes Ergebnis der bis-
herigen Erkundung Gorlebens fest: „Der Hauptanhydrit liegt zerblockt vor. Die
isolierten Laugenvorkommen in den Hauptanhydritschollen weisen keine Ver-
bindung zum Salzspiegel oder zum Deckgebirge auf“. Ausweislich der Äuße-
rungen des BMU soll dagegen erst die weitere Erkundung Aufschluss geben, ob

diese potentiellen Wegsamkeiten für radioaktive Stoffe tatsächlich auszuschlie-
ßen sind.

Des Weiteren vertrat Dr. Bruno Thomauske in dieser Publikation die Auffas-
sung, dass zur Eignungsbewertung keine weiteren Erkundungsarbeiten mehr
notwendig sind, sondern nur noch zur Ermittlung der Einlagerungskapazitäten:
„Der Eignungsnachweis, ob der Standort für hochradioaktive, wärmeent-
wickelnde Abfalle geeignet ist, könnte schon heute erfolgen. Dann bliebe

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(durch Umfahrung und Untersuchung der Erkundungsbereiche 3, 5, 7 und 9)
noch zu klären, ob die nordöstliche Hälfte des Salzstockes zur Aufnahme sämt-
licher Abfälle aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie der Bundesrepublik
Deutschland hinreichend ist.“

Nach Vorlage der vorläufigen Sicherheitsanalyse Gorleben (im Weiteren auch
kurz Analyse) soll diese laut o. g. BMU-Pressemitteilung einem internationalen
Peer Review unterzogen werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

Zu Auftrag, Verfahren und den Beteiligten

1. Wie genau lautet der Auftrag, den das BMU der GRS für die Durchführung
der vorläufigen Sicherheitsanalyse Gorleben erteilt hat (genauer Wortlaut
bitte), wann wurde der Auftrag erteilt, und wann begann und endet der Be-
arbeitungszeitraum?

2. Erfolgte die Vergabe an die GRS als Ergebnis einer öffentlichen Ausschrei-
bung?

Falls nein, weshalb (bitte ausführliche Angabe der Gründe) erfolgte die
Vergabe freihändig?

3. Welchen finanziellen Umfang hat der Auftrag zur vorläufigen Sicherheits-
analyse Gorleben an die GRS?

4. Wie viele Personen arbeiten insgesamt im Rahmen des BMU-Auftrags,
weiterer Unteraufträge oder anderweitig an der vorläufigen Sicherheitsana-
lyse Gorleben mit?

5. Welche Personen sind dies im Einzelnen (bitte Übersicht mit Zuordnung
zur jeweiligen Institution/Organisation)?

6. Welche Unteraufträge für die vorläufige Sicherheitsanalyse Gorleben gibt
es (bitte mit Angabe von Datum, Auftragnehmer, wesentlichem Auftrags-
gegenstand, Bearbeitungszeitraum und finanziellem Umfang)?

7. Wie ist die Arbeit zur Erstellung der vorläufigen Sicherheitsanalyse Gorle-
ben strukturell gegliedert?

Ist die Bundesregierung bereit, dem Parlament entsprechende Originalun-
terlagen zu übermitteln, und wenn nein, wie gedenkt sie anderweitig Ver-
trauen in die Ergebnisoffenheit der Beratungen herzustellen?

8. Wie ist die Arbeit innerhalb der an der vorläufigen Sicherheitsanalyse Gor-
leben beteiligten Institutionen und Personen strukturell aufgeteilt (bitte
auch aufführen, welche Institutionen/Personen für das Zusammenführen
der Einzelbeiträge zum Gesamtbericht und ggf. für die Formulierung von
Schlussfolgerungen verantwortlich sind)?

9. Was sind aus Sicht des BMU jeweils die wesentlichen Tätigkeiten/Ar-
beiten/Publikationen, die die wissenschaftliche Qualifikation der an der
Analyse mitwirkenden Personen hinsichtlich des von ihnen bearbeiteten
Bereichs darstellen?

10. Welche Unteraufträge hat die GRS selbstständig vergeben, welche in Ab-
stimmung mit dem BMU?

Nach welchen Kriterien wurden die Unteraufträge im Einzelnen vergeben?

11. In welcher Weise konkret (Arbeitsgruppen, Kenntnisnahme von Berichten
etc.) sind

a) das BMU,
b) das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi),

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c) das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und

d) das BfS

an der Durchführung der vorläufigen Sicherheitsanalyse Gorleben beteiligt
(inkl. der Formulierung und Vergabe der von der GRS vergebenen Unter-
aufträge)?

12. Waren BMWi, BMBF oder das BfS an der Formulierung des BMU-Auf-
trags an die GRS beteiligt?

Speziell zum Vorläufige-Sicherheitsanalyse-Gorleben-Experten Dr. Bruno
Thomauske und zur Ergebnisoffenheit der Vorläufigen Sicherheitsanalyse

13. Weshalb hat das BMU bei Dr. Bruno Thomauske in der BMU-Presse-
mitteilung vom 5. August 2010 dessen Qualifikation zu Gorleben hervor-
gehoben („Prof. Thomauske war jahrelang als leitender Mitarbeiter des
BfS für das Projekt Gorleben verantwortlich und ist daher einer der größten
Wissensträger über diesen Standort“) und bei allen übrigen Personen und
Institutionen nicht?

14. Welche wissenschaftlichen Publikationen von Dr. Bruno Thomauske nach
seinem Ausscheiden beim BfS sprechen aus Sicht der Bundesregierung für
seine wissenschaftliche Qualifikation im Zusammenhang mit der vorläufi-
gen Sicherheitsanalyse Gorleben?

15. Handelt es sich nach Einschätzung der Bundesregierung bei der 2004 von
Dr. Bruno Thomauske geäußerten Feststellung zum Anhydrit (vgl. Präam-
bel) um eine Fehleinschätzung, und welche Erkenntnisse des BMU führen
zu der Einschätzung, dass weitere Erkundungsarbeiten notwendig sind, um
das geologisch wirksame Einschlusspotential im Anhydrit hinreichend be-
werten zu können?

16. Welcher Erkundungsbedarf besteht nach Einschätzung der Bundesregie-
rung weiterhin, bevor die Eignung Gorlebens nachgewiesen werden kann,
und wann ist mit abschließenden Ergebnissen für die nordöstliche Hälfte
des Salzstocks zu rechnen?

17. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass die beruf-
liche Tätigkeit beim Atomkraftwerksbetreiber Vattenfall und die Fest-
stellungen von Dr. Bruno Thomauske zu Gorleben die Glaubwürdigkeit der
ergebnisoffenen Prüfung des Standorts Gorleben durch das BMU stark ein-
schränken?

Weshalb hält die Bundesregierung trotzdem an der Beteiligung von
Dr. Bruno Thomauske an der Analyse fest, obgleich Bundesumweltminis-
ter Dr. Norbert Röttgen für Vertrauen in die Ergebnisoffenheit der vorläufi-
gen Sicherheitsanalyse Gorleben wirbt?

Zum Zeitrahmen und Analysegegenstand

18. Welcher Zeitplan ist für die Durchführung der Analyse vorgesehen?

Was sind dabei die wesentlichen Meilensteine?

19. Welche Zwischenergebnisse und Berichte sollen voraussichtlich bis wann
erstellt und wann veröffentlicht werden?

20. Für welche Arten von Atommüll wird die vorläufige Sicherheitsanalyse
Gorleben durchgeführt?

Wird sie insbesondere auch für andere Arten als hochradioaktive, wärme-

entwickelnde Abfälle durchgeführt, und falls ja, weshalb?

Drucksache 17/6639 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
21. Welche Mengen welcher Art von Atommüll werden der Analyse zugrunde
gelegt?

Wie werden diese hergeleitet?

22. Für welche Arten von Atommüll gilt der aktuell geltende Rahmenbetriebs-
plan für die Erkundung des Salzstocks Gorleben?

Zum Peer Review der Analyse

23. Welcher Zeitplan und welches Verfahren sind nach aktuellem Stand für das
Peer Review der Analyse vorgesehen?

24. Sofern die Auswahl bereits getroffen wurde, aus welchen Personen soll die
Peer Review Group für die vorläufige Sicherheitsanalyse Gorleben beste-
hen?

25. Sofern die Auswahl bereits getroffen wurde, wer hat über die Zusammen-
setzung der Peer Review Group entschieden, und welche Stellen und Insti-
tutionen waren im Vorfeld dieser Entscheidung daran wie beteiligt?

26. Sofern die Auswahl bereits getroffen wurde, nach welchen Kriterien wur-
den die Personen jeweils ausgewählt, und was waren jeweils die ausschlag-
gebenden Gründe für ihre Auswahl?

27. Sofern die Auswahl der Personen bereits getroffen wurde, welche konkre-
ten Erfahrungen und Endlagerprojekte mit dem Wirtsmedium Salz liegen
in den jeweiligen Ländern vor, aus denen die einzelnen Mitglieder der Peer
Review Group stammen?

28. Falls die Zusammensetzung der Peer Review Group noch nicht entschieden
ist,

a) aus wie vielen Personen soll sie insgesamt bestehen,

b) wer wählt sie in welchem Verfahren und nach welchen Kriterien aus,

c) welche Personen sind bereits angefragt worden,

d) welche Personen sollen nach aktuellem Stand angefragt werden,

e) welche Mitbestimmung für Parlament und/oder Öffentlichkeit ist hin-
sichtlich der Zusammensetzung der Peer Review Group seitens des
BMU vorgesehen?

f) falls nicht geplant ist, einen Vorschlag vor der Besetzungsentscheidung
öffentlich zu diskutieren, weshalb nicht, und wie soll auf anderen We-
gen Vertrauen in die Unvoreingenommenheit der Experten hergestellt
werden?

29. Plant das BMU, Dr. Klaus Kühn am Peer Review zu beteiligen, und welche
Gründe sprechen aus Sicht des BMU dafür?

30. Falls die Frage, ob Dr. Klaus Kühn beteiligt wird, zum jetzigen Zeitpunkt
noch nicht abschließend beantwortet werden kann, gibt es aus Sicht des
BMU Gründe, die gegen eine Beteiligung von Dr. Klaus Kühn am Peer
Review sprechen, und wenn ja, welche?

Berlin, den 19. Juli 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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