BT-Drucksache 17/5518

Neuen "Krippengipfel" einberufen - Ausbau der frühkindlichen Bildung und Betreuung voranbringen

Vom 13. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5518
17. Wahlperiode 13. 04. 2011

Antrag
der Abgeordneten Caren Marks, Petra Crone, Christel Humme, Petra Ernstberger,
Iris Gleicke, Ute Kumpf, Franz Müntefering, Aydan Özog˘uz, Thomas Oppermann,
Sönke Rix, Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Stefan Schwartze, Dagmar Ziegler,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Neuen „Krippengipfel“ einberufen – Ausbau der frühkindlichen Bildung und
Betreuung voranbringen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Ausbau der frühkindlichen Bildung und Betreuung insbesondere für Kin-
der unter drei Jahren muss weiter vorangebracht werden. Zahlreiche Expertin-
nen und Experten gehen davon aus, dass der Bedarf an Betreuungsplätzen deut-
lich höher ausfällt als die Bundesregierung bislang annimmt. Die bundesdurch-
schnittliche Betreuungsquote von 35 Prozent, die bis 2013 erreicht werden soll,
wird als nicht ausreichend angesehen.

Bei der Veranstaltung „Bundesweiter Erfahrungsaustausch – Gute kommunale
Praxis für den Ausbau und die Qualität der Kinderbetreuung in Deutschland“
am 4. April 2011 in Berlin, die das Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend (BMFSFJ) gemeinsam mit dem Deutschen Städtetag, dem
Deutschen Landkreistag sowie dem Deutschen Städte- und Gemeindebund aus-
gerichtet hat, wurde deutlich, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Insbe-
sondere in Städten und Ballungsräumen wächst der Bedarf an Betreuungsplät-
zen von Jahr zu Jahr weiter an. Gleichzeitig gestaltet sich in vielen Städten und
Gemeinden ein beschleunigter Ausbau von Betreuungsplätzen aufgrund der
kommunalen Haushaltslage schwierig.

Je nach regionaler Situation besteht erheblicher Bedarf beispielsweise an Erzie-
herinnen und Erziehern, an weiteren Qualitätsverbesserungen sowie an geeig-
neten Bauflächen, Gebäuden und Räumen. Insbesondere der Bedarf an qualifi-
zierten Fachkräften nimmt weiter zu. Auch für das neu von der Bundesregie-
rung initiierte Projekt „Frühe Chancen“ fehlen ausreichend qualifizierte Fach-
kräfte. Hinzu kommt, dass Kinder mit Vollendung des ersten Lebensjahres ab
dem 1. August 2013 nach § 24 Absatz 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch
(SGB VIII) einen Rechtsanspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrich-
tung oder in der Kindertagespflege haben werden.
Angesichts des hohen Handlungsdrucks ist es dringend geboten, dass die Bun-
desregierung und insbesondere die zuständige Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Kristina Schröder, aktiv wird.

Zunächst ist eine aktuelle Bedarfsanalyse zur Nachfrage von Angeboten für
Kinder unter drei Jahren erforderlich, um weitere Maßnahmen zum qualitativen
und quantitativen Ausbau zu ermitteln und zu ergreifen. Dabei sind regionale

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Unterschiede zu berücksichtigen. Weitere Maßnahmen sind zwischen Bund,
Ländern, kommunalen Spitzenverbänden und Trägern von Angeboten der früh-
kindlichen Bildung und Betreuung im Rahmen eines neuen „Krippengipfels“
zu erörtern und verbindlich zu verabreden. Der letzte „Krippengipfel“ fand
2007 statt.

Das Kind muss im Mittelpunkt weiterer Verbesserungen der frühkindlichen
Bildungsinfrastruktur stehen. Alle Kinder haben nach der UN-Kinderrechts-
konvention das Recht auf angemessene Förderung, Bildung und Teilhabe.
Auch die aktuelle 16. Shell Jugendstudie macht deutlich, dass die Notwendig-
keit weiterer Investitionen im Bereich der frühkindlichen Bildung besteht, um
späteren Benachteiligungen von Kindern und Jugendlichen insbesondere im
Bildungssystem entgegenzuwirken.

Um Kinder frühestmöglich optimal zu fördern und Eltern niedrigschwellig mit
Angeboten der Eltern- und Familienbildung zu erreichen, sind Kindertagesein-
richtungen zu Eltern-Kind-Zentren (auch als Familienzentren bezeichnet) aus-
zubauen. Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter zu verbessern,
müssen deutlich mehr Ganztagsangebote geschaffen werden. Einen Rechtsan-
spruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Alter von ein bis sechs Jahren ein-
zuführen, ist daher sinnvoll. Dies setzt aber voraus, dass in den Kommunen
ausreichende Rahmenbedingungen bestehen.

Laut Statistischem Bundesamt betrug die Betreuungsquote der unter Dreijähri-
gen in Deutschland im März 2010 bundesweit 23 Prozent, es befanden sich
damit rund 470 000 Kinder unter drei Jahren in Kindertageseinrichtungen oder
in öffentlich geförderter Kindertagespflege. Während es in den neuen Bundes-
ländern für jedes zweite Kind über einem Jahr (48,1 Prozent) ein Betreuungs-
angebot gibt, gilt dies in den westlichen Ländern nur für jedes sechste Kind
(17,4 Prozent). Es sind über 200 000 zusätzliche Betreuungsangebote in Kin-
dertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege zu schaffen, soll allein die
für 2013 zugesagte Betreuungsquote von 35 Prozent eingehalten werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. so schnell wie möglich eine unabhängige Erhebung der Bedarfsentwicklung
von frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsangeboten, die regionale Rah-
menbedingungen berücksichtigt, durchzuführen bzw. in Auftrag zu geben
und einen entsprechenden Bericht dem Deutschen Bundestag vorzulegen;

2. die vom BMFSFJ beim Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstitut an der
Universität zu Köln in Auftrag gegebene Vorstudie für die in 2011 anste-
hende Zwischenevaluation des Investitionsprogramms „Kinderbetreuungs-
finanzierung 2008–2013“ zeitnah dem Deutschen Bundestag vorzulegen;

3. im Rahmen eines neuen „Krippengipfels“ gemeinsam mit Vertreterinnen
und Vertretern der Länder, der kommunalen Spitzenverbände sowie der Trä-
ger weitere Schritte zu verabreden, um den qualitativen und quantitativen
Ausbau der frühkindlichen Bildung und Betreuung für Kinder unter drei
Jahren voranzubringen. Dies sollte insbesondere weitere Maßnahmen zur
Gewinnung von Erzieherinnen und Erziehern umfassen.

Berlin, den 13. April 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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