BT-Drucksache 17/4954

zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Volker Beck (Köln), Ingrid Hönlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -17/4546- Schwule, lesbische und transsexuelle Jugendliche stärken

Vom 28. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4954
17. Wahlperiode 28. 02. 2011

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Volker Beck (Köln), Ingrid
Hönlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/4546 –

Schwule, lesbische und transsexuelle Jugendliche stärken

A. Problem

Der Antrag auf Drucksache 17/4546 behandelt die Situation schwuler, lesbischer
und transsexueller Jugendlicher und setzt sich insbesondere für einen Ausbau
kompetenter Beratungsstellen sowie für verstärkte Präventionsmaßnahmen
gegen die Diskriminierung homosexueller und transsexueller Jugendlicher ein.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme des Antrags auf Drucksache 17/4546.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Drucksache 17/4954 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/4546 abzulehnen.

Berlin, den 23. Februar 2011

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Sibylle Laurischk
Vorsitzende

Dr. Peter Tauber
Berichterstatter

Christel Humme
Berichterstatterin

Florian Bernschneider
Berichterstatter

Jörn Wunderlich
Berichterstatter

Kai Gehring
Berichterstatter

und Weiterbildungsprogramme für Lehrkräfte und Mitar- besondere der Weg zum Coming-out gestalte sich für viele
Jugendliche sehr kompliziert. Junge Schwule und Lesben
beiter der Jugendhilfe zu den Themen sexuelle Vielfalt

und Identität, Coming-out und Prävention von Homo-
phobie zu initiieren,

– den Nationalen Integrationsplan um interkulturelle An-

hätten immer noch mit Vorurteilen, mit Mobbing, Herabwür-
digungen und Verächtlichmachung zu kämpfen. Das Suizid-
risiko und auch die Suizidrate seien bei diesen Jugendlichen
um ein Mehrfaches höher als bei anderen – dies müsse
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4954

Bericht der Abgeordneten Dr. Peter Tauber, Christel Humme,
Florian Bernschneider, Jörn Wunderlich und Kai Gehring

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 17/4546 wurde in der
87. Sitzung des Deutschen Bundestages am 27. Januar 2011
dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
zur federführenden Beratung sowie dem Innenausschuss,
dem Ausschuss für Gesundheit und dem Ausschuss für Bil-
dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur Mitbe-
ratung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Der Antrag auf Drucksache 17/4546 geht auf die Situation
schwuler, lesbischer und transsexueller Jugendlicher in der
Bundesrepublik Deutschland ein und hebt dabei fortdauernde
Diskriminierungen dieser Gruppen in der Gesellschaft und
einen Mangel an geeigneten Anlaufstellen hervor. Zwar habe
sich Vieles zum Positiven entwickelt, doch seien Lesben,
Schwule und Transsexuelle sowohl in ihrem Alltag und Le-
bensumfeld als auch in rechtlichen Regelungen noch nicht
angemessen akzeptiert und gleichgestellt, was zu Diskrimi-
nierung, Mobbing und Ausgrenzung führe. Des Weiteren
mangele es immer noch an geeigneten, kompetenten und flä-
chendeckenden Anlaufstellen für schwule, lesbische oder
transsexuelle Jugendliche, insbesondere in ländlichen Berei-
chen. Letztlich fehle es auch an einer breit angelegten wis-
senschaftlichen Studie zur Lebenssituation homosexueller
Jugendlicher, obwohl diese bereits im Jahr 2005 vom Bun-
destag eingefordert worden sei (Drucksache 15/5691).

Insgesamt fordert der Antrag eine weitergehende Sensibili-
sierung für die Belange und Rechte schwuler, lesbischer und
transsexueller Jugendlicher in allen gesellschaftlichen Berei-
chen sowie eine verstärkte Bekämpfung von Mobbing und
Homophobie. In diesem Zusammenhang fordert der Antrag
die Bundesregierung auf,

– umfangreiche Präventionsstrategien zu entwickeln,

– eine umfassende Förderung schwul-lesbischer Jugend-
arbeit zu initiieren und im Kinder- und Jugendplan des
Bundes zu verankern,

– zusammen mit den Ländern ein Maßnahmenpaket zur
Stärkung lesbischer, schwuler und transsexueller Jugend-
licher in Jugend- und Bildungseinrichtungen auf den Weg
zu bringen,

– bei den Ländern auf die Erweiterung von Schulbüchern
und sonstigen Schulmedien sowie Lehrplänen zum
Zweck der positiven Darstellung der Vielfalt sexueller
Identitäten und Lebensweisen hinzuwirken sowie Aus-

– eine bundesweite Akzeptanzkampagne zur sexuellen
Vielfalt und einen „Jugendwettbewerb gegen Homo-
phobie und für Vielfalt“ durchzuführen sowie bei der
Bundeszentrale für politische Bildung und der Bundes-
zentrale für gesundheitliche Aufklärung zusätzliche Ziel-
gruppen-spezifische Informationsmaterialien für Jugend-
liche und ihre Angehörigen zu initiieren,

– Musik und Telemedien mit homosexuellenfeindlichen
Inhalten verstärkt zu ächten,

– den Bundestagsbeschluss von 2005 umzusetzen und eine
breit angelegte Studie zur Lebenssituation homosexueller
Jugendlicher durchzuführen sowie die Situation schwuler
und lesbischer Jugendlicher regelmäßig in Berichten der
Bundesregierung angemessen zu berücksichtigen.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse
Der Innenausschuss, der Ausschuss für Gesundheit und
der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik-
folgenabschätzung haben jeweils in ihren Sitzungen am
9. Februar 2011 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung
des Antrags empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnis im
federführenden Ausschuss

1. Abstimmungsergebnis

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung
des Antrags auf Drucksache 17/4546.

2. Inhalt der Ausschussberatungen

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat
die Vorlage in seiner 31. Sitzung am 9. Februar 2011 ab-
schließend beraten.

Der Vertreter der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
trug vor, fünf bis zehn Prozent der Jugendlichen in Deutsch-
land seien schwul, lesbisch oder transsexuell. Auch sie hät-
ten ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben, die bestmög-
lichen Bedingungen zur Persönlichkeitsentwicklung und ein
angst- und diskriminierungsfreies Aufwachsen. Zwar habe
sich durch die generelle gesellschaftliche Liberalisierung
schon Vieles verbessert, nach wie vor sei die Lebenssituation
junger Schwuler und Lesben jedoch oft schwierig und ins-
gebote zu den Themen sexuelle Vielfalt sowie Homo-
und Transphobie zu erweitern,

alarmieren und durch politisches Handeln gegengesteuert
werden.

Drucksache 17/4954 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der vorliegende Antrag enthalte zahlreiche Vorschläge für
eine Gesamtstrategie zur Stärkung schwuler, lesbischer und
transsexueller Jugendlicher. Etliche Länder seien diesbezüg-
lich bereits vorangegangen; so stelle Nordrhein-Westfalen
beispielsweise einen Aktionsplan gegen Homophobie auf.
Es sei jedoch auch der Bund gefordert. Zwar werde bereits
im Rahmen des Kinder- und Jugendplans des Bundes die
schwul-lesbische Jugendarbeit gefördert, doch sei der dafür
eingesetzte Betrag von 200 000 Euro pro Jahr zu gering, um
etwa eine bundesweite Struktur von Anlaufstellen aufzubau-
en und den Hauptzuwendungsempfänger Lambda aus-
reichend zu fördern. Darüber hinaus sollten in Zusammen-
arbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung, der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, der Antidis-
kriminierungsstelle des Bundes und den schwul-lesbischen
Jugend- und Bürgerrechtsverbänden mehr zielgruppenspezi-
fische Materialien erarbeitet und gemeinsam mit den Län-
dern nachhaltige Präventionsstrategien entwickelt werden.

Schulen und Jugendeinrichtungen müssten Orte ohne Homo-
phobie werden. Auch hier könne der Bund Einfluss nehmen,
beispielweise durch Gespräche in der Kultusminister- und
Jugendministerkonferenz, durch Kooperation mit Schul-
buchverlagen und Unterstützung von Schulaufklärungspro-
jekten wie beispielsweise SchLAu NRW. Junge Schwule
und Lesben mit Migrationshintergrund seien darüber hinaus
häufig von mehrdimensionaler Diskriminierung betroffen.
Die Bundesregierung könnte deren Bedarf an zusätzlicher
Unterstützung durch eine Erweiterung des nationalen Inte-
grationsplanes aufgreifen und auch – entsprechend dem Vor-
bild in Nordrhein Westfalen – einen bundesweiten „Jugend-
wettbewerb gegen Homophobie und für Vielfalt“ initiieren.
Eine bundesweite Studie über die Lebenssituation von
schwulen und lesbischen Jugendlichen in Deutschland, wie
bereits im Jahr 2005 vom Deutschen Bundestag gefordert,
sei ohnehin überfällig.

Der Vertreter der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN be-
tonte abschließend, sicherlich bestünden in dem hier disku-
tierten Problemfeld viele Landeskompetenzen. Dennoch
könne auch der Bund seine Möglichkeiten selbstbewusst
ausschöpfen und müsse die Kooperation mit den Ländern su-
chen. Der Bundestag habe im Jahr 2005 schon einmal eine
bundesweite Studien beschlossen und es wäre wünschens-
wert, diesen Beschluss durch eine fraktionsübergreifende In-
itiative noch einmal zu bekräftigen.

Der Vertreter der Fraktion der CDU/CSU betonte, auch für
die Koalition sei Chancengleichheit ein wesentlicher Aspekt
und man habe sich vorgenommen, gegen Benachteiligungen
und Diskriminierung in allen Lebensbereichen vorzugehen.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN habe zwar darauf
hingewiesen, dass viele positive Entwicklungen zu verzeich-
nen seien, dann jedoch mit Blick auf die Benachteiligung von
schwulen, lesbischen und transsexuellen Jugendlichen ein
Zerrbild der gesellschaftlichen Wirklichkeit gezeichnet. Oh-
ne die Probleme vom Tisch wischen zu wollen sei es gewiss
wenig hilfreich, sich so einseitig an den negativen Punkten zu
orientieren.

Viele der Forderungen im Antrag der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN seien bereits umgesetzt oder
stünden vor der Umsetzung. So würden über den Kinder-

das Jahr 2011 um 7 Prozent aufgestockt worden seien. Auch
die Bundeszentrale für politische Bildung setze bereits ent-
sprechende Themenschwerpunkte. Die Koalition sei also im
Rahmen der Kompetenzen des Bundes durchaus bereits tätig
geworden. Gleichwohl handele es sich hier um ein Thema
mit Schwerpunkt im Bildungsbereich, so dass in wesent-
lichen Punkten die Kompetenzen bei den Ländern und Kom-
munen lägen.

Abschließend äußerte sich der Vertreter der CDU/CSU-
Fraktion skeptisch hinsichtlich der Aussage des Antrags, die
Situation für schwule, lesbische und transsexuelle Jugendli-
che sei im ländlichen Raum schwieriger als in Großstädten.
Es müsse genau geschaut werden, von welchen Gruppen
Diskriminierung ausgehe; dies sei weniger eine regionale als
vielmehr eine soziologische Frage. Gerade im Bereich der
Rechtsradikalen gebe es besonders schwulenfeindliche Ten-
denzen, aber auch von muslimischen Jugendlichen und jun-
gen Männern im großstädtischen Milieu gehe eine frappie-
rende Schwulenfeindlichkeit aus, die tagtäglich zu erleben
sei. Dies blende der Antrag jedoch völlig aus, so dass hierü-
ber noch eine vertiefende Diskussion erforderlich sei.

Die Vertreterin der Fraktion der SPD beklagte, Deutsch-
land sei leider von einer diskriminierungs- und vorurteils-
freien Gesellschaft noch sehr weit entfernt. Dies betreffe ins-
besondere Lesben, Schwule und Transsexuelle. In seinen
Studien über deutsche Zustände stelle Professor Dr. Wilhelm
Heitmeyer immer wieder fest, wie vorurteilsbelastet die
deutsche Gesellschaft sei.

Richtigerweise betone der Antrag deshalb die Notwendig-
keit einer konsequenten Bildungspolitik, die Schülerinnen
und Schüler für das Thema sensibilisiere und Diskriminie-
rung in Frage stelle. Auch wenn hier Zuständigkeiten der
Länder betroffen seien, weise der Antrag zu Recht darauf
hin, dass hier mehr getan werden müsse. Auch die Forderung
des Antrags nach einer bundesweiten Studie zur Lebenssitu-
ation homosexueller Jugendlicher finde die Unterstützung
der SPD-Fraktion.

Der Vertreter der Fraktion der FDP erklärte, auch seiner
Fraktion sei das Thema wichtig. Der vorliegende Antrag ent-
halte sicherlich einige zutreffende Passagen. Es sei jedoch
bereits darauf hingewiesen worden, dass insgesamt ein zu
negatives Bild gezeichnet werde, das nicht der Realität ent-
spreche. Die Koalition habe in den letzten Monaten in Fra-
gen der Gleichberechtigung bereits Vieles erreicht und auch
wenn es nicht immer originär um Jugendliche gegangen sei,
gehe hiervon doch auch ein Signal an junge Menschen aus.
Speziell zur Jugendpolitik müsse darauf hingewiesen wer-
den, dass sich der gesamte Kinder- und Jugendplan an junge
Menschen richte und somit natürlich auch an schwule, lesbi-
sche und transsexuelle Jugendliche.

Kritisch sei schließlich die Tendenz zu bewerten, mit Anträ-
gen in Themenbereiche hineinwirken zu wollen, die der
Kompetenz der Länder unterlägen. Insbesondere führten im-
mer neue Modellprogramme eher zu einem „Flickenteppich“
als zu der von dem Vertreter der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN angemahnten Gesamtstrategie. Letztlich sei es
besser, hier das Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen
aus den Ländern zu führen und in diesem Zusammenhang
die Wichtigkeit bestimmter Themen herauszustellen. In der
und Jugendplan Projekte und Initiativen unterstützt, bei-
spielsweise der Jugendverband Lambda, dessen Mittel für

Sache sei jedoch auch die FDP-Fraktion gern zum weiteren
Dialog bereit.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/4954

Der Vertreter der Fraktion DIE LINKE. begrüßte den vor-
liegenden Antrag, der – trotz einiger Verbesserungen in den
letzten Jahren – fortbestehende Probleme anspreche und Lö-
sungswege aufzeige. Der Antrag knüpfe an die Initiative des
Berliner Abgeordnetenhauses und des Berliner Senats „Ber-
lin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller
Vielfalt“ an. In diesem Zusammenhang habe das Land Berlin
auch zwei Studien beauftragt, da vergleichende Untersu-
chungen im Bundesgebiet bislang fehlten. Die Umsetzung
der im Antrag geforderten und bereits im Jahr 2005 vom
Bundestag beschlossenen bundesweiten Studie sei mithin
dringend geboten, wobei zu überlegen sei, auch die Perso-
nengruppen der Transsexuellen und Intersexuellen einzube-
ziehen.

Berlin, den 23. Februar 2011

Dr. Peter Tauber
Berichterstatter

Christel Humme
Berichterstatterin

Florian Bernschneider
Berichterstatter

Jörn Wunderlich
Berichterstatter

Kai Gehring
Berichterstatter

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