BT-Drucksache 17/565

Wettbewerbsbedingungen des Schienenverkehrs in Deutschland

Vom 27. Januar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/565
17. Wahlperiode 27. 01. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Martin Burkert, Sören Bartol, Iris Gleicke,
Michael Groß, Ulrike Gottschalck, Hans-Joachim Hacker, Gustav Herzog,
Johannes Kahrs, Ute Kumpf, Kirsten Lühmann, Thomas Oppermann, Florian
Pronold, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Wettbewerbsbedingungen des Schienenverkehrs in Deutschland

Deutschland ist das einzige Land in Europa, das bei Bahntickets ab 50 km den
vollen Mehrwertsteuersatz erhebt. Auch bei internationalen Fahrkarten ist für
den deutschen Streckenteil der volle Mehrwertsteuersatz fällig, während interna-
tionale Flugtickets von der Mehrwertsteuer völlig befreit sind. Damit wird der
klimafreundliche Schienenverkehr im Vergleich zum Flugverkehr künstlich ver-
teuert.

Die Bahnen zahlen – im Personen- wie im Güterverkehr – ausnahmslos für jeden
auf der Schiene zurückgelegten Kilometer eine Schienen-Maut, während die
Lkw-Maut auch weiterhin nur auf Autobahnen für Lkw mit mehr als 12 Tonnen
Gesamtgewicht gilt. Der Fernbusverkehr ist bislang völlig von der Maut befreit.

Derzeit werden allein die elektrisch betriebenen Schienenbahnen sowohl durch
die Stromsteuer als auch durch den Emissionshandel belastet. Obwohl die
Klimaschutzinstrumente grundsätzlich zu begrüßen sind, dürfen sie jedoch nicht
dazu führen, dass ausgerechnet der Verkehrsträger mit einer der besten CO2-
Bilanzen durch die Doppelbelastung am stärksten zur Kasse gebeten wird.

Allein bei der Deutschen Bahn AG (DB AG) macht die Stromsteuer nach Anga-
ben des Konzerns über ein Drittel der Abgaben und Steuern auf Energie in Höhe
von rund 380 Mio. Euro aus.

Im Gegensatz zum elektrisch betriebenen Schienenverkehr sind die C02-Emis-
sionen aus dem Straßen- und Luftverkehr aktuell nicht vom Handel erfasst. Ab
2013 drohen mit der vollständigen Versteigerung der Emissionsrechte für die Er-
zeugung von Bahnstrom dem Schienenverkehr Mehrkosten in Höhe von über
300 Mio. Euro. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW)
kommt zu dem Schluss, dass die Bahn gezwungen sein wird, die steigenden Kos-
ten auf die Fahrpreise zu überwälzen. Dadurch könnte die Deutsche Bahn AG
jährlich rund 2,5 Millionen Bahnkunden verlieren. Zwar soll auch der Flugver-
kehr ab 2012 in den Handel einbezogen werden. Allerdings sind die Minderungs-
vorgaben weit weniger anspruchsvoll.
Hinzu kommt, dass der Schienenverkehr in Deutschland durch die geplante
Zulassung von Busfernlinien entsprechend einer Änderung des § 13 des Perso-
nenbeförderungsgesetzes (PBefG) einen Konkurrenten auf der Straße bekom-
men soll.

Auch will die französische Staatsbahn SNCF über ihre Tochterfirma Keolis der
DB AG mit eigenen Schienenfernverbindungen von Frankfurt nach Hamburg

Drucksache 17/565 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

und Berlin Konkurrenz machen. Auch wenn Wettbewerb grundsätzlich zu begrü-
ßen ist, ist zu beachten, dass Frankreich trotz entsprechender EU-Vorgaben hohe
protektionistische Hürden errichtet, um den dortigen Zugverkehr vor auslän-
discher Konkurrenz zu schützen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hat die Bundesregierung überhaupt das Ziel, den Marktanteil des Schienen-
verkehrs am Gesamtmarkt zu steigern?

2. Aus welchen Gründen ist das Ziel, den Marktanteil des Schienenverkehrs zu
steigern, im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP nicht aus-
drücklich erwähnt?

3. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung z. B. aus der Kommentie-
rung des Koalitionsvertrages durch „Allianz pro Schiene“, wonach es der
Koalitionsvereinbarung der Regierungsparteien in der Verkehrspolitik „an
Geist, Phantasie und klaren Zielen“ fehle und beim Thema Bahn die neue
Bundesregierung lediglich eine Zuschauerrolle einnähme?

4. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung z. B. aus der Kommentie-
rung des Koalitionsvertrages durch den Verband der Bahnindustrie, wonach
angesichts der dringend gebotenen klimapolitischen Wende sowohl das
klare Bekenntnis zur Schiene als auch ein überzeugendes verkehrspoli-
tisches Gesamtkonzept fehle?

5. Was bedeutet die im Koalitionsvertrag zu findende Erklärung, dass die Bun-
desregierung das Unternehmen Deutsche Bahn AG in seiner positiven Ent-
wicklung begleiten wird?

6. Verbergen sich dahinter konkrete Maßnahmen?

7. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die Wett-
bewerbsbedingungen der Schiene gegenüber den anderen Verkehrsträgern
zu verbessern?

8. Wie steht die Bundesregierung zu einer Reduzierung des Mehrwertsteuer-
satzes auf 7 Prozent auch im Fernverkehr?

9. Welche Auswirkungen auf die Fahrgastzahlen erwartet die Bundesregierung
bei einer Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes auf die Fahrpreise?

Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, wie hoch der zu erwartende
Passagieranstieg sein wird?

10. Wenn nein, plant die Bundesregierung hierzu entsprechende Untersuchun-
gen?

11. Gibt es Pläne der Bundesregierung, den elektrifizierten Schienenverkehr
von der Stromsteuer zu befreien oder zumindest zu entlasten?

12. Plant die Bundesregierung ein Ausgleich für die Belastung des Schienenver-
kehrs durch die dritte Stufe des Emissionshandels oder die Förderung von
Investitionen in Anlagen zur Erzeugung von Bahnstrom aus erneuerbaren
Energien?

13. Aus welchen Gründen plant die Bundesregierung eine Zulassung der Bus-
fernlinien entsprechend einer Änderung des § 13 PBefG, obwohl bereits
durch das bestehende Genehmigungsverfahren ein ergänzender Fernbusver-
kehr möglich ist, wo die Zugverbindungen nicht ausreichen?

14. Welche Auswirkungen auf den Schienenverkehr erwartet die Bundesregie-
rung durch eine generelle Zulassung der Fernbusverkehre?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/565

15. Teilt die Bundesregierung die Ansicht des Verkehrsclubs Deutschland e. V.,
dass bei einer Liberalisierung des Buslinienfernverkehrs zwecks eines fairen
Wettbewerbes auch für Fernbusse eine Straßen-Maut zu erheben ist?

16. Welche Initiativen plant die Bundesregierung, um eine Marktöffnung in
Frankreich für den ausländischen Schienenverkehr zu erreichen?

17. Welche Ziele setzt sich die Bundesregierung für die nächsten Jahre bezüg-
lich der Erhöhung des Anteils des Schienengüterverkehrs in Anbetracht der
Tatsache, dass die französische Regierung erhebliche Investitionen in den
Ausbau des Schienenverkehrs tätigt, um den Marktanteil des französischen
Schienengüterverkehrs bis zum Jahre 2022 auf 25 Prozent zu steigern?

Berlin, den 27. Januar 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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