BT-Drucksache 17/5023

Umsetzung des Entgeltsystems in der Psychiatrie nach § 17d des Krankenhausfinanzierungsgesetzes

Vom 14. März 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5023
17. Wahlperiode 14. 03. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg,
Dr. Harald Terpe und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Umsetzung des Entgeltsystems in der Psychiatrie nach § 17d des
Krankenhausfinanzierungsgesetzes

Mit dem Krankenhausfinanzierungsreformgesetz (KHRG) vom 17. März 2009
wurde der Selbstverwaltung durch § 17d des Gesetzes zur wirtschaftlichen Si-
cherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze
(KHG) der Auftrag erteilt, bis zum Jahr 2013 ein durchgängiges, leistungsorien-
tiertes und pauschaliertes Vergütungssystem für voll- und teilstationäre Leistun-
gen von psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen zu entwickeln.
Der Gesetzgeber hat die Besonderheiten des Fachgebiets berücksichtigt und für
die Umsetzung weitere Vorgaben gemacht:

1. Die Personalausstattung nach den Vorgaben der Psychiatrie-Personalverord-
nung (Psych-PV) sollte wieder hergestellt werden.

2. Es sollten Tagesentgelte nach medizinisch unterscheidbaren Patientengrup-
pen für die teil- und vollstationäre Krankenhausbehandlung ermittelt werden.

3. Das Entgeltsystem soll für sektorübergreifende Steuerungsmöglichkeiten ge-
öffnet werden und deshalb sollen in der zweiten Stufe die Institutsambulan-
zen einbezogen werden.

4. Die Krankenhausfinanzierungsreform sollte umfassend evaluiert werden.

Durch die Änderung der Bundespflegesatzverordnung im Rahmen des GKV-
Änderungsgesetzes (GKV = gesetzliche Krankenversicherung) wurde klarge-
stellt, dass Grundlage der Nachverhandlungen der Personalstellen nach der
Psych-PV die tatsächlich realisierte Personalbesetzung am 31. Dezember 2008
ist und nicht eine bei früheren Budgetverhandlungen vereinbarte Stellenzahl. Es
liegen keine Informationen dazu öffentlich zugänglich vor, inwieweit die Vorga-
ben nach der Psych-PV in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden und ob die
Umsetzung überwacht wird.

Zur Vorbereitung eines neuen Vergütungssystems wird das Leistungsgeschehen
der stationären Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie über das Erfas-
sungssystem Psych-OPS (OPS = Operations- und Prozedurenschlüssel) metho-
disch erfasst. Doch im Unterschied zur DRG-Erfassung (DRG = Diagnosis
Related Groups) für den somatischen Bereich, gibt es für die Psychiatrie welt-

weit keinen vergleichbaren Operations- und Prozedurenschlüssel. In einem Bei-
trag der Zeitschrift „f&w“ zum Psych-Pretest stellen Anwender des Pretest fest:
„Die derzeit angewandte Methodik ermittelt nicht die wichtigsten Kostentreiber.
(…) Bei den zehn aufwendigsten Patienten beträgt der Anteil der direkt zuorden-
baren Therapie- und Diagnostikkosten an den Gesamtkosten etwa 9,3 Prozent,
bei den zehn Patienten mit dem geringsten Aufwand liegt er bei knapp 22 Pro-

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zent.“ Die „Residualgröße“ mache 65 bis 70 Prozent der Gesamtkosten aus
(„Psych-Pretest offenbart Diskussionsbedarf“, f&w Januar 2011, S. 61 bis 65).

Der Arbeitskreis der Chefärztinnen und Chefärzte von Kliniken für Psychiatrie
und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern hat sich mit Schreiben vom
12. Dezember 2010 an den Ausschuss für Gesundheit gewandt und die Sorge
zum Ausdruck gebracht, dass die Umsetzung des neuen Entgeltsystems in die
falsche Richtung läuft. Besonders kritisiert werden die mit der Revision des Er-
fassungssystems Psych-OPS als Kostentrenner eingeführten Therapieeinheiten
von 25, 50 und 75 Minuten, die nach Einschätzung der Fachleute Behandlungs-
bedarfe von chronisch psychisch Kranken nicht adäquat abbildeten, sondern
Fehlanreize schaffen. Ebenso wird in dem genannten Schreiben die Verstärkung
der „vorhandenen stationären Behandlungsstrukturen therapeutischer Einzel-
leistungen“ problematisiert. Die Fehlentwicklung wird im Aufbau einer Syste-
matik gesehen, die zur „direkten Aufforderung teure Leistungen zu erbringen,
nicht aber solche Leistungen, die primär qualitativen Anforderungen genügen
oder aber den Bedürfnissen der Patienten entsprechen“ führe. Kliniken hätten
bereits begonnen, ihre Therapiekonzepte den Vorgaben für Therapieeinheiten
anzupassen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In wie vielen psychiatrischen Krankenhäusern bzw. psychiatrischen Abtei-
lungen von Allgemeinkrankenhäusern führt die Umsetzung des § 17d KHG
in Verbindung mit § 6 der Bundespflegesatzverordnung seit 2009 bis heute

a) zu einer Anhebung der Personalausstattung nach Psych-PV auf mindes-
tens 90 Prozent,

b) zu einer Anhebung der Personalausstattung nach Psych-PV auf 100 Pro-
zent?

c) In wie vielen Fällen stagniert die Personalbesetzung nach Psych-PV bei
unter 90 Prozent?

2. Wurde zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern eine Rahmen-
vereinbarung geschlossen, die eine Prüfung ermöglicht, ob die Personalaus-
stattung nach der Psych-PV in der geltenden Fassung finanziert und umge-
setzt wird?

a) Falls ja, um welche Vereinbarung handelt es sich, und was haben die ent-
sprechenden Prüfungen ergeben?

b) Falls nein, auf welcher anderen Grundlage wird die tatsächliche Umset-
zung der Personalausstattung nach Psych-PV nach den Vorgaben der Bun-
despflegesatzverordnung geprüft?

3. In welcher Form und mit welchen Konsequenzen wird die Bundesregierung
auf die umfassende Kritik von Fachgesellschaften und Fachverbänden, wo-
nach der Pretest das Leistungsgeschehen in der Akutpsychiatrie nicht adäquat
abbilde, reagieren?

4. Wie bewertet die Bundesregierung die Einschätzung des Arbeitskreises der
Chefärztinnen und Chefärzte von Kliniken der Psychiatrie an Allgemein-
krankenhäusern in Deutschland vom 12. Dezember 2010, die eine „Auswei-
tung planbarer und zeitlich ausgedehnter diagnostischer und therapeutischer
Prozesse“ bereits heute schon beobachtet und von einer „Aufforderung teure
Leistungen zu erbringen“ auf Grund der angewandten Systematik spricht?

5. Mit welchen Schritten will die Bundesregierung der Entstehung von Fehl-
anreizen, wie z. B. der Ausweitung von aufwendigen, teuren Leistungen, ver-

hindern?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5023

6. Hat die Bundesregierung die Absicht, mit einem Umsetzungsgesetz korrigie-
rend einzugreifen, und die Steuerungsverantwortung für die Umsetzung des
§ 17d des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zu übernehmen?

a) Wenn nein, warum nicht, und welche Institution soll stattdessen die Steu-
erungsverantwortung für die Umsetzung des Bundesgesetzes überneh-
men?

b) Wenn ja, mit welchen Schwerpunkten?

7. Wie bewertet die Bundesregierung die in der Fachwelt rege geführte Debatte
um regionale Budgets, die getragen wird von der Vorstellung, nur eine sektor-
übergreifende Finanzierung fördere eine bessere Patientenorientierung und
führe zu einer sparsamen Ressourcennutzung, und hat die Bundesregierung
die Absicht, solche Überlegungen zu befördern?

a) Wenn ja, in welcher Form?

b) Wenn nein, warum nicht?

8. Wie bewertet das Bundesministerium für Gesundheit die bisherige Umset-
zung des § 17d KHG insgesamt?

Berlin, den 14. März 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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