BT-Drucksache 17/6603

Bewertung der Kampagne "Tatort Kurdistan" durch das Bundesamt für Verfassungsschutz

Vom 14. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6603
17. Wahlperiode 14. 07. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Andrej Hunko und der Fraktion DIE LINKE.

Bewertung der Kampagne „Tatort Kurdistan“ durch das Bundesamt
für Verfassungsschutz

Mit einer Kundgebung am Brandenburger Tor begann am 8. Mai 2010 die bun-
desweite Kampagne „Tatort Kurdistan“. Mit dieser Kampagne wollen die betei-
ligten Gruppierungen – darunter Flüchtlings- und Friedensinitiativen, Landes-
verbände der Partei DIE LINKE., der Bundesverband der Linksjugend [‘solid]
und kurdische Vereinigungen – auf die „Verantwortung und die Rolle deutscher
Unternehmen und der Bundesregierung“ an der militärischen Unterdrückung
der kurdischen Bevölkerung hinweisen.

Im Verfassungsschutzbericht 2010 des Bundesamtes für Verfassungsschutz wird
die Kampagne „Tatort Kurdistan“ im Abschnitt über „Sicherheitsgefährdende
und extremistische Bestrebungen von Ausländern“ im Kapitel über die Arbeiter-
partei Kurdistans PKK aufgelistet. Behauptet wird, die Kampagne werde „im
Rahmen der Zusammenarbeit mit deutschen linksextremistischen Gruppierun-
gen“ durchgeführt. Nach Verlautbarungen im Internet bestände das Ziel dieser
Kampagne zum einem darin, „die Öffentlichkeit auf die angebliche Rolle der
deutschen Regierung und der Rüstungsindustrie beim gewaltsamen Konflikt
zwischen dem türkischen Militär und der PKK-Guerilla hinzuweisen, und zum
anderen, die deutsche Bauindustrie für ihre Beteiligung an umstrittenen Stau-
dammprojekten in der Türkei zu kritisieren. Des Weiteren wurde die ,Abschiebe-
praxis von Kurden aus Deutschland in die Türkei‘ angeprangert“. Der Verfas-
sungsschutz nennt Informationsstände, Kundgebungen und einen dezentralen
bundesweiten Aktionstag am 1. September 2010 als Aktivitäten im Rahmen der
Kampagne. Auf einer Kundgebung in Düsseldorf habe dabei eine Landtags-
abgeordnete der Partei DIE LINKE. den Stopp der Waffenlieferungen in die
Türkei sowie eine aktive Rolle Deutschlands bei der Lösung der Kurdenfrage
gefordert.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Inhalte, Ziele oder Aktionsformen der Kampagne „Tatort Kurdistan“
rechtfertigen nach Auffassung der Bundesregierung eine Auflistung der
Kampagne im Verfassungsschutzbericht?
2. Auf welche tatsächlichen Anhaltspunkte stützt sich die Einordnung der Kam-
pagne „Tatort Kurdistan“ unter der Rubrik „sicherheitsgefährdende und
extremistische Bestrebungen von Ausländern“ im Verfassungsschutzbericht
2010, und welche tragenden Verfassungsgrundsätze werden durch diese tat-
sächlichen Anhaltspunkte verletzt?

Drucksache 17/6603 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Inwieweit hat die Bundesregierung tatsächliche Anhaltspunkte für die vom
Verfassungsschutz erhobene Behauptung, wonach die Kampagne „Tatort
Kurdistan“ von der PKK „im Rahmen der Zusammenarbeit mit deutschen
linksextremistischen Gruppierungen“ durchgeführt werde?

a) Welche tatsächlichen Anhaltspunkte hat die Bundesregierung, dass die
Initiative zur Kampagne „Tatort Kurdistan“ durch die PKK erfolgte?

b) Welche tatsächlichen Anhaltspunkte hat die Bundesregierung für eine
mögliche Steuerung der Kampagne durch die PKK?

4. Inwieweit liegen der Bundesregierung tatsächliche Anhaltspunkte für eine
maßgebliche Beteiligung von vom Verfassungsschutz als linksextrem ein-
geschätzter Gruppierungen oder Einzelpersonen an der Kampagne „Tatort
Kurdistan“ vor?

5. Inwieweit sieht die Bundesregierung die im Verfassungsschutzbericht ge-
nannten Ziele der Kampagne als „extremistisch“ oder „verfassungsfeindlich“
an?

Welche Gesetze oder Gerichtsurteile stützen diese Auffassung?

a) Inwieweit hält die Bundesregierung die Thematisierung deutscher Rüs-
tungsexporte in die Türkei für „extremistisch“ oder „verfassungsfeind-
lich“?

b) Inwieweit hält die Bundesregierung die Kritik an der deutschen Bauindus-
trie für ihre Beteiligung an umstrittenen Staudammprojekten in der Türkei
für „extremistisch“ oder „verfassungsfeindlich“?

c) Inwieweit hält die Bundesregierung das Anprangern der Abschiebung von
Kurden aus Deutschland in die Türkei für „extremistisch“ oder „verfas-
sungsfeindlich“?

d) Welchen der in § 4 Absatz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes
(BVerfSchG) genannten Verfassungsgrundsätze widersprechen die ge-
nannten Ziele der Kampagne „Tatort Kurdistan“?

Auf welche Gesetze und/oder Gerichtsurteile stützt die Bundesregierung
ihre Auffassung (bitte genaue Fundstelle angeben)?

e) Inwiefern stellen die genannten Ziele der Kampagne „Tatort Kurdistan“
eine „gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, den Bestand
oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes“ (§ 3 Absatz 1
Satz 1 BVerfSchG) gerichtete Bestrebung dar?

6. Inwieweit sieht die Bundesregierung die im Verfassungsschutzbericht be-
schriebenen Aktivitäten der Kampagne „Tatort Kurdistan“ als „extremis-
tisch“ oder „verfassungsfeindlich“ an?

Welche Gesetze oder Gerichtsurteile stützen diese Auffassung?

a) Inwiefern stellen die in der vorigen Frage genannten Aktivitäten „gegen die
freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die
Sicherheit des Bundes oder eines Landes“ (§ 3 Absatz 1 Satz 1 BVerfSchG)
gerichtete Bestrebungen dar?

b) Welchen der in § 4 Absatz 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrund-
sätze widersprechen die genannten Aktivitäten der Kampagne „Tatort
Kurdistan“?

Auf welche Gesetze und/oder Gerichtsurteile stützt die Bundesregierung
ihre Auffassung (bitte genaue Fundstelle angeben)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6603

7. Inwieweit hält die Bundesregierung die von einer Landtagsabgeordneten der
Partei DIE LINKE. auf einer Kundgebung am 1. September 2010 in Düssel-
dorf erhobenen Forderungen nach einem Stopp der Waffenlieferungen in die
Türkei sowie einer aktiven Rolle Deutschlands bei der friedlichen und demo-
kratischen Lösung der Kurdenfrage für „extremistisch“ oder „verfassungs-
feindlich“?

Welche Gesetze oder Gerichtsurteile stützen diese Auffassung?

a) Inwiefern stellen diese Forderungen „gegen die freiheitliche demokrati-
sche Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder
eines Landes“ (§ 3 Absatz 1 Satz 1 BVerfSchG) gerichtete Bestrebungen
dar?

b) Welchen der in § 4 Absatz 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrund-
sätze widersprechen diese Forderungen?

Auf welche Gesetze und/oder Gerichtsurteile stützt die Bundesregierung
ihre Auffassung (bitte genaue Fundstelle angeben)?

Berlin, den 11. Juli 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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