BT-Drucksache 17/6552

Offene Fragen zur Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie 2030

Vom 7. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6552
17. Wahlperiode 07. 07. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter
Bartels, Klaus Barthel, Willi Brase, Ulla Burchardt, Elvira Drobinski-Weiß, Petra
Ernstberger, Michael Gerdes, Iris Gleicke, Klaus Hagemann, Oliver Kaczmarek,
Dr. Bärbel Kofler, Ute Kumpf, Thomas Oppermann, Dr. Wilhelm Priesmeier,
Florian Pronold, Marianne Schieder (Schwandorf), Swen Schulz (Spandau),
Andrea Wicklein, Dagmar Ziegler, Dr. Frank-Walter Steinmeier und
der Fraktion der SPD

Offene Fragen zur Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie 2030

Am 10. November 2010 hat das Bundeskabinett die Nationale Forschungs-
strategie Bioökonomie 2030 beschlossen. Unter Bioökonomie wird die nach-
haltige Nutzung von biologischen Ressourcen wie Pflanzen, Tiere und Mikro-
organismen verstanden. Das Ziel der Nationalen Forschungsstrategie ist aus-
drücklich zu begrüßen. Wir stehen als Gesellschaft vor der großen Herausfor-
derung, Alternativen zu nicht regenerativen Ressourcen wie Öl zu entwickeln
und in Wirtschaft und Gesellschaft die Weichen für eine soziale und nachhaltig
strukturierte, postfossile Gesellschaft zu stellen.

Die Vielzahl von Themenfeldern und Anwendungsbereichen, die sich unter
dem Oberbegriff der Bioökonomie bzw. der biobasierten Wirtschaft subsumie-
ren lässt, macht eine klare Abgrenzung von bereits laufenden Forschungspro-
jekten und innovativen neuen Ansätzen und Forschungsmitteln schwierig.

Die Debatten über eine biobasierte Wirtschaft finden international seit einigen
Jahren statt; die Bundesregierung hat mit der Gründung des Bioökonomierates
im Jahr 2009 auf diesen Trend reagiert. Die Vorarbeiten seiner 17 Mitglieder
(plus zwei ständige Gäste) haben die 2010 verabschiedete Strategie der Bun-
desregierung nicht unwesentlich beeinflusst.

In der nichtöffentlichen Sitzung des Ausschusses für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages am 11. Mai 2011 hat
die Bundesregierung ihre Forschungsstrategie den Mitgliedern des Ausschus-
ses vorgestellt. Ungeachtet dieser Aussprache bestehen noch offene Fragen und
eine öffentliches Informationsbedürfnis.

Bereits jetzt ist kritisch anzumerken, dass die Nationale Forschungsstrategie der
Bundesregierung einseitig technikorientiert ist und etwa den sozialen Kontext

und die gesellschaftlichen Folgen der avisierten biobasierten Wirtschaft (und
Gesellschaft) zu wenig in den Blick nimmt. Dabei ist eine breite gesellschaft-
liche Akzeptanz von Alternativen zur Erreichung einer postfossilen Wirtschaft
nicht nur wünschenswert, sondern notwendig für eine nachhaltige Umgestaltung
unserer Wirtschaftsabläufe.

Drucksache 17/6552 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Maßnahmen der Projektförderung werden im Rahmen der
1,458 Mrd. Euro in den nächsten sechs Jahren von der Bundesregierung
unter dem Begriff Bioökonomie subsumiert?

Welche Projekte werden dabei neu gestartet, bei welchen handelt es sich
um bereits laufende Projekte (bitte um tabellarische Übersicht)?

2. Welche Forschungsprojekte der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried
Wilhelm Leibniz e. V. sollen im Rahmen der Nationalen Forschungsstrate-
gie Bioökonomie mit insgesamt 322,4 Mio. Euro gefördert werden?

Welche Projekte werden dabei neu gestartet, bei welchen handelt es sich
um bereits laufende Projekte (bitte um tabellarische Übersicht)?

3. Welche Forschungsprojekte der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung
der Wissenschaften e. V. sollen im Rahmen der Nationalen Forschungsstra-
tegie Bioökonomie mit insgesamt 275 Mio. Euro gefördert werden?

Welche Projekte werden dabei neu gestartet, bei welchen handelt es sich
um bereits laufende Projekte (bitte um tabellarische Übersicht)?

4. Welche Forschungsprojekte der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher For-
schungszentren e. V. sollen im Rahmen der Nationalen Forschungsstrategie
Bioökonomie mit insgesamt 267,3 Mio. Euro gefördert werden?

Welche Projekte werden dabei neu gestartet, bei welchen handelt es sich
um bereits laufende Projekte (bitte um tabellarische Übersicht)?

5. Welche Forschungsprojekte der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der
angewandten Forschung e. V. sollen im Rahmen der Nationalen For-
schungsstrategie Bioökonomie mit insgesamt 111,1 Mio. Euro gefördert
werden (bitte um tabellarische Übersicht)?

Welche Projekte werden dabei neu gestartet, bei welchen handelt es sich
um bereits laufende Projekte (bitte um tabellarische Übersicht)?

6. Sind in der veranschlagten institutionellen Förderung der vier in den Fra-
gen 2 bis 5 genannten Forschungsorganisationen die Finanzierungsanteile
der Bundesländer bereits eingerechnet (falls ja, in welcher Höhe) oder ste-
hen diese Mittel zusätzlich für die Bioökonomie zur Verfügung?

7. Mit welcher Summe wurde die Bioökonomie in den letzten fünf Jahren
durch die Bundesregierung gefördert (bitte pro Jahr auflisten)?

8. Wie hoch war der Anteil der Projekt- bzw. institutionellen Förderungen für
die Bioökonomie in den letzten fünf Jahren (bitte pro Jahr aufschlüsseln)?

9. Welche außeruniversitären Forschungseinrichtungen haben in den letzten
fünf Jahren welche institutionelle Fördersumme für die Bioökonomie er-
halten (bitte pro Jahr aufschlüsseln)?

10. Welche Einrichtungen der Ressortforschung leisten Beiträge zur Bioöko-
nomieforschung?

11. Ist die Finanzierung dieser Ressortforschung Bestandteil des Fördervolu-
mens von 2,4 Mrd. Euro über die nächsten sechs Jahre?

12. Welche Einrichtungen der Ressortforschung des Bundesministeriums für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) leisten Bei-
träge zur Bioökonomieforschung?

13. Ist die Finanzierung dieser Ressortforschung des BMELV Bestandteil des
Fördervolumens von 2,4 Mrd. Euro über die nächsten sechs Jahre?

14. Mit welchem Anteil sollen Projekte aus der sogenannten weißen Biotech-

nologie im Rahmen der Nationalen Strategie in den nächsten sechs Jahren
gefördert werden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6552

15. Wie hoch ist die Fördersumme der deutschen Wirtschaft für den Bereich
der Bioökonomie jährlich?

16. Ist geplant die Wirtschaft finanziell an der Nationalen Forschungsstrategie
zu beteiligen?

Wenn ja mit welcher Summe, wenn nein, warum nicht?

17. Welche Maßnahmen unterstützt die Bundesregierung im Rahmen der Na-
tionalen Forschungsstrategie, um wirksam zu verhindern, dass es zu einer
Konkurrenz von landwirtschaftlicher Herstellung von Lebensmitteln und
von Energiepflanzen/Biomasseproduktion kommt?

18. Welche Forschungsprojekte hat die Bundesregierung in den vergangenen
vier Jahren unterstützt, die sich mit der Konkurrenz von Energiepflanzen
und Pflanzen zur Lebensmittelproduktion befasst haben?

19. Welche Forschungsprojekte der Geistes- und Sozialwissenschaften zu Ur-
sachen und möglichen Lösungsansätzen zur Bekämpfung des Hungers ins-
besondere in Entwicklungsländern hat die Bundesregierung in den letzten
vier Jahren gefördert, und welche Maßnahmen sind diesbezüglich in der
Nationalen Forschungsstrategie geplant?

20. Inwieweit wird bei der Frage nach der Konkurrenz von landwirtschaft-
licher Herstellung von Lebensmitteln und von Energiepflanzen/Biomasse-
produktion eine Kohärenz zwischen nationaler Politik und internationaler
Politik beziehungsweise Entwicklungspolitik hergestellt?

In welchen konkreten Maßnahmen oder Forschungsvorhaben drückt sich
eine solche kohärente Politik der Bundesregierung aus?

21. Welche Maßnahmen der Forschungsförderung sind geplant, um das vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung als Herausforderung be-
schriebene Problem des „Wandels im Nahrungsverhalten“ anzugehen, und
welche Forschungsmaßnahmen wurden diesbezüglich durch das Bundes-
ministerium in den letzten vier Jahren auf den Weg gebracht?

22. In welcher Höhe fördert die Bundesregierung die Forschung im Bereich
des Ökolandbaus?

23. Ist der Ökolandbau Bestandteil der Maßnahmen bzw. der Fördermittel der
Nationalen Forschungsstrategie, falls ja, in welcher Höhe, in welcher
Form, und falls nein, warum nicht?

24. Welche Rolle spielt nach Ansicht der Bundesregierung die Taxonomie für
den Ausbau der Bioökonomie?

25. Welche Forschungskooperationen bestehen zwischen Deutschland und
Entwicklungsländern im Bereich der Agro-Gentechnik?

26. Welche Forschungskooperationen bestehen zwischen Deutschland und
Entwicklungsländern im Bereich des Ökolandbaus?

27. Warum wurden in den Bioökonomierat keine Vertreterinnen bzw. Vertreter
aus dem Bereich Naturschutz, Verbraucherschutz sowie Entwicklungszu-
sammenarbeit berufen?

28. Welche Aufgaben soll der Bioökonomierat erfüllen, nachdem nunmehr die
Nationale Forschungsstrategie der Bundesregierung vorliegt, und ist ge-
plant, den Bioökonomierat wieder aufzulösen?

29. Vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Beratungen des Bio-
ökonomierates technik- und methodenoffen sind, obgleich unter anderem
der Vorsitzende der KWS SAAT AG und ein Mitglied des Vorstandes der
BASF SE als Mitglieder des Bioökonomierates agieren, während etwa Ver-

treterinnen/Vertreter aus dem Bereich Ökolandbau nicht vertreten sind?

Drucksache 17/6552 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

30. Welchen Anteil hat der Bioökonomierat an der Erstellung der Nationalen
Forschungsstrategie Bioökonomie 2030 der Bundesregierung gehabt?

31. Welche Forderungen des Bioökonomierates hat die Bundesregierung in die
Nationale Forschungsstrategie Bioökonomie 2030 übernommen?

32. Welche Stellungnahmen anderer Organisationen sind in die Erstellung der
Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie 2030 eingeflossen?

33. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um den Frauenanteil bei
der Besetzung des Bioökonomierates zu erhöhen, und gab es diesbezüglich
Gespräche zwischen der Bundesregierung und der DEUTSCHEN AKADE-
MIE DER TECHNIKWISSENSCHAFTEN e. V. (acatech)?

34. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass Fragen und Lösungsan-
sätze aus den Bereichen Naturschutz, Verbraucherschutz sowie Entwick-
lungszusammenarbeit integraler Bestandteil einer nachhaltigen und sozia-
len nationalen Strategie zur Bioökonomie sein müssen, und falls ja, in wel-
cher Form hat diese Erkenntnis Niederschlag in der Strategie der Bundesre-
gierung gefunden?

35. Mit welchem Mittelansatz sollen biobasierte Dienstleistungen gefördert
werden?

36. Welche Bereiche der biobasierten Dienstleistungen sollen gefördert wer-
den?

37. Welche Forschungsprojekte für biobasierte Dienstleistungen wurden in den
letzten fünf Jahren gefördert?

38. Vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass die acatech auch nicht-
technische Lösungsmöglichkeiten für die Herausforderungen der Bioöko-
nomie bei der Besetzung und den Beratungen des Bioökonomierates be-
rücksichtigt hat, und falls ja, auf welcher (nicht-technikbezogenen) Kom-
petenz der acatech basierten diese?

39. Wie verteilen sich die rund 2 Mio. Euro Zuwendungen für den Bioökono-
mierat auf die unterschiedlichen Bereiche Personal, Sachmittel, Reisen und
Durchführung von Veranstaltungen?

40. Ist mittelfristig geplant, dass die beteiligten Unternehmen einen Beitrag zu
den Kosten für den Bioökonomierat leisten, und falls nein, aus welchen
Gründen nicht?

41. Wie viele und wo haben die Mitglieder des Bioökonomierates Zeitschrif-
tenartikel im Rahmen ihrer Tätigkeit als Mitglieder des Rates (vgl. die Ant-
wort auf Frage 15 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, Bundestagsdrucksache 16/12646) veröffentlicht.

42. In welchem Verhältnis stehen nach Auffassung der Bundesregierung die
Nationale Forschungsstrategie Bioökonomie und die EU-Nachhaltigkeits-
strategie?

43. Wie hoch ist der Umsatz, der in Deutschland mit Biopharmazeutika erzielt
wird?

44. Erwartet die Bundesregierung durch die mittelfristige Entwicklung hin zu
einer biobasierten Wirtschaft eine Zu- oder Abnahme der landwirtschaft-
lichen Betriebe in Deutschland und aus welchen Gründen?

45. Gibt es Pläne, das Konzept der Bioökonomie auch durch die Einrichtung
von dezidiert mit dem Thema Bioökonomie befassten Forschungseinrich-
tungen oder in anderen institutionalisierten Formen vertieft erforschen zu

lassen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/6552

46. Was ist, im Gegensatz zu den bisherigen Förderprogrammen, das spezi-
fisch Neue an der jetzt vorgelegten Nationalen Forschungsstrategie?

47. Gab es bereits Gespräche mit den Bundesländern, um den interdisziplinä-
ren Aufbau von Kompetenzen in der Bioökonomie zu befördern, und falls
ja, bei welchen Gelegenheiten?

48. Soll der Dialog mit der Gesellschaft über die Bioökonomie auch mittels des
neuen Instruments des Bürgerdialogs Zukunftstechnologien vertieft wer-
den?

49. Wenn, wie die Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 17/3787, Seite 4
ausführt, „die Nutzung des technologischen Fortschritts […] eine Pflicht-
aufgabe“ ist, bedeutet das, dass im Bereich der Bioökonomie auf Technik-
folgeabschätzung verzichtet werden kann?

Wenn nein, in welchem Umfang und mit welchem finanziellen Ansatz soll
Technikfolgenabschätzung durchgeführt werden?

50. Richtet sich die Tätigkeit aller die Bundesregierung beratenden Einrich-
tungen und Gremien nach den Leitlinien guter wissenschaftlicher Politik-
beratung, die von der interdisziplinären Arbeitsgruppe „Wissenschaftliche
Politikberatung in der Demokratie“ der Berlin-Brandenburgischen Akade-
mie der Wissenschaften erarbeitet worden sind, und falls nein, warum
nicht?

Berlin, den 6. Juli 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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