BT-Drucksache 17/5899

Notfallplan für die Hochschulzulassung zum Wintersemester 2011/12 jetzt starten

Vom 24. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5899
17. Wahlperiode 24. 05. 2011

Antrag
der Abgeordneten Ulla Burchardt, Swen Schulz (Spandau), Dr. Ernst Dieter
Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, Klaus Barthel, Willi Brase, Petra Ernstberger,
Michael Gerdes, Iris Gleicke, Klaus Hagemann, Christel Humme, Oliver
Kaczmarek, Daniela Kolbe (Leipzig), Ute Kumpf, Thomas Oppermann,
Florian Pronold, René Röspel, Marianne Schieder (Schwandorf), Andrea Wicklein,
Dagmar Ziegler, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Notfallplan für die Hochschulzulassung zum Wintersemester 2011/2012
jetzt starten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die erneute Verschiebung der Einführung eines modernen Hochschulzulas-
sungsverfahrens für die deutschen Hochschulen ist ein ernster Rückschlag für
den Studien- und Wissenschaftsstandort Deutschland. Das am 3. März 2009 in
der entsprechenden Vereinbarung mit der Kultusministerkonferenz (KMK) und
der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) erklärte Ziel der Bundesregierung, ab
dem kommenden Wintersemester die nach wie vor knappen Studienplätze ge-
recht und insbesondere effizient zu vergeben, wird damit verfehlt. Zum zweiten
Mal wird somit der Starttermin des so genannten Dialogorientierten Servicever-
fahrens (DoSV) für die Hochschulzulassung verschoben. Ein modernes und leis-
tungsfähiges Zulassungsverfahren steht damit 2011/2012 genau zu dem Zeit-
punkt nicht zur Verfügung, an dem aufgrund der Doppelabiturjahrgänge und der
Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht eine deutlich erhöhte Studiennach-
frage zu erwarten ist.

Es ist zu befürchten, dass im Herbst 2011 das bisherige und erkennbar unzurei-
chende Zulassungsverfahren weitaus schlechtere Ergebnisse hinsichtlich einer
gerechten und effizienten Verteilung der Studienplätze erzeugen wird, als sie oh-
nehin bisher zu beobachten waren. Ohne entschiedene und unverzügliche Maß-
nahmen von Bund, Ländern und Hochschulen werden die Studienbewerberin-
nen und -bewerber im Herbst 2011 somit trotz des erfolgreichen Hochschulpak-
tes von Bund und Ländern tendenziell schlechtere Studienplatzchancen haben,
als in den letzten Jahren. Eine intransparente und ineffiziente Studienplatzver-
gabe ist geeignet, diese Situation weiter zu verschärfen.
Die bisherigen Erfahrungen mit der nachgelagerten „Studienplatzbörse“ zur
zügigen Nachvermittlung frei gebliebener Studienplätze zeigen, dass die Börse
nicht oder nur unzureichend den erhofften Effizienzgewinn leistet. Die laut
Pressemeldungen weiterhin rund 17 000 unbesetzten Studienplätzen bedeuten
keinen entscheidenden Fortschritt zur Situation vorher. Diese Praxis unver-
ändert bis zur Einführung des DoSV fortzusetzen kann somit nicht als dem
Problem angemessene Maßnahme erscheinen.

Drucksache 17/5899 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Zudem ist die Bundesregierung ihrer Informationspflicht gegenüber dem Deut-
schen Bundestag bisher nur unzureichend nachgekommen. So liegt der Bericht
zu den Ergebnissen der Studienplatzbörse für die Studienanfänger im Winter-
semester 2010/2011 weiterhin nicht vor, obgleich Zahlen bereits in der Presse
zitiert werden. Ebenfalls lückenhaft ist die bisherige Darstellung der Bundes-
regierung zu den konkreten Gründen, die zum Projektstopp des DoSV für das
Wintersemester 2011/2012 geführt haben. Der allgemeine Hinweis auf die fehler-
anfällige Implementierung an den Hochschulen vermag nicht zu überzeugen.

Erstens war die Bundesregierung mehrfach auf die Kritikalität der Schnittstel-
lenfrage zu den Hochschulen hingewiesen worden. So stand diese im Mittel-
punkt zweier Fachgespräche des Ausschusses für Bildung, Forschung und Tech-
nikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages zur Zulassungsreform.

Zweitens ist die Anbindung der bzw. Implementierung bei den Hochschulen als
integraler Projektbaustein des DoSV bereits Anfang 2009 explizit ausgewiesen
worden. Eine anforderungsgerechte politische Projektsteuerung hätte frühzeitig
Informationen gewinnen und entsprechend nachsteuern können.

Drittens trägt hochschulseitig für die Zulassungssoftware in den meisten Fällen
mit der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) eine Einrichtung beson-
dere Verantwortung, die zu gut einem Drittel bundesfinanziert ist. Die Bundes-
regierung hat es somit versäumt, die entscheidenden Partner frühzeitig zu-
sammenzuführen und ergebnisorientiert zu koordinieren.

Viertens ist bisher der konkrete Entwicklungsstand der bundesfinanzierten neuen
Zulassungssoftware über den Hinweis hinaus, dass sie – abgesehen von der
Hochschulanbindung – grundsätzlich einsatzfähig sei, unklar. Im Einzelnen feh-
len Informationen der Bundesregierung, welche Leistungsmerkmale des Anfor-
derungskataloges bereits technisch umgesetzt und nutzbar sind (etwa zentrale
Bewerbung), welche umgesetzt, aber noch nicht nutzbar sind (etwa Mehrfächer-
studiengänge) oder welche bisher nicht umgesetzt und daher auch nicht nutzbar
sind (etwa zentrale Vergabeverfahren, so genannte Typ D-Dienstleistung).
Ebenso ist bisher nicht ersichtlich, für wann nun mit dem Start des DoSV ge-
rechnet werden kann und für wie lange somit eine Übergangslösung notwendig
sein wird.

Fünftens hat der Stiftungsrat als Entscheidungsgremium der Stiftung für Hoch-
schulzulassung die ihm obliegenden Aufgaben sowohl hinsichtlich der tech-
nisch-administrativen Einbindung der Hochschulen wie auch hinsichtlich der
organisatorisch-personellen Voraussetzungen bei der Stiftung selbst offenkun-
dig nur unzureichend erfüllen können. Zudem war und ist auch hier die Bundes-
regierung – wenn auch stimmrechtslos – beteiligt und hätte frühzeitig einwirken
können.

Die Situation in der Hochschulzulassung ist somit insgesamt inakzeptabel und
belegt einen leichtfertigen Umgang mit den hoffnungsvollen Zukunftsperspek-
tiven der jungen Menschen sowie eine anhaltende ineffiziente Nutzung beste-
hender Studienkapazitäten. Angesichts der erwarteten zusätzlichen Studien-
nachfrage und des zunehmenden Fachkräftebedarfs ist die bisherige Ent-
wicklung sogar alarmierend. Der Deutsche Bundestag missbilligt daher die
offensichtlich unzureichenden Maßnahmen sowie das unzulängliche Projekt-
management der Bundesregierung bei der Einführung des DoSV. Sie muss ihrer
politischen Verantwortung über die bisherige Mittelbereitstellung hinaus stärker
gerecht werden und dem Deutschen Bundestag umgehend einen belastbaren
Zeitplan zur überfälligen Einführung des Dialogorientierten Serviceverfahrens
vorlegen. Daneben muss die Bundesregierung die Initiative für einen Notfall-
plan für das kommende Wintersemester ergreifen und Maßnahmen entwickeln,
mit denen sie gemeinsam mit den Ländern, Hochschulen und der Stiftung für

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5899

Hochschulzulassung die Studienplatzvergabe in der Übergangszeit mit erwarte-
ten Nachfragespitzen entscheidend verbessern will.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. den überfälligen Bericht zu den Ergebnissen der Studienplatzbörse zum Win-
tersemester 2010/2011 unverzüglich vorzulegen;

2. gemeinsam mit den Ländern eine „Task Force Hochschulzulassung“ einzu-
richten und daran die Hochschulen, die Stiftung für Hochschulzulassung
sowie die an der technischen Umsetzung maßgeblich beteiligten Akteure zu
beteiligen, damit die notwendigen Entscheidungen zur weiteren Zulassungs-
reform wie zum Notfallplan für die kommenden Studienanfängerjahre bis zur
Einführung des DoSV zentral verbindlich, transparent, sachorientiert und
zeitnah erfolgen können;

3. einen überarbeiteten Maßnahmen- und Zeitplan der „Task Force“ zur endgül-
tigen Einführung des DoSV einschließlich des Angebots der zentrale Vergabe
(Typ D) durch die Zulassungsstiftung sowie der Vergabe für Studiengänge
mit mehreren Fächern an den deutschen Hochschulen vorzulegen;

4. einen Notfallplan der „Task Force“ für die Hochschulzulassung in den kom-
menden Übergangsjahren zu entwickeln und vorzulegen, der gerade ange-
sichts der erwarteten Nachfragespitzen die Transparenz und Effizienz der
Studienplatzvergabe im Vergleich zum Status quo spürbar zu verbessern ver-
mag;

5. bei der Entwicklung des Notfallplans u. a. folgende Handlungsoptionen auf
ihre Geeignetheit und Realisierbarkeit zum Wintersemester 2011/2012 sowie
in ihren finanziellen, technischen, personellen und organisatorischen Voraus-
setzungen zu prüfen:

– Einsatz einer verbesserten „Studienplatzbörse“, deren Leistungsfähigkeit
durch konzertierte – finanzielle, technische, personelle oder organisatori-
sche – Maßnahmen von Bund, Ländern und Hochschulen verbessert wird;

– Einsatz der entwickelten DoSV-Software soweit möglich bereits zum
Wintersemester 2011/2012 oder zum frühestmöglichen späteren Zeit-
punkt, indem auf die „dialogorientierte“ Anbindung der Hochschulen vo-
rübergehend verzichtet wird und die Studienplätze, soweit möglich auch
die Mehrfächerstudiengänge, zwar nach Kriterienvorgaben der Hochschu-
len, aber zentral von der Stiftung für Hochschulzulassung vergeben sowie
die Zulassungen versandt werden (Typ D).

Berlin, den 24. Mai 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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