BT-Drucksache 17/5101

zu dem Antrag der Abgeordneten Anette Kramme, Gabriele Hiller-Ohm, Iris Gleicke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD -17/1408- Gesetzlichen Mindestlohn einführen - Armutslöhne verhindern

Vom 17. März 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5101
17. Wahlperiode 17. 03. 2011

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Anette Kramme, Gabriele Hiller-Ohm,
Iris Gleicke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
– Drucksache 17/1408 –

Gesetzlichen Mindestlohn einführen – Armutslöhne verhindern

A. Problem

Deutschland gehört nach Darlegung der Antragsteller heute zu den EU-Staaten
mit der geringsten Tarifbindung und dem größten Niedriglohnbereich. An-
gesichts dessen reiche die bisherige Aufnahme einzelner Branchen in das
Arbeitnehmer-Entsendegesetz nicht mehr aus. Auch die EU-Erweiterung und
die Erleichterungen der Dienstleistungsfreiheit erforderten zusätzliche Anstren-
gungen zur sozialen Flankierung des europäischen Binnenmarktes. Als Konse-
quenz fordern die Initiatoren u. a. die Einführung eines gesetzlichen Mindest-
lohns.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kostenberechnungen wurden nicht angestellt.

Drucksache 17/5101 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/1408 abzulehnen.

Berlin, den 16. März 2011

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Max Straubinger
Stellv. Vorsitzender

Gitta Connemann
Berichterstatterin

autonomie bereits etwa durch Outsourcing erheblich unter-
IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

graben sei. Nicht einmal 60 Prozent der Beschäftigten in
Deutschland unterlägen noch der Tarifbindung. Das sei
durch entsprechende gesetzliche Regelungen und Tarifflucht
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5101

Bericht der Abgeordneten Gitta Connemann

I. Überweisung
Der Antrag auf Drucksache 17/1408 ist in der 38. Sitzung des
Deutschen Bundestages am 23. April 2010 an den Ausschuss
für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung und an
den Rechtsausschuss, den Finanzausschuss, den Ausschuss
für Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss für Gesund-
heit sowie den Ausschuss für die Angelegenheiten der Euro-
päischen Union zur Mitberatung überwiesen worden.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage
Die antragstellende Fraktion begründet ihre Initiative für ei-
nen gesetzlichen Mindestlohn u. a. damit, dass das Ausmaß
der Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland seit Mitte der
90er-Jahre deutlich zugenommen habe. Es liege heute deut-
lich über dem europäischer Nachbarländer. Der Anteil der
Niedriglohnbeschäftigten sei selbst im Wirtschaftsauf-
schwung seit 2004 weiter angewachsen. Die Tarifbindung
gehe seit Jahren stetig zurück und habe im Jahr 2008 nur
noch 61 Prozent aller Arbeitsverhältnisse umfasst. Damit lie-
ge der Bindungsgrad deutlich hinter fast allen anderen EU-
Staaten. Die Lohnentwicklung sei dabei in den letzten zwei
Jahrzehnten hinter der Produktivitätsentwicklung zurückge-
blieben. Deutschland zähle heute zu den europäischen Län-
dern mit dem höchsten Anteil an Niedriglohnbeschäftigten.
Gleichzeitig werde durch Arbeitnehmerfreizügigkeit und
Dienstleistungsfreiheit und dem damit verbunden steigenden
Lohndruck eine soziale Flankierung des europäischen Bin-
nenmarktes noch wichtiger.

Mit dem angestrebten Mindestlohn wollen die Initiatoren
erreichen, dass vollzeitarbeitende Erwerbstätige von ihren
Löhnen leben könnten. Dumpinglöhne schadeten der Wirt-
schaft und dem Sozialsystem. Ein einheitlicher gesetzlicher
Mindestlohn sei notwendig, um das Lohnspektrum insge-
samt nach unten zu begrenzen. Besonders wichtig sei dies in
Branchen, wo Tarifvertragsparteien nicht präsent oder zu
schwach seien, um angemessene Löhne zu vereinbaren. Die
bisherige Aufnahme einzelner Branchen in das Arbeitneh-
mer-Entsendegesetz reiche auch angesichts der niedrigen Ta-
rifbindung nicht mehr aus.

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Rechtsausschuss, der Finanzausschuss, der Aus-
schuss für Wirtschaft und Technologie, der Ausschuss für
Gesundheit sowie der Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union haben den Antrag auf Drucksache
17/1408 in ihren Sitzungen am 16. März 2011 beraten und
gleichlautend mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Deutschen
Bundestag die Ablehnung der Vorlage empfohlen.

abschließend beraten und dem Deutschen Bundestag mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen
die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung der Vorlage
empfohlen.

Die Fraktion der CDU/CSU lehnte den Antrag ab. Zwar sei
auch sie für den Mindestlohn, allerdings für einen von den
Tarifparteien festgesetzten. Die Fraktion der CDU/CSU wür-
de sich nachdrücklich zur Tarifautonomie bekennen. Die Po-
litik habe nicht das Recht, Lohnfindung an sich zu ziehen.
Sie habe vielmehr die Pflicht, gemeinsam mit den Sozial-
partnern darauf hinzuwirken, dass Tarifautonomie möglich
und lebbar bleibe. Tarifautonomie sei das Königsrecht von
Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Deshalb sei der
von den Antragstellern geforderte gesetzliche flächendecken-
de Mindestlohn abzulehnen. Er schwäche die Tarifautono-
mie und könne zur Vernichtung von Arbeitsplätzen oder zu
einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen führen. Ein
vom Staat festgelegter Mindestlohn wäre der politischen
Beliebigkeit ausgesetzt. Bewährt hätten sich dagegen tarif-
lich vereinbarte Mindestlöhne, die Aufnahme bestimmter
Branchen in das Arbeitnehmer- Entsendegesetz und die An-
wendung des Instruments der Allgemeinverbindlichkeitser-
klärung. Sie seien geeignete Mittel, um Lohndumping zu
verhindern.

Die Fraktion der SPD begrüßte, dass allein von den im ak-
tuellen Vermittlungsverfahren zur Grundsicherung verein-
barten Mindestlöhnen 1,2 Millionen Menschen profitierten.
Das reiche aber noch nicht aus. Deutschland habe inzwi-
schen einen so ausgeprägten Niedriglohnbereich wie die
USA. Das habe verheerende Auswirkungen auf die Sozial-
systeme. Trotz Vollzeitarbeit reiche der Lohn bei den Betrof-
fenen nicht aus. Sie müssten aufstocken. Auch die Auswir-
kungen auf die künftigen Renten seien absehbar. Altersarmut
werde zunehmen. Dagegen könne man nur mit einem allge-
meinen, gesetzlichen Mindestlohn vorgehen; denn die Tarif-
bindung sei in etlichen Branchen inzwischen zu gering, um
existenzsichernde Löhne durchzusetzen. 23 Prozent der Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer würden heute von einem
allgemeinen Mindestlohn profitieren.

Die Fraktion der FDP wandte sich gegen einen allgemei-
nen Mindestlohn. Mindestlöhne seien gut für den, der einen
Arbeitsplatz habe. Die Frage sei aber, ob dieser durch die
Lohngrenze wegfallen werde. Die Gesetze der Ökonomie
ließen sich durch die Politik nicht außer Kraft setzen. Es sei
mehr als fraglich, ob die Politik Mindestlöhne derart fest-
legen könne, dass sie in allen Branchen durch entsprechende
Wertschöpfung unterlegt wären. daher wäre ein flächende-
ckender, einheitlicher Mindestlohn problematisch und abzu-
lehnen.

Die Fraktion DIE LINKE. argumentierte, dass die Tarif-
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Antrag auf
Drucksache 17/1408 in seiner 54. Sitzung am 16. März 2011

der Arbeitgeber möglich geworden. Die Beschäftigten be-
dürften jetzt des Schutzes. In einer Situation mit beispiels-

Drucksache 17/5101 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

H. Heene
ese
weise 50 Prozent Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitneh-
mern seien die Gewerkschaften kaum in der Lage, ausrei-
chend hohe Löhne zu erstreiten. Diese Wirklichkeit dürfe
man nicht länger ignorieren.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN argumentier-
ten, die Zeit für die Einführung eines allgemeinen, gesetz-
lichen Mindestlohns in Deutschland sei offensichtlich
gekommen. Die Wirklichkeit mit einem ausgeprägten Nied-
riglohnbereich und ausbleibenden Lohnerhöhungen – im
Unterschied zum europäischen Ausland – sei eindeutig.
Nichts hindere die Tarifparteien im Übrigen, auch mit einem
Mindestlohn als Untergrenze höhere Löhne zu vereinbaren.
Aber ganze Branchen in diesem Land hätten gar keine Tarif-
parteien mehr. Angesichts dessen müsse der Gesetzgeber
handeln.

Berlin, den 16. März 2011

Gitta Connemann
Berichterstatterin
mann

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