BT-Drucksache 17/5399

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksache 17/4808 - Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Europäischen Betriebsräte-Gesetzes - Umsetzung der Richtlinie 2009/38/EG über Europäische Betriebsräte (2. EBRG-ÄndG) b) zu dem Antrag der Abgeordneten Josip Juratovic, Ottmar Schreiner, Anette Kramme, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD - Drucksache 17/5184 - Wirkungsvolle Sanktionen zur Stärkung von Europäischen Betriebsräten umsetzen

Vom 6. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5399
17. Wahlperiode 06. 04. 2011

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 17/4808 –

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des
Europäische Betriebsräte-Gesetzes – Umsetzung der Richtlinie 2009/38/EG
über Europäische Betriebsräte (2. EBRG-ÄndG)

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Josip Juratovic, Ottmar Schreiner,
Anette Kramme, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
– Drucksache 17/5184 –

Wirkungsvolle Sanktionen zur Stärkung von Europäischen Betriebsräten
umsetzen

A. Problem

Mit dem Gesetzentwurf setzt die Bundesregierung die Richtlinie 2009/38/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über die Einset-
zung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur
Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operieren-
den Unternehmen und Unternehmensgruppen in nationales Recht um. Die Frist
dafür endet am 5. Juni 2011.

Die Fraktion der SPD begrüßt in ihrem Antrag die Veränderungen durch die
Neufassung der EG-Richtlinie, da diese die Rechte der Europäischen Betriebs-
räte stärkten und u. a. zur Klärung der Zuständigkeiten beitrügen. Allerdings
würden bei der Umsetzung in deutsches Recht einige Punkte nicht ausreichend
berücksichtigt.

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Die Umsetzung der Richtlinie 2009/38/EG in nationales Recht erfolgt durch die
Änderung des Europäische Betriebsräte-Gesetzes (EBRG). Ziel der Neufassung
ist es, das Recht auf Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemein-
schaftsweit tätigen Unternehmen und Unternehmensgruppen zu stärken. Zu den

Drucksache 17/5399 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

wesentlichen Änderungen gehören u. a. die erweiterte Definition der Begriffe
„Unterrichtung“ und „Anhörung“, die Anerkennung der Rolle der Gewerkschaf-
ten als Sachverständige zur Unterstützung der Verhandlungen des besonderen
Verhandlungsgremiums, die Regelung für Schulungen der Mitglieder des beson-
deren Verhandlungsgremiums und des Europäischen Betriebsrats. Die Ände-
rung ist redaktionell begründet.

Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/4808 in geänderter Fas-
sung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP bei Stimm-
enthaltung der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

Zu Buchstabe b

Die Antragsteller wollen erreichen, dass die Bundesregierung bei der Umset-
zung der EG-Richtlinie in deutsches Recht weitere Punkte berücksichtigt. Dazu
gehören die Verankerung von wirksamen Sanktionen bei Pflichtverstößen gegen
die Richtlinie sowie das Festschreiben eines Anspruchs auf Unterlassung betei-
ligungswidriger Maßnahmen im Gesetz.

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/5184 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Zu Buchstabe a

Der Gesetzentwurf dient entsprechend der zugrunde liegenden Richtlinie der
Stärkung des Rechts der Arbeitnehmer auf Unterrichtung und Anhörung. Sich
dadurch möglicherweise ergebender finanzieller Mehraufwand hängt von den
konkreten Gegebenheiten in den jeweiligen gemeinschaftsweit tätigen Unter-
nehmen oder Unternehmensgruppen ab und lässt sich dem Entwurf zufolge
nicht quantifizieren. Möglichen Belastungen stehen Entlastungen insbesondere
durch verringerte Transaktionskosten gegenüber, die ebenfalls nicht näher be-
zeichnet werden können. Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf
das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

Zu Buchstabe b

Kostenberechnungen wurden nicht angestellt.

E. Bürokratiekosten

Es werden keine Informationspflichten eingeführt, geändert oder aufgehoben.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5399

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/4808 mit folgender Maßgabe, im
Übrigen unverändert anzunehmen:

In Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe a werden die Wörter „in das besondere
Verhandlungsgremium“ durch die Wörter „in den Europäischen Betriebsrat“
ersetzt.;

b) den Antrag auf Drucksache 17/5184 abzulehnen.

Berlin, den 6. April 2011

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Katja Kipping
Vorsitzende

Josip Juratovic
Berichterstatter

Drucksache 17/5399 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht des Abgeordneten Josip Juratovic

A. Allgemeiner Teil

I. Überweisung

1. Überweisung

Der Gesetzentwurf auf Drucksache 17/4808 ist in der
96. Sitzung des Deutschen Bundestages am 17. März 2011
an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführen-
den Beratung und an den Rechtsausschuss zur Mitberatung
überwiesen worden.

Der Antrag auf Drucksache 17/5184 ist in der 99. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 24. März 2011 an den Aus-
schuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung
und an den Rechtsausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft
und Technologie sowie den Ausschuss für die Angelegenhei-
ten der Europäischen Union zur Mitberatung überwiesen
worden.

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse

Zu Buchstabe a

Der Rechtsausschuss hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 17/4808 in seiner Sitzung am 6. April 2011 beraten
und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP bei Stimmenthaltung der Fraktionen SPD, DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Deutschen Bundes-
tag die Annahme des Gesetzentwurfs in der Fassung des Än-
derungsantrags empfohlen.

Zu Buchstabe b

Der Rechtsausschuss, der Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie sowie der Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union haben den Antrag auf Drucksache
17/5184 in ihren Sitzungen am 6. April 2011 beraten und
gleichlautend mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Deutschen
Bundestag die Ablehnung des Antrags empfohlen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Zu Buchstabe a

Mit der Richtlinie 2009/38/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 6. Mai 2009 über die Einsetzung eines
Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfah-
rens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in
gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unter-
nehmensgruppen (Richtlinie) ist die Richtlinie 94/45/EG neu
gefasst worden. Ziel der Neufassung ist es, das Recht auf
Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemein-
schaftsweit tätigen Unternehmen und Unternehmensgrup-
pen zu stärken. Zu den wesentlichen Änderungen gehören
die erweiterte Definition der Begriffe „Unterrichtung“ und
„Anhörung“, die Anerkennung der Rolle der Gewerkschaf-
ten als Sachverständige zur Unterstützung der Verhandlun-
gen des besonderen Verhandlungsgremiums, die Regelung
für erforderliche Schulungen für Mitglieder des besonderen
Verhandlungsgremiums und des Europäischen Betriebsrats;
die Neuverhandlung bestehender Vereinbarungen bei we-

sentlichen Strukturänderungen des Unternehmens oder der
Unternehmensgruppe sowie ein Zweijahreszeitraum bis zum
Ablauf der Umsetzungsfrist, in dem bestehende Vereinba-
rungen noch nach dem derzeit geltenden Recht angepasst
oder neu abgeschlossen werden können. Die Richtlinie ist
am 5. Juni 2009 in Kraft getreten und bis zum 5. Juni 2011
in nationales Recht umzusetzen. Der Gesetzentwurf dient
der Umsetzung der neu gefassten Bestimmungen in deut-
sches Recht. Die Umsetzung erfolgt durch die Änderung des
Europäische Betriebsräte-Gesetzes (EBRG).

Zu Buchstabe b

Die Fraktion der SPD kritisiert Mängel bei der Umsetzung
der neuen EG-Richtlinie in deutsches Recht. Grundsätzlich
sei die Neufassung der Richtlinie zu begrüßen, da sie u. a.
die Zuständigkeiten der Europäischen Betriebsräte kläre.
Diese seien demnach künftig auch für Angelegenheiten zu-
ständig, die ungeachtet der Zahl der betroffenen Mitglied-
staaten für die europäischen Arbeitnehmer hinsichtlich der
Reichweite ihrer möglichen Auswirkungen wichtig seien so-
wie für Verlagerungen von Tätigkeiten zwischen Mitglied-
staaten.

Mit ihrem Antrag wollen die Initiatoren erreichen, dass die
Bundesregierung bei der Umsetzung weitere Punkte berück-
sichtigt. Dazu gehöre u. a., dass für den Fall von Pflichtver-
stößen gegen die Richtlinie wirksame Sanktionen durchge-
setzt werden müssten. Ferner müsse im Gesetz ein Anspruch
auf Unterlassung beteiligungswidriger Maßnahmen festge-
schrieben werden.

III. Öffentliche Anhörung von Sachverständigen

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung des
Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/4808 und des Antrags
auf Drucksache 17/5184 in seiner 55. Sitzung am 18. März
2011 aufgenommen und die Durchführung einer öffentlichen
Anhörung beschlossen. Diese fand in der 59. Sitzung am
4. April 2011 statt.

Die Teilnehmer der Anhörung haben schriftliche Stellung-
nahmen abgegeben, die in der Ausschussdrucksache
17(11)475 zusammengefasst sind.

Folgende Verbände, Institutionen und Einzelsachverständige
haben an der Anhörung teilgenommen:

● Deutscher Gewerkschaftsbund,

● Industriegewerkschaft Metall,

● Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie,

● Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände,

● Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V.,

● Gernot Hahl,

● Prof. Dr. jur. Martin Franzen,

● Antje Orentat,

● Sieghard Bender,

● Frank Siebens.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/5399

Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) und IG Metall kri-
tisieren in einer gemeinsamen Stellungnahme die Umset-
zung der EG-Richtlinie in deutsches Recht als unzurei-
chend. Es sei zwar begrüßenswert, dass der Gesetzentwurf
überwiegend Änderungen und Ergänzungen zu Vorschriften
des bislang geltenden EBRG enthalte, mit denen die neue
Richtlinie konform und umfassend umgesetzt worden sei.
Zur Gewährleistung einer effektiven Wahrnehmung grenz-
überschreitender Interessenvertretung halte man über die im
Gesetzentwurf enthaltenen Änderungen und Ergänzungen
hinaus jedoch weitere Regelungen für erforderlich, damit
die Richtlinie 2009/38/EG sachgerecht umgesetzt werden
könne. Dazu gehöre die gesetzliche Umsetzung der Auffor-
derung an die Mitgliedstaaten aus den Erwägungsgründen
35 und 36 der Richtlinie, im Falle eines Verstoßes gegen die
sich aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen adminis-
trative oder rechtliche Verfahren sowie Sanktionen vorzuse-
hen. Diese müssten wirksam und im Verhältnis zur Schwere
der Zuwiderhandlung angemessen sein, einschließlich einer
substantiellen Nachbesserung der Bußgeldvorschriften (Arti-
kel 1 § 45 GE) und eines generellen Unterlassungsanspruchs
im Fall beteiligungswidriger Maßnahmen. Außerdem be-
dürfe es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung eines
Zugangsrechts von EBR- und Ausschussmitgliedern zur
Wahrnehmung ihrer neuen gesetzlichen Pflichten der Be-
richterstattung gegenüber den örtlichen Arbeitnehmervertre-
tern bzw. den Arbeitnehmern der Betriebe oder Unterneh-
men über die Unterrichtung und Anhörung (Artikel 1 § 36
GE) nebst der Bereitstellung hierfür erforderlicher Mittel.

Die IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) schließt sich
der Stellungnahme von DGB und IG Metall an, hebt aber
weitere Punkte hervor. So setzten die Sozialpartner in der
chemischen Industrie zwar auf Verhandlungslösungen. Da-
für brauche man für den Fall des Scheiterns aber flankierend
das Recht auf Neuverhandlung. Die IG BCE empfehle daher,
Regelungen zu Anpassungen bei Strukturveränderungen
entsprechend zu formulieren. Auch halte man einen offiziel-
len Verhandlungszeitraum von bis zu drei Jahren für zu lang.
Darüber hinaus wird eine Präzisierung bei der Regelung der
Fortbildung gefordert. Ferner müssten im EBR zwei weitere
Rechte verdeutlicht werden. Das seien das Recht, eine Nach-
bereitungssitzung ohne Arbeitgebervertreter durchzuführen
und das Recht auf Teilnahme von Sachverständigen auch an
den gemeinsamen Sitzungen mit den Arbeitgebervertretun-
gen.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberver-
bände (BDA) fordert, den Bestandsschutz für Altvereinba-
rungen möglichst umfassend zu sichern. Man begrüße, dass
der Gesetzentwurf sich im Wesentlichen eng an den Vorga-
ben der geänderten Richtlinie zu orientieren versucht. In
einigen zentralen Punkten gehe er aber über die Richtlinie
hinaus bzw. nutze den vorgegebenen Spielraum nicht, um
optimale Rechtssicherheit für Unternehmen und Arbeitneh-
mer zu gewährleisten. Das gelte u. a. bei der Definition der
Anhörung in § 1 Absatz 5. Danach müssten die Arbeitneh-
mervertreter so rechtzeitig angehört werden, dass sie mit der
zentralen Leitung zusammenzukommen und eine mit Grün-
den versehene Antwort auf ihre etwaige Stellungnahme er-
halten könnten. Dies sehe die Richtlinie lediglich für den
Europäischen Betriebsrat (EBR) kraft Gesetzes vor. Die
Klarstellung in der Gesetzesbegründung, dass hiermit kein
Formerfordernis verbunden sei, werde begrüßt. Besser wäre

eine Klarstellung im Gesetzestext. Ebenso wenig von der
Richtlinie vorgegeben sei die in § 1 Absatz 7 vorgesehene
Vorschrift, dass Unterrichtung und Anhörung des Euro-
päischen Betriebsrats spätestens gleichzeitig mit der Anhö-
rung der nationalen Arbeitnehmervertretung durchzuführen
seien. Nach der Richtlinie hätten Vereinbarungen in diesem
Punkt Vorrang. Die von der Fraktion der SPD geforderten
Ausweitungen, insbesondere zu Sanktionen, lehne die BDA
ab.

Der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) bezieht
sich wie auch die IG BCE auf die im Jahr 2010 ausgehandel-
te Sozialpartnervereinbarung zu Europäischen Betriebsrä-
ten. Dabei hätten sich die deutschen Vertreter aktiv einge-
bracht. Aktuell habe der BAVC zwei Hauptanliegen: Die
§§ 37 und 41 des mit den europäischen Sozialpartnern EGB
und BUSINESSEUROPE ausgehandelten Kompromisses
müssten dahingehend geändert werden, dass in Fällen we-
sentlicher Strukturveränderungen im Unternehmen die An-
passung einer bestehenden Altvereinbarung im Einverneh-
men beider Seiten möglich bleibe, auch wenn keine spezielle
Klausel hierzu in dieser Vereinbarung existiere. Ferner müs-
se der vollständige Text der Richtlinie zur Definition des
Begriffs „Anhörung“ in das EBRG aufgenommen werden,
ohne die im Regierungsentwurf derzeit vorgesehene Ergän-
zung.

Der Sachverständige Gernot Hahl bewertet die Neufas-
sung der EBR-Richtlinie grundsätzlich positiv. Verankerung
und Präzisierung sowie eine Definition zu den Begriffen
„Unterrichtung“ und „Anhörung“ bei länderübergreifenden
Angelegenheiten seien jetzt genauer gefasst. Einen Fortbil-
dungsanspruch festzuschreiben, sei ebenfalls gut. Weitere
Punkte sollten jedoch berücksichtigt werden: Bei der zeit-
gleichen Information des EBR nach §1 Absatz 7 und der na-
tionalen Arbeitnehmervertretungen sei es praktikabler, einen
Zusatz zu formulieren, der die Betriebsparteien verpflichte,
ein Verfahren gemäß § 1 Absatz 5 in den jeweiligen EBR-
Vereinbarungen der Unternehmen zu regeln. Zweitens seien
die vorgesehenen Sanktionsmöglichkeiten bei Nichteinhal-
tung der Informationspflichten durch den Arbeitgeber oder
sonstige Pflichtverstöße gegen die Richtlinie nicht ausrei-
chend. Die maximale Höhe einer Geldbuße solle erhöht und
gegebenenfalls an die Größe des jeweiligen Unternehmens
angepasst werden. Bei Nichteinhaltung der Unterrichtungs-
und Anhörungspflichten gegenüber den Arbeitnehmern dür-
fe die jeweilige Maßnahme (z. B. Werksschließungen, Fusi-
onen, Produktionsverlagerungen, die zum Nachteil der Ar-
beitnehmer führten) bis zum Abschluss des Prozesses nicht
vollzogen werden. Drittens solle das Recht, Sachverständige
und Gewerkschaftsbeauftragte auf Beschluss des EBR zur
beratenden Teilnahme an EBR-Sitzungen hinzuziehen zu
können, in § 39 des neuen Gesetzes zusätzlich aufgenom-
men werden.

Der Sachverständige Prof. Dr. jur. Martin Franzen for-
dert im Einzelnen, in § 1 Absatz 5 Satz 2 EBRG-E nach dem
Wort „Leitung“ die Wörter „oder einer anderen geeigneten
Leitungsebene“ einzufügen. Ferner sei § 37 Absatz 1 Satz 2
EBRG-E entbehrlich und lasse praktisch keinen Raum für
Fälle, bei denen es sich zwar um Strukturveränderungen
handele, diese aber nicht „wesentlich“ seien. Wolle man die-
se Vorschrift gleichwohl beibehalten, sei es sachgerecht, den
„Soweit-Satz“ in § 37 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 EBRG-E

Drucksache 17/5399 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

auf den gesamten Katalogtatbestand zu beziehen. Außerdem
sei die Regelung des § 41 Absatz 8 EBRG-E nicht sachge-
recht. Der Termin „5. Juni 2009“ solle durch den „22. Sep-
tember 1996“ ersetzt werden. Ferner würden die von der
Fraktion der SPD vorgeschlagenen Änderungen von der
Richtlinie nicht verlangt.

Die Sachverständige Antje Orentat begrüßt aus ihrer lang-
jährigen Erfahrung als Vorsitzende des Europäischen Be-
triebsrates der British Airways die Neufassung der Richtlinie
2009/38/EG und die geplante Umsetzung in deutsches
Recht. Die Arbeitnehmervertreter benötigten ein solches Ge-
setz, das ihre Arbeit auf europäischer Ebene stärke. Entspre-
chend unterstütze sie den SPD-Antrag in vollem Umfang.
Besonders wichtig sei dabei der Anspruch auf Unterlassung,
ohne den die multinationale Interessenvertretung stagnieren
würde. Man habe bereits in einer entsprechenden Angele-
genheit Erfolg mit einer Klage erzielt. Es bedürfe dringend
einer deutlichen Regelung zur Übernahme von Anwalts- und
Verfahrenskosten durch den Arbeitgeber.

Der Sachverständige Sieghard Bender kritisiert, dass Be-
legschaften häufig von Standortverlagerungen oder -schlie-
ßungen bedroht seien. Dabei entstehe in den betroffenen Be-
legschaften nicht unbedingt eine positive Haltung zum
vereinten Europa. Auch um dem entgegenzuwirken, seien
Europäische Betriebsräte mit verankerten Rechten und Mit-
bestimmungsmöglichkeiten wichtig. Gerade die Erfahrun-
gen der letzten drei Jahre hätten dies erneut verdeutlicht. Die
neugefasste Richtlinie 2009/38/EG bedeute einen weiteren
Fortschritt in der sozialpolitischen Gesetzgebung in Europa.
Der Antrag sei inhaltlich zu unterstützen. Die Erfahrungen
zeigten, dass es spürbare Sanktionsmaßnahmen bei Pflicht-
verstößen geben müsse. Wenn z. B. nicht rechtzeitig unter-
richtet werde, dürften keine Maßnahmen zum Nachteil der
Beschäftigten umgesetzt werden. Deshalb sei ebenfalls ein
allgemeiner Unterlassungsanspruch aufzunehmen. Für eine
wirksame Beteiligung der Betriebsräte in Vertretung der je-
weiligen Belegschaften wäre ein stärkeres Initiativrecht bei
der strategischen Ausrichtung des Unternehmens wün-
schenswert. Die erforderliche fachliche Unterstützung könne
durch das Hinzuziehen von Sachverständigen und deren Fi-
nanzierung gewährleistet werden.

Der Sachverständige Frank Siebens unterstreicht, dass
Unterrichtung und Anhörung als Kernelement der EBR-
Richtlinie und des Europäische Betriebsräte-Gesetzes drin-
gend der Verbesserung bedürften. In der Vergangenheit seien
Europäische Betriebsräte häufig vor Entscheidungen der
Unternehmen oder Unternehmensgruppen mit grenzüber-
schreitendem Charakter nicht oder zu spät unterrichtet und
angehört wurden. Die verbesserten Definitionen zur
Unterrichtung und Anhörung seien daher zu begrüßen. Zu
befürworteten seien auch die Regelungen zu erforderlichen
Schulungen für Mitglieder des besonderen Verhandlungs-
gremiums und des Europäischen Betriebsrats, die Anerken-
nung der Rolle der Gewerkschaften als Sachverständige zur
Unterstützung der Verhandlungen des besonderen Verhand-
lungsgremiums und des Europäischen Betriebsrats sowie die
Möglichkeit, bei wesentlichen Strukturveränderungen Neu-
verhandlungen vorzunehmen.

Für weitere Details wird auf die gesammelten Stellungnah-
men auf Ausschussdrucksache 17(11)475 verwiesen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Zu Buchstabe a

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Gesetz-
entwurf auf Drucksache 17/4808 in seiner 61. Sitzung am
6. April 2011 abschließend beraten und dem Deutschen Bun-
destag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP bei Stimmenthaltung der Fraktionen SPD, DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Gesetz-
entwurfs in der vom Ausschuss geänderten Fassung empfoh-
len.

Auf Fragen in der Ausschusssitzung hin hat die Bundes-
regierung zudem zu Protokoll gegeben: „Die ausdrückliche
Normierung eines Zugangsrechts der Mitglieder des Europä-
ischen Betriebsrats und des engeren Ausschusses zu den in
Deutschland gelegenen Betrieben des Unternehmens bzw.
der Unternehmensgruppe ist aus Sicht der Bundesregierung
nicht erforderlich. Es ergibt sich – wie in der vergleichbaren
Konstellation des Zugangsrechts der (Gesamt- und Konzern-)
Betriebsratsmitglieder – bereits aus den Aufgaben der ge-
nannten Gremien. Ein Ausschluss des Zugangsrechts bei
ausländischen Mitgliedern des Europäischen Betriebsrats
oder des engeren Ausschusses, wie von einigen Sachverstän-
digen in der Anhörung am 4.4.2011 angenommen, würde zu-
dem gegen das Diskriminierungsverbot des Artikel 18 AE-
UV verstoßen.“

Zu Buchstabe b

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Antrag
auf Drucksache 17/5184 in seiner 61. Sitzung am 6. April
2011 abschließend beraten und dem Deutschen Bundestag
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP ge-
gen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung der Vorlage
empfohlen.

Die Fraktion der CDU/CSU unterstützte den Gesetzent-
wurf der Bundesregierung. Mit der Verbesserung und Kon-
kretisierung der Begriffe „Information“ und „Anhörung“ im
Gesetz werde sichergestellt, dass die Betriebsräte vor der
Umsetzung wichtiger Entscheidungen informiert würden.
Die Arbeit der Betriebsräte werde so insgesamt gestärkt. Die
Bundesregierung habe die EG-Richtlinie 1:1 in deutsches
Recht umgesetzt. Insgesamt gründe diese Umsetzung auf
den guten Erfahrungen, die man in Deutschland mit der be-
trieblichen Mitbestimmung gesammelt habe. Auch sei eine
ausdrückliche Normierung eines Zugangsrechts der Mitglie-
der des EBR und des engeren Ausschusses nicht erforder-
lich. Es ergebe sich – wie in der vergleichbaren Konstellation
des Zugangsrechts der Gesamt- und Konzernbetriebsratsmit-
glieder – bereits aus den Aufgaben der genannten Gremien.

Die Fraktion der SPD begrüßte wichtige Verbesserungen
für die Betriebsräte durch die EG-Richtlinie. Dafür hätten
die Gewerkschaftsvertreter jahrelang gegen den Widerstand
der Arbeitgeberseite kämpfen müssen. Bei der Umsetzung in
deutsches Recht durch die Bundesregierung fehle allerdings
Wesentliches. Als Sanktion bei Verstößen der Unternehmen
gegen ihre Informationspflichten reichten die jetzt festgeleg-
ten 15 000 Euro bei Weitem nicht aus, um Wirkung zu ent-
falten. Den Mitgliedstaaten sei aber auferlegt, für wirksame
und abschreckende Sanktionen zu sorgen. Das würde bei-
spielsweise erreicht, wenn ein Unternehmen seine beschlos-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/5399

senen Maßnahmen solange nicht umsetzen dürfe, wie die
Beteiligungsrechte nicht eingelöst seien. Auch das Recht,
Sachverständige und Gewerkschaftsbeauftragte zur beraten-
den Teilnahme hinzuzuziehen, fehle. Daher werde die Frak-
tion der SPD dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

Die Fraktion der FDP lobte den Europäischen Betriebsrat
kraft Vereinbarung als wichtigen Bestandteil der Mitbestim-
mung auch bei grenzübergreifenden Konzernen. Dies wird
in den Konzernen erfolgreich umgesetzt. Daher sei es auch
unnötig, weitere Sanktionen zu schaffen. Es gebe zudem be-
reits einen Rahmen für mögliche Bußgelder. Die jetzt vorge-
nommenen Präzisierungen der Informations- und Anhö-
rungsrechte im Gesetzentwurf der Bundesregierung
brächten alle Beteiligten weiter. Daher werde man dem ge-
änderten Gesetzentwurf der Bundesregierung zustimmen,
den SPD-Antrag aber ablehnen.

Die Fraktion DIE LINKE. sieht die Oppositionsfraktionen
SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der
Kritik an der Umsetzung in deutsches Recht weitgehend ei-
nig. Den SPD-Antrag unterstütze man daher. Beim Gesetz-
entwurf werde man sich der Stimme enthalten. Insgesamt
fordere die Fraktion, dass Thema Europäischer Betriebsrat
noch einmal grundsätzlich aufzugreifen und das Gesetz
grundlegend zu überarbeiten; denn international arbeitende
Konzerne würden immer wichtiger. Wichtige strukturelle
Änderungen der Unternehmen in Europa müssten von den
Betriebsräten begleitet werden. Das sei mit der jetzigen Um-

setzung in deutsches Recht nur begrenzt möglich. In diesem
Sinne unterstütze die Fraktion DIE LINKE. den Antrag der
Fraktion der SPD.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßte die
neugefasste EG-Richtlinie als notwendige Anpassung an die
veränderte Unternehmenssituation in Europa. Leider seien
die Gestaltungsspielräume zugunsten der Betriebsräte bei
der Umsetzung in deutsches Recht nicht genutzt worden. Die
Fraktion kritisiere ebenfalls die jetzt vorgesehenen Sanktio-
nen in Höhe von 15 000 Euro bei Verstößen der Unterneh-
men als völlig unzureichend. Man wolle stattdessen einen
Anspruch auf Unterlassung. Die Einschränkung der Anhö-
rungsrechte in Tendenzbetrieben halte man dagegen für un-
nötig. Auch die Qualifizierungsrechte der Betriebsräte müs-
se man angesichts ihrer Bedeutung besser fassen.

B. Besonderer Teil

Begründung zu Buchstabe a
(Änderung von Artikel 1)

Es handelt sich um die Korrektur eines redaktionellen Ver-
sehens. Die in Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe a des Gesetz-
entwurfs vorgesehene Änderung betrifft § 22 EBRG und da-
mit die Zusammensetzung des Europäischen Betriebsrats,
nicht die Zusammensetzung des besonderen Verhandlungs-
gremiums.

Berlin, den 6. April 2011

Josip Juratovic
Berichterstatter

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