BT-Drucksache 17/4996

Rüstungsexporte deutscher Motoren und Getriebe

Vom 9. März 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4996
17. Wahlperiode 09. 03. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Jan van Aken, Christine Buchholz,
Annette Groth, Niema Movassat und der Fraktion DIE LINKE.

Rüstungsexporte deutscher Motoren und Getriebe

Die deutsche Rüstungsindustrie gehört weltweit zu den größten Rüstungsexpor-
teuren. Im letzten Berichtsjahr 2009 wurden von der Bundesregierung Rüstungs-
exporte gemäß der Ausfuhrliste Teil 1A im Wert von 7 Mrd. Euro genehmigt.
Darüber hinaus wurden im gleichen Jahr auch militärisch verwendbare zivile
Güter (Dual-Use Güter) gemäß der Ausfuhrliste Teil 1C im Wert von 4,2 Mrd.
Euro genehmigt. Ein erheblicher Teil der aus Deutschland exportierten Rüs-
tungstechnologie besteht aus Komponenten, die im Empfängerland in andere
Waffensysteme eingebaut werden. Bislang unterliegen allerdings nicht alle mili-
tärisch relevanten Komponentenexporte einer Genehmigungspflicht.

Dies ist zum Beispiel bei Motoren und Getriebe der Fall, obwohl gerade diese
Komponenten entscheidend […] für die Funktions- und Leistungsfähigkeit
militärischer Fahrzeuge. Ihr Export unterliegt nur dann gemäß der Ausfuhrliste
Teil 1A der Genehmigungspflicht, „wenn sie besonders konstruiert sind für
militärische Zwecke“ – der Einbau in militärische Fahrzeuge allein reicht nicht
aus, um eine Genehmigungspflicht zu begründen. Es besteht daher für Staaten
die Möglichkeit, die Mobilität ihrer Land- und Seestreitkräfte mit deutscher
Technik antreiben zu lassen, ohne dass dafür eine einzige Genehmigung notwen-
dig wäre. Damit existiert eine große Lücke, die ernste Konsequenzen für die
Kontrolle und Nachvollziehbarkeit deutscher Rüstungsexporte hat.

Obwohl sich deutsche Antriebstechnik (u. a. von den Firmen Deutz AG, Daimler
AG, Tognum AG, Renk AG, Zahnradwerke (ZF) Friedrichshafen AG) in vielen
Waffensystemen, die im Ausland hergestellt worden sind, wiederfindet, ist un-
klar, ob dafür überhaupt eine Genehmigung beantragt werden musste und ob
geprüft wurde, ob diese Rüstungsexporte im Einklang mit den „Politischen
Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonsti-
gen Rüstungsgütern“ sind. Dies gilt z. B. für die deutsche Antriebstechnik im
südkoreanischen Artilleriesystem Thunder, in dem in die Vereinigten Arabischen
Emirate (VAE) verkauften französischen Kampfpanzer Leclerc, im öster-
reichisch-spanischen Panzer Ascod/Pizzaro, in den auch nach Sri Lanka weiter-
exportierten israelischen Patrouillenbooten des Typs Shaldags, in der türkischen
Milgem-Korvette oder den Baynunah-Korvetten der VAE (www.trdefence.com/

2010/12/05/otokar- orders-engines-for-prototype-altays/, www.mtu-online.com/
uploads/tx_dkdmtu report/mtu_report_3-2010_de.pdf, http://defense-update.
com/features/du-1-04/fpb-israel.htm, www.army-technology.com/projects/
ascod/, www.mtu-online. com.sg/cms/fileadmin/fileadmin/pdf/en/about_us/
MTU_Report_1_05_engl_ doppel. pdf). Jüngst wurde bekannt, dass auch der
russische Panzer BMP-3 mit deutscher Antriebstechnik ausgerüstet werden soll
(Jane’s Defence Weekly vom 26. Januar 2011, S. 24).

Drucksache 17/4996 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Diese Praxis ist mit einer restriktiven Rüstungsexportpolitik nicht zu vereinba-
ren. Auch die militärische Nutzung von Motoren und Getrieben, die vornehm-
lich für zivile Zwecke konstruiert wurden, bedarf einer Erfassung und Genehmi-
gung, wenn es ernsthaft darum gehen soll, die bedenkliche und unkontrollierte
Proliferation deutscher Rüstungsgüter zu verhindern.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Motoren für gepanzerte Landfahrzeuge wurden aus Deutschland
zwischen 2000 und 2010

a) genehmigungsfrei exportiert,

b) mit Genehmigung nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen
(KrWaffKontrG) exportiert,

c) mit Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) gemäß Aus-
fuhrliste Teil 1A exportiert,

d) mit Genehmigung nach dem AWG gemäß Ausfuhrliste Teil 1C exportiert
(bitte jeweils nach Jahren aufschlüsseln)?

2. Wie viele Motoren für Marineschiffe wurden aus Deutschland zwischen 2000
und 2010

a) genehmigungsfrei exportiert,

b) mit Genehmigung nach dem KrWaffKontrG exportiert,

c) mit Genehmigung nach dem AWG gemäß Ausfuhrliste Teil 1A expor-
tiert,

d) mit Genehmigung nach dem AWG gemäß Ausfuhrliste Teil 1C exportiert
(bitte jeweils nach Jahren aufschlüsseln)?

3. Welche Motoren- und Getriebetypen für Landfahrzeuge wurden zwischen
2000 und 2010 als genehmigungspflichtig im Sinne des KrWaffKontrG
und/oder des AWG eingestuft?

4. Wie viele Genehmigungen für die Ausfuhr von Motoren und Getriebe für
Landfahrzeuge wurden seit 2000 erteilt (bitte nach Jahren und Ländern auf-
schlüsseln)?

5. Wie viele Anträge für die Ausfuhr von Motoren und Getrieben für Land-
fahrzeuge wurden seit 2000 abgelehnt (bitte nach Jahren und Ländern auf-
schlüsseln und unter Angabe des Versagungsgrunds)?

6. Welche Motoren- und Getriebetypen für Seefahrzeuge wurden zwischen
2000 und 2010 als genehmigungspflichtig im Sinne des KrWaffKontrG
und/oder des AWG eingestuft?

7. Wie viele Genehmigungen für die Ausfuhr von Motoren und Getriebe für
Seefahrzeuge wurden seit 2000 erteilt (bitte nach Jahren und Ländern auf-
schlüsseln)?

8. Wie viele Anträge für die Ausfuhr von Motoren und Getrieben für Seefahr-
zeuge wurden seit 2000 abgelehnt (bitte nach Jahren und Ländern auf-
schlüsseln und unter Angabe des Versagungsgrunds)?

9. Welche „Powerpacks“, d. h. aufeinander abgestimmte Motoren und Ge-
triebe, wie z. B. der „Euro Powerpack“, gelten als „besonders konstruiert
für militärische Zwecke“ und unterliegen der Genehmigungspflicht nach
dem KrWaffKontrG bzw. dem AWG?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4996

10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass auch Motoren und Getriebe,
die nicht besonders für militärische Zwecke konstruiert worden sind, aber
trotzdem in militärische Fahrzeuge eingebaut werden, in zentraler Weise die
Einsatzfähigkeit von Waffensystemen wie Panzern oder Kriegsschiffen be-
einflussen?

11. Nach welchen Kriterien (z. B. Material, Leistungsparameter, Signatur) legt
die Bundesregierung fest, dass bestimmte Motoren und Getriebe für Land-
fahrzeuge „besonders für militärische Zwecke konstruiert und geeignet“
sind, und wie werden die Herstellerfirmen an dem Einstufungsverfahren be-
teiligt?

12. Nach welchen Kriterien (z. B. Material, Leistungsparameter, Signatur) legt
die Bundesregierung fest, dass bestimmte Motoren und Getriebe für See-
fahrzeuge „besonders für militärische Zwecke konstruiert und geeignet“
sind, und wie werden die Herstellerfirmen an dem Einstufungsverfahren be-
teiligt?

13. Welche Widerspruchsmöglichkeiten haben die Herstellerfirmen von Moto-
ren und Getrieben gegen eine solche Einstufung ihrer Produkte?

14. Bei welchen Motoren- und Getriebetypen wurde die Einstufung „besonders
für militärische Zwecke konstruiert und geeignet“ nachträglich zurückge-
nommen und warum (bitte unter Angabe des Jahres)?

15. Bei welchen Motoren- und Getriebetypen wurde die Einstufung „besonders
für militärische Zwecke konstruiert und geeignet“ nachträglich vorgenom-
men und warum (bitte unter Angabe des Jahres)?

16. Welche Konsequenzen ergeben sich für die Einstufung von Motoren, wenn
diese Modelle sich sowohl für zivile als auch militärische Zwecke nutzen
lassen?

17. Reicht eine Zulassung als ziviles Muster aus, um eine Einstufung der Mo-
toren und Getriebe als „besonders für militärische Zwecke konstruiert und
geeignet“ zu verhindern?

18. Prüft die Bundesregierung im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens, ob
Motoren und Getriebe ohne besondere militärische Spezifikationen im
Empfängerstaat für den Einbau in militärische Fahrzeuge bestimmt sind,
und wenn nein, warum nicht?

19. Verfügt die Bundesregierung über Kenntnisse, dass von deutschen Firmen
entwickelte Motoren und Getriebe, die „besonders für militärische Zwecke
konstruiert und geeignet“ sind, im Ausland von Tochterfirmen oder in
Lizenz hergestellt werden, und wenn ja,

a) bei welchen Motoren- und Getriebetypen in welchen Ländern ist dies der
Fall,

b) bei welchen Motoren- und Getriebetypen wurde der entsprechende Ex-
port von Fertigungsunterlagen und Know-how genehmigt,

c) bei welchen Motoren- und Getriebetypen hat die Bundesregierung
Kenntnis über den anschließenden Weiterexport in Drittländer?

20. In welchen Staaten werden nach Kenntnis der Bundesregierung deutsche
Motoren oder Getriebe in Landfahrzeugen der Streitkräfte verwendet (bitte
jeweils unter Angabe des Motoren- bzw. Getriebetyps und des Fahrzeug-
typs)?

In wie vielen Fällen lag dabei eine Genehmigung durch die Bundesregie-
rung vor?

Drucksache 17/4996 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
21. In welchen Staaten werden nach Kenntnis der Bundesregierung deutsche
Motoren oder Getriebe in Seefahrzeugen der Streitkräfte verwendet (bitte
jeweils unter Angabe des Motoren- bzw. Getriebetyps und des Fahrzeug-
typs)?

In wie vielen Fällen lag dabei eine Genehmigung durch die Bundesregie-
rung vor?

22. Was plant die Bundesregierung, um in Zukunft die Erfassung und Kontrolle
der Exporte von diesen Motoren und anderer Antriebstechnik zu verbes-
sern?

Berlin, den 2. März 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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