BT-Drucksache 17/5492

Gestaltung der zukünftigen europäischen Forschungsförderung der EU (2014-2020)

Vom 13. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5492
17. Wahlperiode 13. 04. 2011

Antrag
der Abgeordneten Dr. Stefan Kaufmann, Dr. Heinz Riesenhuber, Albert Rupprecht
(Weiden), Michael Kretschmer, Peter Altmaier, Dr. Thomas Feist, Eberhard
Gienger, Monika Grütters, Florian Hahn, Anette Hübinger, Ewa Klamt, Axel
Knoerig, Stefan Müller (Erlangen), Dr. Philipp Murmann, Tankred Schipanski,
Uwe Schummer, Marcus Weinberg (Hamburg), Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt
und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Martin Neumann (Lausitz), Patrick Meinhardt,
Dr. Peter Röhlinger, Birgit Homburger und der Fraktion der FDP

Gestaltung der zukünftigen europäischen Forschungsförderung
der EU (2014–2020)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest

und nimmt mit diesem Beschluss zum Grünbuch „Von Herausforderungen zu
Chancen: Entwicklung einer gemeinsamen Strategie für die EU-Finanzierung
von Forschung und Innovation“ wie folgt Stellung:

Die EU-Kommission hat im Frühjahr 2010 mit den Vorbereitungen zur Ausge-
staltung der zukünftigen Forschungs- und Innovationsförderung begonnen. Das
Forschungsrahmenprogramm in Verbindung mit dem Wettbewerbsfähig-
keitsprogramm sowie dem Strukturfonds ist das Kernstück zur Umsetzung der
Innovationsunion und mithin wichtiger Bestandteil der Europa-2020-Strategie.

Das aktuelle 7. Forschungsrahmenprogramm (FRP), das Ende 2013 ausläuft, ist
das weltweit größte Programm im Bereich der Forschungsförderung und reflek-
tiert den hohen Stellenwert von Forschung und Entwicklung in Europa. Die
Bundesregierung hat sich mit einem ersten Leitlinienpapier zur zukünftigen eu-
ropäischen Forschung bereits im Frühjahr 2010 zu Wort gemeldet und ihre Vor-
stellungen an die EU-Kommission übersandt. Das zweite Leitlinienpapier soll in
Kürze folgen und sich vor allem mit den inhaltlichen Schwerpunkten der zu-
künftigen europäischen Forschung befassen.

Der Expertenbericht zur Zwischenbewertung des 7. FRP gibt Empfehlungen zur
Verbesserung der Umsetzung des laufenden FRP und zeigt erste Ideen zur Aus-
gestaltung der Forschungsförderung ab 2014 auf. Diese Beiträge werden in den

europäischen Institutionen zurzeit intensiv diskutiert. Parallel dazu hat die EU-
Kommission mit der Veröffentlichung eines Grünbuchs eine breite Konsultation
zu einem gemeinsamen strategischen Rahmen (common strategic framework,
CSF) für alle Fördermaßnahmen im Bereich Forschung und Innovation, insbe-
sondere FRP, CIP (Competitiveness and Innovation Framework Programme)
und EIT (European Institute of Innovation and Technology), eröffnet. Ein Vor-
schlag der EU-Kommission für das Nachfolgeprogramm unter neuer Namens-

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gebung ist für Ende 2011 geplant. Die Beratung der Vorschläge im Europäi-
schen Parlament und im Rat soll 2012/2013 erfolgen. Bereits im Juni 2011 wird
die EU-Kommission ihren Vorschlag für den mehrjährigen Finanzrahmen
(2014–2020 bzw. 2014–2024) bekanntgeben. Hier werden wichtige Vorfestle-
gungen zum zukünftigen Budget des Nachfolgeprogramms getroffen.

Auch Forschungsorganisationen und Wirtschaftsverbände haben in den letzten
Monaten eigene Stellungnahmen abgegeben (z. B. Deutsche Forschungsgemein-
schaft, Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Hochschulrektoren-
konferenz, Leibniz-Gemeinschaft, Max-Planck-Gesellschaft und Deutscher
Industrie- und Handelskammertag). Auch der Bundesrat hat seine Vorstellungen
in einer Entschließung vom 7. Mai 2010 bereits formuliert.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt den im Grünbuch dargestellten koordinier-
ten Ansatz von Forschung und Innovation zur Stärkung der europäischen Wett-
bewerbsfähigkeit. Damit kann die gesamte Wertschöpfungskette von der Grund-
lagenforschung bis zur Markteinführung aus einem Programm gefördert werden
und es werden erhebliche kostensparende Synergieeffekte erreicht.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung vor diesem Hintergrund
auf,

1. eine deutliche Erhöhung der Mittel für die zukünftige Forschungs- und Inno-
vationsförderung gegenüber dem 7. FRP durchzusetzen, um die Ziele der
Europa-2020-Strategie glaubwürdig vertreten und im internationalen Ver-
gleich bestehen zu können;

2. Exzellenz als wichtigstes Kriterium bei der Vergabe von Fördermitteln anzu-
erkennen und Kohäsionsziele bei der Forschungs- und Innovationsförderung
zu verhindern;

3. Marktrelevanz bei der Vergabe von Fördermitteln zu berücksichtigen, damit
die Forschungsförderung einen noch größeren Beitrag zur wirtschaftlichen
Wettbewerbsfähigkeit leisten kann;

4. für eine deutliche Erhöhung des Etats des European Research Council (ERC)
einzutreten. Diese Erhöhung soll aus Umschichtungen im FRP finanziert
werden, die jedoch nicht zu Lasten der wichtigen europäischen Infrastruktur-
projekte gehen sollen. Die Zielsetzung, das Mittelvolumen für den Finanz-
rahmen auf 1 Prozent des EU-Bruttonationaleinkommens zu begrenzen, darf
nicht gefährdet werden;

5. auf die Fortführung der Verbundforschung auf hohem Niveau einzuwirken;

6. bei ihren Vorschlägen zur Ausgestaltung der zukünftigen Forschungs- und
Innovationsförderung sechs Leitgedanken zu folgen:

a) Bekenntnis zur Exzellenz,

b) Berücksichtigung der Marktrelevanz bei der Verbundforschung,

c) Mut zur Prioritätensetzung,

d) Verbesserung der Vernetzung,

e) Klarheit der Struktur,

f) Vereinfachung der Verfahren.

Zu Buchstabe a – Bekenntnis zur Exzellenz

Exzellenz muss bei der Vergabe von Fördermitteln höchste Priorität haben.
Um im internationalen Wettbewerb als Wissenschafts- und Wirtschaftsstand-

ort Europa auch zukünftig führend zu sein, ist eine klare Ausrichtung am

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Maßstab der Exzellenz unabdingbar. Dies bedeutet, dass bei der Auswahl von
Projekten im Rahmen des Nachfolgeprogramms das Exzellenzkriterium aus-
schließliche Geltung besitzen muss. Insbesondere darf die Exzellenz nicht
zugunsten von Kohäsionszielen aufgeweicht werden. Nur wenn wissen-
schaftliche und technologische Exzellenz entscheidend für die Vergabe der
Fördermittel sind, können die weltweit besten Forscherinnen und Forscher
für europäische Projekte gewonnen, die Position der europäischen Forschung
insgesamt weiter gestärkt und ein wirksamer Beitrag zur Entwicklung der
Wettbewerbsfähigkeit der EU erbracht werden.

Den Zielen der Exzellenzförderung ist insbesondere der ERC verpflichtet,
der im Rahmen des laufenden 7. FRP errichtet wurde und schon nach vier-
jährigem Bestehen als Erfolgsmodell gelten darf. Weltweit bekannte Spitzen-
forscher und Nobelpreisträger konnten so für die Forschung in Europa ge-
wonnen werden.

Der ERC fördert eine als „Pionierforschung“ zu charakterisierende bahnbre-
chende und visionäre Forschung, bei der die Grenzen zwischen Grundlagen-
und angewandter Forschung, zwischen den klassischen Disziplinen sowie
zwischen Forschung und Technologie aufgehoben werden.

Um das Kriterium der Exzellenz bei der Fördermittelvergabe durch den ERC
durchsetzen zu können, muss der Gutachterauswahl zukünftig zentrale Be-
deutung beigemessen werden; sie muss höchsten Standards genügen. Eine
Selbstbewerbung von Gutachtern ist abzulehnen. Dies setzt voraus, dass der
ERC wissenschaftlich autonom bleibt und dass die Vergabeverfahren trans-
parent und einheitlich sind. Die Governance-Struktur muss unter Berücksich-
tigung der 2009 geschaffenen Exekutivagentur entsprechend gestaltet wer-
den.

Besorgniserregend ist, dass Forschungsgebiete mit großem dynamischem
Wachstum, darunter solche mit deutlicher Relevanz für Innovationen, unter
einem teilweise bedrohlichem Mangel an wissenschaftlichem Nachwuchs
leiden. Die EU-Kommission fordert daher in ihrem Papier zur Innovations-
union eine Million zusätzlicher Forscherinnen und Forscher.

Auch angesichts dessen muss das Mobilitätsprogramm (Marie-Curie-Maß-
nahmen) mit seinen Fellowships und Training Networks weitergeführt und
finanziell aufgestockt werden. Dies gilt insbesondere für die Graduierten-
netzwerke und Individualstipendien, also auch für die Förderlinien für Nach-
wuchsforscher und etablierte Forscher. Die Marie-Curie-Maßnahmen unter-
stützen nicht zuletzt die Weiterentwicklung des Wissensdreiecks. Des
Weiteren dient die Förderung der Forschermobilität als zentrales Instrument
der Umsetzung des europäischen Forschungsraumes. Dies setzt eine hohe
Kontinuität im Nachfolgeprogramm voraus.

Auch die Mobilitätsförderung muss ausschließlich an wissenschaftlicher und
technologischer Exzellenz orientiert bleiben.

Weiteres Ziel muss es sein, in einer gemeinsamen Anstrengung die euro-
päische Forschungsbasis und die wissenschaftliche Kompetenz derart weiter-
zuentwickeln, dass auch die benachteiligten Regionen mittelfristig zur Wett-
bewerbsfähigkeit und Exzellenz der Europäischen Union beitragen können.
Es hat sich gezeigt: Wenn Forschungsorganisationen oder Unternehmen aus
den genannten Regionen an Ausschreibungen teilnehmen, sind diese schon
jetzt durchaus erfolgreich.

Zur Verbesserung der Forschungsbasis und der wissenschaftlichen Kompe-
tenz streben wir ein bilaterales Twinning-Programm von exzellenzstarken für
exzellenzschwache Mitgliedstaaten an. Dazu soll es einen Wettbewerb ge-

ben, in dem sich starke Partner aus dem ERC mit Partnern aus Regionen ver-

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binden, die beim ERC bislang unterdurchschnittlich abgeschnitten haben und
der die Projekte mit einer Laufzeit von mindestens vier Jahren fördert.

Zu Buchstabe b – Berücksichtigung der Marktrelevanz bei der Verbundfor-
schung

Die Marktrelevanz ist neben dem Exzellenzkriterium deshalb so wichtig,
weil es auch auf europäischer Ebene gelingen muss, viel mehr Forschungs-
vorhaben in neue Produkte und Dienstleistungen zu führen, die die Wettbe-
werbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft stützen. Dabei spielt die Ver-
bundforschung eine bedeutende Rolle. Die Verbundforschung zählt zu den
erfolgreichsten Beispielen der Forschungsförderung im Rahmen des 7. FRP.
Die Verbundforschung muss daher unbedingt fortgeführt und weiter verstärkt
werden. Die Verbundforschung ist das am besten geeignete Förderinstru-
ment, um bei wechselnden internationalen Partnerschaften ohne lange Ab-
stimmungsverfahren und nach einheitlichen Rahmenbedingungen auf aktu-
elle, kurzfristig auftretende Fragestellungen in Wissenschaft und Industrie zu
reagieren. Europäische Verbundprojekte erlauben Kooperationen, die über
nationale Programme nur schwer oder gar nicht realisierbar sind.

Die Verbundforschung muss jedoch effizienter werden; vor allem müssen die
Forschungsprojekte bereits am Anfang stärker auf ihre Marktrelevanz ge-
prüft werden, damit Forschungsergebnisse von den Unternehmen schneller
aufgegriffen werden und daraus neue Produkte und Dienstleistungen ent-
stehen. So kann die Forschung einen wichtigen Beitrag zu Wachstum,
Wohlstand und Beschäftigung in Europa leisten. Andere Instrumente und
Initiativen wie ERA-NET (Unterstützung der Zusammenarbeit und Koordi-
nierung von nationalen und/oder regionalen Forschungsprogrammen), JTI
(Joint Technology Initiatives) oder EIT können diese Funktion im Gesamt-
fördersystem nicht ersetzen. Auch der ERC kann die Aufgabe der Verbund-
forschung nicht übernehmen, da er – wie dargestellt – nicht auf die Förderung
europäischer oder internationaler Verbünde, sondern auf die Förderung ein-
zelner exzellenter Forscherinnen und Forscher ausgerichtet ist.

Die regional ausgerichtete Kohäsionspolitik soll die Überwindung strukturel-
ler Defizite ermöglichen und daher grundsätzlich für Forschungsprojekte
auch der Grundlagenforschung geöffnet werden, um in Ergänzung zur euro-
päischen Exzellenzförderung sicherzustellen, dass eine europäische Innova-
tionspolitik die nötige Breitenwirkung entfalten kann. Schon im Rahmen der
aktuellen EU-Regionalpolitik sind rd. 86 Mrd. Euro für Forschung und Inno-
vation vorgesehen; bis Ende des Jahres 2010 wurden jedoch nur rd. 26 Pro-
zent der Mittel realen Projekten zugewiesen. Zudem sollte die Kohäsionspo-
litik wie bisher auf die Innovationsförderung der regionalen Wirtschaft,
insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen, ausgerichtet sein.

Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen ist der Vorschlag abzulehnen,
bisher benachteiligte Regionen oder Mitgliedstaaten im Rahmen einer Quo-
tenregelung oder anderer Mechanismen einer positiven Diskriminierung an
den Exzellenzmitteln aus dem zukünftigen Forschungs- und Innovationspro-
gramm zu beteiligen.

Zu Buchstabe c – Mut zur Prioritätensetzung

Die zukünftige Forschungs- und Innovationsförderung muss gerade ange-
sichts der Europa-2020-Strategie und der Zielsetzung der Innovationsunion
noch klarer als das bisherige 7. FRP auf die technologische Führungsrolle
und die industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas ausgerichtet werden. Das

Nachfolgeprogramm muss sich hierbei auf die großen gesellschaftlichen
Herausforderungen konzentrieren. Dies setzt eine klare Priorisierung der

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/5492

Themen voraus. Die Folge kann idealerweise auch eine leichtere Mobilisie-
rung von Investitionen des Privatsektors sein.

Die zentrale Frage bei der Identifizierung der gesellschaftlichen Herausfor-
derungen ist, welche Themen und Projekte die Position Europas sowohl in
gesellschaftlicher, wissenschaftlicher als auch wirtschaftlicher Hinsicht vor-
anbringen. Soweit die EU-Kommission in diesem Zusammenhang gerne die
Begriffe „europäischer Mehrwert“ und „kritische Masse“ benutzt, um die
großen Herausforderungen zu identifizieren, bleibt sie eine genaue Definition
bisher schuldig. Bei der Benennung der gesellschaftlichen Herausforderun-
gen sollte ein transparentes und legitimiertes Verfahren insbesondere unter
Beteiligung von Europäischem Parlament und Rat aber auch der Wissen-
schaft und Industrie gefunden werden.

Im Rahmen der fünf Initiativen zur Gestaltung des Europäischen Forschungs-
raums (EFR) hat der Rat zu den gesellschaftlichen Herausforderungen 2008
eine High Level Group für die gemeinsame Programmplanung der Mitglied-
staaten eingesetzt (Joint Programming). Hauptziel des Prozesses der gemein-
samen Programmplanung ist es, die Forschungsaktivitäten der Mitgliedstaa-
ten im Feld der großen gesellschaftlichen Herausforderungen besser und
stärker zu koordinieren. Dies ist und bleibt originäre Aufgabe der Mitglied-
staaten. Mit der GPC (Groupe de haut niveau pour la programmation con-
jointe) besteht ein Gremium, das diese Aufgabe aus deutscher Sicht – trotz
auch einiger kritischer Punkte – sehr erfolgreich vorangebracht hat.

In diesem Mitgliedstaaten-getriebenen Prozess wurden bisher zehn Themen
identifiziert und auf den Weg gebracht. Diese Initiativen der gemeinsamen
Programmplanung (Joint Programming Initiatives – JPI) zeigen deutlich,
dass eine neue Qualität in der Forschungszusammenarbeit zwischen den Mit-
gliedstaaten erkennbar wird, sowohl in der Intensität als auch im Ressourcen-
umfang. Dieser Prozess sollte weitergeführt und verbessert werden.

Eine Konzentration auf Wesentliches und eine Priorisierung von Themen
kann im Umkehrschluss nicht bedeuten, dass sich die EU nur noch auf große
Projekte wie GALILEO oder ITER konzentriert und „kleinere“ Projekte ver-
nachlässigt werden. Dies würde die bisherige Struktur der Forschungsrah-
menprogramme auf den Kopf stellen und erscheint auch vor dem Hintergrund
der Weiterentwicklung der Innovationsunion nicht zielführend. Es wäre viel-
mehr daran zu denken, die großen international angelegten Projekte wie
GALILEO und ITER aus dem Nachfolgeprogramm herauszulösen oder eine
deutliche Erhöhung des Budgets des Nachfolgeprogramms zu erreichen.

Dagegen ist eine Bündelung der Kräfte innerhalb der EU bei großen strate-
gischen Technologiefeldern zwingend erforderlich – z. B. im Rahmen der
Weltraumtechnik durch zusätzliche Finanzierungspartner wie die ESA
(European Space Agency). Nur wenn die gemeinsamen Ressourcen gebün-
delt und alle Synergien innerhalb der erweiterten EU genutzt werden, können
wir unsere exzellente Forschung in wirtschaftlich nutzbare Wettbewerbsvor-
teile umsetzen.

Eine Priorisierung der Themen und gesellschaftlichen Herausforderungen er-
fordert dementsprechend unter Beachtung der vorhandenen Forschungskapa-
zitäten die Definition übereinstimmender Interessensgebiete. Es braucht eine
gemeinsame Zielsetzung und mehr noch: ein Szenario für die europäische
Forschungslandschaft der Zukunft.

Europa kann heute schon auf leistungsstarke Forschungsinfrastrukturen ver-
weisen, deren Bedeutung für die europäische Forschung weiter zunehmen
wird. Sie spielen eine immer größere Rolle für den Ausbau des Europäischen

Forschungsraums. Bei der Vorbereitung des Nachfolgeprogramms muss
daher stärker auf den weiteren Aufbau von exzellenten und international

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sichtbaren Forschungsinfrastrukturen hingewirkt werden. Besondere Bedeu-
tung kommt dabei den Großgeräten zu.

An der grundsätzlichen Trennung zwischen dem FRP und der EURATOM
soll auch künftig festgehalten werden.

Bei der künftigen EU-Forschungs- und Innovationsförderung muss zudem
der volle Innovationszyklus von der Forschung bis zur Vermarktung, also die
gesamte Wertschöpfungskette, optimal abgedeckt werden.

Die Europa-2020-Strategie sollte sinnvollerweise als Rahmen für die Identi-
fizierung der gesellschaftlichen Herausforderungen sowie der zugehörigen
Forschungsthemen dienen. Zentrale Herausforderungen sind die Themen
Umweltschutz und Klimawandel, Energieversorgung und Nachhaltigkeit,
Bevölkerungsentwicklung und demographischer Wandel, Mobilität (Ver-
kehr) und Stadtentwicklung sowie Gesundheit und Ernährung.

Die Bemühungen Europas bei der Forschungs- und Innovationsförderung
sollen das Potenzial für wirtschaftliches Wachstum haben. Im Kontext der
obigen Herausforderungen könnten dies beispielsweise die Anpassungspro-
bleme der alternden Gesellschaft, Energiefragen, intelligenter Stadtverkehr,
effiziente Wasserverwendung, nichtenergetische Rohstoffe sowie nachhal-
tige produktive Landwirtschaft sein. Auf die genannten aktuellen Themenfel-
der fokussieren sich innerhalb der Innovationsunion die – bereits auf den
Weg gebrachten – europäischen Innovationspartnerschaften. Pilotprojekt für
diese Innovationspartnerschaften ist das Projekt „Aktivität und Gesundheit
im Alter“; es soll noch im Frühjahr 2011 gestartet werden.

Ob aber diese neu entwickelten europäischen Innovationspartnerschaften tat-
sächlich ein geeignetes Konzept darstellen, wird einer sorgfältigen Prüfung
zu unterziehen sein – insbesondere dann, wenn die Innovationspartnerschaf-
ten sukzessive ausgebaut und zentral für die erfolgreiche Umsetzung der
Innovationsunion werden sollen.

Bei der Auswahl von Schlüsseltechnologien sind insbesondere folgende Be-
reiche von herausragender Bedeutung: Informations- und Kommunika-
tionstechnologien, Nanotechnologie, Material- und Werkstofftechnik, Ferti-
gungstechnik und neue Produktionsverfahren, Energietechnik, Luft- und
Raumfahrttechnologie sowie Medizin- und Biotechnologie.

Inwieweit auch Innovationsthemen ohne technischen Bezug Gegenstand der
Förderung im Rahmen des Nachfolgeprogramms sein sollen, bedarf einer se-
paraten Diskussion. Ausgehend von einem interdisziplinären Ansatz können
geistes- und gesellschaftswissenschaftliche Fragestellungen oder Themen
wie die Technikfolgenabschätzung oder Innovationen im Dienstleistungssek-
tor nicht außen vor gelassen werden.

Keine vorrangig inhaltliche, aber sehr wichtige Zielsetzung ist die stärkere
Beteiligung von Frauen im Nachfolgeprogramm. Zurecht bemängelt der
Zwischenbericht der Evaluierungskommission die weit von den Zielsetzun-
gen im 7. FRP entfernte Realität. Es ist daher zunächst zu ermitteln, welche
Faktoren die Beteiligung weiblicher Forscher beeinflussen und fördern kön-
nen. Es muss jedenfalls alles getan werden, um eine deutliche Verbesserung
der Partizipation von Frauen in der Forschung zu erreichen. Hierzu gehört
z. B. die vollständige Erfüllung der Zielsetzung eines Frauenanteils von
40 Prozent in den Bewertungs- und Beratungsausschüssen wie auch in den
Programmausschüssen des FRP. Möglichkeiten der Verbesserung ergeben
sich beispielsweise auch im Rahmen der Marie-Curie-Maßnahmen. Die EU-
Kommission regt in ihrer Mitteilung vom 9. Februar 2001 (KOM(2011) 52
endg.) eine spezielle Förderung für Frauen an, die nach dem Mutterschutz

ihre Laufbahn fortsetzen wollen.

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Dringend erforderlich ist schließlich auch eine Implementierung der Maß-
nahmen im Bereich der Intellectual Property Rights. Hierzu zählt vor allem
die IP-Charta-Initiative. Ziel ist eine einheitliche Rechtsgrundlage für alle
Akteure im Rahmen des FRP.

Zu Buchstabe d – Verbesserung der Vernetzung

Die Koordination zwischen der Forschungs- und Innovationspolitik der EU
und den Forschungs- und Innovationspolitiken der Mitgliedstaaten und Re-
gionen muss verbessert werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Leis-
tungsfähigkeit der nationalen Innovationssysteme durch die Mitgliedstaaten
selbst gewährleistet werden muss. Ziel der EU hingegen ist eine bessere Ver-
netzung der nationalen Forschungsförderprogramme mit dem Nachfolgepro-
gramm.

Dabei muss insbesondere der transnationale Charakter von Forschung und
Innovation angemessen berücksichtigt werden, um Synergiepotenziale nicht
ungenutzt zu lassen.

Neben einer verbesserten Koordination der Forschungspolitiken von EU und
Mitgliedstaaten muss zur Umsetzung der Innovationsunion insbesondere
auch eine bessere Verknüpfung von Forschung, Innovation und Bildung her-
gestellt werden. Dies ist der Kerngedanke des sogenannten Wissensdreiecks.

Ebenfalls verbesserungsbedürftig ist die Zusammenarbeit zwischen Hoch-
schulen, Forschungseinrichtungen und der Industrie (und hier insbesondere
die kleinen und mittleren Unternehmen). Kleine und mittlere Unternehmen
(KMU) sind in allen Mitgliedstaaten unverzichtbare Innovationstreiber; sie
machen im Übrigen mehr als 99 Prozent aller Unternehmen in der EU aus.
Forschung, die zur erfolgreichen Umsetzung kommen will, kann nicht ohne
eine stärkere Einbindung der KMU gelingen. Vor allem beim Transfer von
Forschungsergebnissen im Labor bis zur Entwicklung, Vermarktung und An-
wendung der Forschungsergebnisse bestehen auf europäischer Ebene Hin-
dernisse. In diesem Zusammenhang kommt der Industrie und eben auch den
KMU im Rahmen der Innovationsunion eine Schlüsselrolle bei der Festle-
gung von Prioritäten bei der Forschungsförderung zu. Dies setzt eine weitere
Steigerung des Anteils der KMU als Zuwendungsempfänger und Mitwir-
kende im Rahmen des Nachfolgeprogramms im Vergleich zum 7. FRP zwin-
gend voraus.

Die geplante Zusammenführung der Forschungs- und Innovationsförderung
auf europäischer Ebene bietet gerade für die Förderung von KMU erhebliche
Synergieeffekte.

Darüber hinaus muss die Anwendung des Nachfolgeprogramms gegebenen-
falls auf Unternehmen mit über 250 Angestellten ausgeweitet werden, so dass
eine erfolgreiche Beteiligung aller deutschen KMU an der Forschungsförde-
rung sichergestellt werden kann.

Die Erfahrungen aus anderen europäischen Programmen wie dem EUREKA-
Programm „Eurostars“ oder auch nationalen Programmen wie dem „Zentra-
len Innovationsprogramm Mittelstand“ (ZIM) des Bundes, zeigen, dass für
die KMU-Attraktivität eines Programms folgende Faktoren maßgeblich sind:

– Themenoffenheit,

– Innovationsorientierung,

– hohe Erfolgsquote durch ein ausreichendes bzw. höheres Budget,

– überschaubare Projektgröße mit wenigen Partnern,

Drucksache 17/5492 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– einfach und übersichtlich gestaltete Antragsverfahren mit kurzen Bearbei-
tungszeiten und mehreren Ausschreibungsrunden pro Jahr,

– direkte Beteiligung der KMU an der Förderung.

In dem Nachfolgeprogramm sollten KMU direkt an der Förderung beteiligt
und die oben genannten Kriterien berücksichtigt werden.

Konkret sollten für eine Verbesserung der KMU-Beteiligung neben den be-
reits angesprochenen Maßnahmen folgende Handlungsempfehlungen des
Bundesrates geprüft werden:

– Bei der Evaluation von Vorhaben mit einer Beteiligung von KMU sollten
neben dem Exzellenzkriterium auch Verwertungspotenzial und Markt-
nähe die wichtigsten Kriterien werden.

– Demonstrationstätigkeiten und Prototypenbau sollten verstärkt in die The-
menkonzeption einbezogen werden.

– Die Koordinatorenfunktion sollte bei Vorhaben mit einer Beteiligung von
KMU häufiger bei den KMU liegen, zumindest sollten die Belange von
KMU in den Projekten ausreichend berücksichtigt werden.

– Die Mindestanforderungen für die Zahl der Partner sollte auf mindestens
zwei Partner aus zwei verschiedenen Ländern reduziert werden, wobei auf
den europäischen Mehrwert nicht verzichtet werden darf. Auch sollte dar-
auf geachtet werden, dass kleinere Projekte eine realistische Chance auf
Förderung haben.

– Die KMU sollten einen angemessenen Teil der für die Forschung erforder-
lichen Mittel als Eigenleistung erbringen, damit sie selbst für die Markt-
nähe der Forschungs- und Entwicklungsprojekte sorgen.

– Die Vorgabe von speziellen Themen in den Aufrufen thematischer Pro-
gramme sollte sich auf übergeordnete Themenfelder beschränken.

Da schon heute viele der globalen Herausforderungen nur noch im Verbund
mit Staaten außerhalb der EU bewältigt werden können, muss auch die inter-
nationale Dimension ausgebaut werden. Das Nachfolgeprogramm muss sich
für die internationale Zusammenarbeit weiter öffnen, wobei eine Strukturie-
rung über strategische Partnerschaften in Betracht gezogen werden sollte.
Gegebenenfalls sind spezielle Maßnahmen der internationalen Zusammenar-
beit bei der Themenpriorisierung im Nachfolgeprogramm stärker zu berück-
sichtigen. Es ist zu prüfen, inwiefern eine enge Abstimmung zwischen dem
Strategischen Forum für internationale Zusammenarbeit (SFIC) und den Pro-
grammausschüssen im Nachfolgeprogramm hinsichtlich thematischer wie
gesellschaftlicher Schwerpunktsetzungen zu mehr Kohärenz führen kann.

Darüber hinaus können sog. open calls einen wertvollen Beitrag für die
internationale Zusammenarbeit leisten. Eine verstärkte internationale Koope-
ration sollte insbesondere mit den neu entstehenden, wachstumsstarken
Volkswirtschaften, aber auch z. B. mit den im Rahmen der entwicklungs-
politischen Zusammenarbeit geförderten universitären wie außeruniversitä-
ren wissenschaftlichen Exzellenzzentren in einem weiteren Kreis von Part-
nerländern stattfinden. Als Beispiel hierfür kann die Kooperation der EU mit
Indien dienen. Dabei ist entscheidend, diesen Volkswirtschaften als Partnern
zu begegnen. Dies schließt aber auch den Abfluss von Mitteln in diese Länder
weitgehend aus. Konkret: Die EU darf nur in Ausnahmefällen Forschungs-
förderung in Drittstaaten finanzieren. Erfahrungen aus dem 7. FRP haben zu-
dem gezeigt, dass eine Internationalisierung nur dann als sinnvoll betrachtet
werden kann, wenn Laufzeiten für Bewilligungsanträge erheblich verkürzt

werden. Als Beispiel hierfür dient die Kooperation der Europäischen Union
mit Südkorea.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/5492

Insgesamt bedarf auch die Weiterentwicklung der internationalen Zusammen-
arbeit einer Strategie der EU, die Kohärenz herstellt zwischen der in globale
Themenfelder ausgreifenden europäischen Forschungsförderung und den Pro-
grammen der wissenschaftsbezogenen entwicklungspolitischen Zusammen-
arbeit. Hierzu will die EU-Kommission Ende 2011 einen Bericht vorlegen.
Dies wird ausdrücklich begrüßt.

Zu Buchstabe e – Klarheit der Struktur

Im Rahmen einer klaren Strukturierung des Nachfolgeprogramms sollen nur
diejenigen Instrumente aus den bisherigen Forschungsrahmenprogrammen
weitergeführt werden, die sich bewährt haben und die dem Ziel der Europa-
2020-Strategie bzw. dem Leitbild der Innovationsunion entsprechen. Die
EU-Kommission verfolgt seit dem 7. FRP zunehmend intensiv den Ansatz
der Programmförderung (statt der bisher vorrangigen Projektförderung). Das
Rahmenprogramm hat Instrumente wie z. B. die ERA-NET, die JTI, die KICs
des EIT und die gemeinsame Programmplanung eingeführt, die wiederum
eigene Ausschreibungen mit eigenen neuen Regeln in den jeweiligen, sich
finanziell beteiligenden, Mitgliedstaaten durchführen. Dies führt zu Intrans-
parenz und einer Fragmentierung der EU-Forschungsförderungslandschaft.

Einer kritischen Prüfung sind insbesondere die JTI zu unterziehen. Hier gab
es viele Klagen von Unternehmen, Universitäten und Forschungsorganisa-
tionen über einen schwierigen Zugang zum Programm. Auch wurde die
große Komplexität der Strukturen, die rund um die JTI errichtet werden, be-
mängelt: Praktisch alle sechs JTI bestehen aus Executive Office, Governing
Board, Scientific Committee und einer States Representative Group. Zur bes-
seren Übersicht wäre in einem ersten Schritt mehr Transparenz und ein ein-
heitlicher Rechtsrahmen für alle JTI erforderlich. Auch eine Umgestaltung
der JTI in Richtung Public Private Partnerships muss geprüft werden.

Ebenfalls überprüft werden sollten die Ansätze des Joint Programming, so-
weit sich hier offensichtlich Überschneidungen mit den Innovationspartner-
schaften abzeichnen. Es ergeben sich insbesondere dann Schwierigkeiten,
wenn Projekte sowohl von den Mitgliedstaaten als auch von der EU gefördert
werden. Ein solches Zusammenbinden von EU-Förderung und nationaler
Förderung kann nur dann gut funktionieren, wenn gleiche Ausschreibungs-
und Abrechnungsbedingungen gegeben sind.

Zu klären ist auch, welche Rolle das Joint Research Centre (JRC) innerhalb
des Nachfolgeprogramms spielen wird.

Insgesamt ist festzuhalten, dass sich im Laufe der letzten Jahre eine Vielzahl
von Programmen herausgebildet hat, die bisher hinsichtlich ihrer Verortung
im FRP nicht eindeutig zuzuordnen waren. Nicht alle diese Maßnahmen ha-
ben sich bewährt. Es ist daher nochmals eine separate Bewertung der beste-
henden Instrumente erforderlich; dies konnte die vorliegende Zwischeneva-
luation zum 7. FRP noch nicht leisten.

Die Beantwortung der Frage, welche Instrumente sich im Nachfolgepro-
gramm wiederfinden sollen bzw. neu zu entwickeln sind, kann nicht ohne
einen Blick auf die Ziele der EU im Bereich Forschung und Innovation ab
2014 erfolgen. Die Instrumente müssen an den Zielen gespiegelt werden.

Die oben dargestellten Grundsätze für das Nachfolgeprogramm setzen eine
klare inhaltliche Strukturierung voraus. Die Bedeutung der Bündelung und
Zusammenfassung von Maßnahmen und Instrumenten wurde bereits ange-
sprochen. Ob die von der EU-Kommission vorgeschlagene, erstmals im Zwi-
schenevaluationsbericht zum 7. FRP dargestellte Drei-Säulen-Struktur mit

den Bereichen „Science for Science“, „Science for Competitiveness“ und

Drucksache 17/5492 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

„Science for Society“ eine geeignete Rahmenstruktur darstellen kann, um die
Ziele des Nachfolgeprogramms zu erreichen, ist bisher nicht erkennbar.

Unbedingt vermieden werden muss aber eine feste Versäulung der Pro-
grammstruktur. Sie widerspräche insbesondere dem Ansatz, die einzelnen
Bereiche der Wertschöpfungskette miteinander zu verbinden. Angesichts
dessen muss zum Beispiel über die Verortung der Innovationspartnerschaften
und insbesondere des im 7. FRP zentralen Instruments der Verbundforschung
nachgedacht werden. Die Weiterführung der grundlagen- wie anwendungso-
rientierten Verbundforschung auf hohem Niveau ist für den Deutschen Bun-
destag – wie oben dargestellt – von zentraler Bedeutung. Dem muss die
Struktur des Nachfolgeprogramms Rechnung tragen. Es muss folglich die
Möglichkeit bestehen, dass Verbundforschungsprojekte sowohl im Rahmen
von „Science for Competitiveness“ als auch im Rahmen von „Science for
Society“ gefördert werden. Die Erfolgsgeschichte der deutschen Hightech-
strategie zeigt zudem, dass bei der Innovationsförderung eine Matrixstruktur
einer Säulenstruktur bei Weitem überlegen ist. Es bestehen daher erhebliche
Bedenken, ob die vorab kommunizierte Drei-Säulen-Struktur den Herausfor-
derungen im Bereich der Innovationsförderung gerecht wird, die sich im Zu-
sammenhang mit dem Nachfolgeprogramm stellen.

Sichtbar und begrüßenswert ist aber das Bemühen der EU-Kommission, Pro-
gramme, die eine gleiche oder ähnliche Zielsetzung verfolgen, im Rahmen
einer entsprechenden Struktur zu bündeln. Als Dach hierfür bietet sich der
Bereich „Science for Competitiveness“ an. Im Rahmen eines Top-down-An-
satzes sollen hier vor allem Entwicklungen im Hightechbereich angestoßen
werden. Dies meint insbesondere die Förderung von zentralen Schlüssel-
technologien – und zwar im vorwettbewerblichen Bereich. Nur dann machen
– jedenfalls aus deutscher Sicht – länderübergreifende Kooperationen zwi-
schen mehreren Unternehmen oder zwischen Hochschulen, Forschungsein-
richtungen und Unternehmen Sinn. Das Agenda-Setting kann hierbei aber
nicht (allein) den Unternehmen überlassen werden. Zwingend erforderlich ist
neben der Industrie die Einbindung der Wissenschaft. Andererseits muss es
für Unternehmen auch themenoffene Ausschreibungen geben. Nur so kann
die Industriebeteiligung erhöht werden. Das KMU-Programm „Eurostars“ ist
dafür ein erfolgreiches Beispiel.

Als gelungenes Beispiel für ein nationales Instrument zur Umsetzung einer
Hightechförderung kann die deutsche Clusterförderung im Rahmen des Spit-
zenclusterwettbewerbs dienen. Diese hat bereits bei der Errichtung des EIT
Pate gestanden. Das EIT stellt daher die richtige Plattform für Technologie-
förderung und die Umsetzung der Hightechförderung dar. Jedenfalls bedarf
es einer kohärenten Innovationsstrategie, um eine gemeinsame Beteiligung
von Forschungseinrichtungen und Unternehmen sicherzustellen.

Des Weiteren ist zwischen Instrumenten der Innovationsfinanzierung und der
Innovationsförderung zu unterscheiden. Als Instrument der Innovations-
finanzierung hat sich die RSFF (Risk Sharing Financial Facility) bewährt. Je-
doch sollte bei einer Finanzierung durch die RSFF darauf geachtet werden,
dass die zu vergebenen Tranchen in einer Größenordnung geschnitten sind,
die es auch dem Mittelstand erlauben, erfolgreich an der Innovationsfinanzie-
rung teilzunehmen. Zudem sollte eine solche Finanzierung verstärkt über na-
tionale Intermediäre (wie beispielsweise die KfW Bankengruppe) verlaufen.

Darüber hinaus wird eine deutliche Beteiligung der EU an den Betriebskos-
ten europäischer Forschungsinfrastrukturen erwartet. Eine Finanzierung von
Forschungsinfrastrukturen durch sogenannte Projektbonds, wie von der EU-
Kommission geplant, wird entschieden abgelehnt.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/5492

Ebenfalls zusammengefasst werden sollten die Programme auf der Basis des
Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), also insbe-
sondere die Programme ERA-NET sowie Maßnahmen nach Artikel 185
AEUV. Hierunter würde ggf. auch das Joint Programming fallen. Für diese
Programme bietet sich der Bereich „Science for Society“ als Dach an. Im
Rahmen dieser Programmlinie soll es insbesondere um Lösungen für die gro-
ßen gesellschaftlichen Herausforderungen gehen.

Der Bereich „Science for Science“ soll nach den Vorstellungen der EU-Kom-
mission insbesondere ein Dach für den ERC und die Marie-Curie-Maßnah-
men bieten und insgesamt durch einen Bottom-up-Ansatz gekennzeichnet
sein. Es kann daher auf die Ausführungen zu Buchstabe a verwiesen werden.

Zu Buchstabe f – Vereinfachung der Verfahren

Schon heute besteht Einigkeit, dass die Verfahren weiter vereinfacht und be-
schleunigt werden müssen, insbesondere damit die Programme für die Wirt-
schaft attraktiver werden. Gleichzeitig müssen die Transparenz und die Fair-
ness bei der Vergabe der Fördermittel erhöht werden. Im Falle einer Ab-
wägung zwischen notwendiger Vereinfachung und gewünschter Kontrolle ist
im Zweifel dem Vertrauensgrundsatz höheres Gewicht einzuräumen. Der
Aufwand zur Risikovermeidung darf nicht unverhältnismäßig sein. Zwischen
allen Beteiligten, also insbesondere dem Europäischem Parlament, dem Rat,
der EU-Kommission und dem Rechnungshof, sollte Konsens bestehen, dass
eine – jedes Detail kontrollierende – Verwaltung der Forschungsmittel nicht
effizient und angemessen sein kann. Das potenzielle Fehlverhalten Einzelner
darf nicht zu einer Lähmung des gesamten Systems führen. Vor diesem Hin-
tergrund begrüßen wir die angedachte Erhöhung der Fehlerquote auf 3,5 Pro-
zent.

Regularien, Verfahren und Prozesse müssen nicht nur rechtzeitig vor dem
Programmstart definiert und eindeutig formuliert werden, sondern danach
auch einheitlich interpretiert und angewandt werden. Der mögliche Nutzen
von Sonderregelungen bei der Abwicklung der Programme, die von den
üblichen Regeln des FRP abweichen, wie dies beispielsweise bei den JTI der
Fall ist, muss hinsichtlich der Folgen für die Administration und das Manage-
ment sorgfältig abgewogen werden.

Bei der Abrechnung der Kosten sollten die Zuwendungsempfänger grund-
sätzlich ihre üblichen, von nationalen Projekten bekannten und erprobten
Rechnungslegungsmethoden und Managementgrundsätze verwenden kön-
nen. Der Deutsche Bundestag begrüßt hier die ersten Umsetzungsschritte der
EU-Kommission vom Januar 2011 und unterstützt die EU-Kommission da-
bei, den Vereinfachungsprozess weiter voranzutreiben. Weitere Schritte
wären z. B. die Abschaffung der dualen Berichterstattung bei Projekten mit
nationaler und EU-Förderung. Auch die von der EU-Kommission eingesetzte
Lenkungsgruppe zur Überprüfung der bestehenden Förderrichtlinien, mit
dem Ziel der Vereinheitlichung, wird ausdrücklich begrüßt. Weitere konkrete
Schritte müssen jedoch folgen.

Für eine verbesserte KMU- und Industrieförderung ist eine Verkürzung der
Antragsbearbeitungszeiten auf maximal drei Monate (statt wie bisher durch-
schnittlich 400 Tage) zwischen Einreichschluss und Bewilligung („Time-to-
Contract“) für alle Projekte anzustreben. Nur so kann vermieden werden,
dass die erwarteten Ergebnisse eines Forschungsprojektes schon zu Beginn
des Projektes durch Marktentwicklungen überholt werden.

Grundsätzlich ist bei der Antragstellung die Einführung eines zweistufigen

Verfahrens sinnvoll. Demnach würde für eine erste Bewerbung ein Kurzan-
trag genügen. Nach einer Vorprüfung der Anträge werden die erfolgreichen

Drucksache 17/5492 – 12 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Bewerber in einer zweiten Runde aufgefordert, eine ausführlich begründete
Langfassung des Förderantrags abzugeben.

Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP begrüßen vor dem Hintergrund der
vorherigen Aussagen insbesondere den Bericht des Europäischen Parla-
ments, verfasst von Maria Da Graça Carvalho, die zahlreiche konkrete Vor-
schläge zur Vereinfachung der Antrags- und Abrechnungsverfahren vorge-
legt hat. Besonders bedeutsam erscheinen uns hierbei die Möglichkeit einer
Vollkostenrechnung für die Zuwendungsempfänger sowie die Möglichkeit
einer Vorfinanzierung von Forschungsaufwendungen. Fazit dort: Eine detail-
verliebte bürokratische Inputsteuerung muss der Vergangenheit angehören.

Abschließend bleibt festzuhalten: Angesichts der Bedeutung der Innova-
tionsunion im Rahmen der Europa-2020-Strategie und der unbestrittenen Re-
levanz von Forschung und Innovation für die Wettbewerbs- und damit auch
Zukunftsfähigkeit Europas erscheint es zwingend erforderlich, die finanzielle
Ausstattung des Nachfolgeprogramms nicht nur auf Basis der Aufwendun-
gen für das 7. FRP mit dem Ansatz für das Jahr 2011 fortzuschreiben, son-
dern deutlich aufzustocken. Dies muss in erster Linie durch eine Priorisie-
rung innerhalb des EU-Budgets auf Forschung und Innovation erreicht
werden. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Mitgliedstaaten ihre For-
schungsausgaben auf 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2020 steigern
wollen, muss die Europäische Union vorangehen.

Weitere öffentliche und private Mittel sollten insbesondere durch eine engere
Zusammenarbeit mit anderen EU-Programmen, durch bessere Rahmenbe-
dingungen für Wagniskapital und durch mehr Anreize für die öffentliche
Nachfrage nach Innovationen mobilisiert werden.

Die Größe der gesellschaftlichen Herausforderungen, die Übernahme zusätz-
licher Aufgaben wie auch der vorgeschlagene Ausbau etablierter und be-
währter Instrumente wie ERC oder Marie-Curie-Maßnahmen sowie der Ver-
bundforschungsprojekte lassen keine anderen Schlussfolgerungen zu.

Berlin, den 13. April 2011

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Birgit Homburger und Fraktion

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