BT-Drucksache 17/6553

Umsetzung de Bundesfreiwilligendienstes

Vom 7. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6553
17. Wahlperiode 07. 07. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sönke Rix, Petra Crone, Petra Ernstberger, Iris Gleicke,
Kerstin Griese, Gabriele Hiller-Ohm, Petra Hinz (Essen), Christel Humme,
Ute Kumpf, Caren Marks, Franz Müntefering, Aydan Özog˘uz, Thomas Oppermann,
Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Stefan Schwartze, Dagmar Ziegler,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Umsetzung des Bundesfreiwilligendienstes

Am 24. März 2011 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Ein-
führung eines Bundesfreiwilligendienstes. Die Aussetzung der Wehrpflicht hat
eine Aussetzung des Zivildienstes zur Folge. Auf den Zivildienst folgt nun ein
neuer vom Bund gesteuerter Freiwilligendienst. Damit werden Doppelstruktu-
ren im Bereich der Freiwilligendienste etabliert, denn mit dem Freiwilligen
Sozialen Jahr (FSJ) und Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) bietet die Zivil-
gesellschaft bereits attraktive und bei jungen Menschen sehr beliebte Formen
von Freiwilligendiensten an, welche von Bund und Ländern gefördert werden.

Mittlerweile ist die Kampagne zur Bekanntmachung des Bundesfreiwilligen-
dienstes (BFD) gestartet. Zum 1. Juli 2011 sollen die ersten Bundesfreiwilligen
ihre Stellen antreten. Allerdings sorgt die Bundesregierung aufgrund von unge-
regelten Rahmenbedingungen insbesondere zur Höhe der Bundesförderung
sowie zum Kindergeldanspruch für Planungsunsicherheit und Verunsicherung
bei Trägern, Einsatzstellen, potenziellen Freiwilligen und bei Eltern von Frei-
willigen. Außerdem werden bislang die hohen Erwartungen seitens der Bundes-
ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die von rund 35 000 Frei-
willigen im Bundesfreiwilligendienst ausgingen, gedämpft.

Mit dem Bundesfreiwilligendienst etabliert die Bundesregierung nicht nur
Doppelstrukturen, sondern schafft einen staatlich organisierten Freiwilligen-
dienst als Konkurrenzangebot zu den seit Jahrzehnten etablierten Angeboten
der Zivilgesellschaft. Es besteht die Gefahr der Verdrängung von FSJ und FÖJ.
Eine konsequente Umsetzung des Kopplungsmodells, wonach nur so viele
Bundesfreiwilligendienstplätze geschaffen werden dürfen wie es FSJ- und FÖJ-
Plätze gibt, kann dieser Gefahr entgegenwirken.

Beim Bundesfreiwilligendienst soll es sich analog zu den etablierten Frei-
willigendiensten um einen Bildungs- und Lerndienst handeln. Konkrete Aus-
sagen zu den Bildungsstandards im Bundesfreiwilligendienst trifft die Bundes-

regierung allerdings nicht. Es ist zu befürchten, dass die Bildungsstandards ins-
gesamt unter Druck geraten.

Die Strukturen des Bundesfreiwilligendienstes ähneln in weiten Teilen denen
des Zivildienstes, der als Ersatzdienst für den Wehrdienst in der Verantwort-
lichkeit des Bundes lag. Das neu geschaffene Bundesamt für Familie und zivil-
gesellschaftliche Aufgaben (BAfzA) nimmt als Zentralstelle für Einsatzstellen

Drucksache 17/6553 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

und Träger, Bewilligungs- sowie Zulassungsbehörde eine zentrale Position bei
der Organisation des Bundesfreiwilligendienstes ein. Hierbei entsteht ein unnö-
tig hoher Verwaltungsaufwand bei der Durchführung von Freiwilligendiensten,
der den Ausbau der Dienste erschwert. Gleichzeitig bietet sich das BAfzA als
Zentralstelle für kleinere Einsatzstellen an und tritt so in Konkurrenz zu den zi-
vilgesellschaftlichen Trägern. Diese werden zwar an der Ausgestaltung des
Bundesfreiwilligendienstes beteiligt, allerdings mangelt es bislang an einer um-
fassenden Beteiligung. Somit stellt die Einführung des Bundesfreiwilligen-
dienstes keine Stärkung der Zivilgesellschaft dar, wie häufig suggeriert wird.

Wir fragen die Bundesregierung:

Finanzielle Ausgestaltung des Bundesfreiwilligendienstes und anderer Freiwil-
ligendienste

1. Ab wann soll der angekündigte Kindergeldanspruch für junge Freiwillige
bis 25 Jahre gelten?

Können Eltern von Freiwilligen, die einen Anspruch auf Kindergeld haben,
ab dem Starttermin des Bundesfreiwilligendienstes am 1. Juli 2011 mit der
Auszahlung des Kindergeldes rechnen?

2. Inwieweit wird hinsichtlich der finanziellen Ausstattung des Bundesfrei-
willigendienstes nachjustiert, damit sich durch die Durchsetzung des Kin-
dergeldanspruchs keine noch größere Förderdifferenz pro Platz zwischen
dem FSJ/FÖJ und dem BFD ergibt?

3. Welche neue Höchstgrenze soll nach Planungen der Bundesregierung für
die Erstattung des Bundes für Taschengeld und Sozialversicherungsbei-
träge festgelegt werden?

4. Warum steht diese Bundesförderung noch nicht fest, und wann wird sie
feststehen?

5. Wird die geplante Erhöhung der Bundespauschale für die pädagogische
Begleitung im FSJ zum 1. September 2011 umgesetzt, und bleibt es bei der
Pauschalförderung?

Gibt es seitens der Bundesregierung Pläne für eine verwaltungsaufwändi-
gere Fehlbedarfsfinanzierung?

6. Welche einzelnen Posten sind in der sogenannten Versorgungspauschale
zusammengefasst?

7. Wird die Bundesregierung ihre Zusage einhalten, ab dem Förderzeitraum
2011/2012 alle besetzten FSJ- und FÖJ-Plätze mit bis zu 200 Euro (für Be-
nachteiligte 250 Euro) pro Platz und Monat zu fördern, auch wenn deren
Zahl über 35 000 Plätze liegt?

8. Wird im Bundesfreiwilligendienst entsprechend der Kopplung an das FSJ/
FÖJ die Erstattung des Bundes für die pädagogische Begleitung auf 200
Euro monatlich pauschal erstattet?

Gibt es seitens der Bundesregierung Pläne für eine verwaltungsaufwändi-
gere Fehlbedarfsfinanzierung?

9. Welche Alternativen sieht die Bundesregierung zu einer Fehlbedarfsfinan-
zierung, die einen hohen Verwaltungsaufwand für die Träger bedeutet?

10. Wie plant die Bundesregierung den Fluss finanzieller Mittel im Rahmen
des neu geschaffenen Freiwilligendienstes im Ausland zu koordinieren?

11. Welche Pläne verfolgt die Bundesregierung, um die Umsatzsteuerproble-

matik sowohl im FSJ als auch im Bundesfreiwilligendienst zu lösen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6553

Beteiligung der zivilgesellschaftlichen Träger

12. Warum wurde das bewährte Trägerprinzip im neuen Gesetz zur Einführung
eines Bundesfreiwilligendienstes nicht stärker verankert?

Beabsichtigt die Bundesregierung eine stärkere Verankerung, indem das
Trägerprinzip und eine stärkere Rolle der Zentralstellen gesetzlich festge-
schrieben werden?

13. Sollen Aufgaben der Träger beispielsweise in der pädagogischen Beglei-
tung in den Richtlinien zum Bundesfreiwilligendienstgesetz festgeschrie-
ben werden?

14. Ist die Bundesregierung bereit, mit den zivilgesellschaftlichen Trägern
gemeinsam an der Weiterentwicklung des Bundesfreiwilligendienstes zu
arbeiten, und nimmt die Bundesregierung zur Kenntnis, dass zur Stärkung
der Zivilgesellschaft auch eine Stärkung ihrer Träger notwendig ist?

Rolle des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA)

15. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine Wettbewerbs-
verzerrung zuungunsten der zivilgesellschaftlichen Träger aus dem Auf-
treten des BAFzA als Zentralstelle für den Bundesfreiwilligendienst und das
FSJ resultiert?

Falls sie diese Auffassung nicht teilt, warum nicht?

16. Falls sie die Auffassung einer Wettbewerbsverzerrung teilt, was wird die
Bundesregierung gegen eine solche Wettbewerbsverzerrung unternehmen?

17. Womit rechtfertigt die Bundesregierung den enormen Verwaltungsaufwand
durch das BAFzA, der bisher in den Jugendfreiwilligendiensten nicht not-
wendig war?

18. Werden die Kosten für den Aufwand der Zentralstelle beim BAFzA den
dort angeschlossenen Einsatzstellen in Rechnung gestellt, so wie es die
zivilgesellschaftlichen Zentralstellen zur Erfüllung ihrer Aufgaben hand-
haben müssen?

19. Wie stellt das BAFzA sicher, dass die angeschlossenen Einsatzstellen den
Bundesfreiwilligendienst analog zum FSJ und FÖJ nach hohen Qualitäts-
standards durchführen und sich keine Freiwilligendienste erster und zwei-
ter Klasse etablieren?

20. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den finanziellen Aufwand für Ver-
waltung pro Bundesfreiwilligendienstplatz?

Bewerbung des Bundesfreiwilligendienstes und anderer Freiwilligendienste

21. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung – ggf. auch in Zusam-
menarbeit mit den Ländern – um den neuen Bundesfreiwilligendienst ge-
zielt bei Schülerinnen und Schülern und Auszubildenden bekannter zu
machen?

Welche Aufgaben übernimmt dabei das BAFzA?

22. Plant die Bundesregierung Initiativen, um junge Erwachsene gerade auch
in anderen Lebensphasen für einen Freiwilligendienst zu werben?

Wenn ja, auf welche Weise?

23. Plant die Bundesregierung Initiativen, um ältere Erwachsene (z. B. gegen
Ende ihres Berufslebens oder im Ruhestand) gezielt für einen Freiwilligen-
dienst zu werben?
Wenn ja, auf welche Weise?

Drucksache 17/6553 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

24. Inwiefern wird die Bundesregierung hinsichtlich ihrer in Auftrag gegebe-
nen Kampagne zur Unterstützung und Bewerbung der Freiwilligendienste
ihrer Zusage gerecht, für alle Formen von Freiwilligendiensten und nicht
allein für eine Teilnahme am Bundesfreiwilligendienst zu werben?

Auswirkungen auf bestehende Freiwilligendienste durch die Einführung des BFD

25. Sind untergesetzliche Regelungen zum Kopplungsmodell geplant, um eine
Verdrängung des FSJ/FÖJ zugunsten des Bundesfreiwilligendienstes zu
verhindern?

Falls ja, sind Ausnahmeregelungen in Planung, und wenn ja, welche?

26. Welche Anreize wird die Bundesregierung schaffen, damit der Dienst im
Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes nach Aussetzung der Wehr-
pflicht seine Attraktivität für junge Menschen beibehält?

27. Welcher Bildungsstandard ist im Bundesfreiwilligendienst vorgesehen?

Wird er sich an dem Betreuungsschlüssel im FSJ und FÖJ (1:40) orientie-
ren?

28. Falls nein, wie verhindert die Bundesregierung, dass die Freiwilligen in der
Begleitung im Bundesfreiwilligendienst schlechter gestellt werden?

Wie begründet die Bundesregierung in diesem Fall die Tatsache, dass die
gleiche Pauschale für die pädagogische Begleitung im FSJ/FÖJ gezahlt
wird, im BFD aber niedrigere Standards gelten?

29. Plant die Bundesregierung den Bundesfreiwilligendienst und seine Auswir-
kungen auf die übrigen Jugendfreiwilligendienste noch in dieser Legisla-
turperiode bis zum Sommer 2013 zu evaluieren?

Wenn nein, warum nicht?

Sozial- und arbeitsrechtliche Aspekte im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes

30. Welche gesetzlichen Regelungen bestehen momentan, die eine Freistellung
von dem Beruf beziehungsweise eine Rückkehr in den Beruf festschreiben,
um damit die Aufnahme eines Engagements zu befördern?

31. Beabsichtigt die Bundesregierung, eine gesetzliche Grundlage für eine
arbeitsrechtliche Freistellungsregelung zu schaffen, um am Bundesfreiwil-
ligendienst teilzunehmen?

32. Besteht im neu geschaffenen Bundesfreiwilligendienst, analog zum Zivil-
dienst, ein Rückkehrrecht in den Beruf nach der Absolvierung eines Bun-
desfreiwilligendienstes?

Wenn nein, warum nicht?

33. Plant die Bundesregierung, die Anerkennung von allen Freiwilligendiens-
ten zu stärken?

Wenn ja, durch welche Maßnahmen?

34. Wie wird die Bundesregierung den Anspruch auf Leistungen nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch für Teilnehmerinnen und Teilnehmer des
Bundesfreiwilligendienstes aus anderen EU-Staaten regeln?

35. Beabsichtigt die Bundesregierung – analog zu den Plänen, die Erhöhung der
Pauschale für die pädagogische Begleitung im FSJ von der tarifgemäßen
Bezahlung aller FSJ-Referentinnen und -Referenten abhängig zu machen –
auch im Bundesfreiwilligendienst eine tarifgemäße Bezahlung der zustän-

digen Referentinnen und Referenten für eine entsprechende Förderung vor-
auszusetzen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/6553

36. Welche Vergütungen und Pauschalen (ausgewiesen nach Art und Höhe)
aus dem Bundesfreiwilligendienst sind für Dienstleistende, die Grund-
sicherung beziehen, anrechnungsfrei?

37. Welche Fahrtkosten werden mit welchem Betrag von einer Anrechnung auf
die Grundsicherung ausgenommen?

Aktuelles Interesse am Bundesfreiwilligendienst

38. Wie viele Anfragen sind telefonisch und per E-mail insgesamt bei der Hot-
line für Interessierte am Bundesfreiwilligendienst und für Einsatzstellen
seit der Freischaltung eingegangen, und wie viele Anfragen gehen bei der
Hotline im Durchschnitt täglich ein?

39. Wie viele von diesen Anfragen kamen jeweils von Interessierten am Bun-
desfreiwilligendienst und von Einsatzstellen, und was waren die häufigsten
Themen dieser Anfragen?

40. Wie häufig wurde die Platzbörse auf www.bundesfreiwilligendienst.de seit
der Freischaltung aufgerufen, und wie viele Aufrufe sind im Durchschnitt
täglich zu verzeichnen?

Berlin, den 6. Juli 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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