BT-Drucksache 17/6380

Situation der Bodenabfertigungsdienste an deutschen und europäischen Flughäfen

Vom 29. Juni 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6380
17. Wahlperiode 29. 06. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulrike Gottschalck, Uwe Beckmeyer, Petra Ernstberger, Iris
Gleicke, Ute Kumpf, Thomas Oppermann, Florian Pronold, Dr. Frank-Walter
Steinmeier und der Fraktion der SPD

Situation der Bodenabfertigungsdienste an deutschen und europäischen
Flughäfen

Die Kommission der Europäischen Union plant offenbar im Frühherbst 2011
im Rahmen eines Flughafenpaketes einen Vorschlag zur Änderung der Richt-
linie 96/67/EG vorzulegen. Ziel der Kommission ist die weitere Liberalisierung
der Bodenabfertigungsdienste und ihre Öffnung für einen verstärkten Wettbe-
werb. In diesem Segment sind aufgrund der vorhandenen Preisentwicklung
nach der Marktöffnung durch die aktuelle Richtlinie 96/67/EG unter betriebs-
wirtschaftlichen Gesichtspunkten kaum Gewinne zu erzielen. Die sozialen
Rahmenbedingungen als Folge der Liberalisierung der aktuellen Richtlinie
wurden bisher nicht angemessen berücksichtigt.

Da die Personalkosten den mit Abstand größten Kostenblock bei Bodenabferti-
gungsunternehmen darstellen, verschlechtert sich an den meisten Flughäfen in
Deutschland die Situation der Flughafenbeschäftigten nach der Einführung der
Richtlinie. So am Flughafen Frankfurt, der Fraport AG, wo unter erheblichen
Zugeständnissen der Beschäftigten ein langfristiger Sicherungsvertrag abge-
schlossen wurde.

Es ist zu befürchten, dass eine weitere Marktöffnung mit einer durch die EU-
Kommission geplanten Änderung der aktuellen Richtlinie 96/67/EG zu einer
Verschlechterung der Arbeitsbedingungen im Bereich der Bodenabfertigungs-
dienste, der Qualität dieser Dienstleistungen und der Sicherheit des Systems der
Bodendienste führen würde.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie schätzt die Bundesregierung die Folgen des bisherigen Marktöffnungs-
prozesses und die Absicht der EU-Kommission den Markt in Zukunft weiter
zu öffnen ein?

2. Liegt eine Evaluation der EU-Kommission über die Auswirkungen der Ein-
führung der Richtlinie 96/67/EG auf den Bereich der Bodenabfertigungs-

dienste an den betroffenen Flughäfen in Deutschland und Europa (mit einem
Beförderungsvolumen von mindestens zwei Millionen Fluggästen im Jahr
oder 50 000 t Fracht) vor, und wenn ja, welche Ergebnisse beinhaltet diese
Evaluation allgemein und auf die Sicherheit, die Arbeitsbedingungen der
Arbeitskräfte und die Wirtschaftlichkeit bezogen?

3. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu den obigen Ergebnissen der
Evaluation?

Drucksache 17/6380 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Falls noch keine Evaluation vorliegt, wann ist hier mit dem Ergebnis zu
rechnen?

5. Haben heute bereits alle europäischen Mitgliedstaaten die Umsetzung der
Richtlinie 96/67/EG in nationales Recht vollzogen, wo bestehen Umset-
zungsdefizite, und gegen welche Mitgliedstaaten liefen bisher bzw. laufen
derzeit Vertragsverletzungsverfahren?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, die sich aus der Antwort zu
Frage 5 ergibt?

7. Wie bewertet die Bundesregierung die Situation im Bereich der Bodenabfer-
tigungsdienste an den deutschen Flughäfen heute, hält die Bundesregierung
in diesem Bereich Verbesserungen für notwendig, und wenn ja, welche

a) bezüglich der Qualität,

b) bezüglich der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten,

c) bezüglich der Zuverlässigkeit,

d) des Preisniveaus der deutschen Flughäfen?

8. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Gewerkschaften, einiger
Flughäfen und Mitgliedstaaten der EU, dass die Einführung eines Mindest-
lohnes für die Beschäftigten, angemessene Ausbildungsstandards, sozialer
Schutz und Auflagen für eine Standardmindestausrüstung für die Beschäf-
tigten im Bereich der Bodenabfertigungsdienste notwendig sind, um der
vorhandenen Abwärtsspirale bei den Löhnen und den zunehmend sich ver-
schlechternden Arbeitsbedingungen entgegenzuwirken (vgl. S. 10 Consul-
tation on the impact assessment for a possible revision of Directive 96/67
on the access to the groundhandling market at EU airport. Summary of
results) oder wie beabsichtigt die Bundesregierung, den genannten Schwie-
rigkeiten zu begegnen?

9. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass Ausbildungs- und Sicherheits-
standards bei den Bodenabfertigungsdiensten nach der Einführung der
Richtlinie 96/67/EG eingeführt werden müssen, wie es viele Teilnehmer
des Konsultationsverfahrens vorschlagen, was den veröffentlichten Ergeb-
nissen des Konsultationsverfahrens (S. 8) zu entnehmen ist.

10. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu den innerhalb der EU vorhan-
denen unterschiedlichen staatlichen Anforderungen an die Qualifikation
der Ground-Handling-Beschäftigten bezüglich des erstmaligen Erwerbs
der Qualifikation und der berufsbegleitenden Sicherung und des Ausbaus
der Kenntnisse und der daraus resultierenden unterschiedlichen Qualität
der Dienstleistungen mit negativen Auswirkungen auf die Effizienz der
Dienstleistungen und den Anspruch der Sicherung einer europaweiten ho-
hen Qualität?

11. Wie will die Bundesregierung verhindern, dass die Qualität der Bodenab-
fertigungsdienste weiter abnimmt aufgrund der Tatsache, dass die Luft-
fahrtunternehmen die Dienstleister dieser Tätigkeiten gegeneinander aus-
spielen, um den günstigsten Preis zu erzielen und so eine Lohndumping-
spirale in Gang gesetzt haben (vgl. Bericht der Kommission über die An-
wendung der Richtlinie 96/67/EG S. 5)?

12. Wie beurteilt die Bundesregierung den aktuellen Stand der Sicherheit des
Betriebs und der Gefahrenabwehr für die Fluggäste, die Wirtschaftlichkeit
für die Fluggesellschaften und die Flughäfen und die Situation der Arbeits-
bedingungen für die Arbeitskräfte bei den Bodenabfertigungsdiensten, und
sind nach Meinung der Bundesregierung hier Verbesserungen notwendig,

und wenn ja, welche?

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13. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die derzeitigen Dienstleistun-
gen für Flugreisende bei den Bodenabfertigungsdiensten eine hohe Qualität
haben, und handelt es sich nach Meinung der Bundesregierung um eine
ausreichend effiziente Arbeitsweise oder sind Verbesserungen notwendig?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung die ökonomische Sinnhaftigkeit (für Ver-
braucher, Fluggesellschaften, Bodenabfertigungsunternehmen und Flug-
häfen) – insbesondere auch vor dem Hintergrund von zu erwartenden nega-
tiven Skaleneffekten durch die Zunahme der Anzahl der Abfertiger bei
gleichzeitig hoher Spitzenlastigkeit und Unplanmäßigkeiten (Verspätungen
und Verfrühungen) – einer Zulassung weiterer Dienstleister?

15. Gibt es außer den veröffentlichten Ergebnissen des Konsultationsverfahrens
weitere aktuelle Verlautbarungen der Europäischen Kommission, wie z. B.
Weißbücher und Staff Working Documents, zur geplanten Veränderung der
Richtlinie 96/67/EG, und wenn ja, wie positioniert sich die Bundesregie-
rung zu diesen Inhalten?

16. Wie ist der aktuelle Stand des Vorhabens der EU-Kommission, die Richt-
linie 96/67/EG neu zu formulieren, und wie ist der weitere Ablaufplan die-
ses Vorhabens?

17. Wird die Bundesregierung die Aktivitäten der EU-Kommission unterstüt-
zen, um durch eine Veränderung der Richtlinie 96/67/EG eine weitere Libe-
ralisierung in diesem Bereich voranzutreiben, oder welche Position vertritt
die Bundesregierung in diesem Prozess?

18. Welche Aktivitäten hat die Bundesregierung auf europäischer Ebene in die-
sem Zusammenhang bereits unternommen, und welche Aktivitäten wird sie
weiter unternehmen?

19. Welche Ziele verfolgt die Bundesregierung im Verfahren der geplanten
Veränderung der Richtlinie 96/67/EG hinsichtlich der Gefahrenabwehr, der
Arbeitssicherheit und der sozialen Arbeitsbedingungen?

20. Welche Ziele verfolgt die Bundesregierung bei einer Veränderung der
Richtlinie 96/67/EG hinsichtlich der Qualität der Dienstleistungen für die
Reisenden?

21. Hält die Bundesregierung eine Revision dieser Richtlinie für notwendig
oder könnten mögliche notwendige Verbesserungen auch ohne eine Revi-
sion dieser Richtlinie erreicht werden, und wenn ja, wie?

Berlin, den 29. Juni 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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