BT-Drucksache 17/5022

Stillstand in der Verkehrspolitik überwinden - Zukunftskommission zur Reform der Infrastrukturfinanzierung einrichten

Vom 14. März 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5022
17. Wahlperiode 14. 03. 2011

Antrag
der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Sören Bartol, Martin Burkert, Bernhard
Brinkmann (Hildesheim), Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Ulrike Gottschalck,
Michael Groß, Hans-Joachim Hacker, Gustav Herzog, Johannes Kahrs,
Ute Kumpf, Kirsten Lühmann, Thomas Oppermann, Florian Pronold,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Stillstand in der Verkehrspolitik überwinden – Zukunftskommission zur Reform
der Infrastrukturfinanzierung einrichten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Bedeutung der Verkehrsinfrastruktur für Deutschland

Eine gute Verkehrsinfrastruktur sichert wirtschaftliches Wachstum, Beschäfti-
gung und Wohlstand in Deutschland. Sie ermöglicht eine bezahlbare indivi-
duelle Mobilität der Menschen und garantiert den Unternehmen, den Transport
ihrer Waren und Produkte sicher zu organisieren. Sie sichert den Menschen ge-
sellschaftliche Teilhabe am öffentlichen Leben wie auch die notwendige räum-
liche Flexibilität, um am Arbeitsmarkt bestehen zu können.

Der Erhalt und Ausbau der Verkehrswege in Deutschland ist unter Berücksich-
tigung sozialer, ökonomischer und ökologischer Aspekte eine der wichtigsten
Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge des Staates. Die öffentliche Hand
ist als Träger der Straßen und Wasserwege auf der Bundes-, Landes- und kom-
munalen Ebene in der Pflicht, ein funktionierendes Infrastruktursystem aller
Verkehrsträger vorzuhalten, es zu erhalten und bei Bedarf die Kapazitäten an-
zupassen. Im Bereich der Schienenwege ist die Bundesregierung als Vertreter
des Eigentümers der Deutschen Bahn AG (DB AG) in der Pflicht, zusammen
mit dem Unternehmen die notwendigen Investitionen in die Schieneninfra-
struktur sicherzustellen.

Steigender Investitionsbedarf in Erhalt und Ausbau

Der von den Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP im Deutschen
Bundestag beschlossene Bundeshaushalt 2011 sowie die im Jahr 2010 von der
Bundesregierung vorgelegte mittelfristige Bundesfinanzplanung zeigen, dass
die Verkehrsinfrastruktur deutlich unterfinanziert ist. Das Investitionsvolumen

ist ausgehend von rund 12 Mrd. Euro im Jahr 2009 auf 9,75 Mrd. Euro im Jahr
2011 gesunken.

Es droht die Gefahr, dass die Qualität der bestehenden Straßen, Schienen und
Bundeswasserstraßen rapide abnimmt und Engpässe in der Verkehrsinfrastruk-
tur bestehen bleiben. Das ist angesichts des prognostizierten anwachsenden
Güter- und Personenverkehrs unverantwortlich. Aufgrund der abgesenkten In-
vestitionslinie wird es in den kommenden Jahren bei den Schienenwegen kei-
nen Neubeginn von Projekten geben. Bei den Bundesstraßen wird es zu einer

Drucksache 17/5022 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Streckung laufender Vorhaben kommen. Das Gleiche gilt auch für die Bundes-
wasserstraßen.

Um das bestehende Niveau des deutschen Verkehrswegenetzes zu erhalten und
an den wachsenden Bedarf der Verkehrsentwicklung anzupassen, bedarf es
Investitionen des Bundes, der Länder und Kommunen in die Infrastruktur auf
hohem Niveau.

Der mit dem Fünften Gesetz zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes be-
schlossene Bedarfsplan Straße, der sich nur auf die Bundesstraßen bezieht, be-
inhaltet ein vordringliches Investitionsvolumen von 51,5 Mrd. Euro bei einem
Kostenstand des Jahres 2002. Laut dem Bericht des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 11. Oktober 2010 zur Überprüfung
des Bedarfsplans sind in den Jahren 2001 bis 2009 insgesamt 25 Mrd. Euro in-
vestiert worden.

Aufgrund der erhöhten Anforderungen an die Ausgestaltung von Bundesfern-
straßen und der inzwischen erfolgten Baupreissteigerungen besteht jedoch
immer noch ein zu realisierendes Bauvolumen von 41 Mrd. Euro bis zum Jahr
2015.

Das Investitionsvolumen des mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Bundes-
schienenwegeausbaugesetzes vorgelegten Bedarfsplans Schiene hatte im Jahr
2004 im Vordringlichen Bedarf eine Größenordnung von 75 Mrd. Euro. Laut
dem Verkehrsinvestitionsbericht 2009 war bis zum 31. Dezember 2008 rund
die Hälfte der Investitionen umgesetzt. Gleichzeitig sind nach Aussagen der
Bundesregierung im Rahmen der Überprüfung des Bedarfsplans Schiene be-
reits heute 8 Mrd. Euro durch abgeschlossene Finanzierungsvereinbarungen im
Bereich Schiene bis zum Jahr 2020 gebunden.

Schwarz-gelbe Bundesregierung organisiert den Stillstand

Angesichts des steigenden Bedarfs von weiteren Investitionen bei Erhalt und
Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und der drohenden Abnahme der zur Ver-
fügung stehenden Investitionsmittel braucht Deutschland eine Reformdebatte
über die Zukunft der Infrastrukturfinanzierung.

Die Fraktion der SPD hat bereits mit ihrem Antrag „Erhalt und Ausbau der Ver-
kehrsinfrastruktur sichern – Deutschland braucht eine moderne Zukunftsstrate-
gie zur Infrastrukturfinanzierung“ vom 23. Februar 2010 die Bundesregierung
aufgefordert, ein neues Konzept zu entwickeln. Der Ausschuss für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages hat auf Antrag der Regie-
rungskoalition der CDU/CSU und FDP am 9. Februar 2010 mit einem eigenen
Beschluss die Bundesregierung mehrheitlich aufgefordert, „ein zukunftsweisen-
des, nachhaltiges Gesamtkonzept für die auskömmliche Finanzierung von Ver-
kehrsinfrastruktur zu erarbeiten und dem Deutschen Bundestag vorzulegen“.

Die Bundesregierung und der zuständige Bundesminister für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung Dr. Peter Ramsauer verweigern bis heute eine Umsetzung des
Beschlusses. Die Regierungskoalition verwaltet den Mangel. Die Debatte über
die Weiterentwicklung der Infrastrukturfinanzierung ist vertagt. Es droht der
Stillstand bis zur nächsten Legislaturperiode.

Gesellschaftliche Reformdebatte notwendig

Basis einer umfassenden Reformdebatte muss ein breiter gesellschaftlicher
Konsens darüber sein, welches qualitativ hochwertige Angebot an Verkehrsin-
frastruktur in Deutschland gebraucht wird, um dem Bedürfnis der Menschen
nach einer frei gewählten, bezahlbaren und ökonomisch wie auch ökologisch

sinnvollen Mobilität gerecht zu werden. Die schwarz-gelbe Bundesregierung

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5022

hat bisher darauf keine Antwort und ist daher auch nicht in der Lage, in einem
offenen Dialog mit den Menschen in Deutschland die dafür notwendigen Fra-
gen zu klären.

Im Fokus einer breiten Debatte über die Finanzierung der Infrastruktur in
Deutschland wird die Frage stehen, wie die Effizienz beim Erhalt und Betrieb
der Verkehrswege vergrößert und damit Kosteneinsparungen erreicht werden
können. Darüber hinaus wird die Frage von großer Bedeutung sein, welche
Priorität angesichts des ermittelten Bedarfs welche Verkehrsprojekte haben
werden. Und außerdem wird es um eine Weiterentwicklung des Instrumenta-
riums gehen, mit dessen Hilfe heute Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur
finanziert werden.

Eine Reform der Infrastrukturfinanzierung wird darüber hinaus eingebettet sein
in die Debatte, wie wir unsere Mobilität in Anbetracht des Klimawandels und
steigender Rohstoffpreise zukünftig für die Bürger wie auch Unternehmen un-
seres Landes bezahlbar organisieren können.

Gute Infrastruktur als Basis von wirtschaftlicher Prosperität sichern

Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur stärken den Wirtschaftsstandort
Deutschland. Mit jeder in die Verkehrswege investierten Milliarde Euro werden
rund 20 000 Arbeitsplätze vorrangig in der Baubranche gesichert. Kürzungen
bei den Investitionen schaden der konjunkturellen Entwicklung und vernichten
Arbeitsplätze.

Verkehrsinfrastrukturinvestitionen können darüber hinaus positive Effekte für
die wirtschaftliche Entwicklung von strukturschwachen Regionen in Deutsch-
land haben. Eine Studie der Technischen Universität Berlin vom März/April
2008 kommt bei einer entsprechenden Untersuchung der Auswirkungen auf die
regionale Entwicklung zu dem Schluss, dass „empirische Analysen in aller
Regel zu positiven, aber quantitativ begrenzten Auswirkungen von Verkehrs-
infrastrukturinvestitionen“ kommen. Die Autoren betonen, dass „die bisherigen
Ergebnisse der wissenschaftlichen Analysen daher nicht den Schluss zulassen,
dass regionale Effekte bei der Bewertung von Verkehrsinfrastrukturinvestitio-
nen vernachlässigt werden können.“ Das bedeutet, dass bei jedem einzelnen
Neubauprojekt der wirtschaftliche Nutzen bei der Erschließung des regionalen
Wirtschaftsraums untersucht werden muss.

Mobilität sozial gerecht und ökologisch sinnvoll organisieren

Die Sicherung einer umfassenden Mobilität für die Menschen und die Unterneh-
men in Deutschland findet immer im Spannungsbogen von sozialer und wirt-
schaftlicher Notwendigkeit sowie den Auswirkungen für Mensch, Natur und
Umwelt statt. Der Verkehrssektor ist für rund 20 Prozent des Gesamt-CO2-Aus-
stoßes in der EU verantwortlich. Der Bau von Verkehrswegen greift in die Land-
schaft ein und durchtrennt Natur- und Lebensräume. Der Schwerpunkt der In-
vestitionen wird daher in Zukunft beim Erhalt der bestehenden Verkehrswege
und lediglich bei der punktuellen Erweiterung und Komplementierung des vor-
handenen Verkehrsnetzes liegen. Angesichts des sich jährlich verschlechternden
Zustands besonders der Ingenieurbauten wie Brücken und Tunnel nimmt der Be-
darf an Investitionen in den Erhalt der bestehenden Infrastruktur massiv zu.
Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer sieht sich nach über zwölf Monaten
seit Beginn der Legislaturperiode nicht in der Lage, ein eindeutiges Prüfergebnis
vorzulegen, ob er mit den Bundesländern in Verhandlungen eintritt, um eine
Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) einzuführen und damit die
Effizienz bei Erhalt und Betrieb von Bundesfernstraßen zu erhöhen.

Drucksache 17/5022 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wachsende Verkehre bedeuten eine steigende Belastung der Menschen mit
Lärm und Abgasen. Daher sind ambitionierte Investitionen in den Lärmschutz
der Menschen und eine verstärkte Reduzierung des CO2-Ausstoßes im Verkehr
notwendig.

Die politische Spitze des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtent-
wicklung beteiligt sich an den Verhandlungen über eine Novellierung der EU-
Wegekostenrichtlinie auf der Ebene der Europäischen Union nur zögerlich und
stellt alle Vorbereitungen für eine nationale Umsetzung ein.

Im Rahmen der nationalen Umsetzung der auf europäischer Ebene in der
Diskussion befindlichen Novellierung der EU-Wegekostenrichtlinie muss
Deutschland ein umfassendes verkehrsträgerübergreifendes Konzept der Anlas-
tung der externen Kosten erarbeiten. Damit muss eine angemessene Beteili-
gung aller Verkehrsträger an den entstehenden Kosten zum Erhalt und Ausbau
der Infrastruktur wie zur Kompensation der negativen Auswirkungen auf
Mensch und Umwelt erreicht werden.

Es ist politisch falsch, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung zum 1. Januar
2011 die finanziellen Erleichterungen für umweltfreundliche Euro-5-Lkw ge-
strichen und dafür Euro-3-Lkw mit einer schlechteren Umweltbilanz begünstigt
hat. In der Konsequenz verliert der Bund damit rund 87 Mio. Euro an Einnah-
men.

Verkehre auf die Schiene verlagern

Die Zukunft gehört der Stärkung der umweltfreundlichen Verkehrsträger
Schiene und Wasserstraße, um eine notwendige Verlagerung der anwachsenden
Verkehre von der Straße zu erreichen. Angesichts der derzeit für das Jahr 2025
prognostizierten Entwicklung des Güterverkehrs braucht Deutschland beson-
ders im Schienennetz eine massive Erweiterung der Netzkapazitäten, um die
ansteigende Menge an Güterverkehr aufzunehmen und die Attraktivität im Per-
sonenverkehr zu vergrößern.

Grundlage für die Planung der notwendigen Investitionen in die Schieneninfra-
struktur ist die Entwicklung einer Netzstrategie 2030 der DB AG, die sich an
einem praktikablen und zukunftsfähigen Deutschlandtakt im Personenverkehr
orientiert. Gleichzeitig muss die Frage beantwortet werden, wie Engpässe im
Güterverkehr auf der Schiene beseitigt werden.

Bundestraßen mit nachgeordneter Bedeutung abstufen

Gleichzeitig behält die Straße als der Verkehrsträger mit der höchsten Flexi-
bilität innerhalb des Gesamtverkehrsnetzes seine Bedeutung. Als Ergebnis der
Verhandlungen im Rahmen der Föderalismuskommission II haben Bundestag
und Bundesrat im Sommer 2009 in gleichlautenden Beschlüssen jedoch betont,
„Bund und einige Länder stimmen darin überein, dass es einen erheblichen An-
teil von Bundesstraßen gibt, deren überregionale Bedeutung wegen Änderun-
gen der Verkehrsströme, neuen Infrastrukturen oder Verkehrsbeziehungen weg-
gefallen ist.“

Weiterhin heißt es in dem Beschluss: „Bund und Länder werden sich nach Be-
endigung der Arbeiten in der Föderalismusreform II zeitnah um eine einver-
nehmliche Lösung hinsichtlich der einzelnen Strecken, deren Abstufungszeit-
punkt und der sonstigen Abstufungs- und Kompensationsmodalitäten bemühen.
Dazu teilt das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung den
Verkehrsministerien der Länder noch vor Ende des Kalenderjahres (d. h. bis
Ende 2009) schriftlich und für den Bund verbindlich mit, welche Straßen(ab-

schnitte) ihre Bedeutung soweit verloren haben, dass ihre Einstufung als Bun-
desstraßen nicht mehr zu rechtfertigen ist.“

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/5022

Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer sieht sich seit Herbst 2009 nicht in
der Lage, dem Beschluss des Bundestages und des Bundesrats nachzukommen.

Akzeptanz für Investitionen in die Infrastruktur durch mehr Transparenz erlan-
gen

Investitionen in die Infrastruktur brauchen die Akzeptanz der Menschen in
Deutschland. Die Unterstützung der Bevölkerung für den Erhalt und Ausbau
der Verkehrswege und für die dafür notwendigen Investitionen der öffentlichen
Hand hängen im hohen Maße von transparenten und nachvollziehbaren Verfah-
ren bei der Berechnung der den Planungen zugrunde liegenden Verkehrsprog-
nosen, bei der Ermittlung des Nutzens und der Kosten als auch bei der weiteren
Planung der Verkehrsprojekte ab. Darüber hinaus hat die Berücksichtigung
ökologischer Belange und die Vermeidung von Verkehrslärm und -abgasen für
die Menschen eine besondere Bedeutung.

Neuen Bundesverkehrswegeplan 2015 und turnusmäßigen verkehrsträgerüber-
greifenden Netzzustandsbericht vorlegen

Die Erarbeitung eines neuen Bundesverkehrswegeplans 2015 kann dabei
helfen, die Voraussetzungen für mehr Transparenz zu schaffen. Dabei muss als
Grundlage eine neue Verkehrsprognose 2030 erstellt werden, anhand derer der
Nutzen jedes einzelnen Verkehrsprojekts innerhalb einer Gesamtnetzstrategie
für die Weiterentwicklung der Netzkapazitäten auf der Schiene, der Straße und
der Wasserstraße neu zu überprüfen ist.

Dabei muss zuvorderst untersucht werden, welche Verkehrsknoten, Hafenhin-
terlandanbindungen und Hauptverkehrsachsen vorrangig ertüchtigt werden
müssen.

Außerdem gehört angesichts der Baukostensteigerungen seit der Aufstellung
der Bedarfspläne im Jahr 2004 eine Aktualisierung der Kosten aller Verkehrs-
projekte sowie eine Neuberechnung des Nutzen-Kosten-Faktors dazu. Die
Erarbeitung eines Bedarfsplans Wasserstraße ist zu prüfen.

Darüber hinaus kann die turnusmäßige Untersuchung des Netzzustandes aller
Verkehrsträger im Rahmen eines Berichts der Bundesregierung für mehr Trans-
parenz und Klarheit über den Investitionsbedarf bei den Erhaltungsmaßnahmen
sorgen. Bisher hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick-
lung unter der Leitung von Bundesminister Dr. Peter Ramsauer keine umfas-
sende Kenntnis, in welchem Zustand sich die Bundesfernstraßen, für deren Er-
halt und Betrieb die Bundesländer im Rahmen der Auftragsverwaltung zustän-
dig sind, befinden.

Bedarfsgerechte Finanzierung von Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur
sichern

Angesichts des bereits heute prognostizierten Finanzierungsbedarfs für den Er-
halt und den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur wird die große Herausforderung
sein, auch in Zukunft einen angemessenen Anteil des Bruttossozialprodukts auf
hohem Niveau im Verkehrshaushalt des Bundes für Investitionen bereitzustel-
len.

Die schwierige Haushaltslage des Bundes wird auch in Zukunft eine reine Steu-
erfinanzierung nicht zulassen. Dabei ist festzuhalten, dass die Nutzer der Infra-
struktur als Steuerzahler u. a. mit der Mineralölsteuer und der Kfz-Steuer be-
reits einen großen Beitrag für die Einnahmen des Bundes leisten. Es war ein
wichtiger Schritt, die reine Haushaltsfinanzierung durch eine Beteiligung der

Nutzer der Verkehrswege bei der Lkw-Maut zu ergänzen. Sie muss weiterent-
wickelt werden. Die Akzeptanz der Nutzerinnen und Nutzer hängt dabei im

Drucksache 17/5022 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

entscheidenden Maße davon ab, dass die Einnahmen aus der Nutzerfinanzie-
rung direkt in den Erhalt und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur fließen.

Dabei entlasten die Investitionen aus der Lkw-Maut in die Schieneninfrastruk-
tur den Verkehrsträger Straße und führen in der Gesamtbilanz auch für die
Logistikunternehmen auf der Straße zu Kostenersparnissen. Weniger Verkehr
auf der Straße führt zu weniger Staus und zu einem besseren Zustand der
Straße. Daraus folgen Kostenersparnisse durch Zeitgewinn und weniger Ver-
schleiß am rollenden Material.

Die Einführung eines Finanzierungskreislaufs Straße durch die Bundesregie-
rung, der die Einnahmen der Lkw-Maut lediglich für Investitionen in die Straße
vorsieht, schwächt das Gesamtverkehrsnetz und macht die Schiene damit kom-
plett von den Steuereinnahmen der öffentlichen Hand abhängig.

Gleichzeitig sind die Investitionen in die Straße vollständig auf die Einnahmen
aus der Lkw-Maut angewiesen, deren Höhe nach Schätzungen der Bundesre-
gierung allein im Jahr 2010 um rund 370 Mio. Euro niedriger, als im Bundes-
haushalt angenommen, ausfielen.

Bei Projekten, bei denen eine Realisierung unter der Beteiligung von privaten
Geldgebern langfristig wirtschaftlicher erfolgen könnte, ist eine Beschaffung
im Rahmen einer ÖPP-Finanzierung (ÖPP: Öffentlich Private Partnerschaft)
denkbar. Die Beteiligung von privatem Kapital bei ÖPP-Projekten muss ihre
Vorteile gegenüber einer staatlichen Finanzierung unter Beweis stellen. Die
erste Staffel der A-Modelle, die als ÖPP-Verkehrsprojekte realisiert wurden,
muss evaluiert und ausgewertet werden. Auf dieser Basis müssen transparente
Kriterien entwickelt werden, ob und unter welchen Bedingungen in Zukunft
eine ÖPP-Finanzierung einer konventionellen Beschaffung vorzuziehen ist.

Die Arbeit der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft mbH (VIFG) und
ihrer Aufgaben im Rahmen der Finanzierung von Investitionen in die Verkehrs-
infrastruktur ist fortzuentwickeln.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. den Beschluss des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des
Deutschen Bundestages vom 9. Februar 2010 umzusetzen und ein Konzept
zur Sicherung der Infrastrukturfinanzierung noch in dieser Legislaturperiode
vorzulegen;

2. unter Beteiligung aller wichtigen gesellschaftlichen Kräfte ein Leitbild
„Mobilität des 21. Jahrhunderts“ für Deutschland zu entwickeln und im
Rahmen der dargestellten Eckpunkte eine Reformdebatte zur Verkehrsinfra-
strukturpolitik zu initiieren. Es sollte dabei auf die Vorschläge des vom Bun-
deskabinett beschlossenen Masterplans Güterverkehr und Logistik aus dem
Jahr 2008 aufgebaut und darüber hinaus der Bereich des Personenverkehrs
besonders berücksichtigt werden. Die Diskussion über die Mobilität der Zu-
kunft muss auf europäischer Ebene in die Debatte über das Weißbuch Ver-
kehr der Europäischen Kommission eingebunden sein;

3. eine Zukunftskommission der Bundesregierung unter Beteiligung der Bun-
desländer und aller Fraktionen des Deutschen Bundestages einzurichten, in
der unter Beteiligung von Fachexperten aus Wissenschaft und Praxis Vor-
schläge für eine Weiterentwicklung der Infrastrukturfinanzierung erarbeitet
werden.

Berlin, den 14. März 2011
Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.