BT-Drucksache 17/498

Kinderschutz wirksam verbessern: Prävention im Kinderschutz optimieren - Förderung und Frühe Hilfen für Eltern und Kinder stärken

Vom 22. Januar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/498
17. Wahlperiode 22. 01. 2010

Antrag
der Abgeordneten Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Petra Crone, Iris
Gleicke, Christel Humme, Ute Kumpf, Caren Marks, Franz Müntefering, Aydan
Özog˘uz, Thomas Oppermann, Sönke Rix, Stefan Schwartze, Dagmar Ziegler,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Kinderschutz wirksam verbessern:
Prävention im Kinderschutz optimieren – Förderung und Frühe Hilfen für Eltern
und Kinder stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
● Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf ein gelingendes Aufwachsen.

Dieses Recht gilt es durch die Verankerung von Kinderrechten im Grundge-
setz nachhaltig wirksam werden zu lassen. Das Grundgesetz benennt Kinder
bisher ausdrücklich nur im Rahmen der Elternrechte und nicht als selbststän-
dige Träger eigener Grundrechte. Es enthält keine explizite Feststellung des
Rechts eines jeden Kindes auf Entwicklung und Entfaltung seiner Persönlich-
keit, auf Schutz vor Gewalt, Vernachlässigung und Ausbeutung und auf
altersgemäße Beteiligung der Kinder und Jugendlichen.

Im Grundgesetz ist jedem Kind ein Recht auf Entwicklung und Entfaltung
seiner Persönlichkeit, auf gewaltfreie Erziehung und auf den besonderen
Schutz vor Gewalt, Vernachlässigung und Ausbeutung zuzusichern. Ihre
Meinung wird in den Angelegenheiten, die sie betreffen, in einer ihrem Alter
und ihrem Reifegrad entsprechenden Weise berücksichtigt. Die staatliche
Gemeinschaft achtet, schützt und fördert die Rechte des Kindes und trägt
Sorge für kindgerechte Lebensbedingungen. Eine solche verfassungsrecht-
liche Neuregelung verdeutlicht die Rechte der Kinder, wie sie sich aus ande-
ren verfassungsrechtlichen Vorschriften nach der Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts ergeben, ohne die Elternrechte zu beschneiden. Diese
Verfassungsänderung trägt zudem der Kinderrechtskonvention der Vereinten
Nationen und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union Rech-
nung.

● Kinderschutz gelingt nicht zum Nulltarif. Kontinuität im Bereich des Kinder-
schutzes ist besonders wichtig, daher ist ein starker handlungsfähiger Staat
mit einer ausreichenden finanziellen Ausstattung unerlässlich. Allerdings

führen einige der von der Bundesregierung in der 17. Legislaturperiode her-
beigeführten bzw. geplanten gesetzgeberischen Maßnahmen zu einer er-
heblichen Schwächung der Finanzkraft des Bundes, der Länder und der
Kommunen. Zu nennen ist hier das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das
zu steuerlichen Mindereinnahmen in Milliardenhöhe führen wird. Solche
Initiativen konterkarieren einen wirksamen Kinderschutz und dürfen nicht
weiterverfolgt, sondern müssen rückgängig gemacht werden.

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● Kindern und Jugendlichen ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen, ist eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Bund, Länder und Kommunen in ge-
meinsamer Verantwortung gestalten. Es sind die Städte und Gemeinden, die
vor Ort den Alltag von Familien und ihren Kindern gestalten. Sie haben eine
zentrale Rolle beim Auf- und Ausbau vernetzter Strukturen für eine frühe
Förderung und für Frühe Hilfen. Bund und Länder übernehmen wichtige
Regelungs-, Anregungs- und Unterstützungsfunktionen. Auf allen Ebenen
hat es in den vergangenen Jahren umfangreiche Anstrengungen zur Förde-
rung und zum Schutz des Kindeswohls gegeben.

● Es ist Aufgabe der Eltern, die notwendigen Bedingungen für ein gelingendes
Aufwachsen ihrer Kinder zu schaffen. Die meisten Eltern tragen dieser Ver-
antwortung in hervorragender Weise Rechnung. Doch die gesellschaftlichen
Erwartungen und Ansprüche an Eltern, Kinder und damit an die Familien
sind in den letzten Jahrzehnten erheblich gewachsen. Junge Familien stehen
unter vielfältigem Druck. Um diesen auszuhalten, brauchen sie Unterstützung,
Begleitung, Bildung, Beratung und Hilfen – von Anfang an. Alle Eltern er-
leben immer wieder Phasen, in denen sie Bildungs- und Beratungsbedarf
haben. Für alle Eltern muss es selbstverständlich sein, entsprechende Ange-
bote anzunehmen und auch Unterstützung und Hilfe in Anspruch zu nehmen,
falls dies erforderlich ist. Wer Kinder wirksam vor Vernachlässigung und
Misshandlung schützen will, muss Eltern und ihre Kinder wirksam von An-
fang an stärken und fördern. Familien zu stärken bedeutet, ihnen frühzeitig
und damit rechtzeitig orientiert am individuellen Bedarf der Familie Bildung,
Beratung und – falls erforderlich – Unterstützung und Hilfen anzubieten. So
können Familien die für die Gestaltung des Familienalltags notwendigen
Kompetenzen lernen und die Schwierigkeiten und Risiken des Alltags meis-
tern. Vernachlässigungen und Misshandlungen sind oftmals Ergebnis einer
Überforderung. Durch frühzeitige Bildungs-, Beratungs-, Unterstützungs-
und Förderangebote kann es in vielen Fällen gelingen, diese Gefährdungs-
potenziale zu minimieren.

● Für Kinder und Jugendliche, die in belastenden Lebenslagen aufwachsen, ist
das Risiko gesundheitlicher Beeinträchtigungen besonders groß. Hier gilt es,
wie es der 13. Kinder- und Jugendbericht vorschlägt, die Ressourcen dieser
Kinder und Jugendlichen sowie ihrer Familien mit dem Ziel zu fördern,
Widerstandsfähigkeit dieser Kinder gegen krankmachende Bedingungen zu
stärken. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zur Primärpräven-
tion und auch unterstützende Angebote für Schwangere und junge Familien
im Rahmen regionaler Netzwerke, die in einigen Ländern bereits aufgebaut
wurden, können diesem Risiko entgegenwirken. Daher sollten entsprechende
Initiativen in den Ländern durch ein bundeseinheitliches Präventionsgesetz
zur Stärkung der Prävention und der Gesundheitsförderung ergänzt werden.

● Förderung und Prävention sind die besten Mittel, um Kinder und ihre Fami-
lien effektiv zu unterstützen und Kinder vor Gefährdungen zu schützen. Alle
politischen Ebenen sind gefordert, Lücken bei der Förderung eines gesunden
Aufwachsens, bei der Vernetzung von Strukturen zur Etablierung von Maß-
nahmen für frühe Förderung und für Frühe Hilfen sowie bei der Prävention
von Kindesvernachlässigung und -misshandlung aufzudecken und zu schlie-
ßen. Bei der Überprüfung und Weiterentwicklung bundesgesetzlicher Rege-
lungen müssen die Schnittstellen zwischen dem Achten Buch Sozialgesetz-
buch – Kinder- und Jugendhilfe – (SGB VIII), dem Fünften Buch Sozial-
gesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V), dem Neunten
Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen –
(SGB IX) sowie dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe –
(SGB XII) besondere Beachtung finden. Der 13. Kinder- und Jugendbericht

liefert wichtige Grundlagen für eine Überprüfung dieser Regelungen.

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● Im Rahmen des SGB VIII kommt hier den Leistungen zur allgemeinen Förde-
rung der Erziehung in der Familie nach § 16 SGB VIII und den erzieherischen
Hilfen nach § 27 ff. SGB VIII eine zentrale Bedeutung zu. Entsprechende
rechtliche Klarstellungen sind vorzunehmen und Regelungslücken, die beson-
ders zwischen dem SGB V und dem SGB VIII vorhanden sind, zu schließen.

● Auch Tageseinrichtungen für Kinder sind sehr wichtig für eine frühe Förde-
rung, für Frühe Hilfen und sie sind damit ein wesentliches Instrument für
einen wirksamen präventiven Kinderschutz. Sie sind die erste Förder- und
Bildungsinstitution der Kinder. Sie bieten Raum und Zeit, um Kinder früh
und individuell zu fördern und elternhausbedingte Nachteile auszugleichen.
Gerade für Eltern, die in besonders riskanten Lebensverhältnissen leben, sind
sie auch dringend benötigte Entlastung und Unterstützung. Daher ist der flä-
chendeckende Ausbau der Kinderbetreuungsangebote für unter Dreijährige
und die mittel- und langfristige Weiterentwicklung von Tageseinrichtungen für
Kinder zu Eltern-Kind-Zentren unerlässlich. Angebote der Kindertagesein-
richtungen müssen mit denen der Familienbildung, -unterstützung und -förde-
rung in einem integrierten Gesamtkonzept zusammengefasst werden.

● Für den Schutz von Kindern und Jugendlichen engagieren sich Tag für Tag
zahlreiche Menschen beruflich und ehrenamtlich. Besonders zu nennen sind
hier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Engagierte in der Kinder- und
Jugendhilfe, im Gesundheitswesen, im Bildungssystem, aber auch Mitarbei-
terinnen und Mitarbeiter von Sozialleistungsträgern, besonders der ARGEn
nach dem SGB II und der Krankenkassen, der Justiz und der Ordnungs- und
Polizeibehörden. Wenn diese Menschen eingebunden in unterschiedliche
Systeme zuverlässig und verbindlich zusammenarbeiten, dann ist damit eine
wesentliche Bedingung für eine gute Vernetzung der verschiedenen Systeme
zum Wohl der Kinder erfüllt. Frühe Förderung und Frühe Hilfen bedürfen
verbindlicher und transparenter Kooperations- und Koordinationsstrukturen
vor Ort.

● Ein wirksamer Kinderschutz setzt verbindliche Kooperationsstrukturen vor-
aus. Das SGB VIII enthält in § 81 Regelungen zur Zusammenarbeit. Diese
nehmen entsprechend der Gesetzessystematik jedoch nur die Träger der öf-
fentlichen Jugendhilfe in die Pflicht, haben aber keine normative Wirkung im
Hinblick auf die Kooperationspartner. Notwendig sind daher korrespondie-
rende rechtliche Regelungen über die Verpflichtung der Kooperationspartner
zur Zusammenarbeit mit den Trägern der Jugendhilfe. Daher sind einschlä-
gige Gesetze auf entsprechende Kooperationspflichten hin zu überprüfen und
zu ergänzen.

● Im Hinblick auf die unterschiedlichen Bedarfslagen von Eltern und werden-
den Eltern ist die Arbeit von Hebammen gerade für die frühe Förderung der
Kinder und der Bildung der Familien besonders wichtig. Bei der Arbeit mit
belasteten Familien kommt Hebammen eine besondere Bedeutung zu. Heb-
ammen haben sowohl die Gesundheit der Mutter wie des Kindes im Blick.
Erfahrene Hebammen beraten und begleiten Familien und unterstützen sie
bei der Nutzung der vorhandenen sozialen Netze, wenn Familien Förderung,
Bildung oder direkte Hilfen benötigen. Netzwerkarbeit und Kooperation so-
wie aufsuchende Hilfen machen zunehmend einen großen Teil der Arbeit von
Hebammen in Familien in prekärer Lebenslage aus. Einen weiteren Schwer-
punkt ihrer Tätigkeit bildet die Arbeit an Schnittstellen, zum Beispiel
zwischen ambulanter und stationärer Betreuung oder zwischen dem Gesund-
heitswesen und der Kinder- und Jugendhilfe. Angesichts der großen Bedeu-
tung ihrer Tätigkeit für Förderung, Prävention und Frühe Hilfen müssen
ausreichende Rechtsgrundlagen und eine entsprechende Qualifikation bei-

spielsweise zum Erkennen der in Familien vorhandenen Ressourcen und zur
Förderung des Wohlergehens des Kindes und der Eltern vorhanden sein. Für

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den regelhaften Einsatz von Hebammen mit einer entsprechenden Zusatzqua-
lifikation als sogenannte Familienhebamme sind die notwendigen rechtlichen
Rahmenbedingungen zu schaffen.

● Die zahlreichen Ansätze einer sozialräumlichen Arbeit zur frühen Förderung
und zu den Frühen Hilfen in den Kommunen haben eine wichtige „Lotsen-
funktion“ und sind deshalb zu fördern und zu stärken. Neben dem Zugang,
den Hebammen zu jungen Familien haben, können zum Beispiel auch
Schwangerenberatungsstellen, frauen- und kinderärztliche Praxen, ehren-
amtlich tätige Familienpaten, Familienbildungsstätten, die Geburtsvorberei-
tungskurse sowie Still- und Krabbelgruppen anbieten, ihre Zugänge zu
Familien nutzen, um Bildung, Beratung, Unterstützung, Förderung und Hil-
fen anzubieten. Dabei gilt es auch, neue Zugangsformen zu entwickeln, um
besonders belastete Familien frühzeitig zu erreichen.

● Die in § 86c SGB VIII getroffenen Regelungen zur Fortdauer der Leistungs-
verpflichtung beim Zuständigkeitswechsel örtlicher Träger der Jugendhilfe
müssen ein geeignetes Übergabeverfahren zur Wahrnehmung des Schutzauf-
trages bei Kindeswohlgefährdung gewährleisten. Eine mögliche Neurege-
lung muss in der Praxis Klarheit schaffen und für die Fachkräfte vor Ort
handhabbar sein.

● Ein wirksamer Kinderschutz braucht auch verlässliche Analysen und Daten-
grundlagen zur Kinderschutzpraxis. Der Schutzauftrag der Kinder- und
Jugendhilfe bei Kindeswohlgefährdung auf der Grundlage des § 8a SGB VIII
hätte bereits in der 16. Legislaturperiode evaluiert und diese Evaluation vor-
gelegt werden müssen. Ob und inwieweit § 8a SGB VIII gezielt verändert
werden muss, kann erst auf Grundlage der nach wie vor ausstehenden Eva-
luation entschieden werden.

● Notwendig für die Beurteilung der Wirkungen dieser Vorschrift sind darüber
hinaus statistische Ergebnisse. Um aussagekräftige Daten über die Art und
Weise der Wahrnehmung des in § 8a SGB VIII geregelten Schutzauftrages zu
erhalten, die Entwicklung beobachten und daraus gegebenenfalls Schlüsse
für die fachliche und rechtliche Weiterentwicklung des Kinderschutzes zie-
hen zu können, muss der in § 8a SGB VIII geregelte Prozess der Gefähr-
dungseinschätzung zur Wahrnehmung des Schutzauftrages bei Kindeswohl-
gefährdung künftig statistisch erfasst werden.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt

● die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans „Für ein kindergerechtes
Deutschland 2005–2010“, bei dem das Aufwachsen ohne Gewalt und die
Förderung eines gesunden Lebens von Kindern und Jugendlichen wichtige
Handlungsfelder darstellen;

● die in der 16. Legislaturperiode durch den Beschluss des Deutschen Bundes-
tages „Gesundes Aufwachsen ermöglichen – Kinder besser schützen – Risiko-
familien helfen“ (Bundestagsdrucksache 16/4604) angestoßenen Maßnahmen
zur Verbesserung des Kinderschutzes. Insbesondere wurden der Kinderschutz
von der präventiven Seite her gestärkt, die Kooperation der Verantwortungs-
gemeinschaft von Kinder- und Jugendhilfe, Gesundheitswesen und Justiz ver-
bessert und durch Projekte in allen Ländern Modelle vernetzter Strukturen frü-
her Förderung und Früher Hilfen entwickelt;

● das Aktionsprogramm „Frühe Hilfen für Eltern und Kinder und soziale Früh-
warnsysteme“ und die Einrichtung des „Nationalen Zentrums Frühe Hilfen“;

● das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefähr-

dung des Kindeswohls (Bundestagsdrucksache 16/6815);

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● das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angele-
genheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Bundestagsdrucksache 16/6308);

● das Fünfte Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes (Bundes-
tagsdrucksache 16/12427);

● die Veröffentlichung des 13. Kinder- und Jugendberichts „Bericht über die
Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und
Jugendhilfe in Deutschland“ (Bundestagsdrucksache 16/12860);

● den Abschlussbericht der beim Bundesministerium der Justiz eingerichteten
Arbeitsgruppe „Familiengerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kin-
deswohls – § 1666 BGB“, der Empfehlungen für eine weitere Verbesserung
des Kinderschutzes, etwa durch Qualitätssicherung bei Vormundschaft und
Pflegschaft oder durch Intensivierung der Zusammenarbeit von Jugendäm-
tern und Gerichten, enthält;

● die Einführung einer neuen Kinderuntersuchung U 7a nach § 26 SGB V;

● den Eltern-Ordner der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung „Ge-
sund groß werden“ zum Früherkennungsprogramm für Kinder sowie

● die Initiativen der Länder und der Kommunen zur Verbesserung des Schutzes
von Kindern und Jugendlichen.

III. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● einen Gesetzentwurf vorzulegen, der zum Ziel hat, Kinderrechte im Grund-
gesetz zu verankern und damit der Kinderrechtskonvention der Vereinten
Nationen und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in der Ver-
fassung Rechnung zu tragen;

● einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Kinderschutz wirksam verbessert
und die Prävention im Kinderschutz optimiert. Dieser Gesetzentwurf zur
Weiterführung der Regelungen zum § 1666 BGB soll in einem Diskurs zwi-
schen Bund, Ländern, Kommunen und Fachverbänden sowie der Wissen-
schaft ausgearbeitet werden. Es sollen dabei insbesondere die Förderung von
Familien und Frühe Hilfen für Eltern und deren Kinder gestärkt und der
Schutzauftrag der Jugendhilfe weiterqualifiziert werden;

● die in der 17. Legislaturperiode geplanten oder durchgeführten gesetzgeberi-
schen Maßnahmen zu unterlassen oder rückgängig zu machen, die die Finanz-
kraft des Bundes, der Länder und der Kommunen schwächen und damit einen
wirksamen Kinderschutz konterkarieren;

● gemeinsam mit den Ländern Lücken in bundesgesetzlichen Regelungen zur
Prävention von Kindesvernachlässigung und -misshandlung, zur Stärkung
der frühen Förderung und Frühen Hilfen und zur Förderung eines gesunden
Aufwachsens zu identifizieren und zu schließen. Wichtige Grundlagen zur
Identifizierung bestehender Lücken sollten der 13. Kinder- und Jugend-
bericht sowie die Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Weiter-
entwicklung des Kinderschutzes an der Schnittstelle von Jugendhilfe und
Gesundheitswesen sein;

● gemeinsam mit den Ländern den Ausbau der Kinderbetreuung für unter Drei-
jährige weiter voranzubringen und Initiativen zu ergreifen, um Tageseinrich-
tungen für Kinder mittel- und langfristig zu Eltern-Kind-Zentren umzugestal-
ten;

● gemeinsam mit den Ländern die Qualifizierung der Tagespflege zu befördern
und dabei insbesondere das Profil der Tagespflege im Gesamtsystem der
Kinderbetreuung zu schärfen sowie die Steuerungsrolle der Jugendämter zu

stärken;

Drucksache 17/498 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

● die in § 16 SGB VIII geregelten Leistungen zur allgemeinen Förderung der
Erziehung in der Familie im Zusammenhang mit den Hilfen zur Erziehung
gemäß § 27 ff. SGB VIII zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Hierbei
muss vor allem geprüft werden, ob zwischen dem Leistungstatbestand der
Hilfe zur Erziehung nach § 27 Absatz 1 SGB VIII und den anderen Leistun-
gen der Kinder- und Jugendhilfe eine Lücke besteht, die durch spezifische
Leistungen der frühen Förderung und Frühen Hilfe zu schließen ist;

● in Abstimmung mit den Ländern und Kommunen die Qualifizierung des
Pflegekinderwesens als eine wesentliche Säule der Hilfen zur Erziehung
voranzutreiben und durch gesetzgeberische Maßnahmen nachhaltig zu sichern;

● die vorhandenen Rechtsgrundlagen für den Einsatz von Hebammen zu prüfen
und ggf. zu verbessern;

● gemeinsam mit den Ländern entsprechende Rahmenbedingungen für den
Einsatz von Familienhebammen zu schaffen, um eine regelhafte psychoso-
ziale und medizinische Beratung und Betreuung von Eltern mit Kindern be-
ginnend bei der Geburt und während der ersten Lebensmonate durch Familien-
hebammen sicherzustellen. Dabei ist ein besonderes Augenmerk auf Eltern
mit besonderen Belastungen zu richten. Die Erfahrungen aus den Projekten,
in denen besonders qualifizierte Hebammen als Familienhebammen schwer-
punktmäßig mit besonders belasteten Familien gearbeitet haben, sind hierbei
auszuwerten. Dabei ist darauf zu achten, dass die anzustrebenden Regelun-
gen die Zusammenarbeit zwischen Familienhebammen und den Fachkräften
der sozialpädagogischen Familienhilfe fördern;

● die Initiativen zur Stärkung von Gesundheitsförderung und Prävention, zur
Entwicklung regionaler Netzwerke für frühe Förderung und primärpräven-
tiver Unterstützungsangebote für Schwangere und junge Familien in den
Ländern durch ein bundeseinheitliches Präventionsgesetz zu ergänzen;

● die Familienbildung als eine verbindliche Leistung im Alltag der Jugendhilfe
zu implementieren;

● die in § 81 SGB VIII geregelten Kooperationspflichten der Träger der öffent-
lichen Jugendhilfe durch korrespondierende Kooperationspflichten weiterer
Partner zu ergänzen. Da die Aufgaben verschiedener Kooperationspartner im
Rahmen der Gesetzgebungskompetenz der Länder zu regeln sind, wird die
Bundesregierung aufgefordert, bei den Ländern darauf hinzuwirken, dass die
einschlägigen Landesgesetze entsprechend überprüft und ergänzt werden;

● die in § 86c SGB VIII getroffenen Regelungen zur Fortdauer der Leistungs-
verpflichtung beim Zuständigkeitswechsel örtlicher Träger der Jugendhilfe
so zu überarbeiten, dass ein geeignetes Übergabeverfahren zur Wahrneh-
mung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung gewährleistet ist;

● zu der in § 8a SGB VIII geregelten Wahrnehmung des Schutzauftrages bei
Kindeswohlgefährdung endlich die ausstehende Evaluation vorzulegen;

● den in § 8a SGB VIII geregelten Prozess der Gefährdungseinschätzung zur
Wahrnehmung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung statistisch zu
erfassen. Um die Tätigkeit der Jugendämter und die Wirksamkeit der in § 8a
Absatz 2 SGB VIII erwähnten erfahrenen Fachkraft besser erfassen zu kön-
nen, sollten die Erhebungsmerkmale in der Statistik der Kinder- und Jugend-
hilfe (§ 98 ff. SGB VIII) insoweit überarbeitet werden, dass der Prozess der
Gefährdungseinschätzung, die daran beteiligten Personen und Institutionen
sowie die daraus resultierenden Maßnahmen transparent abgebildet werden;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/498

● dem Deutschen Bundestag so schnell wie möglich den Bericht mit den Er-
gebnissen des vom Bund geförderten Projektes „Bundesweite Bestandsauf-
nahme zu Kooperationsformen im Bereich Früher Hilfen“ sowie den Bericht
mit den Ergebnissen des ebenfalls vom Bund geförderten Forschungsprojektes
„Aus Fehlern lernen – Qualitätsmanagement im Kinderschutz“ vorzulegen.

Berlin, den 22. Januar 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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