BT-Drucksache 17/5965

zu dem Antrag der Abgeordneten Helmut Heiderich, Sibylle Pfeiffer, Dr. Christian Ruck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Christiane Ratjen-Damerau, Harald Leibrecht, Helga Daub, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -Drucksache 17/5488- Illegale Landnahme verhindern, Eigentumsfreiheit schützen, Ernährungsgrundlage in Entwicklungsländern sichern

Vom 26. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5965
17. Wahlperiode 26. 05. 2011

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Helmut Heiderich, Sibylle Pfeiffer,
Dr. Christian Ruck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Christiane Ratjen-Damerau, Harald Leibrecht,
Helga Daub, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 17/5488 –

Illegale Landnahme verhindern, Eigentumsfreiheit schützen,
Ernährungsgrundlage in Entwicklungsländern sichern

A. Problem

Eine wachsende Weltbevölkerung, ein verändertes Konsumverhalten und ein
zunehmender Bedarf an nachwachsenden Rohstoffen gehen einher mit einer
steigenden Nachfrage nach fruchtbarem Land. Problemverschärfend kommt
hinzu, dass infolge des Klimawandels immer mehr Anbauflächen durch Erosion
und Wüstenbildung für eine agrarwirtschaftliche Nutzung verloren gehen. Des-
halb nehmen gegenwärtig großflächige Landkäufe oder Landpachtungen zu, die
je nach Bewertung als „Land Grabbing“ oder „Direct Investment in Land“ be-
zeichnet werden. Die Weltbank hat in ihrem Bericht „Rising Global Interest in
Farmland – Can it yield sustainable and equitable benefits?“ (2011) dokumen-
tiert, dass die Nachfrage nach Land 2009 auf rund 56 Millionen Hektar beziffert
wird. Eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit
GmbH – GTZ (heute Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit –
GIZ) aus dem gleichen Jahr registrierte 141 abgeschlossene Verträge über
Flächen von 500 Hektar und mehr. Vor allem finanzschwache Länder in Afrika
und Asien mit gering ausgeprägten demokratischen Strukturen und einer in-
transparenten Verwaltung sind begehrte Investitionspartner für private Unter-
nehmen wie auch für Schwellen- und Entwicklungsländer, die damit den lukra-
tiven Anbau großer Mengen an Biomasse oder die Versorgung ihrer eigenen
Bevölkerung mit Lebensmitteln sichern wollen. Seit 2004 wurden in Äthiopien,

Ghana, Madagaskar, Mali und Sudan rund 2,5 Millionen Hektar Land ver-
pachtet, während seit 2006 Verhandlungen über 15 bis 20 Millionen Hektar
Land geführt werden.

Es gibt sowohl positive als auch negative Beispiele im Kontext solcher Käufe
oder langfristigen Pachten. So konnten durch diese Investitionen Tausende orts-
ansässige Arbeiter beschäftigt werden und ein großer Teil der Wertschöpfung im
Lande verbleiben. Es finden sich jedoch auch Beispiele, wo die ortsansässigen

Drucksache 17/5965 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bauern aufgrund fehlender formaler Besitzrechte von ihrem Land verdrängt
oder ohne Entschädigung enteignet wurden und Monokulturen die Böden aus-
laugen und der Konflikt um einen privilegierten Zugang zu Wasser zu eskalieren
droht. Verschärft wird diese Konfliktsituation, wenn die Investoren eigene Be-
schäftigte mitbringen und die einheimischen Bauern somit ihre Einkommens-
grundlage verlieren.

Um dauerhaft Hunger und Armut zu beseitigen, bedarf es u. a. einer Steigerung
der Nahrungsmittelproduktion. Dazu wiederum benötigt man zum einen neue
Methoden des Anbaus, einen verbesserten Zugang zu den Märkten und die Ent-
wicklung entsprechender Infrastrukturen, zum anderen müssen Anreize für alle
Beteiligten, vor allem aber ausländische Direktinvestitionen geschaffen werden.
Um seriöses „Foreign Direct Investments“ (FDI) zu schützen, ist vor allem eine
transparente und rechtlich abgesicherte Vergabepraxis erforderlich, die die Ei-
gentumsrechte der ansässigen Bauern achtet, eine nachhaltige Bewirtschaftung
sicherstellt und insbesondere einen großen Teil der Wertschöpfung im Entwick-
lungsland belässt.

B. Lösung

Annahme des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Ablehnung des Antrags.

D. Kosten

Kosten wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5965

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/5488 anzunehmen.

Berlin, den 11. Mai 2011

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Dagmar Wöhrl
Vorsitzende

Helmut Heiderich
Berichterstatter

Dr. Sascha Raabe
Berichterstatter

Dr. Christiane Ratjen-Damerau
Berichterstatterin

Niema Movassat
Berichterstatter

Thilo Hoppe
Berichterstatter

Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag in seiner 37. Sit-
zung, der Rechtsausschuss hat den Antrag in seiner 47. Sit- Die SPD-Fraktion räumt ein, dass man in Teilen die Posi-

zung, der Haushaltsausschuss hat den Antrag in seiner
54. Sitzung, der Ausschuss für Wirtschaft und Technolo-
gie hat den Antrag in seiner 44. Sitzung, der Ausschuss für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat

tionierung des Antrages teile. Sie merkt an, dass aber auch
durch Agrardumping und Exportsubventionen von Produk-
ten aus europäischen Ländern die kleinbäuerlichen Märkte
verdrängt worden seien und immer noch verdrängt würden.
Drucksache 17/5965 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Helmut Heiderich, Dr. Sascha Raabe,
Dr. Christiane Ratjen-Damerau, Niema Movassat und Thilo Hoppe

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
17/5488 in seiner 105. Sitzung am 14. April 2011 zur feder-
führenden Beratung an den Ausschuss für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung und zur Mitberatung an
den Auswärtigen Ausschuss, den Rechtsausschuss, den
Haushaltsausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie, den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz, den Ausschuss für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit und den Ausschuss für Men-
schenrechte und humanitäre Hilfe überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage
Mit dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, die
Regierungen der Partnerländer im Rahmen der Entwick-
lungszusammenarbeit rechtstechnisch bei der gesetzlichen
Absicherung des Schutzes von Besitz und Eigentum und ver-
waltungstechnisch bei der administrativen Umsetzung zu be-
raten. Ferner soll sie den Aufbau eines transparenten und
rechtstaatlichen Vergabesystems in Verbindung mit dem
Aufbau eines effektiven Justizwesens unterstützen. Des Wei-
teren soll sie die Regierungen der Partnerländer bei der Ver-
tragsgestaltung mit ausländischen Investoren hinsichtlich
der Berücksichtigung der Belange der ortsansässigen Bevöl-
kerung und der Einschätzung der Risiken für die Umwelt be-
raten.

Gegenüber Staaten, die gegen das Recht auf Eigentum und
tradierte Nutzungsrechte (Eigentumserwerb durch Ersit-
zung) verstoßen, soll offiziell Protest eingelegt und die Ein-
haltung des Rechtes auf Eigentum eingefordert werden. Sol-
che Verstöße sollen von deutschen Auslandsvertretungen
beobachtet und im Rahmen des Menschenrechtsberichtes
der Bundesregierung stärker thematisiert werden.

Auf internationaler Ebene soll sich Deutschland gemeinsam
mit den EU-Partnern für ein Zusatzprotokoll beim Interna-
tionalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR)
einsetzen, das den Schutz des Eigentums vor unberechtigten
Eingriffen durch private Dritte oder den Staat garantiert und
angemessene Entschädigungen im Falle von Enteignungen
vorschreibt. Schließlich soll Deutschland im Rahmen der
Welternährungsorganisation (FAO) konstruktive Vorschläge
bei der Ausgestaltung von freiwilligen Leitlinien zur eigen-
tumsgerechten Verwaltung von Boden- und Landnutzungs-
rechten und anderen natürlichen Ressourcen einbringen.

III. Stellungnahme der mitberatenden Ausschüsse

in seiner 41. Sitzung und der Ausschuss für Menschen-
rechte und humanitäre Hilfe hat den Antrag in seiner
38. Sitzung am 11. Mai 2011 beraten. Die Ausschüsse emp-
fehlen mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Antrag anzunehmen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat den Antrag in seiner 37. Sitzung am
11. Mai 2011 beraten. Er empfiehlt mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der
Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN den Antrag anzunehmen.

Die CDU/CSU-Fraktion hebt hervor, man befinde sich ge-
genwärtig in einer „Art Zeitenwende der Agrarpolitik“.
Jahrzehntelang seien die Preise für landwirtschaftliche Pro-
dukte gefallen und dadurch habe man kaum im ländlichen
Raum investiert. Auch in der Entwicklungspolitik sei dieses
Thema vernachlässigt worden. Darum hätten heute viele
Länder Nachernteprobleme wie fehlende Lagerungs- oder
Transportkapazitäten. Vor dem Hintergrund einer Welt-
bevölkerung von möglicherweise 11 Milliarden Menschen
im Jahre 2050 müsse man die Ernährungsfrage sehr ernst
nehmen. Auf der anderen Seite habe die seit kurzem statt-
findende Preisexplosion dazu geführt, dass zunehmend in
die Landwirtschaft investiert werde, leider aber nicht immer
zum Vorteil der Menschen vor Ort. Nicht selten würden
dabei kleinbäuerliche Strukturen empfindlich gestört, vor-
handene Landrechte gingen verloren und mit dem Wegfall
der Existenzgrundlage für die kleinbäuerlichen Betriebe
werde am Ende auch die Versorgungssicherheit der regio-
nalen Bevölkerung gefährdet. Mit den Forderungen im vor-
liegenden Antrag wolle man eine „Win-Win-Situation“ her-
stellen.

Die FDP-Fraktion betont das Grundrecht auf ausreichende
Versorgung mit Nahrungsmitteln. Wenn man den Welt-
frieden sichern wolle, dann müsse man die Ernährungsfrage
ernst nehmen. Die Gründe für steigende Lebensmittelpreise
seien vielfältig: eine wachsende Weltbevölkerung, ein
verändertes Konsumverhalten, ein steigender Bedarf an Bio-
kraftstoffen, ein zunehmendes nationales Bedürfnis nach
Absicherung der eigenen Versorgung. Entscheidend sei die
Frage einer klaren juristischen Regelung der Eigentums-
und Nutzungsrechte. Hierbei müsse man die Partnerländer
der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit unterstützen.
Aber auch die investierenden Unternehmen müssten für Fra-
gen einer gerechten Landverteilung sensibilisiert werden.
den Antrag in seiner 39. Sitzung, der Ausschuss für Um-
welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat den Antrag

Hauptkritikpunkt an diesem Antrag sei vor allem die Defini-
tion des legalen Landbesitzes in Verbindung mit der Frage,

Niema Movassat
Berichterstatter

Thilo Hoppe
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/5965

wie er in den Entwicklungsländern zustande gekommen sei.
Hier müsse man aus dem jeweiligen historischen Kontext
heraus die ursprünglich vorhandenen Besitztümer mit aktu-
ellen Besitzansprüchen in Einklang bringen. In vielen Län-
dern existiere seit Jahrzehnten eine „himmelschreiende Un-
gerechtigkeit“ bei der Landverteilung. Viele Grundbesitzer
hätten zwar Landtitel, die jedoch ungerecht erworben seien.
Deswegen müssten Landreformen teilweise auch gegen den
Willen der Grundbesitzer möglich sein. Umgekehrt hätten
viele Besitzer keinen Landtitel, aber das Land gerechtfertigt
besetzt. Ohne eine Landreform werde man in den Entwick-
lungsländern keine Fortschritte machen können. Die Verant-
wortung der investierenden Unternehmen werde in dem An-
trag ebenfalls viel zu schwach angesprochen. Man selbst
habe weitergehend gefordert, die Vergabe von Hermes-
Bürgschaften an die Einhaltung dieser Aspekte zu binden.
Man werde diesbezüglich die Vorschläge der FAO prüfen
und gegebenenfalls einen eigenen Antrag stellen.

Die Fraktion DIE LINKE. kritisiert, dass die im Antragsti-
tel angekündigte Sicherung der Ernährungsgrundlagen im
Antrag selbst überhaupt nicht angesprochen werde. Hier ge-
he es nur noch um den Schutz des privaten Eigentums; dabei
würden weder kollektive Eigentumsformen berücksichtigt
noch das wichtige Thema der Landreform konkret angespro-
chen. Kein Wort werde über die verfehlte EU-Agrar- und

Handelspolitik verloren, die mit verantwortlich sei für stei-
gende Lebensmittelpreise und „Land Grabbing“. Der Antrag
spreche zwar zu Recht das Thema Land Grabbing an, geeig-
nete Maßnahmen dagegen würden aber nicht genannt. So
reiche es nicht aus, die investierenden Unternehmen für die-
se Thematik zu sensibilisieren, man brauche verbindliche
Menschenrechts- und Partizipationsstandards für Investitio-
nen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN weist darauf
hin, dass bei einigen Investitionen die Ernährungssituation
sogar noch verschärft würde, weil überhaupt keine Nah-
rungsmittel auf den Landflächen angebaut würden. Eine blo-
ße Sensibilisierung der investierenden Unternehmen für die
Problematik der Landnahme, wie in dem Antrag gefordert,
reiche hier nicht aus. Auch die Frage der Landtitel könne
man nicht eindeutig positiv bewerten. Man kenne Fälle, bei-
spielsweise in Kambodscha, wo die Vergabe von Landtitel
dazu geführt habe, dass die Regierung in anderen Regionen,
wo die Bauern diese verbrieften Titel noch nicht erhalten
hätten, traditionelle Landrechte überhaupt nicht mehr aner-
kannt worden seien. Hier brauche es starke Leitlinien der
FAO. Ausdrücklich begrüßen wolle man die im Antrag ge-
forderte zukunftsorientierte Landnutzungsplanung. Insge-
samt sei der Antrag aber zu vage und werde darum abge-
lehnt.

Berlin, den 11. Mai 2011

Helmut Heiderich
Berichterstatter

Dr. Sascha Raabe
Berichterstatter

Dr. Christiane Ratjen-Damerau
Berichterstatterin

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