BT-Drucksache 17/5238

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksache 17/4804 - Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes - Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung b) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 17/3752 - Entwurf eines Gesetzes zur strikten Regulierung der Arbeitnehmerüberlassung

Vom 23. März 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5238
17. Wahlperiode 23. 03. 2011

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 17/4804 –

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungs-
gesetzes – Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung

b) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Jutta Krellmann,
Sabine Zimmermann, Diana Golze, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/3752 –

Entwurf eines Gesetzes zur strikten Regulierung der Arbeitnehmerüberlassung

A. Problem

Zu Buchstabe a

Mit ihrem Gesetzentwurf wolle die Bundesregierung Missbrauch der Arbeitneh-
merüberlassung unterbinden, der mit dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
(AÜG) und allein mit tarifvertraglichen Regelungen nicht zu verhindern ist.
Darüber hinaus soll die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates über Leiharbeit in nationales Recht umgesetzt werden.

Zu Buchstabe b

Der weitgehend unregulierte Einsatz von Leiharbeit führt aus Sicht der Initiato-
ren zu erheblichen Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt. Leiharbeitskräfte
erhielten in der Regel wesentlich niedrigere Löhne als vergleichbare Stamm-
beschäftigte, da das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz eine Abweichung vom
Gleichbehandlungsgrundsatz mittels Tarifvertrag ermögliche.

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Durch die Einführung einer sogenannte Drehtürklausel im Gesetz soll künftig
verhindert werden, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach ihrem Aus-
scheiden aus einem Unternehmen aufgrund einer Kündigung oder des Auslau-

Drucksache 17/5238 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

fens eines befristeten Arbeitsvertrags als Leiharbeitnehmerinnen und Leih-
arbeitnehmer zu schlechteren Arbeitsbedingungen als die Arbeitnehmer des
Entleihers wieder in ihrem ehemaligen Unternehmen oder einem zum selben
Konzern gehörenden Unternehmen eingesetzt werden.

Die Umsetzung der europäischen Leiharbeitsrichtlinie erfordert Änderungen im
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Anders als im geltenden Recht begrenzt die
Richtlinie den Anwendungsbereich nicht auf gewerbsmäßige Arbeitnehmer-
überlassung, sondern gilt für wirtschaftlich tätige Unternehmen unabhängig da-
von, ob sie Erwerbszwecke verfolgen. Zudem definiert die Leiharbeitsrichtlinie
Arbeitnehmerüberlassung als vorübergehend. Die im Arbeitnehmerüberlas-
sungsgesetz vorgesehene Möglichkeit, zuvor arbeitslose Leiharbeitnehmerinnen
und Leiharbeitnehmer für längstens sechs Wochen, abweichend vom Grundsatz
der Gleichstellung mit den vergleichbaren Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mern im Betrieb des Entleihers, zu einem Nettoarbeitsentgelt zu beschäftigen,
das dem zuletzt gezahlten Arbeitslosengeld entspricht, wird gestrichen. Klarge-
stellt wird ferner, dass die Vereinbarung einer von den Leiharbeitnehmerinnen
oder Leiharbeitnehmern an den Verleiher zu zahlenden Vermittlungsprovision
für den Fall unwirksam ist, dass sie ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher ein-
gehen. Zudem werden die Entleiher in Umsetzung von Artikel 6 der Leiharbeits-
richtlinie verpflichtet, den in ihrem Betrieb tätigen Leiharbeitnehmerinnen und
Leiharbeitnehmern Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen oder -diensten
im Unternehmen zu gewähren (Artikel 6 Absatz 4) und sie über Arbeitsplätze im
Einsatzunternehmen, die besetzt werden sollen, zu unterrichten (Artikel 6 Ab-
satz 1). Diese Regelungen werden mit Bußgeldbewehrungen abgesichert.

Mit den Änderungsanträgen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP werden die
Verabredungen über die Einführung eine Lohnuntergrenze in der Zeitarbeit aus
dem Vermittlungsverfahren umgesetzt.

Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/4804 in geänderter
Fassung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen
die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei einer Stimmenthaltung aus der Fraktion der SPD.

Zu Buchstabe b

Die Fraktion DIE LINKE. fordert eine umfassende Regulierung der Arbeitneh-
merüberlassung. Dabei müssten u. a. das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche
Arbeit“ ab dem ersten Einsatztag, eine Begrenzung der Verleihdauer auf drei
Monate und ein Synchronisationsverbot im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
verankert werden. Angesichts der hohen, von den Leiharbeitskräften verlangten
Flexibilität müsse zudem zwingend eine Flexibilitätsprämie in Höhe von 10 Pro-
zent des Bruttolohns eingeführt werden.

Ablehnung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/3752 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme des abgelehnten Gesetzentwurfs.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5238

D. Kosten

Zu Buchstabe a

Als finanzielle Auswirkung auf die öffentlichen Haushalte kann sich zusätzli-
cher Vollzugsaufwand bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) durch die Erwei-
terung des Anwendungsbereiches des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes erge-
ben. Dieser wird aber nur in geringfügigem Umfang erwartet.

Unmittelbare Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbrau-
cherpreisniveau, werden nicht erwartet. Für die Unternehmen, die Leiharbeit-
nehmerinnen oder Leiharbeitnehmer einsetzen, können Mehrkosten entstehen
durch die Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen oder -diensten seitens der
Leiharbeitnehmerinnen oder Leiharbeitnehmer sowie durch die Information von
Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern über offene Arbeitsplätze, die
besetzt werden sollen.

Zu Buchstabe b

Unmittelbar sei nicht mit Kosten für den Bundeshaushalt zu rechnen, allerdings
mit derzeit nicht bezifferbaren höheren Einnahmen für den Bundeshaushalt und
die sozialen Sicherungssysteme.

E. Bürokratiekosten

Zu Buchstabe a

Es wird eine Informationspflicht für alle Unternehmen eingeführt, die Leih-
arbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer einsetzen, wenn sie gleichzeitig freie
Arbeitsplätze besetzen wollen. Hierdurch entstehen den Unternehmen gering-
fügige Mehrkosten von gut 200 000 Euro. Die Möglichkeit, der Informations-
pflicht durch allgemeine Bekanntgabe nachzukommen, soll einen erheblichen
Beitrag zur Begrenzung von Mehrkosten leisten. Sofern die Informationspflicht
über zu besetzende offene Stellen schon nach geltendem Recht gegenüber ande-
ren Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmern besteht, entstehen keine Mehrkos-
ten. Im Übrigen werden durch das Gesetz keine Informationspflichten neu ein-
geführt, geändert oder aufgehoben.

Drucksache 17/5238 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/4804 mit folgenden Maßgaben, im
Übrigen unverändert anzunehmen:

1. Artikel 1 wird wie folgt geändert:

a) Nummer 5 wird wie folgt gefasst:

‚5. § 3 Absatz 1 Nummer 3 wird wie folgt gefasst:

„3. dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen
Entleiher die im Betrieb dieses Entleihers für einen vergleich-
baren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen
Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts nicht
gewährt. Ein Tarifvertrag kann abweichende Regelungen zu-
lassen, soweit er nicht die in einer Rechtsverordnung nach § 3a
Absatz 2 festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschreitet.
Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht
tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung
der tariflichen Regelungen vereinbaren. Eine abweichende ta-
rifliche Regelung gilt nicht für Leiharbeitnehmer, die in den
letzten sechs Monaten vor der Überlassung an den Entleiher
aus einem Arbeitsverhältnis bei diesem oder einem Arbeitge-
ber, der mit dem Entleiher einen Konzern im Sinne des § 18 des
Aktiengesetzes bildet, ausgeschieden sind.“ ‘

b) Nach Nummer 5 wird folgende Nummer 6 eingefügt:

‚6. Nach § 3 wird folgender § 3a eingefügt:

㤠3a

Lohnuntergrenze

(1) Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern, die
zumindest auch für ihre jeweiligen in der Arbeitnehmerüberlas-
sung tätigen Mitglieder zuständig sind (vorschlagsberechtigte
Tarifvertragsparteien) und bundesweit tarifliche Mindeststunden-
entgelte im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung miteinander
vereinbart haben, können dem Bundesministerium für Arbeit und
Soziales gemeinsam vorschlagen, diese als Lohnuntergrenze in
einer Rechtsverordnung verbindlich festzusetzen; die Mindeststun-
denentgelte können nach dem jeweiligen Beschäftigungsort diffe-
renzieren. Der Vorschlag muss für Verleihzeiten und verleihfreie
Zeiten einheitliche Mindeststundenentgelte sowie eine Laufzeit
enthalten. Der Vorschlag ist schriftlich zu begründen.

(2) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann in einer
Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates bestimmen,
dass die vorgeschlagenen tariflichen Mindeststundenentgelte nach
Absatz 1 als verbindliche Lohnuntergrenze auf alle in den Gel-
tungsbereich der Verordnung fallenden Arbeitgeber sowie Leih-
arbeitnehmer Anwendung findet. Der Verordnungsgeber kann den
Vorschlag nur inhaltlich unverändert in die Rechtsverordnung
übernehmen.

(3) Bei der Entscheidung nach Absatz 2 findet § 5 Absatz 1 Satz 1
Nummer 2 des Tarifvertragsgesetzes entsprechend Anwendung.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/5238

Der Verordnungsgeber hat bei seiner Entscheidung nach Absatz 2
im Rahmen einer Gesamtabwägung neben den Zielen dieses Geset-
zes zu prüfen, ob eine Rechtsverordnung nach Absatz 2 insbeson-
dere geeignet ist, die finanzielle Stabilität der sozialen Sicherungs-
systeme zu gewährleisten. Der Verordnungsgeber hat zu berück-
sichtigen

1. die bestehenden bundesweiten Tarifverträge in der Arbeitneh-
merüberlassung und

2. die Repräsentativität der vorschlagenden Tarifvertragsparteien.

(4) Liegen mehrere Vorschläge nach Absatz 1 vor, hat der Ver-
ordnungsgeber bei seiner Entscheidung nach Absatz 2 im Rahmen
der nach Absatz 3 erforderlichen Gesamtabwägung die Repräsen-
tativität der vorschlagenden Tarifvertragsparteien besonders zu be-
rücksichtigen. Bei der Feststellung der Repräsentativität ist vorran-
gig abzustellen auf

1. die Zahl der jeweils in den Geltungsbereich einer Rechtsverord-
nung nach Absatz 2 fallenden Arbeitnehmer, die bei Mitgliedern
der vorschlagenden Arbeitgebervereinigung beschäftigt sind;

2. die Zahl der jeweils in den Geltungsbereich einer Rechtsverord-
nung nach Absatz 2 fallenden Mitglieder der vorschlagenden
Gewerkschaften.

(5) Vor Erlass ist ein Entwurf der Rechtsverordnung im Bundes-
anzeiger bekanntzumachen. Das Bundesministerium für Arbeit
und Soziales gibt Verleihern und Leiharbeitnehmern sowie den
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern, die im
Geltungsbereich der Rechtsverordnung zumindest teilweise tarif-
zuständig sind, Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme inner-
halb von drei Wochen ab dem Tag der Bekanntmachung des Ent-
wurfs der Rechtsverordnung im Bundesanzeiger. Nach Ablauf der
Stellungnahmefrist wird der in § 5 Absatz 1 Satz 1 des Tarifver-
tragsgesetzes genannte Ausschuss mit dem Vorschlag befasst.

(6) Nach Absatz 1 vorschlagsberechtigte Tarifvertragsparteien
können gemeinsam die Änderung einer nach Absatz 2 erlassenen
Rechtsverordnung vorschlagen. Die Absätze 1 bis 5 finden ent-
sprechend Anwendung.“ ‘

c) Die bisherige Nummer 6 wird Nummer 7.

d) Nummer 7 Buchstabe a wird wie folgt gefasst:

‚a) Nummer 2 wird wie folgt gefasst:

„2. Vereinbarungen, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der
Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb
des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Ent-
leihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen ein-
schließlich des Arbeitsentgelts vorsehen; ein Tarifvertrag kann
abweichende Regelungen zulassen, soweit er nicht die in einer
Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 festgesetzten Mindest-
stundenentgelte unterschreitet; im Geltungsbereich eines sol-
chen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber
und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen
vereinbaren; eine abweichende tarifliche Regelung gilt nicht
für Leiharbeitnehmer, die in den letzten sechs Monaten vor der
Überlassung an den Entleiher aus einem Arbeitsverhältnis bei
diesem oder einem Arbeitgeber, der mit dem Entleiher einen

Drucksache 17/5238 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Konzern im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes bildet, ausge-
schieden sind,“.‘

e) Nach Nummer 7 wird folgende Nummer 8 eingefügt:

‚8. § 10 wird wie folgt geändert:

a) Der Überschrift werden die Wörter „ , Pflichten des Arbeit-
gebers zur Gewährung von Arbeitsbedingungen“ angefügt.

b) Absatz 4 wird wie folgt gefasst:

„(4) Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für
die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des
Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Ent-
leihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließ-
lich des Arbeitsentgelts zu gewähren. Soweit ein auf das
Arbeitsverhältnis anzuwendender Tarifvertrag abweichende
Regelungen trifft (§ 3 Absatz 1 Nummer 3, § 9 Nummer 2) hat
der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach diesem Tarifver-
trag geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren. Soweit
ein solcher Tarifvertrag die in einer Rechtsverordnung nach
§ 3a Absatz 2 festgesetzten Mindeststundenentgelte unter-
schreitet, hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer für jede Ar-
beitsstunde das im Betrieb des Entleihers für einen vergleich-
baren Arbeitnehmer des Entleihers für eine Arbeitsstunde zu
zahlende Arbeitsentgelt zu gewähren. Im Falle der Unwirksam-
keit der Vereinbarung zwischen Verleiher und Leiharbeitneh-
mer nach § 9 Nummer 2 hat der Verleiher dem Leiharbeitneh-
mer die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren
Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeits-
bedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren.“

c) Folgender Absatz 5 wird angefügt:

„(5) Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer
mindestens das in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2
für die Zeit der Überlassung und für Zeiten ohne Überlassung
festgesetzte Mindeststundenentgelt zu zahlen.“ ‘

f) Die bisherigen Nummern 8 bis 12 werden die Nummern 9 bis 13.

2. Artikel 2 Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) Artikel 1 Nummer 5 bis 8 und 13 tritt am Tag nach der Verkündung
in Kraft.“

b) den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/3752 abzulehnen.

Berlin, den 23. März 2011

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Katja Kipping
Vorsitzende

Jutta Krellmann
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/5238

Bericht der Abgeordneten Jutta Krellmann

A. Allgemeiner Teil
I. Überweisung

Der Gesetzentwurf auf Drucksache 17/4804 ist in der
93. Sitzung des Deutschen Bundestages am 24. Februar
2011 an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federfüh-
renden Beratung und an den Rechtsausschuss, den Aus-
schuss für Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie den Ausschuss
für die Angelegenheiten der Europäischen Union zur Mitbe-
ratung überwiesen worden.

Der Gesetzentwurf auf Drucksache 17/3752 ist in der
93. Sitzung des Deutschen Bundestages am 24. Februar
2011 an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federfüh-
renden Beratung und an den Rechtsausschuss, den Aus-
schuss für Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie den Ausschuss
für die Angelegenheiten der Europäischen Union zur Mitbe-
ratung überwiesen worden.

II. Voten der mitberatenden Ausschüsse

Zu Buchstabe a

Der Rechtsausschuss, der Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie, der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend sowie der Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union haben den Gesetzentwurf auf
Drucksache 17/4804 sowie die Änderungsanträge auf den
Ausschussdrucksachen 17(11)446 und 17(11)453 in ihren
Sitzungen am 23. März 2011 beraten. Der Rechtsausschuss
hat mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Deutschen Bundestag
die Annahme des Gesetzentwurfs in der vom Ausschuss ge-
änderten Fassung empfohlen. Die Änderungsanträge der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Ausschussdruck-
sache 17(11)453 hat der Ausschuss mehrheitlich abgelehnt.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, der Aus-
schuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie
der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union haben übereinstimmend mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktion der SPD dem Deutschen Bun-
destag die Annahme des Gesetzentwurfs in der vom Aus-
schuss geänderten Fassung empfohlen. Die Änderungs-
anträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf
Ausschussdrucksache 17(11)453 wurden mehrheitlich abge-
lehnt.

Zu Buchstabe b

Der Rechtsausschuss, der Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie, der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend sowie der Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union haben den Gesetzentwurf auf
Drucksache 17/3752 in ihren Sitzungen am 23. März 2011
beraten. Der Rechtsausschuss hat mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der

Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD dem Deutschen
Bundestag die Ablehnung des Gesetzentwurfs empfohlen.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat die
Ablehnung mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. empfohlen. Der Aus-
schuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie
der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union haben die Ablehnung übereinstimmend mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stim-
men der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfoh-
len.

III. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Zu Buchstabe a

Mit dem Gesetzentwurf reagiert die Bundesregierung auf
Fälle missbräuchlicher Arbeitnehmerüberlassung, die durch
das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und tarifvertragliche
Regelungen allein nicht unterbunden werden konnten. Ver-
wiesen wird dabei auf die Bedeutung der Leiharbeit, in der
zwischen 2003 und 2008 mehr als jedes neunte neue sozial-
versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis entstan-
den sei. Künftig solle ausgeschlossen werden, dass Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer entlassen oder nicht weiter
beschäftigt würden und innerhalb der nächsten sechs Monate
als Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer wieder in
ihrem ehemaligen Unternehmen oder einem anderen Unter-
nehmen desselben Konzerns zu schlechteren Arbeitsbe-
dingungen eingesetzt würden. Dafür wird eine sogenannte
Drehtürklausel aufgenommen, wonach vom Gleichstel-
lungsgrundsatz abweichende Regelungen in Tarifverträgen
für diese Arbeitskräfte keine Anwendung finden.

Der Entwurf dient auch der Umsetzung der Richtlinie 2008/
104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
19. November 2008 über Leiharbeit, die am 5. Dezember
2008 in Kraft getreten ist. Dies hat bis spätestens 5. Dezem-
ber 2011 zu erfolgen. Das geschieht über Änderungen des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes.

Mit den Änderungsanträgen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP sollen Ergebnisse aus dem Vermittlungsverfahren
zur Neufestsetzung der Regelsätze nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch und dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch
zum Mindestlohn in der Leiharbeit umgesetzt werden.

Zu Buchstabe b

Die Initiatoren begründen ihren Entwurf damit, dass ange-
sichts der Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt eine Regu-
lierung und strikte Begrenzung der Arbeitnehmerüberlas-
sung dringend notwendig sei. Um zu verhindern, dass
Leiharbeitskräfte dauerhaft zu schlechteren Bedingungen als
Festangestellte eingesetzt werden könnten, fordern sie Än-
derungen im AÜG. Zentral seien eine Festschreibung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Ausnahmen, eine Be-
grenzung der Überlassungshöchstdauer auf drei Monate und

Drucksache 17/5238 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

eine Verbesserung der Mitbestimmungsrechte von Betriebs-
räten im Einsatzbetrieb.

IV. Öffentliche Anhörung von Sachverständigen

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung des
Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/3404 und des Gesetz-
entwurfs auf Drucksache 17/3752 in seiner 53. Sitzung am
25. Februar 2011 aufgenommen und die Durchführung einer
öffentlichen Anhörung beschlossen. Diese fand in der
56. Sitzung am 21. März 2011 statt.

Die Teilnehmer der Anhörung haben schriftliche Stel-
lungnahmen abgegeben, die in der Ausschussdrucksache
17(11)431 zusammengefasst sind.

Folgende Verbände, Institutionen und Einzelsachverständige
haben an der Anhörung teilgenommen:

● Bundesagentur für Arbeit,

● Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung,

● Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände,

● Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen
e. V.,

● Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienst-
leister e. V.,

● Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen
e. V.,

● Bundesverband Deutscher Dienstleistungsunternehmen
e. V.,

● Deutscher Gewerkschaftsbund,

● IG Metall,

● Prof. Franz Josef Düwell,

● Dr. Hajo Holst,

● Prof. Dr. Gerhard Bosch.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) beurteilt die Rege-
lungsansätze im Gesetzentwurf der Bundesregierung als
grundsätzlich sachgerecht. Der Entwurf sehe jedoch die
„gelegentliche“ Arbeitnehmerüberlassung als erlaubnisfreien
Ausnahmetatbestand vor, ohne dies für die beteiligten Be-
hörden BA und Zollverwaltung sowie betroffene Unter-
nehmen hinreichend zu konkretisieren. Das führe zu einer
problematischen Grenzverwischung zwischen erlaubnis-
pflichtiger und erlaubnisfreier Arbeitnehmerüberlassung,
aus der Rechtsunsicherheit entstehen könne. Mit ihrem Än-
derungsantrag hätten die Fraktionen der CDU/CSU und der
FDP ergänzt, dass vom Gleichstellungsgrundsatz mit Tarif-
vertrag nur abgewichen werden könne, wenn er nicht die in
einer Rechtsverordnung festgesetzten Mindeststundenent-
gelte unterschreite. Für die BA ergebe sich mit Einführung
der Lohnuntergrenze nur geringer administrativer Mehrauf-
wand. Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE. sehe
insbesondere eine Gleichstellung von Zeitarbeitskräften mit
Stammbeschäftigten ab dem ersten Tag vor, ohne Tarifaus-
nahmen. Dieser Ansatz stehe dem erklärten Ziel entgegen,
die Zeitarbeit wieder auf typische Aushilfstatbestände zu-
rückzuführen. Im Übrigen sollten mit dem Gesetzentwurf
frühere Regelungen wie eine Höchstüberlassungsdauer, ein
Synchronisations- und Befristungsverbot wieder eingeführt

werden. Die Wirksamkeit dieser Regelungen wären fraglich;
die Bürokratisierung der Überwachung jedoch erheblich.

Das Institut für Arbeit und Berufsforschung (IAB) be-
scheinigt der Bundesregierung die Absicht, mit ihren Vor-
schlägen zu einem funktionsgerechten Einsatz und Reputa-
tionsgewinn der Arbeitnehmerüberlassung beizutragen. Die
Stellung der Leiharbeitnehmer würde bei Einführung von
Lohnuntergrenzen verbessert. Weitere Ansatzpunkte zur
Verbesserung der Beschäftigungssituation von Leiharbeit-
nehmern bestünden in erster Linie im Bereich Equal Pay und
Equal Treatment. Beim Equal Pay stellt das IAB als Alterna-
tive zum Status quo ein Stufenmodell zur Diskussion. Der
Vorteil einer schrittweisen gegenüber einer abrupten Anpas-
sung läge in der deutlichen Verringerung des Anreizes für die
Leiharbeitsfirmen, ihre Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des
Inkrafttretens der Lohnanpassung auszutauschen bzw. zu
entlassen. Über die Zeit würden Leiharbeitnehmer dabei
deutlich besser gestellt und für die Entleiher der Anreiz ver-
mindert, Leiharbeitnehmer dauerhaft anstelle von Stammbe-
schäftigten zu beschäftigen. Der Gesetzentwurf der Fraktion
DIE LINKE. geht aus Sicht des IAB insgesamt zu weit. Die
Zeitarbeitsbranche würde bei einer Umsetzung relativ strikt
reguliert. Einzelne Vorschläge, wie die Wiedereinführung
des Synchronisationsverbots, könnten zwar isoliert betrach-
tet die Stabilität der Beschäftigungsverhältnisse in der Ar-
beitnehmerüberlassung stärken, seien aber durch Ausweich-
strategien umgehbar.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberver-
bände (BDA) bescheinigt dem Gesetzentwurf der Bundes-
regierung, dass er die arbeitsmarktpolitische Bedeutung der
Zeitarbeit würdige. In Übereinstimmung mit europäischem
Recht stelle er keine Abkehr von der bestehenden Regelung
zum Gleichstellungsgrundsatz mit der zugehörigen Tariföff-
nung dar. Begrüßt wird auch das Ziel, mit dem Gesetzent-
wurf die Arbeitnehmerüberlassung als flexibles arbeits-
marktpolitisches Instrument zu stärken und ihre positiven
Beschäftigungseffekte zu erhalten. Diesem Anspruch werde
der Entwurf allerdings nicht in vollem Umfang gerecht. So
gelte es insbesondere, die Umsetzung der Zeitarbeitsrichtli-
nie in deutsches Recht auf das wirklich Notwendige zu be-
schränken und keine neuen Beschäftigungshürden aufzu-
bauen. Völlig unzureichend seien die Angaben zu den mit
der Änderung einhergehenden Bürokratiekosten. So würden
durch die Streichung des Wortes „gewerbsmäßig“ künftig
viele Sachverhalte nach dem AÜG erlaubnispflichtig, in de-
nen bisher keine AÜ-Erlaubnis notwendig gewesen sei. Die
Änderungen im AÜG sollten zudem zum Anlass genommen
werden, den Begriff der „Leiharbeit“ durch den Begriff
„Arbeitnehmerüberlassung“ bzw. „Zeitarbeit“ zu ersetzen.

Der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunterneh-
men e. V. (iGZ) begrüßt die Absicht der Bundesregierung,
nach öffentlich diskutierten Missbrauchsfällen in der Zeit-
arbeitsbranche über Gesetzeskorrekturen neue Abwehrklau-
seln zu verankern. Allerdings ignoriere der Gesetzentwurf
bislang die Aufforderung des europäischen Gesetzgebers,
Einschränkungen und Verbote zu überprüfen und diese bei
fehlender Rechtfertigung aus Gründen des Allgemeininter-
esses zu streichen. Dies gelte vor allem für das in Deutsch-
land zu Unrecht noch nicht aufgehobene sektorale Verbot der
Zeitarbeit im Bauhauptgewerbe. Auch halte es der iGZ für
sachgerecht, die Begriffsbestimmungen im AÜG („Zeitar-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/5238

beit“ statt „Leiharbeit“ etc.) endlich zu ändern, so wie es in
anderen Bereichen längst umgesetzt worden sei. Der Ver-
band bekräftigt zudem seine Auffassung, dass zum Schutze
der Zeitarbeitskräfte und zum Erhalt der Branche Zeitarbeit
eine verbindliche Tarif-Lohnuntergrenze unerlässlich sei – vor
allem vor dem Hintergrund der erweiterten Arbeitnehmer-
freizügigkeit ab 1. Mai 2011. Dazu hätten iGZ und BZA mit
der DGB-Tarifgemeinschaft einen Mindestlohntarifvertrag
am 30. April 2010 abgeschlossen. Man präferiere aber nach
wie vor die Aufnahme der Zeitarbeit als weitere Branche in
das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Den im Gesetzentwurf
der Fraktion DIE LINKE. enthaltenen Regulierungsansatz
lehnt der iGZ dagegen ab, da er die Bedeutung der Zeitarbeit
verkenne und die Bedingungen für die Erfolge der Branche
ignoriere.

Der Arbeitgeberverband Mittelständischer Personal-
dienstleister e. V. (AMP) und der Bundesverband Zeit-
arbeit Personal-Dienstleistungen e. V. (BZA) erkennen in
einer gemeinsamen Stellungnahme an, dass durch den Ge-
setzentwurf das in Deutschland seit 2004 geltende Prinzip
des Gleichstellungsgebots (Equal Treatment) einschließlich
Tariföffnungsklausel nicht in Frage gestellt werde. Damit
orientiere sich der Entwurf eins zu eins an der EU-Zeit-
arbeitsrichtlinie. Kritisch sehen die beiden Verbände, dass
der Gesetzgeber mit der Novellierung nicht die sachlich als
falsch und diskreditierend empfundenen Begriffe „Leih-
arbeit“, „Leiharbeitnehmer“, „Verleiher“ und „Entleiher“
aufgebe. Außerdem werde in keiner Weise der Liberalisie-
rungsgedanke der EU-Zeitarbeitsrichtlinie aufgenommen.
Daneben gebe es eine Reihe von Kritikpunkten an Einzel-
regelungen. So gehe die vorgesehenen „Drehtür-Regelung“
deutlich über die ursprünglich geplante „Lex Schlecker“ hi-
naus und werde den Bürokratieaufwand für die Zeitarbeits-
branche deutlich erhöhen.

Der Bundesverband Deutscher Dienstleistungsunterneh-
men e. V. (BVD) lobt ebenfalls, dass der Gesetzentwurf das
in Deutschland geltende Prinzip der Gleichbehandlung
(Equal Treatment) in Verbindung mit der Tariföffnungsklau-
sel nicht in Frage stelle. Der BVD fordert ebenso auch einen
Wechsel der Begrifflichkeit im Gesetz von „Leiharbeit“ zu
„Zeitarbeit“. Ebenso bedauerlich sei, dass der Entwurf keine
Veränderung bei bestehenden Verboten und Einschränkun-
gen des Einsatzes von Zeitarbeit bringe, die nach der Zeit-
arbeitsrichtlinie „nur aus Gründen des Allgemeininteresses
gerechtfertigt“ seien. Dies betreffe besonders das Verbot der
Arbeitnehmerüberlassung in das Bauhauptgewerbe.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnt davor,
dass bei der jetzigen Praxis der Leiharbeit Arbeitgeber-
risiken zunehmend auf die Beschäftigten, die Sozialversi-
cherung und den Staat verlagert würden. Im Interesse eines
geordneten Arbeitsmarktes seien dringend Korrekturen er-
forderlich. Zur Eindämmung von Missbrauch und zur Um-
setzung der EU-Richtlinie sei der Gesetzentwurf aber kei-
nesfalls ausreichend. Er wolle den Missbrauch insbesondere
durch Einschränkungen von sog. Drehtüreffekten mindern.
Damit enthalte der Entwurf richtigerweise einen Regelungs-
vorschlag zu dem im Rahmen des Falls „Schlecker“ bekannt
gewordenen Problem. Dies sei aber nicht das Hauptproblem
der Branche, das vielmehr in der Besetzung von Dauer-
arbeitsplätzen mit Leiharbeitern zur Absenkung der Löhne
liege. Dies werde auch nach der Gesetzesänderung anhalten

und zunehmen. Zur Bekämpfung von Missbrauch, den sich
der Gesetzentwurf nach seinem Titel zum Ziel setze, fehle es
aus Sicht des DGB vor allem an einer klaren Positionierung,
um das Prinzip der Gleichbehandlung durchzusetzen und das
beschriebene wie auch zu erwartende Lohndumping durch
den Einsatz ausländischer Arbeitskräfte ab Mai 2011 zu be-
grenzen. Der DGB erwarte deswegen, dass einschränkende
Regelungen, mit denen die Gleichbehandlung bei den Löh-
nen und sonstigen Arbeitsbedingungen ausgehebelt werden
können, abgeschafft würden. Der im AÜG bisher nur im
Grundsatz vorgesehene Gleichbehandlungsgrundsatz müsse
ab dem ersten Tag ausnahmslos gelten. Abweichungen durch
verschlechternde Tarifverträge seien künftig auszuschließen.

Die IG Metall weist auf den fundamentalen Funktionswan-
del bei der Leiharbeit hin. Von der Deckung kurzfristiger
Auftragsspitzen u. Ä. habe sie sich zu einem Instrument ent-
wickelt, mit dem eine zweite Linie von Arbeitsbedingungen
unterhalb geltender Tarifstandards etabliert werde. Die Poli-
tik müsse die Fehlentwicklungen, in die der bestehende
rechtliche Rahmen geführt habe, stoppen. Gebraucht werde
ein AÜG, das von grundsätzlich gleichen Arbeitsbedingun-
gen ausgehe – also mit einem gesetzlichen Rahmen den
Grundsatz „Gleiche Arbeit, Gleiches Geld“ wirksam veran-
kere. Um dem bestehenden Lohndumping wirksam entgegen
zu treten, sei eine Regelung nötig, die die tarifliche Abwei-
chungsmöglichkeit vom Equal-Pay-Grundsatz aufhebe oder
zumindest eng begrenze. Die Praxis der Nachbarstaaten ent-
kräfte auch das Argument, mit einer wirksamen Gleich-
behandlungsvorschrift würde die Leiharbeit praktisch elimi-
niert.

Der Sachverständige Prof. Franz Düwell verweist auf
Fehlentwicklungen nach der mit dem Gesetz zur Reform der
arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-G) ein-
setzenden Deregulierung des Rechts der Arbeitnehmerüber-
lassung. Die Missbräuche beruhten vor allem darauf, dass im
Gesetz effektive Rechtsfolgen von Missbrauchsmöglichkei-
ten fehlten. Die mit dem Ersten und Dritten Gesetz für
moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt verbundene An-
nahme, es könne über das im AÜG aufgestellte Verbot, Leih-
arbeitnehmer gegenüber vergleichbaren Stammarbeitneh-
mern schlechter zu stellen, ein angemessenes Schutzniveau
für Leiharbeitnehmer erreicht werden, habe sich nicht ver-
wirklicht. Der vorliegende Entwurf eines Ersten Gesetzes
zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes greife
zwar einige der in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen
missbräuchlichen Gestaltungsformen auf, insbesondere die
„Drehtürmethode“. Er tue dies jedoch nicht effektiv genug.
Insbesondere fehle für die Nichteinhaltung der Vorgabe der
nur „vorübergehenden“ Überlassung die Rechtsfolge der Be-
gründung eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher. Entge-
gen der Anregung der Rechtsprechung spare der Entwurf die
vorgesehene Rechtsfolge für die anderen Fälle der gesetz-
widrigen Arbeitnehmerüberlassung aus. Im Übrigen erfülle
der Entwurf nicht die Anforderungen, die an eine ausrei-
chende Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht zu
stellen seien.

Der Sachverständige Dr. Hajo Holst kritisiert, dass die von
der Bundesregierung angestrebte AÜG-Reform nicht ver-
hindern werde, dass Leiharbeit für die Betroffenen mit einem
erhöhten Ausgrenzungs- und Armutsrisiko einhergehe. Wol-
le man der Prekarisierung der Arbeitswelt nicht Vorschub

Drucksache 17/5238 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

leisten, sei eine weitergehende Regulierung des Leiharbeits-
einsatzes angeraten. Wichtige Eckpunkte müssten dabei eine
Begrenzung der Überlassungshöchstdauer, eine Beschrän-
kung der Befristungsmöglichkeiten in der Leiharbeit und
eine Stärkung der Mitbestimmungsrechte sein. Gewährleis-
ten müsse man auch, dass Werkverträge nicht zu einem
Schlupfloch würden, mit dem eine veränderte Leiharbeitsre-
gulierung ausgehebelt werde. Es gebe Anzeichen dafür, dass
Werkverträge in einigen Bereichen bereits als Substitut der
Leiharbeit eingesetzt würden.

Der Sachverständige Prof. Dr. Gerhard Bosch verweist
auf die besondere Schutzbedürftigkeit von Leiharbeitnehme-
rinnen und Leiharbeitnehmern. Diese ergebe sich aus den oft
nur kurzfristigen Arbeitsverträgen und dem Einsatz in wech-
selnden Betrieben. Beides erschwere den Aufbau stabiler
und verhandlungsmächtiger Arbeitnehmerorganisationen,
die nur mit gesetzlicher Rückenstärkung auf gleicher Augen-
höhe die Arbeitsbedingungen mit den Unternehmen aus-
handeln könnten. Nach der EU-Richtlinie zur Leiharbeit
müssten die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungs-
bedingungen von Zeitarbeitskräften müssten während der
Dauer ihrer Überlassung an einen Entleihbetrieb grundsätz-
lich mindestens den Arbeits- und Beschäftigungsbedingun-
gen vergleichbarer Stammarbeitskräfte entsprechen. Die
Nachbarstaaten zeigten, dass mit Equal Pay gesunde Unter-
nehmen entstünden. In Deutschland habe die fast flächende-
ckende Tarifierung der Branche nicht zur Angleichung der
Löhne von Leiharbeitskräften und Stammbeschäftigten ge-
führt, sondern eher zu noch größeren Abständen – jedenfalls
in gewerblichen Branchen mit überdurchschnittlichem
Lohnniveau.

Weitere Einzelheiten sind der Drucksache 17(11)431 und
dem Protokoll der Anhörung zu entnehmen.

V. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Zu Buchstabe a

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Gesetz-
entwurf auf Drucksache 17/4804 in seiner 57. Sitzung am
23. März 2011 abschließend beraten und dem Deutschen
Bundestag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei einer Stimm-
enthaltung aus der Fraktion der SPD die Annahme des Ge-
setzentwurfs in der vom Ausschuss geänderten Fassung
empfohlen.

In seiner 57. Sitzung hat der Ausschuss außerdem acht Än-
derungsanträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
zu dem Gesetzentwurf auf Drucksache 17/4804 auf Aus-
schussdrucksache 17(11)453 beraten. Mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der
Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN wurden die Abschnitte I bis III und V bis VIII der
Änderungsanträge auf Ausschussdrucksache 17(11)453 ab-
gelehnt. Abschnitt IV des Änderungsantrags auf Ausschuss-
drucksache 17(11)453 wurde mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der
Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. abgelehnt.

Die Änderungsanträge werden im Folgenden dokumentiert:

Änderungsantrag 17(11)453

Der Ausschuss wolle beschließen

I.

Artikel 1 wird wie folgt geändert:

1. Nach Nummer 4 wird folgende Nummer 4a eingefügt:

‚4a. Nach § 1b wird folgender § 1c eingefügt:

㤠1c
Ausschluss der Arbeitnehmerüberlassung

zum Zwecke des Streikbruchs

Es ist dem Entleiher untersagt, sich Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer überlassen zu lassen,
um diese als Ersatz für rechtmäßig streikende Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer einzusetzen.“‘

2. Nummer 11 wird wie folgt geändert:

a) Buchstabe a wird wie folgt geändert:

aa) In Buchstabe a wird nach Doppelbuchstabe aa
folgender Doppelbuchstabe bb eingefügt:

‚bb) Nach Nummer 1b wird folgende Num-
mer 1c eingefügt:

„1c. sich entgegen § 1c Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer zum Zwecke
des Streikbruchs überlassen lässt.“‘

cc) Die bisherigen Doppelbuchstaben bb bis dd
werden die Doppelbuchstaben cc bis ee.

b) In Buchstabe b wird die Angabe „Absatz 1 Nr. 2“
durch die Angabe „Absatz 1 Nr. 1c und 2“ersetzt.

Begründung

Die betriebliche Praxis zeigt, die bestehende rechtliche Re-
gelung, die es Leiharbeitskräften ermöglicht, einen Einsatz
in einem bestreikten Betrieb abzulehnen, reicht nicht aus, um
den Einsatz von Leiharbeitskräften als Streikbrecher in Be-
trieben zu verhindern. In der Vergangenheit wurden Fälle
bekannt, in denen eine Ausnutzung der sozialen Not von Ar-
beitssuchenden erfolgte, um sie in bestreikten Betrieben ein-
setzen zu können. Daher ist eine Unterbindung des Einsatzes
von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern in
rechtmäßig bestreikten Betrieben zum Zwecke des Streik-
bruchs geboten.

Gemäß Artikel 10 Absatz 2 fordert die Leiharbeitsrichtlinie
Sanktionen im Falle eines Verstoßes gegen die einzelstaatli-
chen Vorschriften, die wirksam, angemessen und abschre-
ckend sein sollen. Aus diesem Grunde wird der Verstoß ge-
gen das Verbot des Einsatzes von Leiharbeitskräften als
Streikbrecher als Ordnungswidrigkeit mit hoher Geldbuße
geahndet.

II.

Artikel 1 wird wie folgt geändert

1. Nummer 5 wird wie folgt geändert:

a) In Nummer 5 wird die Angabe „Nummer 3“ gestri-
chen.

b) Buchstaben a bis c werden wie folgt eingefügt:

‚a) Nach Nummer 2 wird folgende Nummer 3 einge-
fügt:

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/5238

„3. die Dauer des Arbeitsverhältnisses mit der
Leiharbeitnehmerin oder dem Leiharbeit-
nehmer auf die Zeit der Überlassung an
einen Entleiher beschränkt;“

b) Die bisherige Nummer 3 wird Nummer 4.

c) Nummer 4 wird wie folgt geändert:‘

c) Die bisherigen Buchstaben a und b werden zu Dop-
pelbuchstaben aa und bb.

2. Nummer 6 Buchstabe d wird wie folgt geändert:

a) Die Angabe „Nummer 5 wird“ wird durch die Anga-
be „Nummern 5 und 6 werden“ ersetzt.

b) Der Punkt nach den Wörtern „zu zahlen hat“ wird
durch ein Semikolon ersetzt.

c) Nach Nummer 5 wird folgende Nummer 6 angefügt:

„6. Vereinbarungen, die die Dauer des Arbeitsver-
hältnisses mit der Leiharbeitnehmerin oder dem
Leiharbeitnehmer auf die Zeit der Überlassung
an einen Entleiher beschränken.“’

3. Nummer 11 wird wie folgt geändert:

a) Buchstabe a wird wie folgt geändert:

aa) In Doppelbuchstabe cc wird das Wort „oder“
durch ein Komma ersetzt.

bb) Doppelbuchstabe dd wird wie folgt gefasst:

‚dd) Nach Nummer 9 werden folgende Num-
mern 10 und 11 angefügt:

„10. entgegen § 13b Satz 1 Zugang nicht
gewährt oder

11. Vereinbarungen abschließt, die die
Dauer des Arbeitsverhältnisses mit
der Leiharbeitnehmerin oder dem
Leiharbeitnehmer auf die Zeit der
Überlassung an einen Entleiher be-
schränken.“

b) In Buchstabe b wird die Angabe „Absatz 1 Nummer 2a,
3, 9 und 10“ durch die Angabe „Absatz 1 Nummer 2a,
3 und 9 bis 11“ ersetzt.‘

Begründung

Derzeit wälzen viele Leiharbeitsunternehmen ihr Betriebs-
risiko auf die Beschäftigten ab, in-dem sie Leiharbeitskräfte
nur für die Dauer des Einsatzes in einem Entleihunterneh-
men beschäftigen. Verleihunternehmen haben dadurch ein
deutlich geringeres Risiko als andere Unternehmen. Die
Möglichkeit, das Betriebsrisiko auf die Beschäftigten zu ver-
lagern, soll den Verleihunternehmen in Zukunft verwehrt
werden. Dazu muss das Synchronisationsverbot wieder ein-
geführt werden. Es soll eine Verstetigung der Arbeitsverhält-
nisse in der Leiharbeit bewirken und den Beschäftigten ein
Mindestmaß an Sicherheit bieten.

Das Synchronisationsverbot muss aber auch in Zusammen-
hang mit dem Mindestlohn und Weiterbildungsmaßnahmen
gesehen werden. Denn nur, wenn die Leiharbeitnehmerinnen
und Leiharbeitnehmer einen Arbeitsvertrag auch für die ver-
leihfreien Zeiten erhalten, sind qualitativ hochwertige Wei-
terbildungsmaßnahmen für Leiharbeitskräfte möglich.

Gemäß Artikel 10 Absatz 2 fordert die Leiharbeitsrichtlinie
Sanktionen im Falle eines Verstoßes gegen die einzelstaat-
lichen Vorschriften, die wirksam, angemessen und ab-
schreckend sein sollen. Aus diesem Grunde wird der Verstoß
gegen das Synchronisationsverbot als Ordnungswidrigkeit
geahndet.

III.

Artikel 1 wird wie folgt geändert:

1. In Nummer 5 Buchstabe b wird nach der Angabe „aus
einem Arbeitsverhältnis“ die Angabe „oder einem Aus-
bildungsverhältnis“ eingefügt.

2. In Nummer 6 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb wird
nach der Angabe „aus einem Arbeitsverhältnis“ die An-
gabe „oder einem Ausbildungsverhältnis“ eingefügt.

Begründung

Die Bundesregierung will mit einer Änderung des § 3 Abs. 1
Nr. 3 dem „Drehtüreffekt“ vorbeugen und erschweren, dass
Beschäftigte gekündigt und anschließend wieder als Leihar-
beitskräfte eingestellt werden. Ob diese Regelung zu einem
zufriedenstellenden Ergebnis führt und in der Praxis Miss-
brauch der Leiharbeit verhindert, ist allerdings fraglich. Die
Frist von sechs Monaten ist zu kurz und das Problem des
Lohndumpings durch Personalrotation kann kaum verhin-
dert werden.

Dessen ungeachtet ist es sinnvoll, die Regelung zu ergänzen
und ehemaligen Auszubildenden den gleichen Schutz wie
Stammbelegschaften zuteil kommen zu lassen. Gerade bei
Auszubildenden ist die Praxis der Nutzung des „Drehtür-
effekts“ weit verbreitet. Daher muss auch dieser Drehtür-
effekt verhindert werden, damit junge Menschen einen guten
Einstieg ins Berufsleben erhalten.

IV.

Artikel 1 wird wie folgt geändert:

1. Nummer 5 wird wie folgt geändert:

a) Nach Buchstabe a wird Buchstabe b wie folgt einge-
fügt:

b) Satz 3 wird gestrichen.‘

b) Der bisherige Buchstabe b wird Buchstabe c.

2. Nummer 6 wird wie folgt geändert:

a) Doppelbuchstabe bb wird wie folgt eingefügt:

‚bb) Der Satzteil „im Geltungsbereich eines solchen
Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Ar-
beitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der
tariflichen Regelungen vereinbaren,“ wird ge-
strichen.‘

b) Der bisherige Doppelbuchstabe bb wird Doppelbuch-
stabe cc.

c) In Doppelbuchstabe cc wird das Wort „Komma“
durch das Wort „Semikolon“ ersetzt.

Begründung

Die Möglichkeit einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf
abweichende Regelungen durch Tarifverträge wird abge-
schafft. In der Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG ist eine
Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz durch ar-
beitsvertragliche Bezugnahme nicht vorgesehen. Die Bezug-

Drucksache 17/5238 – 12 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nahmeregelung entspricht nicht Sinn und Zweck der Richt-
linie, da sie de facto zu einer flächendeckenden Aushebelung
des Gleichbehandlungsgrundsatzes führt. Die Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmer verfügen nicht über eine Verhand-
lungsposition, die Aufnahme einer solchen Klausel zu ver-
hindern.

V.

Artikel 1 wird wie folgt geändert:

1. Nummer 10 wird wie folgt geändert:

a) In § 13a wird nach Satz 2 folgender Satz 3 angefügt:

„In Unternehmen, in denen die Bekanntgabe mit-
tels elektronischer Informations- und Kommunika-
tionstechnik erfolgt, hat sie den Leiharbeitnehmerin-
nen und Leiharbeitnehmern gegenüber ebenfalls in
dieser Form zu erfolgen.“

b) § 13b wird wie folgt geändert:

aa) In der Überschrift wird nach der Angabe „oder
-diensten“ die Angabe „und Fort- und Weiterbil-
dungsmaßnahmen“ angefügt.

bb) Nach Satz 2 folgender Satz 3 angefügt:

„Satz 1 gilt entsprechend für den Zugang der
Leiharbeitnehmerin und des Leiharbeitnehmers
zu den Fort- und Weiterbildungsangeboten für
die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des
entleihenden Unternehmens.“

2. In Nummer 11 wird in Buchstabe a Doppelbuchstabe dd
nach der Angabe „Satz 1“ die Angabe „und 3“ eingefügt.

Begründung

Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern soll grund-
sätzlich der gleiche Zugang zu Informationen gewährt wer-
den wie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des Ent-
leihers. Dadurch wird die Effektivität der in § 13a des
Entwurfs postulierten Pflicht des Arbeitgebers zur Informa-
tion über freie Arbeitsplätze bestmöglich gewährleistet.

Nach Artikel 6 Absatz 4 und 5 der Leiharbeitsrichtlinie
(2008/104/EG) soll der Zugang der überlassenen Arbeits-
kräfte zu betrieblichen Fort- oder Weiterbildungsmaßnah-
men des entleihenden Unternehmens gefördert werden. Die
Ergänzung in § 13b entspricht Sinn und Zweck dieser Leih-
arbeitsrichtlinie.

VI.

In Artikel 1 wird nach Nummer 10 folgende Nummer 10a
eingefügt:

‚10a. § 14 wird wie folgt geändert:

In Absatz 3 wird nach Satz 3 folgender Satz 4 ange-
fügt:

„Der Betriebsrat kann die Zustimmung zur Übernah-
me einer Leiharbeitnehmerin oder eines Leiharbeit-
nehmers nach § 99 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz
auch verweigern, wenn die durch Tatsachen begrün-
dete Besorgnis besteht, dass der Verleiher gegen das
Gleichbehandlungsgebot aus § 9 Nummer 2 oder ge-
gen tarifliche Eingruppierungsgrundsätze verstößt.“‘

Begründung

Der Betriebsrat des Entleihbetriebs muss in der Lage sein,
den Schutz der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitneh-
mer zu gewährleisten. Dies macht die obigen Änderungen
des AÜG in den § 14 notwendig. Es muss sichergestellt wer-
den, dass der Betriebsrat des Entleihbetriebs die tarifgerech-
te Eingruppierung und gesetzeskonforme Vergütung von
Leiharbeitskräften kontrollieren und ggf. ein Veto einlegen
kann. Der Betriebsrat wacht darüber, dass dem Gleichbe-
handlungsgebot in der Praxis Geltung verschafft wird. Be-
triebsräte kennen die Gegebenheiten im Betrieb am besten
und sind am ehesten in der Lage zu beurteilen, ob Leih-
arbeitskräfte ordnungsgemäß eingruppiert werden. Deswe-
gen soll den Betriebsräten die Kontrollaufgabe übertragen
und ihnen eine Sanktionsmöglichkeit im Falle von Verstößen
gegen den Gleichheitsgrundsatz gegeben werden.

VII.

Nach Artikel 1 wird folgender Artikel 1a eingefügt:

‚Artikel 1a

Änderung des Gesetzes über zwingende
Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend

entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte
Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen

(Arbeitnehmer-Entsendegesetz – AEntG)

Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz vom 20. April 2009
(BGBl. I S. 799) wird wie folgt geändert:

In § 8 Absatz 3 wird nach Satz 1 folgender Satz 2 angefügt:

„Dies gilt auch dann, wenn der Betrieb des Entleihers nicht
in den betrieblichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages
oder dieser Rechtsverordnung fällt.“

Begründung

Diese Änderung wurde im „Diskussionsentwurf eines Geset-
zes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes
(AÜG) und des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG)“
vom 4. Juni 2010 von der Bundesregierung eingebracht. Sie
wird vom Unternehmensverband des Deutschen Handwerks
und dem DGB vehement gefordert.

Die Änderung stellt klar, dass es für die Verpflichtung des
Verleihers zur Gewährung der vorgeschriebenen Arbeitsbe-
dingungen allein auf die von Leiharbeitskräften ausgeübte
Tätigkeit ankommt. Der Betrieb des Entleihers selbst muss
nicht dem betrieblichen Geltungsbereich eines für allge-
meinverbindlich erklärten Tarifvertrages oder einer Rechts-
verordnung unterfallen. Die Regelung verhindert eine
Umgehung der über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz fest-
gesetzten Arbeitsbedingungen durch den Einsatz von Leih-
arbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern. Die Gesetzes-
änderung entspricht der Praxis der Kontrollbehörden bis zur
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21. Oktober
2009 (5 AZR 951/08).

VIII.

1. Nach Artikel 1a wird folgender Artikel 2 eingefügt:

‚Artikel 2

Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes

Das Betriebsverfassungsgesetz in der Fassung der
Bekanntmachung vom 25. September 2001 (BGBl. I

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13 – Drucksache 17/5238

S. 2518), das zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom
29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2424) geändert worden ist, wird
wie folgt geändert:

a) § 7 wird wie folgt geändert:

aa) In Satz 1 werden vor dem Wort „Arbeitnehmer“
die Wörter „Arbeitnehmerinnen und“ eingefügt.

bb) Satz 2 wird wie folgt gefasst:

„Werden Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer
eines anderen Arbeitgebers zur Arbeitsleistung
überlassen, so ist Satz 1 entsprechend anzuwen-
den.“

b) In § 9 werden nach Satz 2 folgende Sätze 3 bis 5 an-
gefügt:

„Werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eines
anderen Arbeitgebers zur Arbeitsleistung überlassen,
so ist die Anzahl der in der Regel überlassenen Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Festlegung
der Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder zu
berücksichtigen. In der Regel überlassen ist diejenige
Anzahl der überlassenen Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer, die zum Stichtag im vergangenen Jahr im
Betrieb beschäftigt worden ist. Maßgebender Stichtag
ist der Tag des Erlasses des Wahlausschreibens.“

c) In § 38 Absatz 1 werden nach Satz 5 folgende Sätze 6
bis 8 angefügt:

„Werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eines
anderen Arbeitgebers zur Arbeitsleistung überlassen,
so ist die Anzahl der in der Regel überlassenen Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Festlegung
der Zahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder
zu berücksichtigen. § 9 Satz 4 gilt entsprechend. Maß-
gebender Stichtag ist der Tag der Wahl des freizustel-
lenden Betriebsratsmitgliedes.“‘

2. Der bisherige Artikel 2 wird Artikel 3.

Begründung

Werden Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer im
Rahmen des § 9 BetrVG bei der Betriebsratsgröße und bei
§ 38 BetrVG, der die Freistellung von Betriebsratsmitglie-
dern betrifft, nicht berücksichtigt, so verringert sich die
Größe des Betriebsrats in der zahlenmäßigen Relation zur
Gesamtzahl der Beschäftigten. Nach Sinn und Zweck der
betrieblichen Interessenvertretung, insbesondere des § 9
BetrVG soll sich hingegen die Zahl der Beschäftigten in der
Zahl der Betriebsratsmitglieder widerspiegeln. Der gestei-
gerte Arbeitsaufwand wird deutlich, wenn man sich die Auf-
gaben und Rechtsgrundlagen ansieht, die dem Betriebsrat
im Entleihbetrieb auch für Leiharbeitnehmerinnen und Leih-
arbeitnehmer gesetzlich zugewiesen sind. Bei der Bestim-
mung der Betriebsratsgröße sollen daher Leiharbeitnehme-
rinnen und Leiharbeitnehmer Berücksichtigung finden. Die
Berechnung der Anzahl der Leiharbeitskräfte, die in der Re-
gel in dem Betrieb tätig sind, entspricht dabei der Berech-
nung der Anzahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
nach § 9 Satz 1 BetrVG.

Der Entleiher ist in der Lage in seinem Betrieb ehemaliges
Stammpersonal dauerhaft durch Leiharbeitskräfte zu erset-
zen. Dies führt nach der derzeit geltenden gesetzlichen Rege-
lung zu Einsparungen von Personalkosten und Betriebsrats-

mitgliedern und erlaubt Steuerungsmöglichkeiten des
Arbeitgebers bei der betrieblichen Mitbestimmung. Nimmt
man die betriebliche Mitbestimmung ernst, ist ihr Grund-
gedanke auch unter veränderten, flexiblen Arbeitsformen
konsequent weiter zu führen. Leiharbeitnehmerinnen und
Leiharbeitnehmer sind demnach bei der Bestimmung der Be-
triebsratsgröße im Entleihbetrieb gem. § 9 BetrVG und bei
der Bestimmung der freizustellenden Betriebsratsmitglieder
nach § 38 BetrVG in Zukunft mitzuzählen.

Zu Buchstabe b

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Gesetz-
entwurf auf Drucksache 17/3752 in seiner 57. Sitzung am
23. März 2011 abschließend beraten und dem Deutschen
Bundestag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei
Stimmenthaltung der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN die Ablehnung des Gesetzentwurfs empfoh-
len.

Die Fraktion der CDU/CSU unterstützte den geänderten
Gesetzentwurf der Bundesregierung. Mit der „Drehtür-Klau-
sel“ würden künftig skandalöse Vorkommnisse wie bei der
Firma Schlecker verhindert, wo Stammarbeitnehmer entlas-
sen und zu schlechteren Bedingungen über eine Verleihfirma
wieder beschäftigt worden seien. Der Gesetzentwurf enthal-
te darüber hinaus Klarstellungen über den Anwendungsbe-
reich sowie darüber, dass Leiharbeit nur vorübergehend er-
folge. Ordnungswidrigkeitentatbestände würden eingeführt.
Die neue Lohnuntergrenze schaffe für die Beschäftigten zu-
dem Schutz gegen mögliche Verwerfungen durch einen Un-
terbietungswettbewerb, wenn die volle Arbeitnehmerfreizü-
gigkeit in der EU ab 1. Mai 2011 hergestellt werde. Dies
geschehe nun im AÜG. Auch für eine Regelung im Entsen-
degesetz habe es gute Argumente gegeben. Die jetzt verein-
barte Lösung trage der Tarifautonomie in der Zeitarbeit
Rechnung, was angesichts einer Tarifbindung von rund 98
Prozent in dieser Branche angemessen sei. Bei den Ände-
rungsanträgen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
erschließe sich deren Sinn nicht. Daher lehne die Fraktion sie
ab.

Die Fraktion der SPD kritisierte, dass der Gesetzentwurf
der Bundesregierung die Probleme der Leiharbeit nicht ein-
mal ansatzweise löse. Zwar sei es richtig, „Drehtürregelun-
gen“ zu untersagen. Die im Gesetzentwurf genannten Be-
schäftigungszeiträume seien aber unzureichend. Die EU-
Leiharbeitsrichtlinie lege fest, dass Leiharbeit nur vorüber-
gehend erfolgen dürfe. Der Gesetzentwurf definiere aber
nicht, was „vorübergehend“ bedeute und bringe Betroffene
und Arbeitsgerichte damit in eine schwierige Situation. Da-
rüber hinaus enthalte der Regierungsentwurf nur noch mar-
ginale Änderungen. Er gehe an den Problemen völlig vorbei
und werde daher abgelehnt. Die Fraktion der SPD sei stolz,
dass es ihr gelungen sei, im Vermittlungsverfahren einen
Mindestlohn für die Zeitarbeit zu verankern. Dass Kontroll-
mechanismen für dessen Einhaltung und Sanktionen für Ver-
stöße bisher fehlten, sei ein Mangel und müsse noch behoben
werden. Insgesamt müsse es darum gehen, die Leiharbeit zu
reduzieren und aus dem Niedriglohnbereich herauszuholen.
Mit den Änderungsanträgen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN sehe die Fraktion einen hohen Grad von Überein-
stimmung und stimme zu.

Drucksache 17/5238 – 14 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Fraktion der FDP bekräftigte, dass die Einigung zur
Lohnuntergrenze in der Zeitarbeit vertragstreu umgesetzt
werde. Dies betreffe auch die Umsetzung des Kontroll- und
Sanktionsmechanismus, der aus zeitlichen Gründen in einem
weiteren Verfahren geregelt werde. Allerdings sei man der
Auffassung, dass die Lohnuntergrenze an der tatsächlichen
Situation der Beschäftigten bei Zeitarbeitsfirmen im Inland
wenig ändern werde. Seine Wirkung werde die Regelung mit
der Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 1. Mai 2011 entfalten.
Beim Thema Equal Pay habe man sich in den Verhandlungen
nicht verständigen können. Hier seien nun die Tarifparteien
gefordert, eine Lösung zu finden. Sollte dies im Laufe eines
Jahres wider Erwarten nicht gelingen, werde die Politik un-
terstützend eine Kommission einrichten. Diese solle dann
die richtigen Ansatzpunkte erarbeiten. Insgesamt habe man
das Instrument der Zeitarbeit wieder auf den neuesten Stand
gebracht. Die Änderungsanträge der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN lehne die Fraktion dagegen ab.

Die Fraktion DIE LINKE. kritisierte den Funktionswandel
der Leiharbeit. Sie habe erheblich zugenommen und sei zu
einem Instrument geworden, um Stammbelegschaften zu er-
setzen und schlechtere Arbeitsbedingungen zu etablieren.
Dabei habe die finanzielle Situation der Leiharbeitskräfte bei
50 Prozent Differenz und sogar mehr oft nichts mehr mit der
der Stammbelegschaften zu tun. Selbst ein Mindeststunden-
lohn in Höhe von 7,60 Euro bedeute bei Vollzeitarbeit ein
Brutto von 1 157 Euro, netto also einen betrag von 800
bis 850 Euro. Das sei zu wenig. Zudem würden viele Fach-
arbeiter in der Leiharbeit als Hilfskräfte beschäftigt und so
ihr Lohn gedrückt. Man müsse die Leiharbeit wieder auf ihre
ursprüngliche Funktion zurückführen, Auftragsspitzen und
Personalengpässe abzudecken. Equal Pay müsse selbstver-
ständlich und ein Flexibilitätszuschlag für diese Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer eingeführt werden. Dazu habe
die Fraktion einen runden Gesetzentwurf vorgelegt.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kritisierte den
Gesetzentwurf der Bundesregierung ebenfalls als völlig un-
zulänglich. Die „Schlecker-Klausel“ werde schon bald um-
gangen werden. Es komme vielmehr darauf an, die richtigen
Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Einführungen einer
Lohnuntergrenze werde begrüßt. Allerdings fehlten Kon-
trollmöglichkeiten und Sanktionen für den Fall, dass diese
nicht eingehalten würden. Mit den eigenen Änderungsanträ-
gen wolle die Fraktion u. a. klarstellen, dass Leiharbeitneh-
mer und Leiharbeitnehmerinnen nicht als Streikbrecher ein-
gesetzt werden könnten. Man schlage ein klassisches
Synchronisationsverbot vor. Außerdem sollten Auszubilden-
de in die „Drehtür-Klausel“ einbezogen werden. Auch müss-
ten die Betriebsräte in Fragen der Leiharbeitsbeschäftigten
gestärkt werden.

B. Besonderer Teil
Zu Nummer 1 (Änderung zu Artikel 1)

Zu Buchstabe a

Mit der gegenüber dem Gesetzentwurf weiteren Änderung
des § 3 Absatz 1 Nummer 3 wird die Möglichkeit, vom
Gleichstellungsgrundsatz durch Tarifvertrag oder aufgrund
eines Tarifvertrages abzuweichen, durch die im neuen § 3a
(Nummer 1b) vorgesehene Einführung einer Lohnuntergren-
ze teilweise zurückgenommen. Die Änderung stellt klar,

dass Tarifverträge nur noch bis zu der in § 3a eingeführten
Lohnuntergrenze abweichen dürfen. Zugleich ist sicherge-
stellt, dass bei einer nach § 3a eingeführten Lohnuntergrenze
auch eine Unterschreitung der geregelten Mindeststunden-
entgelte nicht unter Berufung auf den Gleichstellungsgrund-
satz (Equal Pay) möglich ist. Soweit ein Tarifvertrag Löhne
unterhalb der Lohnuntergrenze vorsieht, gelten die Rechts-
folgen des neuen § 10 Absatz 4 (Nummer 1 Buchstabe e).
Der Verleiher kann in Bezug auf das Entgelt nur noch bis zur
Höhe des in der Lohnuntergrenze nach § 3a (neu) festgeleg-
ten Mindeststundenentgelts vom Gleichstellungsgrundsatz
abweichen. Ein Verstoß hiergegen stellt einen Verstoß gegen
die arbeitsrechtlichen Pflichten nach § 3 Absatz 1 Nummer 1
dar.

Zu Buchstabe b

Mit der Neuregelung in § 3a soll das im Arbeitnehmer-Ent-
sendegesetz (AEntG) geregelte Verfahren zur Erstreckung
branchenspezifischer Mindestlöhne unter Berücksichtigung
der Besonderheiten der Arbeitnehmerüberlassung weitestge-
hend übernommen werden.

Zu Absatz 1

Eine Gewerkschaft und eine Vereinigung von Arbeitgebern
aus der Arbeitnehmerüberlassung erhalten die Möglichkeit,
dem Verordnungsgeber gemeinsam vorzuschlagen, dass eine
von ihnen vereinbarte tarifliche Mindestentgeltregelung im
Bereich der Arbeitnehmerüberlassung in einer Rechts-
verordnung als Lohnuntergrenze festgelegt wird. Dem
Vorschlagsrecht steht nicht entgegen, dass die jeweilige
Tarifvertragspartei neben ihrer Zuständigkeit für die Arbeit-
nehmerüberlassung auch eine Zuständigkeit für weitere Be-
reiche hat. Der Vorschlag muss das gesamte Bundesgebiet
abdecken, regionale Differenzierungen, die von der zugrun-
de liegenden tariflichen Regelung abgedeckt werden, sind
zulässig. Darüber hinaus gehende Differenzierungen sind
nicht möglich. Der Vorschlag muss ein für Verleihzeiten und
verleihfreie Zeiten einheitliches Mindeststundenentgelt vor-
sehen. Die vorgeschlagene Laufzeit muss von der Laufzeit
der zugrunde liegenden tariflichen Regelung abgedeckt sein.

Zu Absatz 2

Mit der Festsetzung der vorgeschlagenen Lohnuntergrenze
bestimmt der Verordnungsgeber, dass für die angegebene
Laufzeit für alle im Geltungsbereich des AÜG tätigen Ar-
beitgeber und deren Leiharbeitnehmer die im Vorschlag ge-
nannten Mindeststundenentgelte nicht unterschritten werden
dürfen; dies gilt gleichermaßen für Verleihzeiten wie für ver-
leihfreie Zeiten. Damit wird zugleich festgelegt, bis zu wel-
cher Grenze durch Tarifvertrag oder auf Grundlage eines
Tarifvertrages nach § 3 Absatz 1 Nummer 3, § 9 Nummer 2
zum Nachteil des Leiharbeitnehmers oder der Leiharbeitneh-
merin von dem im Betrieb des Entleihers für vergleichbare
Arbeitnehmer geltenden Arbeitsentgelt abgewichen werden
kann.

Mit Rücksicht auf die für die Arbeitnehmerüberlassung gel-
tenden rechtlichen Besonderheiten erfolgt die Festsetzung
der Lohnuntergrenze nicht durch Erstreckung eines Tarif-
vertrags, sondern durch Übernahme der dem Vorschlag der
Tarifvertragsparteien zugrunde liegenden Mindeststunden-
entgelte in die Rechtsverordnung. Damit werden Unsicher-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15 – Drucksache 17/5238

heiten vermieden, in welchem Verhältnis ein durch Rechts-
verordnung erstreckter Mindestlohntarifvertrag zum Gleich-
stellungsgrundsatz steht. Das trägt auch dem Anliegen der
Tarifvertragsparteien Rechnung, die in den derzeit bestehen-
den Mindestlohntarifverträgen der Branche klar gestellt ha-
ben, dass der Mindestlohntarifvertrag keine Abweichung
vom Gleichstellungsgrundsatz ermöglichen soll.

Die vorgeschlagene und durch Rechtsverordnung für ver-
bindlich erklärte Lohnuntergrenze hat Bindungswirkung für
alle im In- und Ausland ansässigen Verleiher, die Leiharbeit-
nehmer und Leiharbeitnehmerinnen innerhalb Deutschlands
beschäftigen. Für im Ausland ansässige Verleiher ergibt sich
dies auch aus § 2 Nummer 4 AEntG.

Zu Absatz 3

Der Verordnungsgeber hat bei seiner Entscheidung nach § 3a
Absatz 2 (neu) im Rahmen einer Gesamtabwägung bei der
Prüfung des öffentlichen Interesses am Erlass einer Rechts-
verordnung neben den Zielen des Arbeitnehmerüberlas-
sungsgesetzes zu prüfen, ob verbindliche Mindeststunden-
entgelte insbesondere geeignet sind, die finanzielle Stabilität
der sozialen Sicherungssysteme zu gewährleisten. Bei seiner
Entscheidung bezieht der Verordnungsgeber die bestehen-
den bundesweiten Tarifverträge in der Arbeitnehmerüberlas-
sung ebenso ein wie die Repräsentativität der vorschlagen-
den Tarifvertragsparteien.

Zielsetzung der Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungs-
gesetzes ist insbesondere die Erschließung neuer Beschäfti-
gungsmöglichkeiten und die Bekämpfung von Arbeitslosig-
keit. Arbeitnehmerüberlassung soll insbesondere als Brücke
aus der Arbeitslosigkeit in Beschäftigung genutzt werden
können. Gleichzeitig sollen die Regelungen des Arbeitneh-
merüberlassungsgesetzes ein angemessenes Schutzniveau
für die Leiharbeitnehmer gewährleisten, den hohen Anforde-
rungen Rechnung tragen, die an Leiharbeitnehmerinnen und
Leiharbeitnehmer gestellt werden und einen Beitrag dazu
leisten, die gesellschaftliche Akzeptanz und die Qualität der
Arbeitnehmerüberlassung zu steigern und so die Stellung der
Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer zu verbes-
sern.

Die vom Verordnungsgeber zwingend zu beachtenden Vor-
gaben sind geeignet, die Festsetzung der Lohnuntergrenze
und einen damit möglichen Eingriff in die Tarifautonomie zu
rechtfertigen. Ein Eingriff in die Tarifautonomie ist statthaft,
wenn er hinreichend gewichtigen Gemeinwohlbelangen
dient, denen gleichermaßen verfassungsrechtlicher Rang ge-
bührt. Als verfassungsrechtlich legitime Regelungszwecke
benennt das Bundesverfassungsgericht unter anderem fol-
gende Ziele:

– die finanzielle Stabilität des Systems der sozialen Siche-
rung (BVerfG Beschluss vom 3. April 2001, 1 BvL 32/97,
BVerfGE 103, 293, 307, 309),

– die Verbesserung der Stellung der Leiharbeitnehmer
(BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 29. Dezember
2004, 1 BvR 2283/03, BVerfGK 4, 356, 360),

– die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (BVerfG, Nichtan-
nahmebeschluss vom 29. Dezember 2004, 1 BvR 2283/
03, 1, BvR 2582/03, 1 BvR 2504/03).

Mit der Übernahme der Ziele des Arbeitnehmerüberlas-
sungsgesetzes sowie der Aufnahme des weiteren Ziels der
finanziellen Stabilität der sozialen Sicherungssysteme in die
Verordnungsermächtigung macht der Gesetzgeber von dem
ihm zustehenden Einschätzungs- und Prognosevorrang Ge-
brauch und gestaltet zugleich den dem Verordnungsgeber
verbleibenden Handlungsspielraum aus. Es ist vornehmlich
Sache des Gesetzgebers, auf der Grundlage seiner wirt-
schafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorstellungen
und Ziele unter Beachtung der Gesetzlichkeiten des betref-
fenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er
im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will (BVerfG, Be-
schluss vom 3. April 2001, 1 BvL 32/97, BVerfGE 103, 293,
307). Der Verordnungsgeber seinerseits hat die vorgeschla-
gene Lohnuntergrenze vor Erlass der einzelnen Rechtsver-
ordnung im Rahmen des ihm eingeräumten Einschätzungs-
und Prognosespielraums am Maßstab der vom Gesetzgeber
als maßgeblich erachteten Ziele auf ihre Verhältnismäßigkeit
zu überprüfen.

Die Einführung einer Lohnuntergrenze soll dazu beitragen,
dass sich die Akzeptanz und die Qualität der Arbeitnehmer-
überlassung verbessern, ohne dass die Erschließung neuer
Beschäftigungsmöglichkeiten eingeschränkt wird. Die Lohn-
untergrenze garantiert den nach Deutschland grenzüber-
schreitend überlassenen Leiharbeitnehmern und Leiharbeit-
nehmerinnen das nach Artikel 3 Absatz 1 der Entsendericht-
linie (96/71/EG) maßgebliche Mindestarbeitsentgelt.

Zu Absatz 4

Sofern der Verordnungsgeber eine Auswahlentscheidung
zwischen mehreren Vorschlägen zur Festsetzung tariflicher
Mindeststundenentgelte zu treffen hat, gewichtet Absatz 4
die nach Absatz 3 zu berücksichtigenden Kriterien; dabei
schränkt er den Gestaltungsspielraum des Verordnungs-
gebers ein. Auf diese Weise trägt der Gesetzgeber dem in
einer Auswahlsituation zentralen Anliegen eines angemesse-
nen Ausgleichs widerstreitender grundrechtlich geschützter
Positionen Rechnung. Das Anknüpfen an die Repräsentati-
vität folgt dem Vorbild des Verordnungsverfahrens nach § 7
AEntG.

Zu Absatz 5

Absatz 5 enthält eine Parallelvorschrift zu § 7 Absatz 4 und
§ 11 Absatz 3 AEntG und räumt den von einer Rechtsverord-
nung betroffenen Arbeitgebern, Leiharbeitnehmern und
Leiharbeitnehmerinnen sowie Gewerkschaften und Arbeit-
geberverbänden ein Recht zur Abgabe schriftlicher Stellung-
nahmen ein. Auf deren Grundlage erhält der sodann zu be-
fassende Tarifausschuss die Gelegenheit, über die Branche
hinausgehende gesamtwirtschaftliche Erwägungen in den
Entscheidungsprozess mit einzubringen.

Zu Absatz 6

Absatz 6 stellt klar, dass für Änderungen von Rechtsverord-
nungen das für deren Erlass maßgebliche Verfahren entspre-
chende Anwendung findet.

Zu Buchstabe c

Redaktionelle Folgeänderung.

Drucksache 17/5238 – 16 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Zu Buchstabe d

Die gegenüber dem Gesetzentwurf weitere Änderung in § 9
Nummer 2 erfolgt entsprechend der Änderung in § 3 Absatz 1
Nummer 3. Nach § 9 Nummer 2 sind Vereinbarungen zwi-
schen Arbeitgebern und Leiharbeitnehmern, wonach zum
Nachteil von Leiharbeitnehmern vom Gleichstellungsgrund-
satz hinsichtlich des Arbeitsentgelts abgewichen wird,
grundsätzlich unwirksam. Etwas anderes gilt für tarifver-
tragliche Vereinbarungen sowie für einzelvertragliche Ver-
einbarungen, die eine wirksame tarifvertragliche Regelung
für anwendbar erklären. Sofern nunmehr aufgrund einer Ver-
ordnung nach dem neuen § 3a eine Lohnuntergrenze ver-
bindlich gilt, ist eine hiervon zum Nachteil der Leiharbeit-
nehmer abweichende Entlohnung weder durch Tarifvertrag
noch durch Inbezugnahme eines solchen Tarifvertrags mit
den Leiharbeitnehmern möglich.

Zu Buchstabe e

Mit den gegenüber dem Gesetzentwurf weiteren Änderun-
gen in § 10 Absatz 4 und dem neuen Absatz 5 werden die Ar-
beitgeberpflichten für den Fall geregelt, dass Tarifverträge
oder einzelvertragliche Vereinbarungen einen geringeren
Lohn als nach der verbindlichen Lohnuntergrenze vorsehen.

Zu Absatz 4

Soweit in einem Tarifvertrag vereinbarte Arbeitsentgelte eine
nach § 3a festgesetzten Lohnuntergrenze unterschreiten, hat

der Leiharbeitnehmer oder die Leiharbeitnehmerin einen
Anspruch auf das Arbeitsentgelt pro Stunde, auf das ein ver-
gleichbarer Stammarbeitnehmer im Betrieb des Entleihers
Anspruch hat. Die Wirksamkeit des Tarifvertrages im Übri-
gen bleibt unberührt.

Zu Absatz 5

Absatz 5 regelt für den Fall, dass nach § 3a eine Lohnunter-
grenze durch Rechtsverordnung verbindlich geregelt ist, die
Pflicht des Arbeitgebers, seinen Leiharbeitnehmern sowohl
in Zeiten der Überlassung als auch in verleihfreien Zeiten zu-
mindest das verbindliche Mindeststundenentgelt zu zahlen.
Das mit der Lohnuntergrenze festgesetzte Mindeststunden-
entgelt ist auch dann zu zahlen, wenn das Entgelt eines ver-
gleichbaren Stammarbeitnehmers im Betrieb des Entleihers
niedriger sein sollte. Die in § 10 definierten Handlungs-
pflichten des Arbeitgebers sind zugleich notwendige Grund-
lage für den Ordnungswidrigkeitentatbestand des neuen § 16
Absatz 1 Nummer 7a.

Zu Buchstabe f

Redaktionelle Folgeänderung.

Zu Nummer 2 (Artikel 2)

Die mit dem Änderungsantrag eingefügten Gesetzesände-
rungen treten bereits am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 23. März 2011

Jutta Krellmann
Berichterstatterin

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