BT-Drucksache 17/4899

Stand der Einführung des dialogorientierten Serviceverfahrens bei der Hochschulzulassung

Vom 23. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4899
17. Wahlperiode 23. 02. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Burchardt, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter
Bartels, Klaus Barthel, Willi Brase, Petra Ernstberger, Michael Gerdes,
Iris Gleicke, Klaus Hagemann, Christel Humme, Oliver Kaczmarek, Daniela Kolbe
(Leipzig), Ute Kumpf, Thomas Oppermann, Florian Pronold, René Röspel,
Marianne Schieder (Schwandorf), Swen Schulz (Spandau), Andrea Wicklein,
Dagmar Ziegler, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Stand der Einführung des dialogorientierten Serviceverfahrens bei der
Hochschulzulassung

Trotz aller Anstrengungen von Bund und Ländern beim Ausbau der Studien-
kapazitäten sind und bleiben bis auf Weiteres Studienplätze in Deutschland eine
knappe Ressource. Einer modernen Hochschulzulassung kommt daher die zen-
trale Rolle zu, einen gerechten Ausgleich zwischen den Studienwünschen der
Bewerberinnen und Bewerber und einer effizienten Ausschöpfung aller zur
Verfügung stehenden Studienplätze zu gewährleisten. Die Länder haben verein-
bart, ein modernes Zulassungsverfahren einzuführen, das durch die neu errich-
tete Stiftung für Hochschulzulassung (SfH) in Nachfolge der Zentralstelle für
die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) durchgeführt werden soll. Ein zentraler
Baustein ist das „dialogorientierte Serviceverfahren“, mit dem u. a. Bürokratie
verringert, Mehrfachbewerbungen reduziert und die zur Verfügung stehenden
Studienplätze effizienter genutzt werden sollen. Ein erster Anlauf von Ländern,
Hochschulen und ZVS bzw. SfH zur Umsetzung ist Ende 2008 allerdings ge-
scheitert, so dass der Termin der Einführung auf das Wintersemester 2011/2012
verschoben werden musste.

Der Bund hat finanzielle Untersetzung insbesondere für die Entwicklung der
notwendigen Zulassungssoftware bereitgestellt. Der Haushaltsausschuss des
Deutschen Bundestages hat am 6. Mai 2009 die dafür erforderlichen Mittel frei-
gegeben, zugleich aber seine Zustimmung an folgende Bedingungen geknüpft:

1. Um studierwilligen jungen Erwachsenen Studienplätze „in einem nutzer-
freundlichen und schlanken Verfahren“ zur Verfügung stellen zu können und
zugleich die „offenkundigen Probleme der Hochschulen und der Länder bei
der effizienten Besetzung von Studienplätzen (Stichwort „Bewerbungstou-
rismus“) anzugehen, ist der Bund bereit, die Entwicklung einer geeigneten
Software für ein Bewerbermanagement bis zu einem Kostenvolumen von

15 Mio. Euro zu fördern.

2. Das künftige Bewerbungsverfahren soll – gemäß Beschluss der Kultus-
ministerkonferenz (KMK) – für die Studierenden gebührenfrei sein. Die Be-
werber und Bewerberinnen sollen spürbar von Bürokratie entlastet werden.
In allen Bewerbungsphasen soll für die Nutzer ein angemessener Entschei-
dungszeitraum vorgesehen werden. In das neue System sollen auch Bewer-
berinnen und Bewerber aus EU-Staaten mit einbezogen werden.

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3. Der Haushaltsausschuss ist unverzüglich zu unterrichten, „wenn eine
substantielle Beteiligung der Hochschulen nicht mehr gewährleistet er-
scheint und hiervon Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des dialog-
orientierten Verfahrens zu gewärtigen sind“.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Sieht die Bundesregierung die Vorgaben des Haushaltsausschusses auf
Ausschussdrucksache 16(8)5936 an die eingesetzten Bundesmittel durch
den gegenwärtigen Sachstand der technischen Entwicklung sowie des vor-
gesehenen Leistungsumfangs bzw. der Implementierung als hinreichend
erfüllt an?

2. Schließt die Bundesregierung den Einsatz weiterer Bundesmittel zur För-
derung der Einführung des dialogorientierten Zulassungsverfahrens aus?

Wenn nein, welche Initiativen und Maßnahmen sind aus ihrer Sicht denk-
bar und sinnvoll bzw. sogar bereits in der Planung?

Technischer Entwicklungsstand

3. Wie beurteilt die Bundesregierung den technischen Entwicklungsstand des
geplanten dialogorientierten Verfahrens für die Hochschulzulassung?

4. Sieht die Bundesregierung die Voraussetzungen für die Erprobung des Ver-
fahrens ab 1. April 2011 gegeben?

5. Kann davon ausgegangen werden, dass das neue Bewerbermanagement
wie geplant zum Wintersemester 2011/2012 bundesweit für alle Hochschu-
len zum Einsatz zur Verfügung steht?

6. Wird das Verfahren den gesamten Bearbeitungsprozess von der Einrei-
chung der Bewerbungen über die Prüfung der Unterlagen bis hin zum Be-
scheid einschließen?

7. Welche Vorkehrungen wurden getroffen, um beim geplanten dialogorien-
tierten Zulassungsverfahren einen hinreichenden Datenschutz einerseits so-
wie die organisatorischen und technischen Anforderungen an Daten- und
Informationssicherheit – einschließlich einer vertraulichen Kommuni-
kation mit den Bewerber/-innen und Hochschulen – andererseits sicher-
zustellen?

Leistungsangebot und -fähigkeit der Stiftung

8. Welche im Staatsvertrag festgelegten Leistungen der SfH werden durch die
mit Bundesmitteln entwickelte Software ermöglicht?

9. Welche konkreten Leistungen werden über den rein technischen Datenab-
gleich zur Verhinderung von Mehrfachzulassungen hinaus angeboten?

Worin liegt über den Datenabgleich und die damit verbundenen Effekte
hinaus der praktische Zusatznutzen sowohl für die Bewerber/-innen wie für
die Hochschulen?

10. Wo soll künftig die Einreichung der Bewerbung erfolgen (zentral bzw.
dezentral)?

Sind Mehrfachbewerbungen weiterhin möglich, und wann erfolgt in diesen
Fällen durch wen ein Abgleich der Daten?

11. Inwieweit werden Bewerber/-innen von Bürokratie bei ihren Bewerbungen
entlastet, welche Einsparungen an Aufwand und Kosten sind bei Mehr-
fachbewerbungen zu erwarten oder bleibt es bei dem bisherigen Aufwand?
Können Mehrfachbewerbungen an die zentrale Servicestelle gerichtet wer-
den, oder müssen Bewerbungen wie bisher an jede gewünschte Hochschule
direkt gesandt werden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4899

Kann der in Aussicht gestellte Bürokratieeinspareffekt auch bei dezentral
eingereichten Bewerbungen ermöglicht werden?

12. Wem obliegt über den bloßen Datenabgleich hinaus die Prüfung der einge-
reichten Unterlagen (Stichwort „Aufbereitung der Bewerberdaten“) der
einzelnen Bewerber/-innen?

Können die Bewerber/-innen sicher sein, dass sich im Laufe des Verfahrens
die tatsächliche Prüfung der Unterlagen durch die Hochschule nicht nega-
tiv entschieden wird und der/die Bewerber/-in Gefahr läuft, keinen Stu-
dienplatz zu erhalten?

13. Inwieweit bietet das neue Verfahren den Bewerber/-innen mehr Transpa-
renz?

Werden sie in der Lage sein, in Kenntnis aller für sie möglichen Zulassun-
gen Entscheidungen zu treffen?

14. Unter welchen Voraussetzungen können Bewerber/-innen eine aktive Rolle
im Bewerbungsprozess einnehmen?

Wie gestaltet sich die „Dialogorientierung“ des Bewerbermanagements,
können zentral Fragen beantwortet werden?

15. Zu welchem Zeitpunkt im Rahmen des Verfahrens werden die Bewerber/
- innen auf Studienwünsche festgelegt?

16. Wieweit steht ab Wintersemester 2011/2012 der Informations- und Bera-
tungsservice der Stiftung für Hochschulzulassung zur Verfügung (Abgleich
der Zulassungsangebote, Clearingverfahren, Versand von Bescheiden)?

17. Wie groß ist der Schulungsaufwand zur Einführung des neuen Bewerber-
managements (zeitlicher Umfang und Art der Schulung)?

Bis wann muss die Schulung abgeschlossen sein, um den Starttermin zu er-
reichen?

18. Wie viele und welche Hochschulen nutzen die zur Einführung der Software
erforderlichen Schulungen, welche Hochschulen haben bis jetzt Mitarbei-
ter und Mitarbeiterinnen dazu angemeldet, wie viele Mitarbeiter werden zu
diesem Zweck je Hochschule und insgesamt geschult?

19. Betrifft die Schulung auch das Angebot des Informations- und Beratungs-
service der Stiftung für Hochschulzulassung?

20. Werden auch alle zulassungsfreien Fächer in das Verfahren einbezogen?

21. Ist es vorgesehen bzw. hält die Bundesregierung es für sinnvoll, das neue
Zulassungsverfahren auch auf die Zulassung zu Masterstudiengängen so-
wie Lehramtsstudiengängen auszuweiten?

22. Ist es vorgesehen bzw. hält die Bundesregierung es für sinnvoll, das neue
Zulassungsverfahren auch auf die Zulassung von ausländischen Studieren-
den, beispielsweise aus der EU, auszuweiten?

23. Welche Maßnahmen oder Vorhaben der SfH sind der Bundesregierung be-
kannt, die zum Ziel haben, die zweifelsfrei bestehende Expertise und Er-
fahrung im Zulassungswesen der Vorgängereinrichtung „Zentralstelle für
die Vergabe von Studienplätzen“ (ZVS) zu sichern und für die Stiftung und
ihre neuen Mitarbeiter und Aufgaben systematisch nutzbar zu machen?

24. Wie bewertet die Bundesregierung die Gefahr einer Überforderung der
SfH, indem vom Stiftungsrat parallel zur verlangten Einführung des neuen
dialogorientierten Zulassungsverfahrens gleichzeitig Anforderungen aus
vorgesehenen Etatkürzungen, verlangten Umstrukturierungen im Organisa-

tions- und Personalwesen oder auch die Umstellung auf ein kaufmän-
nisches Rechnungswesen erzeugt werden?

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Inwieweit kann es aus Sicht der Bundesregierung hier zu Prioritätenkon-
kurrenzen kommen, und wodurch will sie die notwendige politische Priori-
sierung der zeitkritischen Einführung des neuen Zulassungsverfahrens
sicherstellen?

Kosten und Finanzierung sowie Kostentragung

25. Wie hoch werden die Kosten je Bewerbung im Rahmen des neuen dialog-
orientierten Hochschulzulassungsverfahrens veranschlagt?

Welche Leistungen werden dafür im Einzelnen erbracht?

Welche alternativen Modelle des Serviceumfangs vom technischen Daten-
abgleich als Minimallösung bis zum Vollservice (Beratung und zentrale
Prüfung) wurden von der Stiftung geprüft und jeweils mit welchen Kosten
angesetzt?

26. Wer trägt die Kosten des Bewerbungsmanagements, ggf. differenziert nach
Bundesländern?

27. Wie hoch werden die Kosten für den Vollservice der Stiftung (einschließ-
lich Information und Beratung) je Bewerber veranschlagt?

Welche Leistungen werden dafür im Einzelnen erbracht?

28. Wer trägt die Kosten des Informations- und Beratungsservice, ggf. diffe-
renziert nach Bundesländern?

29. Welchen Kenntnisstand hat die Bundesregierung darüber, dass die Stiftung
für Hochschulzulassung zum Start 2011/2012 des Bewerbungsmanage-
ments nicht den vollen Leistungsumfang anbietet, der nach dem Staatsver-
trag über die Stiftung vorgesehen war, und welche Gründe sind dafür maß-
gebend?

30. Ist – auch für die Zukunft – die Gebührenfreiheit des Hochschulzulas-
sungsverfahrens für die Studienbewerber/-innen sichergestellt?

Kann von Kostenfreiheit gesprochen werden, wenn bei dezentralen mehr-
fachen Bewerbungen die anfallenden Auslagen weiterhin von den Bewer-
ber/-innen zu tragen sind?

Beteiligung der Hochschulen

31. Wie viele und welche Hochschulen – differenziert nach Bundesländern –
haben eine verbindliche Zusage erteilt, sich an dem dialogorientierten Ver-
fahren der Hochschulzulassung zu beteiligen?

32. Wie viele und welche Hochschulen – differenziert nach Bundesländern –
haben es abgelehnt, sich an dem dialogorientierten Verfahren der Hoch-
schulzulassung zu beteiligen?

33. Wie viele und welche Hochschulen – differenziert nach Bundesländern –
haben eine verbindliche Zusage erteilt, den Informations- und Beratungs-
service der Stiftung für Hochschulzulassung in Anspruch zu nehmen?

34. Wie viele und welche Hochschulen – differenziert nach Bundesländern –
haben es abgelehnt, den Informations- und Beratungsservice der Stiftung
für Hochschulzulassung in Anspruch zu nehmen?

35. Mit welchen Mitteln stellen die Länderregierungen sicher, dass sich die in
ihrem Bundesland befindlichen Hochschulen an dem Verfahren beteiligen?

36. Sind der Bundesregierung Gründe bekannt, warum sich Hochschulen nicht
an dem Verfahren beteiligen wollen?

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37. Welche finanziellen und organisatorischen Vorteile hat nach Auffassung
der Bundesregierung eine Hochschule durch die Beteiligung an dem Ver-
fahren?

38. Für den Fall, dass sich nicht alle Hochschulen an dem Verfahren beteiligen,
wie gedenkt die Bundesregierung dies sicherzustellen?

39. Welche Mindestbeteiligungsquote von Hochschulen an dem dialogorien-
tierten Zulassungsverfahren der SfH hält die Bundesregierung für notwen-
dig, damit die damit beabsichtigten Vorteile für alle Beteiligten deutlich
zum Tragen kommen?

Zahl der unbesetzten Studienplätze und Studienbewerbungen

40. Wie viele Studienplätze – differenziert nach Fachbereichen – blieben im
Wintersemester 2010/2011 zu Semesterbeginn unbesetzt?

41. Wie viele Studienplatzbewerber und -bewerberinnen haben die zum Win-
tersemester 2010/2011 die Zwischenlösung der „Studienplatzbörse“ ge-
nutzt?

42. Wie viele zu Semesterbeginn 2010/2011 noch unbesetzte Studienplätze
wies die Studienplatzbörse aus, und wie viele davon konnten mit Hilfe der
Studienplatzbörse nachträglich besetzt werden?

43. Wie viele Studienplatzbewerber/-innen erwartet die Bundesregierung zum
Wintersemester 2011/2012?

44. Welche zusätzliche Nachfrage zum Wintersemester 2011/2012 ergibt sich
aus Sicht der Bundesregierung allein aus der Aussetzung der allgemeinen
Wehrpflicht?

45. Wie hoch veranschlagt die Bundesregierung die Zahl der Studienplatzbe-
werber und -bewerberinnen, die zum Wintersemester 2011/2012 am dialog-
orientierten Verfahren der Hochschulzulassung teilnehmen?

Berlin, den 23. Februar 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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