BT-Drucksache 17/5116

Ausdehnung der Lkw-Maut auf vierspurige Bundesstraßen in Deutschland

Vom 16. März 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5116
17. Wahlperiode 16. 03. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Sören Bartol, Martin Burkert, Petra
Ernstberger, Iris Gleicke, Ulrike Gottschalck, Michael Groß, Hans-Joachim Hacker,
Gustav Herzog, Johannes Kahrs, Ute Kumpf, Kirsten Lühmann, Ullrich Meßmer,
Thomas Oppermann, Florian Pronold, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der
Fraktion der SPD

Ausdehnung der Lkw-Maut auf vierspurige Bundesstraßen in Deutschland

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat am 15. Dezember 2010 das Gesetz zur
Änderung mautrechtlicher Vorschriften beschlossen, in dessen Zentrum die
Ausdehnung der Lkw-Maut auf vierspurige Bundesstraßen steht. Darüber hi-
naus sollen die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Finanzierungskreislauf
Straße, bei dem die Mauteinnahmen nur noch in Straßenbauprojekte fließen sol-
len, geschaffen werden.

Die Bundesregierung hat bereits im Sommer 2010 angekündigt, dass zentrale
rechtliche und technische Fragen der Umsetzung noch geprüft werden müssten.
Trotz der Vorlage des entsprechenden Gesetzentwurfs sind die Ergebnisse der
Prüfungen der Öffentlichkeit noch nicht vorgestellt worden.

Verbände der Transport- und Logistikbranche wie der Bundesverband Güter-
kraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) e. V. und der DSLV Deutsche
Speditions- und Logistikverband e. V. kritisieren massiv, dass die Einführung ei-
ner Lkw-Maut auf vierspurigen Bundesstraßen gegen das Mautmoratorium des
Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und FDP verstößt, sie zu einer weite-
ren Belastung des Gewerbes und gleichzeitig zu unverhältnismäßigen System-
kosten führen wird.

Umweltverbände und Vertreter von Städten und Gemeinden weisen auf die zu
erwartenden Ausweichverkehre auf dem nachgeordneten Straßennetz hin.

In der Öffentlichkeit und den Medien wird intensiv darüber spekuliert, dass das
Unternehmen Toll Collect GmbH für die Erhebung der Lkw-Maut auf vier-
spurigen Bundesstraßen im Rahmen einer Direktvergabe ausgewählt werden
soll. Eine Konkurrentenklage wird für diesen Fall jedoch nicht ausgeschlossen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Auf welche rechtlichen Regelungen des deutschen und europäischen Verga-
berechts bezieht sich die in der Öffentlichkeit zitierte Aussage der Bundes-

regierung, dass bei der Einführung einer Lkw-Maut auf vierspurigen Bundes-
straßen keine Ausschreibung erfolgen muss und eine Direktvergabe der
Erhebung der Lkw-Maut auf vierspurige Bundesstraßen an ein Unternehmen
möglich ist?

Drucksache 17/5116 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Mit welcher Begründung schließt die Bundesregierung bei einer Direktver-
gabe an ein Unternehmen Konkurrentenklagen aus, und auf welche rechtli-
chen Regelungen im nationalen und europäischen Vergaberecht bezieht sich
die Bundesregierung in diesem Zusammenhang?

3. Mit welcher rechtlichen Begründung hat die Bundesregierung die Bedenken
des Bundesministeriums der Justiz und des Bundesministeriums für Wirt-
schaft und Technologie hinsichtlich der Frage, ob eine Direktvergabe an ein
Unternehmen bei der Einführung einer Lkw-Maut auf vierspurigen Bundes-
straßen möglich ist, fallengelassen?

4. Welche Fristen und welchen zeitlichen Rahmen sieht das nationale und
europäische Vergaberecht für die Vergabe der Erhebung der Lkw-Maut auf
vierspurigen Bundesstraßen vor?

5. Welche Regelungen des geltenden Vertrages zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und dem Unternehmen Toll Collect GmbH könnten Basis einer
Direktvergabe an das Unternehmen Toll Collect GmbH zur Erhebung der
Lkw-Maut auf vierspurigen Bundesstraßen sein?

6. Ist durch den geltenden Vertrag mit dem Unternehmen Toll Collect GmbH
die Erhebung einer Lkw-Maut auf Bundesstraßen aufgrund von Mautaus-
weichverkehren mit eingeschlossen, und wenn ja, wird diese Klausel
Grundlage einer Direktvergabe an das Unternehmen Toll Collect GmbH für
die Erhebung der Lkw-Maut auf vierspurigen Bundesstraßen sein?

7. Bewertet die Bundesregierung die Erhebung der Lkw-Maut auf vierspuri-
gen Bundesstraßen vom Umfang her lediglich als eine Erweiterung der be-
reits vergebenen Dienstleistung, die bei der Erhebung der Lkw-Maut auf
Bundesautobahnen erbracht wird, und wenn ja, warum?

8. Ist die Bundesregierung der Überzeugung, dass die Erhebung der Lkw-
Maut auf vierspurigen Bundesstraßen vom Inhalt der zu erbringenden
Dienstleistung lediglich von einem Unternehmen auf dem deutschen und
europäischen Markt erbracht werden kann, oder gibt es mehrere Unterneh-
men, die eine Erhebung leisten könnten?

Wenn ja, warum?

9. Welche externen Experten und Gutachter haben die Bundesregierung bei
der Prüfung der rechtlichen Rahmenbedingungen einer Vergabe der Erhe-
bung der Lkw-Maut auf vierspurigen Bundesstraßen unterstützt, und welche
Kosten sind dabei entstanden?

10. Warum hat sich die Bundesregierung bei den Vorbereitungen der Einfüh-
rung der Lkw-Maut auf vierspurigen Bundesstraßen von der Firma Toll
Collect GmbH beraten lassen, und welche Inhalte hatten die informellen
Gespräche zwischen der Toll Collect GmbH und Vertretern der zuständigen
Bundesministerien?

11. Sieht das aktualisierte Wegekostengutachten von 2007 im Vergleich zu den
Bundesautobahnen eine höhere Lkw-Maut auf Bundesstraßen vor?

12. Wird die Bundesregierung das aktualisierte Wegekostengutachten 2007 als
Grundlage der Berechnungen der Höhe der Lkw-Maut auf vierspurigen
Bundesstraßen nutzen?

Wenn nein, warum nicht?

13. Wann wird die Bundesregierung die neue Mauthöheverordnung, die die
Höhe der Lkw-Maut auf vierspurigen Bundesstraßen festlegt, als Entwurf
vorlegen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5116

14. Welche zusätzlichen Kosten erwartet die Bundesregierung aufgrund der
Einführung der Lkw-Maut auf vierspurigen Bundesstraßen durchschnittlich
pro Jahr für einen Lkw der Euro-3-, der Euro-4- und der Euro-5-Klasse?

15. Hat die Bundesregierung untersuchen lassen, welche Mautausweichver-
kehre auf den nachgeordneten Straßennetzen aufgrund der Lkw-Maut auf
vierspurigen Bundesstraßen entstehen werden?

Wenn ja, wer hat die Untersuchungen durchgeführt, und zu welchem Ergeb-
nis sind sie gekommen?

Wenn nein, was ist der Grund der fehlenden Untersuchungen?

16. Schließt die Bundesregierung aus, dass es aufgrund der geplanten Lkw-
Maut auf vierspurigen Bundesstraßen in Innenstädten und Dorfkernen zu
einem erhöhten Lkw-Verkehr kommen wird, und wenn ja, warum?

17. Wie viele Kilometer Bundesstraße sind nach Kenntnis der Bundesregierung
für Lkw-Fahrzeuge über 12 t von den örtlichen Straßenbehörden unter Ver-
weis auf § 45 der Straßenverkehrsordnung gesperrt worden?

18. Wie groß ist der durchschnittliche Abstand zwischen den Einmündungen
und Kreuzungen auf vierspurigen Bundestraßen und im Vergleich dazu auf
Bundesautobahnen in Deutschland?

19. Welche zusätzliche Technik und Infrastruktur muss durch einen zukünftigen
Auftragnehmer für die Erhebung der Lkw-Maut auf vierspurigen Bundes-
straßen aufgrund der im Vergleich zu Bundesautobahnen größeren Dichte
von Kreuzungen und Einmündungen angeschafft werden?

20. Hat die Bundesregierung die Systemkosten einer Erhebung der Lkw-Maut
auf vierspurigen Bundesstraßen berechnet, und wenn ja, zu welchem Ergeb-
nis ist sie dabei gekommen?

Wenn nein, warum ist eine entsprechende Berechnung der Systemkosten
noch nicht erfolgt?

21. Ist die Unterrichtung der EU-Kommission über die geplante Einführung der
Lkw-Maut auf vierspurigen Bundesstraßen in Deutschland bereits erfolgt,
und welche Eckpunkte wurden an die zuständigen Stellen der Europäischen
Union gemeldet?

22. Wie bewertet die EU-Kommission die Regelungen, die am 15. Dezember
2010 vom Bundeskabinett mit dem Gesetzentwurf zur Einführung der Lkw-
Maut auf vierspurigen Bundesstraßen beschlossen wurden?

Welche Kritik trägt die EU-Kommission gegenüber den vorgesehenen Re-
gelungen auf nationaler Ebene vor?

23. Schließt die Bundesregierung für die Zukunft eine Ausdehnung der Lkw-
Maut auf alle Bundesstraßen aus?

Berlin, den 16. März 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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