BT-Drucksache 17/6555

Umsetzung der Luftverkehrsteuer in Deutschland

Vom 7. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6555
17. Wahlperiode 07. 07. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulrike Gottschalck, Uwe Beckmeyer, Sören Bartol,
Martin Burkert, Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Michael Groß,
Hans-Joachim Hacker, Gustav Herzog, Johannes Kahrs, Ute Kumpf,
Kirsten Lühmann, Thomas Oppermann, Florian Pronold,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Umsetzung der Luftverkehrsteuer in Deutschland

Seit dem 1. Januar 2011 ist die Luftverkehrsteuer der schwarz-gelben Koalition
der CDU/CSU und FDP in Kraft. Seitdem gingen in Deutschland vor allem die
Flüge im Niedrigpreissegment zurück, während das Billigflugangebot in Eu-
ropa insgesamt um 3,4 Prozent wuchs.

Auf Inlandsstrecken, bei denen die Steuer für den Hin- und Rückflug fällig wird,
gab es laut Untersuchungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt
e. V. (DLR) 8 Prozent weniger Starts als ein Jahr zuvor. Die irische Gesellschaft
Ryanair stellte zum Frühjahr 2011 sämtliche innerdeutschen Flugverbindungen
ein (vgl. FAZ vom 3. Mai 2011 S. 16). Betroffen sind innerdeutsche Flughäfen
mit einem hohen Anteil an Low-Cost-Carriern und einer stärkeren Ausrichtung
auf innerdeutsche und europäische Flüge, wie z. B. Köln/Bonn und Hahn.

Nach Angaben der Luftverkehrsbranche ist der Verlust von mehreren tausend
Arbeitsplätzen an den betroffenen Flughäfen zu erwarten. Außerdem wird auf
mögliche Einnahmeausfälle und Mehrausgaben für die Haushalte der Länder
und Kommunen verwiesen, die in ihrer Höhe die Einnahmen des Bundes aus
der Luftverkehrsteuer deutlich übersteigen könnten. Vertreter von Umwelt- und
Naturschutzverbänden widersprechen dieser Einschätzung und betonen die
positive Umweltwirkung der Luftverkehrsteuer durch die Reduzierung des
Flugverkehrs in Deutschland.

Im Gesetzgebungsverfahren beschloss der Deutsche Bundestag die Befreiung
des Flugverkehrs zu den deutschen Inseln von der Luftverkehrsteuer. Die
Besteuerung hätte die Inselflüge für Touristen, aber auch das Waren- und
Dienstleistungsangebot auf den Inseln unangemessen verteuert und damit die
insulare Wirtschaft geschädigt. Zwar bestätigte die Europäische Kommission
jüngst die beihilferechtliche Zulässigkeit der geltenden Steuerfreiheit für die
Beförderung der Inselbewohner. Die notwendige Genehmigung der Euro-
päischen Kommission für die Steuerbefreiung der Touristenflüge nach § 5

Nummer 5 des Luftverkehrsteuergesetzes (LuftVStG) steht aber noch immer
aus, so dass bis auf weiteres die Steuer auf diese Flüge erhoben wird.

Drucksache 17/6555 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung die Höhe der bisherigen Einnahmen aus
der Luftverkehrsteuer (191 Mio. Euro bis Ende April 2011 laut Monatsbe-
richt des Bundesministeriums der Finanzen) vor dem Hintergrund, dass die
Hochrechnung auf das gesamte Jahr 2011 statt der eingeplanten 940 Mio.
Euro nur Einnahmen in einer Höhe von 573 Mio. Euro ergäbe?

2. Wie hoch prognostiziert die Bundesregierung die Einnahmen durch die
Luftverkehrsteuer bis Ende 2011, und wird die eingeplante Summe von
1 Mrd. Euro genau erreicht werden?

3. Wie verteilen sich die Anteile der Einnahmen durch die Luftverkehrsteuer
auf die drei Entfernungsstufen (8 Euro, 25 Euro, 45 Euro) absolut und pro-
zentual bis zum 30. Juni 2011?

4. Gibt es Pläne der Bundesregierung, das Steueraufkommen zu erhöhen, und
falls ja, wie?

5. Erwägt die Bundesregierung, die Luftverkehrsteuer auf den Frachtverkehr
auszudehnen?

6. Wie bewertet die Bundesregierung, dass nach Untersuchungen des Deut-
schen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) die Zahl der im Nied-
rigpreissegment angebotenen Flüge gegenüber dem Vorjahr um 1,4 Prozent
gesunken sind?

7. Wie bewertet die Bundesregierung die Entwicklung des Niedrigpreisseg-
ments auf dem deutschen Markt unter dem Aspekt des Wettbewerbs in
Europa, und wie hat sich die Einführung der Luftverkehrsteuer auf die
Wettbewerbssituation ausgewirkt?

8. Wie bewertet die Bundesregierung die Problematik, dass Fluggesellschaf-
ten unterschiedlich durch die Luftverkehrsteuer belastet werden und es hier
zu Wettbewerbsverzerrungen auf dem deutschen Markt kommen könnte,
wie offenbar das Beispiel der Fluggesellschaften Air Berlin im Vergleich
zu Lufthansa zeigt, da Luftfracht- und Umsteigerflüge von der Steuer aus-
genommen sind und nicht zwischen Economy- und Business- bzw. First-
Class-Passagieren differenziert wird?

9. Erwägt die Bundesregierung zum Ausgleich von Wettbewerbsverzerrun-
gen die Einführung differenzierter Steuersätze für die verschiedenen Flug-
preiskategorien (First Class/Business Class/Economy Class), und falls
nein, warum nicht?

10. Steht die Bundesregierung zu ihrer Ankündigung, im Rahmen der Neu-
berechnung der Steuersätze nach § 11 Absatz 2 LuftVStG das Gesamtauf-
kommen der Luftverkehrsteuer um die Höhe der Einnahmen aus dem euro-
päischen Emissionshandel für den Luftverkehr abzusenken, und falls nein,
warum nicht?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die Steigerung des Passagieraufkom-
mens in den ersten drei Monaten des Jahres 2011 am Flughafen Maastricht
um mehr als 50 Prozent im Zusammenhang mit seiner Lage zum Flughafen
Köln/Bonn?

12. Wie bewertet die Bundesregierung die Darstellung des „General-Anzeigers“
vom 19. Mai 2011, nach der der Flughafen Köln/Bonn wegen des Passagier-
rückgangs aufgrund der Einführung der Luftverkehrsteuer in diesem Jahr
einen Umsatzrückgang in zweistelliger Millionenhöhe hinnehmen müsse?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6555

13. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass, nachdem der Deut-
sche Bundestag beschlossen hat, Touristenflüge von und zu den deutschen
Inseln in Ost- und Nordsee von der Luftverkehrsteuer auszunehmen, diese
Befreiung nach wie vor unter EU-Vorbehalt steht, obwohl die Fluglinien-
betreiber zu den deutschen Inseln bei den Passagierzahlen Rückgänge zwi-
schen 10 und 20 Prozent zu verzeichnen haben?

14. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um zu einer zeit-
nahen Genehmigung der Europäischen Kommission zu gelangen?

15. Wie bewertet die Bundesregierung den Rückgang des Passagieraufkom-
mens bei mittleren und kleinen deutschen Flughäfen seit dem 1. Januar
2011 und die damit verbundenen Steuermindereinnahmen für die örtlichen
Kommunen, und kann nach Bewertung der Bundesregierung dieser Rück-
gang in einen Zusammenhang mit der Einführung der Luftverkehrsteuer
gestellt werden?

16. Welche Nutzen-Kosten-Berechnungen hat die Bundesregierung im Zusam-
menhang mit der Einführung der Luftverkehrsteuer in Hinblick auf mög-
liche Mehrausgaben und Einnahmeausfälle in den Ländern und Kommu-
nen durchgeführt, und zu welchem Ergebnis kommen diese?

17. Falls keine Kosten-Nutzen-Berechnungen durchgeführt wurden, was ist
der Grund dafür?

18. Wie bewertet die Bundesregierung die Proteste aus Ländern und Kommu-
nen und die angedrohten Regressforderungen an die Bundesregierung, und
wie wird sie darauf reagieren?

19. Welche Versuche hat die Bundesregierung unternommen, um die an
Deutschland angrenzenden Mitgliedstaaten der Europäischen Union zur
Einführung einer Luftverkehrsteuer zu bewegen?

20. Wie steht die Bundesregierung zur Einführung einer Kerosinsteuer im
Inland?

21. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung zur Einführung einer EU-
weiten Besteuerung von Kerosin unternommen?

22. Welche positiven Umweltwirkungen erwartet die Bundesregierung durch
die Einführung der Luftverkehrsteuer in Deutschland?

23. Welche Maßnahmen sieht die Bundesregierung für eine rein fiskalische
Wirkung vor, um über die Luftverkehrsteuer eine ökologische Lenkungs-
wirkung gegenüber dem Luftverkehr zu erzielen?

24. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse, ob seit der Einführung der Luft-
verkehrsteuer in Deutschland ein Umsteigen vom Flugzeug auf die Bahn
oder andere Verkehrsmittel stattgefunden hat?

Berlin, den 6. Juli 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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