BT-Drucksache 17/6504

Forschung zur Sicherung der weltweiten Ernährung

Vom 6. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6504
17. Wahlperiode 06. 07. 2011

Antrag
der Abgeordneten Ewa Klamt, Albert Rupprecht (Weiden), Michael Kretschmer,
Peter Altmaier, Dr. Thomas Feist, Eberhard Gienger, Monika Grütters,
Florian Hahn, Anette Hübinger, Dr. Stefan Kaufmann, Axel Knoerig, Stefan Müller
(Erlangen), Dr. Philipp Murmann, Tankred Schipanski, Uwe Schummer,
Marcus Weinberg (Hamburg), Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und der Fraktion
der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Peter Röhlinger, Dr. Martin Neumann (Lausitz),
Sylvia Canel, Heiner Kamp, Patrick Meinhardt, Rainer Brüderle und der Fraktion
der FDP

Forschung zur Sicherung der weltweiten Ernährung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Sicherung der weltweiten Ernährung zählt zu einer der zentralen Heraus-
forderungen der internationalen Gemeinschaft in den kommenden Jahrzehnten.
Schon heute leiden 925 Millionen Menschen Hunger. Von Mangelernährung ist
eine weitere Milliarde Menschen betroffen. Die Mehrheit von ihnen lebt in Ent-
wicklungsländern, 80 Prozent im ländlichen Raum. Bis zum Jahr 2050 wird die
Nachfrage an Nahrungsmitteln zusätzlich um 50 Prozent steigen, da ein Bevöl-
kerungswachstum auf 9,3 Milliarden Menschen erwartet wird. Anbauflächen
und Wasser werden zunehmend knapper werden, die Produktionssteigerung
stagnierte bereits in den vergangenen Jahren.

Die Ursachen für Hunger sind von komplexer sozialer, politischer sowie ökono-
mischer Natur. Der Rückgang landwirtschaftlich nutzbarer Flächen und der vor-
anschreitende Klimawandel verschärfen die Lage zusätzlich. Eine jährlich um
80 Millionen Menschen wachsende Weltbevölkerung und veränderte Ernäh-
rungsgewohnheiten mit wachsendem Fleischkonsum insbesondere in kaufkräf-
tigeren Ländern wie China und Indien stellen neue Anforderungen an künftige
Nahrungsmittelangebote. Die Nachernteverluste in den Entwicklungsländern
sind im Ernte-, Lagerungs- und Transportbereich nach wie vor erheblich. In den
reichen Ländern sind die Verluste im Bereich der Endverbraucher zu hoch. Die
Nahrungsmittelpreise sind nach Aussagen der Weltbank seit dem Jahr 2009 um
36 Prozent gestiegen. Dies unterstreicht der im Mai 2011 veröffentlichte Bericht
des Büros für Technikfolgenabschätzung (TAB) beim Deutschen Bundestag

zum Thema „Forschung zur Lösung des Welternährungsproblems – Ansatz-
punkte, Strategien, Umsetzung“, welcher „die Dimensionen und Einflussfak-
toren des Welternährungsproblems sowie deren komplexe Wechselwirkungen“
aufzeigt. Nicht selten führen diese zu politischen Unruhen und Krisen.

Daher bedürfen die Anstrengungen zur Verbesserung der Ernährungslage eines
ebenso komplexen Lösungsansatzes. Ein Baustein dabei ist die Forschung.

Drucksache 17/6504 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bereits mit der Hightech-Strategie hat die Bundesregierung spezifische Maß-
nahmen eingeleitet, um durch die Förderung von Forschung und Innovation
sowie durch die Gestaltung von Rahmenbedingungen langfristige Problem-
lösungen für die nachhaltige Ernährungssicherung zu erarbeiten.

Mit der „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ hat die Bundes-
regierung ein weiteres Instrument geschaffen, welches einen bedeutenden Bei-
trag zur weltweiten Ernährungssicherheit leisten kann.

Durch Forschung und Wissenstransfer muss die Wissenschaft zum Aufbau
funktionierender, an veränderte klimatische Bedingungen angepasste Ernäh-
rungssysteme in den von Hunger betroffenen Regionen beitragen, die gleich-
zeitig gewährleisten, dass die natürlichen Ressourcen als Grundlage jeglicher
Nahrungsmittelproduktion nicht beeinträchtigt werden. Produktionssteigerung
und Nachernteverluste müssen auch unter Einbeziehung neuer Technologien
verstärkt von der Forschung aufgegriffen werden. Diese neuen Technologien
sind notwendig, um modernes Saatgut, Pflanzenschutz und Düngemittel zu
entwickeln. Virulenzanalysen und Resistenzforschung weisen bereits beacht-
liche Fortschritte auf. Die Chancen der Grünen Gentechnik, die Eigenschaften
von Nutzpflanzen im Hinblick auf ihre Widerstandskraft gegen Schädlinge,
Trockentoleranz oder Anreicherung mit wichtigen Nährstoffen präziser zu ver-
ändern, als es die konventionelle Züchtung vermag, sollten genutzt werden.
Auch die konventionelle Züchtung kann von den Erkenntnissen der Grünen
Gentechnik profitieren und sollte von der Forschung nicht vernachlässigt wer-
den. Oberste Prämisse bei allen Maßnahmen ist dabei die Nachhaltigkeit; Risi-
ken für die menschliche Gesundheit und die Natur zu vermeiden und Ressour-
cen effizient zu nutzen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● die zentralen Forschungsthemen zu identifizieren, welche für eine Lösung
des Welternährungsproblems in Bezug auf eine größtmögliche Wirkung
relevant sind;

● dabei einen besonderen Schwerpunkt zu legen auf jene Forschungsbereiche,
welche international noch nicht bearbeitet werden, und sicherzustellen, dass
die von den einzelnen Ministerien geförderten Forschungsvorhaben sorgfäl-
tig aufeinander abgestimmt sind;

● im Rahmen der „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ Maß-
nahmen zur Förderung der Welternährung aufzulegen.

● Die neue Förderaktivität soll

a) sowohl die nötigen Wissens- und Entscheidungsgrundlagen für eine nach-
haltige Sicherung der Welternährung schaffen als auch entsprechende
Handlungsstrategien, Technologien und Systemlösungen bereitstellen,

b) eine Gesamtbetrachtung des Ernährungssystems verfolgen, die über tech-
nisch-methodische, naturwissenschaftliche Lösungen hinausgeht, sowie
selbsttragende Systeme entwickeln und fördern,

c) einen breiten, systemischen Ansatz verfolgen und die themenübergrei-
fende Kooperation voranbringen. Mögliche Elemente können dabei
Grundnahrungspflanzen (Mais, Reis, Weizen, Soja) Biodiversität, Ernäh-
rungssicherheit, Ernährungssicherung und Aquakultur sein,

d) bilaterale Forschungskooperationen zwischen wissenschaftlichen Ein-
richtungen in Deutschland und ausgewählten Partnerländern initiieren,

e) bei der Bildung von Netzwerken auf Basis bereits bestehender, funktio-

nierender sowie neuer Kooperationen einen regionalen Schwerpunkt auf
den afrikanischen Kontinent bei der Auswahl der Partnerländer setzen,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6504

f) das Informations- und Wissensmanagement zur Welternährung ausbauen,
um Wissensaufbereitung und -verfügbarkeit sowohl für die Wissenschaft
wie auch die Wirtschaft und weitere Nutzer in den ländlichen Räumen zu
unterstützen,

g) durch Austausch von Wissenschaftlern und die Ausbildung von Dokto-
randen einen nachhaltigen Wissenstransfer sicherstellen,

h) Innovationen zur Steigerung und Sicherung der Erträge mit einer nachhal-
tigen Nutzung der natürlichen Ressourcen in Einklang bringen, die auch
eine entwicklungs- und anwendungsorientierte Forschung zu Boden-
schutz und nachhaltigem Landmanagement beinhalten,

i) gekennzeichnet sein durch Inter- und Transdisziplinarität sowie Umset-
zungsorientierung, was auch logistische Betrachtungen über den Trans-
port und die Lagerung mit einbezieht,

j) die komplementären Forschungsaktivitäten und Instrumente des Bundes-
ministeriums für Bildung und Forschung, des Bundesministeriums für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und des Bundesminis-
teriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unter einem
einheitlichen strategischen Ansatz für Ernährungssicherung, wie sie in
der Nationalen BioÖkonomie-Forschungsstrategie 2030 vorgezeichnet
ist, stärken,

k) sicherstellen, dass die Forschungsergebnisse öffentlich zugänglich ge-
macht werden und ausdrücklich ein Umsetzungskonzept beinhalten, das
gewährleistet, dass die Forschungsergebnisse den lokalen Verhältnissen
entsprechend zur Verfügung gestellt werden.

Berlin, den 6. Juli 2011

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Rainer Brüderle und Fraktion

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