BT-Drucksache 17/6103

Programme "Schulverweigerung - Die 2. Chance" und "Kompetenzagenturen" erhalten

Vom 8. Juni 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6103
17. Wahlperiode 08. 06. 2011

Antrag
der Abgeordneten Stefan Schwartze, Petra Crone, Petra Ernstberger, Iris Gleicke,
Gabriele Hiller-Ohm, Christel Humme, Ute Kumpf, Caren Marks, Franz Müntefering,
Aydan Özog˘uz, Thomas Oppermann, Sönke Rix, Marlene Rupprecht (Tuchenbach),
Dagmar Ziegler, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Programme „Schulverweigerung – Die 2. Chance“ und
„Kompetenzagenturen“ erhalten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit der Initiative „JUGEND STÄRKEN“ fördert das Bundesministerium für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend notwendige und umfassende Unterstüt-
zungsangebote der Jugendhilfe zur sozialen und beruflichen Integration be-
nachteiligter junger Menschen. Die Initiative „JUGEND STÄRKEN“ setzt sich
zusammen aus Programmen, die aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds
(ESF) finanziert werden: „Schulverweigerung – Die 2. Chance“, „Kompetenz-
agenturen“ und „STÄRKEN vor Ort“ sowie aus den aus Bundesmitteln finan-
zierten Jugendmigrationsdiensten. Hinzu kommt das im Jahr 2010 neu aufge-
legte Modellprogramm „JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region“, das an
36 Standorten erprobt wird und ebenfalls aus Mitteln des ESF finanziert wird.

Das Programm „STÄRKEN vor Ort“ endet zum 31. Dezember 2011, ein Nach-
folgeprogramm wird geprüft. Für die zwei Programme „Schulverweigerung –
Die 2. Chance“ und „Kompetenzagenturen“ endet die ESF-Förderphase im
September 2011. Sie wurden neu ausgeschrieben und sollen neu aufgelegt wer-
den.

Nach Angaben der Bundesregierung sind für die zwei Programme „Schulver-
weigerung – Die 2. Chance“ und „Kompetenzagenturen“ in der gegenwärtigen
Programmphase (2008 bis 2011) insgesamt 143 Mio. Euro aus dem ESF veran-
schlagt. Damit standen in dieser Zeit jahresdurchschnittlich 47,67 Mio. Euro
zur Verfügung. Für die neue Programmphase (2011 bis 2013) waren nach Aus-
sage der Bundesregierung zunächst nur noch ESF-Mittel in Höhe von 40 Mio.
Euro, dann in Höhe von 50 Mio. Euro vorgesehen. Am 31. Mai 2011 stellte die
Bundesregierung dann ESF-Mittel in Höhe von 80 Mio. Euro in Aussicht. Da-
mit scheint sie dem öffentlichen Druck nachgegeben und die geplanten Kürzun-
gen weiter abgemildert zu haben. Gleichwohl liegt der jahresdurchschnittliche
Fördermittelbetrag in der neuen Programmphase nur noch bei 34,29 Mio. Euro.

Das ist eine Kürzung der Förderung um über 13 Mio. Euro pro Jahr bzw. um
28 Prozent.

In der Konsequenz bedeutet dies, dass durch die Kürzung der Mittel entweder
die Anzahl der Standorte oder die Qualität der Arbeit vor Ort gefährdet ist.
Nach wie vor ist die Weiterführung für 192 Koordinierungsstellen „Schulver-
weigerung – Die 2. Chance“ und alle 204 „Kompetenzagenturen“ höchst unge-
wiss. Die Bundesregierung erwartet, dass die Kommunen einen größeren An-

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teil der Finanzierung übernehmen. Die Kommunen stehen aber insgesamt unter
erheblichen Finanzbelastungen und konnten aufgrund der erst sehr kurzfristi-
gen Mitteilung des Bundes über die vorgesehene Mittelkürzung in ihren laufen-
den Haushalten keinerlei Vorsorge für eine etwaige Anschlussfinanzierung tref-
fen.

Das ESF-Programm „Schulverweigerung – Die 2. Chance“ leistet einen wich-
tigen Beitrag zur Senkung der Schulabbrecherquote, die derzeit bei 7 Prozent
liegt. Es zielt – anders als viele präventive Ansätze – auf die Reintegration von
Schülerinnen und Schülern in das Regelschulsystem, die aufgrund von massiver
Schulverweigerung ihren Schulabschluss gefährden. Im vergangenen Förder-
jahr (September 2009 bis August 2010) wurden rund 6 500 Schülerinnen und
Schüler begleitet und unterstützt. 811 Personen waren bislang an 192 Standorten
im Programm „Schulverweigerung – Die 2. Chance“ beschäftigt.

Das ESF-Programm „Kompetenzagenturen“ ist ein wichtiger Baustein im Be-
reich der Jugendsozialarbeit, der in der neuen Programmphase noch stärker be-
tont werden soll. Eine intensive Kooperation mit dem Jugendmigrationsdienst
und der Nachweis einer Kooperation durch Zielvereinbarung ist eine neue He-
rausforderung der kommenden Programmphase. Zudem wird der Handlungs-
radius der „Kompetenzagenturen“ mit intensiver Einzelfallbegleitung auf den
Zeitraum nach der Schule verlegt, um eine sinnvolle Kooperation mit bereits
vorhandenen Angeboten der Länder zu gewährleisten, die die schulische
Sozialarbeit unterstützen. Im Zeitraum vom September 2009 bis August 2010
sind mit dem Programm „Kompetenzagenturen“ 33 000 junge Menschen er-
reicht worden. 1 159 Personen waren bislang an 204 Standorten im Programm
„Kompetenzagenturen“ beschäftigt.

Die Realisierung der Programme setzt schon jetzt eine schwierige auch ressort-
übergreifende Kofinanzierung mit Mitteln der Kommunen und der Bildungs-
behörden sowie des Zweiten oder Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II
oder SGB III) voraus. Ab September 2011 die wegfallenden ESF-Mittel zu kom-
pensieren – zumal ab 2012 auch eine Kofinanzierung über das SGB III oder
SGB II ausgeschlossen ist –, wird den wenigsten Projekten gelingen können.

Es ist daher zu befürchten, dass zahlreiche Programmstandorte wegfallen wer-
den. Die Zielsetzung, benachteiligte junge Menschen zu stärken und ihre Teil-
habe zu verbessern, statt sie verloren zu geben, wird auf diese Weise konter-
kariert.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. für die Programme „Schulverweigerung – Die 2. Chance“ und „Kompetenz-
agenturen“ die geplanten Kürzungen bei der Förderung aus ESF-Mitteln zu-
rückzunehmen. Für die neue Programmphase (2011 bis 2013) sind deshalb
mindestens 112 Mio. Euro aus ESF-Mitteln zur Verfügung zu stellen;

2. die Anzahl der Standorte der Programme „Schulverweigerung – Die
2. Chance“ (bislang 192) und „Kompetenzagenturen“ (bislang 204) zu er-
halten;

3. die 20-prozentige Kofinanzierung aus Bundesmitteln des SGB II und/oder
SGB III über den 1. Januar 2012 hinaus für die „Kompetenzagenturen“ über
den gesamten Zeitraum der ESF-Förderphase 2012/2013 zu ermöglichen.

Berlin, den 8. Juni 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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