BT-Drucksache 17/4957

Mitverbrennung von Abfällen in Kohlekraftwerken

Vom 25. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4957
17. Wahlperiode 25. 02. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Oliver Krischer, Dorothea Steiner, Bärbel Höhn,
Hans-Josef Fell, Sylvia Kotting-Uhl, Undine Kurth (Quedlinburg), Ingrid Nestle,
Dr. Hermann Ott, Cornelia Behm und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Mitverbrennung von Abfällen in Kohlekraftwerken

Die Firma RWE Power AG beabsichtigt, im Industriekraftwerk Ville-Berren-
rath im Rhein-Erft-Kreis zukünftig dauerhaft neben Braunkohle bis zu 720 000
Tonnen Klärschlamm, Altholz und so genannte Sekundärbrennstoffe (aufberei-
tete Hausmüllabfälle) pro Jahr mit zu verbrennen. Das sind rund 50 Prozent des
Gesamtbrennstoffeinsatzes. Pro Stunde sollen bis zu 60 Tonnen Klärschlamm
und bis zu 20 Tonnen Sekundärbrennstoffe verbrannt werden. Sowohl im
Kraftwerk Ville-Berrenrath als auch im Kraftwerk Wachtberg in Frechen (eben-
falls Rhein-Erft-Kreis) sind in der Vergangenheit bereits „versuchsweise“ Klär-
schlämme, Altholz, Haus- und Gewerbemüll verbrannt worden, allerdings be-
trug der Anteil dieser „Brennstoffe“ maximal 25 Prozent. RWE Power AG hat
nun die Genehmigung eines entsprechenden Rahmenbetriebsplans gemäß § 52
Absatz 2a des Bundesberggesetzes (BbergG) für die dauerhafte Mitverbren-
nung im Industriekraftwerk Berrenrath bei der zuständigen Bergbehörde des
Landes Nordrhein-Westfalen, der Bezirksregierung Arnsberg, gestellt.

Vor Ort stößt das Vorhaben auf erhebliche Kritik. Befürchtet werden hohe
Schadstoffbelastungen, da die von RWE Power AG beantragten Abgaswerte für
einige Schadstoffe über den Vorgaben der Siebzehnten Verordnung zur Durch-
führung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (17. BImSchV) liegen, wie sie
für reine Abfallverbrennungsanlagen gelten. So wird befürchtet, dass die Emis-
sionen von Salzsäure um ein Vielfaches über den Vorgaben für reine Müll-
verbrennungsanlagen liegen. Auch die beantragten Werte für anorganische gas-
förmige Chlorverbindungen, Kohlenmonoxid, SOx und NOx liegen höher. Die
im Kraftwerk Berrenrath beantragte Mindesttemperatur von 740 Grad Celsius
unterschreitet deutlich die Mindesttemperatur (850 Grad Celsius), die eine Ent-
stehung von Dioxinen und Furanen bei der Verbrennung verhindert.

Abfallpolitisch erscheint die Mitverbrennung fragwürdig, weil viele kommu-
nale, von den Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler finanzierte Müllver-
brennungsanlagen in ganz Deutschland mit deutlich höheren Umweltstandards
als Braunkohlekraftwerke nicht ausgelastet sind. Dagegen ist die Mitverbren-
nung für RWE Power AG offensichtlich doppelt lukrativ: Die Ersatzbrennstoffe
sind billig oder ihre Annahme sogar mit Einnahmen verbunden. Gleichzeitig
spart der Konzern den Kauf von CO2-Emissionrechten für die Verbrennung von
Braunkohle.

Drucksache 17/4957 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung die Mitverbrennung von sog. Sekundär-
brennstoffen (Klärschlamm, Altholz, Haus- und Gewerbemüll usw.) unter
den Gesichtspunkten des Emissionsschutzes, des Klimaschutzes und der
Abfallpolitik?

2. In welchen Kohlekraftwerken findet in Deutschland eine Mitverbrennung
von Abfällen statt (bitte um Auflistung der zur Mitverbrennung genehmig-
ten Stoffgruppen und -mengen für jedes Kraftwerk)?

3. Beurteilt die Bundesregierung die existierenden Regelungen zur Mitver-
brennung von Abfällen als ausreichend, und wenn nicht, in welchen Berei-
chen sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung Erkenntnisse des Umweltbundesamtes,
wonach die heute in Deutschland im Betrieb befindlichen Müllverbren-
nungsanlagen (Monoverbrennung, Rostfeuerungsanlagen) im Routine-
betrieb die Grenzwerte des § 5 Absatz 1 der 17. BImSchV deutlich unter-
schreiten?

5. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung zutreffend, dass sich der Stand
der Technik für die Müllverbrennung weiterentwickelt hat?

6. Teilt die Bundesregierung daher die Auffassung, dass die heutige
17. BImSchV für den Bereich Müllverbrennung sowohl technisch als auch
rechtlich nicht mehr dem Stand der heutigen Technik entspricht?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die mit der
letzten größeren Novelle der 17. BImSchV getroffenen Festlegungen für
die Abfallmitverbrennung?

8. Ist der Bundesregierung in diesem Zusammenhang bekannt, dass es eine
zunehmende Tendenz der Bundesländer gibt, einschlägige Vorschriften des
Immissionsschutzrechts für die Abfallbranche nicht zu vollziehen bzw. zu
ignorieren?

9. Ist der Bundesregierung bekannt, dass es in der Vollzugspraxis der Länder
bezüglich der Einhaltung der Grenzwerte für NOx für die Abfallmit-
verbrennung in Zementwerken unzulässige Abweichungen von den Vor-
schriften der 17. BImSchV gibt?

10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass bei Überschreitung des Ab-
fallanteils von mehr als 25 Prozent an der Feuerungswärmeleistung eines
Kraftwerks, alle Grenzwerte des § 5 Absatz 1 der 17. BImSchV einzuhal-
ten sind?

11. Ist der Bundesregierung bekannt, dass von dieser Regel bereits in einigen
Fällen abgewichen wurde?

Ist der Bundesregierung insbesondere bekannt, dass der Antragsteller
(RWE Power AG) beantragt, von dieser Regel (einhalten von § 5 Absatz 1
17. BImSchV) befreit zu werden?

12. Wie bewertet die Bundesregierung, dass z. B. im Falle des Industriekraft-
werks Berrenrath höhere Grenzwerte für Schadstoffe genehmigt werden
können oder sollen als diese nach der 17. BImschV gelten?

Ist der Bundesregierung für diese Anlage bekannt inwieweit Grenzwerte
für welche Stoffe abweichen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4957

13. Wie bewertet die Bundesregierung, dass im Falle des Industriekraftwerks
Berrenrath, bei der Mitverbrennung im Kohlekraftwerk Verbrennungstem-
peraturen unter 850 Grad Celsius zulässig sein sollen?

Wie bewertet sie dies bezüglich der Möglichkeit zur Entstehung von Dioxi-
nen und Furanen?

Erachtet sie die bestehende Rechtsgrundlage als ausreichend, oder welche
Änderungen sind ggf. geplant?

14. Ist der Bundesregierung bekannt, welche qualitativen Unterschiede sich im
konkreten Falle des Industriekraftwerks Berrenrath bei der Mitverbrennung
im Vergleich etwa zu einer kommunalen Müllverbrennungsanlage im Hin-
blick auf das Genehmigungsverfahren, einzuhaltende Umweltstandards
und Grenzwerte usw. ergeben?

15. Hat die Bundesregierung ermittelt, in welchem Umfang durch Abfall-
mitverbrennung in Kohlekraftwerken und Zementwerken die Quecksilber-
emissionen in Deutschland zugenommen haben, und welche Ergebnisse hat
sie erhalten?

16. Trifft es zu, dass die Betreiber von Kraftwerken durch die Mitverbrennung
von Abfällen ihre CO2-Emissionen reduzieren können und dadurch weni-
ger Emissionszertifikate benötigen?

In welchem Umfang wurde von dieser Möglichkeit in Deutschland bisher
Gebrauch gemacht?

17. Wie werden diese Möglichkeiten des Emissionshandelsrechts durch die für
die Kontrolle auf einzelbetrieblicher Ebene zuständigen Bundesländer bis-
her überwacht?

Liegen der Deutschen Emissionshandelsstelle Kontrollberichte der Länder
vor?

18. Müllverbrennungsanlagen können für die energetische Verwertung regene-
rativen Kohlenstoffs keine Vorteile aus dem Emissionshandel erzielen.
Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass durch die beschriebene Mög-
lichkeit des Emissionshandels die aus Immissionsschutzsicht negativ zu
beurteilende Abfallmitverbrennung in Kraftwerken weiter gefördert wird?

19. Welche Kraftwerke haben durch die Mitverbrennung in den Jahren 2008
bis 2010 wie viele Emissionszertifikate einsparen können (bitte Auflistung
für jedes Kraftwerk und Jahr)?

20. Welcher Zusatzgewinn ist den Kraftwerksbetreibern auf Basis der jeweils
aktuellen Emissionszertifikatepreise hierdurch entstanden?

21. Wie genau berechnet sich, durch welchen Einsatz welcher Mengen an Er-
satz- und Sekundärbrennstoffen wie viele Emissionszertifikate durch den
Kraftwerksbetreiber eingespart werden können, und wie wird dies über-
wacht?

Berlin, den 25. Februar 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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