BT-Drucksache 17/6245

Unterstützung für den ecuadorianischen Yasuni Ishpingo Tambococha Tiputini Trust Fund

Vom 21. Juni 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6245
17. Wahlperiode 21. 06. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Eva Bulling-Schröter, Annette Groth,
Heike Hänsel, Niema Movassat, Sabine Stüber und der Fraktion DIE LINKE.

Unterstützung für den ecuadorianischen Yasuni Ishpingo Tambococha Tiputini
Trust Fund

Der Yasuni Ishpingo Tambococha Tiputini (ITT) Trust Fund wurde im August
2010 durch die ecuadorianische Regierung und das Entwicklungsprogramm der
Vereinten Nationen (UNDP) eingerichtet. Zweck des Fonds ist es, Einnah-
meausfälle auszugleichen, die Ecuador dadurch entstehen, dass es ein Erdölfeld
unter einem Urwaldgebiet von außerordentlich hoher Biodiversität nicht aus-
beutet. Fast 850 Barrel Öl sollen unter der Erde bleiben, dadurch wird die Frei-
setzung von über 400 Millionen m3 CO2 verhindert.

Ecuador ist im Rahmen der ITT-Initiative bereit, einen wichtigen Beitrag zum
Erhalt der Biodiversität und zum Schutz des globalen Klimas zu leisten. Damit
ist ein erheblicher wirtschaftlicher Verzicht verbunden: Das Vorkommen ent-
spricht 13 Prozent der ecuadorianischen Öl-Reserven. Bei seiner Ausbeutung
wären Einnahmen von 7,2 Mrd. US-Dollar zu erwarten. Über den ITT Trust
Fund soll nun die Hälfte der zu erwartenden Einnahmeverluste im Laufe von
13 Jahren ausgeglichen werden. Gerade die Industrieländer als große Energie-
verbraucher und CO2-Emittenten wären aufgerufen, hier ihren angemessenen
Beitrag beizusteuern.

Denn Voraussetzung dafür, dass Ecuador auf die Förderung des Öls tatsächlich
verzichten kann, ist, dass die entsprechenden Mittel aufgebracht werden. Für das
Jahr 2011 werden mindestens 100 Mio. US-Dollar veranschlagt. Mit den Beiträ-
gen aus dem Fonds soll der Übergang zu einer nichtfossilen Energieversorgung
gefördert werden.

Dieser innovative Ansatz, der Umwelt- und Klimaschutz mit Entwicklungszie-
len verbindet, wird von den Fachpolitikern aller Bundestagsfraktionen unter-
stützt. Die letzte Bundesregierung hatte sich an der Vorbereitung des Fonds maß-
geblich beteiligt. Jetzt käme es darauf an, auch die Umsetzung in angemessener
Höhe zu unterstützen. Zur Überraschung vieler Beteiligter hatte aber der
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk
Niebel, seine Unterstützung verweigert und sich damit gegen die Fachpolitiker
auch der Koalitionsfraktionen der CDU, CSU und FDP gestellt. Bei mehreren

Gelegenheiten hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (BMZ) seine ablehnende Haltung unter anderem damit begrün-
det, man wolle keinen „Präzedenzfall“ mit Geld für ein „Unterlassen“ schaffen,
dem andere Staaten folgen könnten.

Wenn es dabei bleibt, dass ausgerechnet Deutschland seine Unterstützung für
den Fonds zurückzieht, könnte das Projekt insgesamt in Gefahr geraten. Das
wäre umso unverständlicher, als dass von Seiten des UNDP die Konstruktion

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des ITT-Fonds als besonders solide gelobt und die Verbindlichkeit des Verzichts
auf Ölförderung durch ein entsprechendes ecuadorianisches Gesetz abgesichert
wird.

Anscheinend ist die Bundesregierung nun dazu übergegangen, eine Unterstüt-
zung der ITT-Initiative zu ihren Konditionen anzubieten. In die Diskussion ge-
bracht wurde eine indirekte Unterstützung der ITT-Ziele unter der Bedingung,
dass die ITT-Initiative dem von Deutschland stark unterstützten REDD+-Pro-
gramm (Programme on Reducing Emissions from Deforestation and Forest
Degradation) der Vereinten Nationen angegliedert wird, allerdings nicht mit zu-
sätzlichen Mitteln, sondern durch Umwidmung bereits bestehender finanzieller
Zusagen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Erwägt die Bundesregierung die Bereitstellung von Beiträgen an den ITT
Trust Fund bis Ende 2011?

Wenn ja, in welcher Höhe?

Wenn nein, warum nicht?

2. Erwägt die Bundesregierung die Einstellung entsprechender Mittel in den
Haushalt 2012?

Wenn ja, in welcher Höhe?

Wenn nein, warum nicht?

3. Kann die Bundesregierung die Aussage des damaligen ecuadorianischen
Außenministers Fander Falconí, getätigt im Anschluss an den Staatsbesuch
einer ecuadorianischen Delegation im Juni 2009 und Bezug nehmend auf ein
Gespräch mit dem damaligen Staatssekretär des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Erich Stather, bestätigen,
wonach die damalige Bundesregierung mündlich eine finanzielle Unterstüt-
zung des ITT-Fonds in Aussicht gestellt habe?

4. Wenn ja, wurde dabei eine konkrete Summe genannt, und wie verbindlich
wäre eine solche mündliche Zusage gegenüber einem Außenminister eines
Partnerlandes?

5. Gibt es eine zwischen dem BMZ, dem Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie dem Auswärtigen Amt abge-
stimmte einheitliche Position der Bundesregierung bezüglich der Bewertung
der ITT-Initiative, und wie sieht diese gegebenenfalls aus?

6. Welche Bedenken des BMZ an der Konstruktion des Fonds, der Umsetzung
des Projekts und der Zuverlässigkeit der ecuadorianischen Zusagen, die das
Bundesministerium im vergangenen Herbst geäußert hatte, konnte die
ecuadorianische Regierung in ihrem Antwortbrief vom September 2010 nicht
oder nicht vollständig ausräumen?

7. Welche zusätzlichen Gesichtspunkte, über die sich in diesem Zusammenhang
nicht ausgetauscht worden war, sprechen nach Ansicht der Bundesregierung
für eine Zurückhaltung bei der Unterstützung des Projekts?

8. Wie bewertet die Bundesregierung die Governance-Struktur des ITT-Fonds?

Inwiefern teilt sie die Meinung, dass das Gewicht der ecuadorianischen Re-
gierung im Steering Committee des Fonds dem hohen finanziellen Beitrag
Ecuadors angemessen und ein Beitrag zur Stärkung der Eigenverantwortung
ist?

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9. Wie reagiert die Bundesregierung auf den Umstand, dass die ITT-Initiative
von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages unterstützt wird?

Inwiefern sieht sich die Bundesregierung veranlasst, die breite parlamenta-
rische Unterstützung in ihrer Entscheidung zu berücksichtigen?

10. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass sie die Angliederung der ITT-
Initiative an REDD+ zur Bedingung einer möglichen Unterstützung ma-
chen will?

11. Welche konzeptionellen Veränderungen an der ITT-Initiative wären nach
Ansicht der Bundesregierung erforderlich, um sie als förderungswürdig
darzustellen (bitte insbesondere in Hinsicht auf eine mögliche Angliede-
rung der Initiative an REDD+ erläutern).

12. Inwiefern berücksichtigt die Bundesregierung hierbei die Überlegung, dass
die ITT-Initiative insofern über die Zielstellung des REDD+ hinausgeht, als
sie nicht nur auf Wald- und damit Klimaschutz, sondern auch auf umfassen-
deren Umweltschutz (durch Nichtextraktion) und auf die Abkehr von ex-
traktiver Rohstoffförderung und den Umstieg auf alternative Energien aus-
gerichtet ist?

13. Inwiefern ließe sich der Bundesregierung zufolge dieser umfassende An-
satz der ITT-Initiative innerhalb von REDD+ überhaupt aufrechterhalten?

14. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass sie die indirekte Unterstützung
der ITT-Initiative nur im Rahmen ihrer bereits laufenden Wahlschutzvorha-
ben und bereits gegebener finanzieller Zusagen in Betracht zieht?

15. Wie stellt sich die Bundesregierung die Ausrichtung ihrer Waldschutzvor-
haben in Ecuador an der ITT-Initiative konkret vor?

16. Schließt die Bundesregierung aus, zusätzliche Mittel zur Unterstützung der
Ziele der ITT-Initiative bereitzustellen?

17. Inwiefern wäre die Bundesregierung bereit, im Rahmen ihrer Entwick-
lungszusammenarbeit mit Ecuador die Ziele der ITT-Initiative in ihrer ge-
samten Breite (also über den Waldschutz hinaus) zu unterstützen?

18. Mit wie vielen Ländern rechnet die Bundesregierung, die sich die ITT-Ini-
tiative als Beispiel nehmen und Kompensationen für die Nichtförderung
von Rohstoffen fordern könnten?

In wie vielen Ländern kämen die dafür erforderlichen Voraussetzungen,
nämlich dass es sich um Entwicklungsländer mit Rohstofflagerstätten in
Gebieten außerordentlicher Biodiversität handelt, zusammen?

Berlin, den 20. Juni 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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