BT-Drucksache 17/5843

Uranbelastung von Böden und Grundwasser durch uranhaltige Phosphatdüngemittel

Vom 13. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5843
17. Wahlperiode 13. 05. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Cornelia Behm, Dorothea Steiner, Nicole Maisch, Sylvia
Kotting-Uhl, Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Undine Kurth (Quedlinburg), Friedrich
Ostendorff, Markus Tressel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Uranbelastung von Böden und Grundwasser durch uranhaltige
Phosphatdüngemittel

Die Urangehalte in den Phosphatlagerstätten liegen laut Bundesregierung zwi-
schen 8 und 220 mg/kg (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Uran in Phosphatdüngemitteln –
Uran im Düngemittel-, Bodenschutz- und Wasserrecht“ vom 5. Januar 2009 –
Bundestagsdrucksache 16/11539). Daraus resultieren im Durchschnitt 283 mg
Uran pro kg im Phosphat der Mineraldüngemittel. Der Uraneintrag in den Boden
durch die bei guter landwirtschaftlicher Praxis übliche Phosphordüngung in
Höhe von 22 kg Phosphor pro Hektar kann laut Bundesforschungsanstalt für
Landwirtschaft (heute Julius Kühn-Institut) bei ausschließlicher Verwendung
von Mineraldüngern ca. 10 bis 22 g Uran pro Hektar jährlich betragen. Mit dem
oben genannten Mittelwert von 283 mg Uran pro kg Düngephosphat ergibt sich
ein Mittelwert von etwa 15,5 g Uran jährlich pro Hektar. Da die Austräge (Ent-
züge durch Ernteprodukte, Erosion, Auswaschung) auf kaum mehr als jährlich
1 g Uran pro Hektar beziffert werden, würden diese 15,5 g Uran den Urangehalt
im Oberboden landwirtschaftlicher Nutzflächen, den die Bundesregierung mit
ca. 0,59 mg/kg angegeben hat, innerhalb von weniger als 200 Jahren verdoppeln.

Dennoch gibt die Bundesregierung in Sachen Uraneintrag aus Phosphatdünge-
mitteln Entwarnung. Sie hat in der letzten Legislaturperiode mehrfach deutlich
gemacht, dass sie die Einführung eines Urangrenzwertes für Düngemittel ab-
lehnt. Dabei hat sie auf die gemeinsame Stellungnahme Nr. 020/2007 „BfR emp-
fiehlt die Ableitung eines europäischen Höchstwertes für Uran in Trink- und
Mineralwasser“ des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) mit dem Bun-
desamt für Strahlenschutz (BfS) vom 5. April 2007 verwiesen. Diese Stellung-
nahme gibt jedoch nur zum Teil Entwarnung in Sachen Uranbelastung durch
Phosphatdüngemittel. Zwar führt die Stellungnahme aus, dass über die Nahrung
aufgenommenes Uran kein nennenswertes Gesundheitsrisiko für Verbraucher
darstellt, da Uran von den Pflanzen nur in geringem Umfang aus dem Boden
aufgenommen wird. Offen bleibt jedoch die Frage, ob mittel- bis langfristig eine
Gefahr durch Auswaschung des Urans in das Grund- und damit das Trinkwasser
besteht.
Eine Gefährdung des Grundwassers ist angesichts der gegebenen Löslichkeit
von Uranverbindungen im aeroben Bereich und der infolgedessen nicht ver-
nachlässigbaren Mobilität von Uran im Oberboden, die auch die BfR-Stellung-
nahme beschreibt, keineswegs auszuschließen. Zu berücksichtigen ist dabei
auch, dass das mit den Phosphaten eingetragene Uran erheblich stärker löslich
und damit mobiler ist als das Uran der geogenen Grundbelastung. Letzteres ist
in der Regel zum erheblichen Teil im Gestein unlöslich festgelegt, während Mi-

Drucksache 17/5843 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

neraldünger so aufgearbeitet wird, dass es schnell in die Bodenlösung übergeht.
Ein direkter Vergleich der eingetragenen Uranmengen mit der geogenen Grund-
belastung ist also nicht möglich. Insgesamt erscheint langfristig eine Auswa-
schung eines relevanten Anteils des mit den Phosphatdüngemitteln eingetrage-
nen Urans in das Grundwasser durchaus möglich. Dies würde auch unser Trink-
wasser belasten, insbesondere wenn es oberflächennah gewonnen wird. Es steht
demnach zu befürchten, dass sich der neu eingeführte Grenzwert für Uran im
Trinkwasser von 10 Mikrogramm pro Liter auf Dauer ohne einen Grenzwert in
Düngemitteln nicht ohne Sekundärmaßnahmen einhalten lässt. Diese Gefahren
für unser Grund- und Trinkwasser blendet die Bundesregierung bisher völlig
aus.

Die Entwarnung, die die Bundesregierung für uranhaltige Phosphatdüngemittel
gibt, ist also verfrüht. Vielmehr spricht viel dafür, dass die Uraneinträge durch
Phosphatdüngemittel angesichts der hohen Toxizität und der Kanzerogenität be-
reits kleiner Mengen Urans nicht zu tolerieren sind.

In ihrer oben genannten Antwort auf die Kleine Anfrage weist die Bundesregie-
rung darauf hin, dass es keine uranfreien Phosphatlagerstätten gibt, und dass
auch die uranarmen Lagerstätten nur eine Reichweite von einigen Jahren haben.
Daraus zu schließen, dass man mit dem Urangehalt leben müsse, wenn man
nicht gänzlich auf die Düngemittel aus Rohphosphaten verzichten will, wäre
jedoch falsch. Denn eine Senkung der Urangehalte in Phophatdüngemitteln ist
– entgegen den Angaben der Bundesregierung zu Frage 5 der oben genannten
Kleinen Anfrage – nicht nur technisch möglich, sondern die Reinigung der Roh-
phospate wurde noch in den 90er-Jahren verbreitet, z. B. in den USA und Bel-
gien praktiziert. Weiterhin praktiziert wird die Uranextraktion aus Phosphat in
Israel. Es ist also nicht eine Frage technischer Machbarkeit, sondern der Kosten
bzw. der Wirtschaftlichkeit bzw. der ordnungsrechtlichen Vorgaben, ob diese
Uranreinigung der Phosphatdüngemittel stattfindet oder nicht.

Ein strenger Urangrenzwert für Düngemittel würde angesichts der geringen Men-
gen an uranarmen Phosphatlagerstätten eine Uranreinigung der Rohphosphate
erforderlich machen. Dies würde Düngemittel aus Rohphosphaten verteuern.
Gleichzeitig könnte die Rückgewinnung von Phosphaten z. B. aus Klärschlamm,
die bisher nicht wirtschaftlich sind, in den Bereich der Wirtschaftlichkeit gelan-
gen. Dies wiederum könnte den infolge höherer Düngemittelpreise möglichen
Preisanstieg für Agrarprodukte begrenzen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche aktuellen Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie hoch
die landwirtschaftlich genutzten Böden in Deutschland im Durchschnitt mit
Uran belastet sind?

2. Welche aktuellen Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viel
Uran insgesamt und pro Hektar derzeit über die Düngung jährlich in land-
wirtschaftlich genutzte Böden eingetragen wird?

3. Welche aktuellen Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viel
Uran insgesamt und pro Hektar seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs über
die Düngung auf die landwirtschaftlichen Nutzflächen in Deutschland ausge-
bracht wurde?

4. Welche aktuellen Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, inwieweit
sich die Urangehalte langjährig gedüngter landwirtschaftlicher Nutzflächen
von denen nicht gedüngter Vergleichsflächen mit ansonsten ähnlichen Bo-
denverhältnissen unterscheiden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5843

5. Welche aktuellen Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Anteil des
in die landwirtschaftlichen Nutzflächen eingetragenen Urans, das immobi-
lisiert wird, und über den Anteil, der für die Bodenlösung kurz- bzw. mittel-
fristig verfügbar bleibt?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage, dass 90 Prozent des Urans
in der Bodenmatrix immobilisiert werden, während 10 Prozent des Urans
durch den Boden durchwandern und in das Grundwasser gelangen können?

7. Welche aktuellen Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Löslich-
keit in die landwirtschaftlichen Nutzflächen eingetragenen Urans, das im-
mobilisiert wird?

8. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage im Geochemischen Atlas
der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe von 1984, dass für
die erhöhten Urangehalte in den Bachwässern östlich Hannovers eine Kor-
relation mit Phosphatdüngern festgestellt werden konnte?

9. Welche aktuellen Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, in wel-
chem Maße anthropogen eingetragenes Uran aus Ackerböden in Oberflä-
chengewässer oder in das Grundwasser ausgewaschen wird?

10. Welche aktuellen Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, inwieweit
sich die Urangehalte von Gewässern in intensiv genutzten landwirtschaftli-
chen Regionen von denen in Regionen, in denen die landwirtschaftliche
Nutzung nur eine geringe Rolle spielt, in einer Weise unterscheiden, die
nicht durch Unterschiede in der geogenen Grundbelastung erklärt werden
kann?

11. Welche aktuellen Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, inwieweit
sich die Urangehalte im Grundwasser intensiv genutzter landwirtschaftlicher
Regionen von denen in Regionen, in denen die landwirtschaftliche Nutzung
nur eine geringe Rolle spielt, in einer Weise unterscheiden, die nicht durch
Unterschiede in der geogenen Grundbelastung erklärt werden können?

12. Welche aktuellen Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie hoch
der Anteil von Uran aus dem Sickerwasser im Vergleich zur geogenen
Grundbelastung an der Uranbelastung im Grundwasser ist?

13. Welche aktuellen Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie sich
der Anteil von Uran aus dem Sickerwasser im Vergleich zur geogenen
Grundbelastung an der Uranbelastung im Grundwasser entwickeln wird?

14. Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund dieser Erkennt-
nisse insgesamt die Gefahr, dass die Düngung mit Phosphatdüngemitteln
die Einhaltung des Trinkwassergrenzwertes für Uran gefährdet?

15. Welche Untersuchungen werden derzeit in Deutschland zur Erforschung der
Uranmobilität und der Verlagerung und des Austrags von Uran aus Dünge-
mitteln aus den landwirtschaftlich genutzten Böden vorgenommen, um den
menschlich verursachten Uraneintrag in das Grundwasser und in die Ge-
wässer zu ermitteln sowie die öko- und humantoxikologischen Auswirkun-
gen dieser Einträge zu klären?

16. Gilt die Einschätzung, dass aufgrund der niedrigen Translokation innerhalb
der Pflanzen keine Uranbelastungen der Lebensmittel durch die Uranein-
träge in die landwirtschaftlich genutzten Böden zu befürchten sind, ange-
sichts der Aussage, dass das aufgenommene Uran vor allem in den Wurzeln
verbleibt, auch für alle Sorten von Wurzelgemüse?

17. Liegt mittlerweile eine aktuelle bzw. abschließende Stellungnahme des wis-
senschaftlichen Beirates für Düngungsfragen beim Bundesministerium für

Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zum Handlungsbedarf
bei Uran vor, und wenn nein, warum nicht?

Drucksache 17/5843 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Wenn ja, welche Empfehlungen gibt sie, und wie begründet sie diese Emp-
fehlungen?

18. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache,
dass Stäube aus der Verarbeitung von Rohphosphat gemäß Anlage XII der
Strahlenschutzverordnung (Teil A, Punkt 2) als überwachungsbedürftige
Rückstände eingeordnet werden, und dass solche Stäube beim Umladen der
Düngemittel u. a. auch auf den Höfen regelmäßig auftreten?

19. Hält die Bundesregierung in der Gesamtbetrachtung an ihrer Einschätzung
fest, dass ein Grenzwert für den Urangehalt von Düngemitteln nicht erfor-
derlich ist, und wenn ja, warum?

20. Hält die Bundesregierung in der Gesamtbetrachtung an ihrer Einschätzung
fest, dass eine Kennzeichnungspflicht für den Urangehalt von Düngemitteln
nicht erforderlich ist, und wenn ja, warum?

21. Warum hat die Bundesregierung eine Kennzeichnungspflicht für den Uran-
gehalt von Düngemitteln in ihrer Antwort auf die oben genannte Kleine
Anfrage nur als sinnvoll bezeichnet, wenn es uranfreie Alternativen gäbe?

Warum ist aus Sicht der Bundesregierung die Unterscheidung zwischen
uranarmen und uranfreien Phosphatdüngemitteln kein ausreichender Grund
für eine Kennzeichnungspflicht, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es
möglich ist, uranarme Düngemittel auch aus uranreichen Rohphosphaten
herzustellen?

22. Hält die Bundesregierung in der Gesamtbetrachtung an ihrer Einschätzung
fest, dass die Einführung eines Prüf- und eines Maßnahmewertes für den
Urangehalt in Böden in der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung
nicht erforderlich ist, und wenn ja, warum, und wenn nein, wie begründet
sie die Änderung ihrer bisherigen Haltung?

23. Welche Wirkung hätte die Einführung eines Prüf- und eines Maßnahmewer-
tes für den Urangehalt in Böden in die Bundes-Bodenschutz- und Altlasten-
verordnung?

24. Wie bewertet die Bundesregierung die Forderung nach Einführung eines
Vorsorgewertes für den Urangehalt in Böden in die Bundes-Bodenschutz-
und Altlastenverordnung?

25. Welche Wirkung hätte die Einführung eines Vorsorgewertes für den Uran-
gehalt in Böden in die Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung?

26. Mit welcher Kostensteigerung für Düngemittel aus Rohphosphaten wäre
nach Einschätzung der Bundesregierung zu rechnen, wenn ein Urangrenz-
wert für Düngemittel eine Reinigung der Rohphospate erforderlich machen
würde?

27. Mit welchen Folgen für die Preise von Agrarprodukten wäre infolgedessen
nach Einschätzung der Bundesregierung zu rechnen?

28. In welchem Maße würden dadurch nach Einschätzung der Bundesregierung
Methoden zur Rückgewinnung von Phosphaten aus Abwässern, Klär-
schlämmen und anderen organischen Abfällen, die nicht direkt auf landwirt-
schaftliche Nutzflächen ausgebracht werden, wirtschaftlich?

Berlin, den 13. Mai 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.