BT-Drucksache 17/5426

"Student Services" und die soziale Dimension von Bologna und den Hochschulpakten

Vom 6. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5426
17. Wahlperiode 06. 04. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Burchardt, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels,
Klaus Barthel, Willi Brase, Petra Ernstberger, Michael Gerdes, Iris Gleicke, Klaus
Hagemann, Oliver Kaczmarek, Daniela Kolbe (Leipzig), Ute Kumpf, Thomas
Oppermann, Florian Pronold, René Röspel, Marianne Schieder (Schwandorf), Swen
Schulz (Spandau), Andrea Wicklein, Dagmar Ziegler, Dr. Frank-Walter Steinmeier und
der Fraktion der SPD

„Student Services“ und die soziale Dimension von Bologna und den
Hochschulpakten

Zum Wintersemester 2011/2012 ist mit erheblichen Studienanfänger- und Stu-
dierendenzahlen insgesamt zu rechnen. Im Laufe des Jahres 2011 drängen in
Bayern und Niedersachsen die ersten doppelten Abiturjahrgänge an die Hoch-
schulen, hinzu kommen aufgrund des Aussetzens der Wehrpflicht bundesweit
nach Schätzungen der Kultusministerkonferenz ca. 59 000 zusätzliche Studien-
berechtigte. Sowohl die Verkürzung der Schulzeit als auch der Wegfall der
Wehrpflicht führen zu einer Absenkung des Eintrittsalters in die Hochschulen.

Die bisherige Umsetzung des Bologna-Prozesses hat gezeigt, dass die Hoch-
schulen erheblichen Herausforderungen ausgesetzt sind. Neben notwendigen
Verbesserungen in der Lehre steigt auch die Nachfrage nach Service- und Bera-
tungsangeboten rund um das Studium, vor allem durch jüngere Studierende, die
jetzt verstärkt in die Hochschulen drängen werden. Im Zuge des Bologna-Pro-
zesses wurde bereits in der Konferenz der Europäischen Bildungsministerinnen
und Bildungsminister in Berlin 2003 die Notwendigkeit des Ausbaus der sozia-
len Dimension betont. 2007 verpflichteten sich die europäischen Bildungsminis-
ter in London, „adäquate Student Services bereitzustellen“.

Zur Abfederung der erwarteten steigenden Studienanfängerzahlen sollen im
Rahmen des Hochschulpakts II an den Hochschulen bis 2015 rund 275 000 zu-
sätzliche Studienplätze eingerichtet werden. Diese berücksichtigen die zusätz-
lichen Studienanfänger/Studienanfängerinnen aufgrund des Aussetzens der
Wehrpflicht bislang nicht.

Auch ist der Ausbau der sozialen Dimension des Studiums bislang kein Bestand-
teil des Hochschulpakts. Vor allem der Bestand an Wohnplätzen stagniert seit Jah-
ren, obwohl schon im Rahmen der Konzertierten Aktion „Internationales Marke-
ting für den Bildungs- und Forschungsstandort Deutschland“ Anfang dieses Jahr-
tausends ein zusätzlicher Bedarf von 21 000 Wohnplätzen als Planzahl verwendet
wurde, um die steigende Zahl international Studierender unterbringen zu können.

Seitdem ist der Anteil ausländischer Studierender in Deutschland von rund
143 000 im WS 2001/2002 auf über 180 000 im Jahr 2009 gestiegen.

Es steht daher zu befürchten, dass zum Beginn des Wintersemesters 2011/2012
vor allem in erheblichem Umfang Wohnplätze und Beratungsangebote für jün-
gere und internationale Studierende fehlen werden.

Und dies, obwohl der Deutsche Bundestag auf Basis des Entschließungsantrages
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD am 29. März 2007 die Länder aufgefor-

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dert hatte, beim Ausbau der Studienplätze auch den Ausbau der Studentenwerke
im Blick zu haben (Beschluss: Den Hochschulpakt erfolgreich umsetzen: „Der
Deutsche Bundestag erwartet von den Ländern, die Leistungsfähigkeit der Stu-
dentenwerke zu erhöhen und auch die sozialen Voraussetzungen für eine deut-
lich höhere Zahl von Studienanfängern, z. B. im Bereich der Wohnraumversor-
gung, rechtzeitig zu schaffen.“).

Eine Stärkung der Studentenwerke hatte auch die 327. Kultusministerkonferenz
zuletzt am 15. Oktober 2009 (Beschluss: Weiterentwicklung des Bologna-Pro-
zesses) für erforderlich gehalten.

Zudem wurden im Rahmen der Föderalismusreform 2006 die Zuständigkeit der
sozialen Wohnraumförderung auf die Bundesländer übertragen und Finanzmit-
tel des Bundes den Ländern bis einschließlich 2013 zur Verfügung gestellt. Die
Zweckbindung der sozialen Wohnraumförderung kann sich auch auf die Wohn-
raumförderung für Studierende erstrecken, sodass seit 2007 durchaus Kapazitä-
ten hätten bereitgestellt werden können.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den durch die steigenden Studieren-
denzahlen entstehenden zusätzlichen Bedarf an Service- und Beratungs-
angeboten rund ums Studium für die einzelnen Bereiche (Wohnen, Hoch-
schulgastronomie, psychologische und soziale Beratung, Kinderbetreuung,
Angebote für Studierende mit Behinderung/chronischer Krankheit) ein?

2. Hat die Bundesregierung eine nach Ländern geordnete Übersicht darüber, in-
wieweit im Rahmen der Hochschulpakte I und II parallel zum Ausbau der
Studienplätze in den Ausbau der Service- und Beratungsangebote investiert
wurde?

3. Hat die Bundesregierung entsprechend der Entschließung des Deutschen
Bundestages vom 29. März 2007 und der Einsicht der Kultusminister vom
15. Oktober 2009, dass die Studentenwerke zu stärken seien, in den Verhand-
lungen mit den Ländern zum Hochschulpakt II darauf gedrungen, die Ser-
vice- und Beratungsangebote für Studierende ebenfalls adäquat auszubauen?

4. Hat die Bundesregierung auf Grundlage des Kommuniques der europäischen
Bildungsminister in London 2007 entsprechende Initiativen zur Umsetzung
der sozialen Dimension und zur Bereitstellung adäquater „Student Services“
gestartet?

5. Ist der Bundesregierung bekannt, in welchen Ländern und in welchem Um-
fang die soziale Wohnraumförderung für den Ausbau zusätzlicher Wohn-
plätze genutzt wird?

6. Sieht die Bundesregierung zusätzlichen Handlungsbedarf im Ausbau der
Service- und Beratungsangebote für Studierende, insbesondere was die Be-
reitstellung von Wohnkapazitäten parallel zur Steigerung der internationalen
Attraktivität des Studienstandortes Deutschland, aber auch im Hinblick auf
die Unterbringung künftig jüngerer Studierender und der barrierefreien Un-
terbringung von Studierenden mit Behinderung betrifft?

7. Hält die Bundesregierung hierzu erneut ein Zuschussprogramm mit Bundes-
beteiligung wie Ende der 80er-/Anfang der 90er-Jahre für erforderlich, um
die drohende Unterversorgung an Service- und Beratungsangeboten für Stu-
dierende zu kompensieren?

Berlin, den 6. April 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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