BT-Drucksache 17/4874

Für faire Lebensmittelpreise und transparente Produktionsbedingungen - Gegen den Missbrauch von Marktmacht

Vom 23. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4874
17. Wahlperiode 23. 02. 2011

Antrag
der Abgeordneten Elvira Drobinski-Weiß, Gabriele Hiller-Ohm, Dr. Wilhelm
Priesmeier, Ulrich Kelber, Petra Crone, Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Thomas
Oppermann, Holger Ortel, Heinz Paula, Rita Schwarzelühr-Sutter, Kerstin Tack,
Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Für faire Lebensmittelpreise und transparente Produktionsbedingungen
– Gegen den Missbrauch von Marktmacht

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Seit Jahren wird der Verdrängungskampf im deutschen Lebensmittelhandel im-
mer härter. Inzwischen konzentrieren sich 90 Prozent der Marktanteile auf die
sechs größten Supermarktketten Edeka, Rewe, Aldi, Lidl (einschließlich Kauf-
land), Metro und Tengelmann. Dies setzt den Lebensmitteleinzelhandel in eine
gefährliche Machtposition gegenüber den Zulieferern. So konkurrieren z. B.
ungefähr 6 000 Unternehmen der Ernährungswirtschaft darum, ihre Produkte in
den Ladenregalen der sechs großen Ketten platzieren zu können. Die Abhän-
gigkeit der Vielzahl von Zulieferern von wenigen großen Lebensmittelhändlern
führt zu einem Wettkampf mit extremem Preisdruck und zu Abnahmebedin-
gungen, die an Erpressung grenzen können. Denn auf dem gesättigten deut-
schen Markt können Marktanteile meist nur noch durch die Verdrängung von
Mitbewerbern gewonnen werden.

Bei einer öffentlichen Anhörung zur „Angebots- und Nachfragemacht des
Lebensmitteleinzelhandels und die Auswirkungen auf die Verbraucher“ im Juli
2010 im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des
Deutschen Bundestages wurde deutlich, dass dringender Handlungsbedarf be-
steht: Die geladenen Wirtschaftsbeteiligten und Verbändevertreter sahen – mit
Ausnahme des Hauptverbandes des deutschen Lebensmitteleinzelhandels – die
Notwendigkeit, Maßnahmen gegen den Missbrauch von Marktmacht zu ergrei-
fen. Mit großer Einigkeit forderten sie u. a. die Einrichtung einer unabhängigen
Ombudsstelle, bei der Zulieferer unfaire Abnahmebedingungen ggf. auch
anonym anzeigen können. Die bei dieser neutralen Stelle gesammelten Infor-
mationen könnten ein Vorgehen des Kartellamtes gegen den Missbrauch von
Marktmacht enorm erleichtern. Alle Fraktionen im Deutschen Bundestag sig-
nalisierten Offenheit für eine entsprechende Initiative.
Der Agrarausschuss im Europaparlament fordert seit Juli 2010 ebenfalls die Ein-
richtung eines Beschwerdemechanismus gegen unfaire Praktiken in der Lebens-
mittelkette auf EU-Ebene, die Überwachung der Beziehungen zwischen Erzeu-
gern und Einzelhändlern und die Einführung von Strafzahlungen.

Die EU-Kommission hat Anfang Dezember 2010 Vorschläge zur Reform des
Milchsektors vorgelegt, die u. a. den Zusammenschluss von Erzeugergemein-
schaften erlauben. Dies soll die Verhandlungsmacht der Milcherzeuger in der

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Versorgungskette erhöhen. Damit reagiert die EU-Kommission auf die Milch-
krise 2008/2009, in der europäische Milchbauern keine existenzsichernden
Preise gegenüber den Molkereien durchsetzen konnten.

Auch auf nationaler Ebene versucht man in anderen EU-Ländern dem Miss-
brauch von Marktmacht entgegenzuwirken: In Großbritannien z. B. ist eine
Ombudsstelle unter der Bezeichnung „Groceries Code Adjudicator (GCA)“ im
Aufbau. Sie soll als Beschwerdestelle fungieren und bei Bedarf eigene Nach-
forschungen anstellen können. GCA kann von jedem Beteiligten innerhalb der
Versorgungskette Beschwerden annehmen und sie anonym behandeln und
Geldstrafen erlassen, wenn andere Sanktionen keinen Erfolg zeigen.

In Dänemark gibt es bereits seit 2008 einen Wettbewerbsrat, bei dem sowohl
Unternehmen als auch Bürger Beschwerde einlegen können. Er kann auf eigene
Initiative hin prüfen oder auf Grund von Hinweisen oder Beschwerden tätig
werden. Als Missbrauch von Marktmacht gilt in Dänemark die Anwendung un-
terschiedlicher Konditionen für gleichwertige Leistungen, aber auch wenn Ver-
träge von zusätzlichen Leistungen des Vertragspartners abhängig sind, die in
keinem Zusammenhang mit dem Vertragsgegenstand stehen.

Bisher werden unfaire Einkaufspraktiken des Handels von den betroffenen Pro-
duzenten und Lieferanten aus Angst vor Sanktionen bzw. Auslistung ihrer Pro-
dukte meist weder vor Gericht zivilrechtlich angegriffen noch dem Kartellamt
gemeldet, sondern stillschweigend in Kauf genommen. Somit ist es extrem
schwierig, gegen Verstöße wie z. B. einseitige, teilweise rückwirkend erhobene
Forderungen von Hochzeits-, Distributions-, Partnerschafts- oder Synergieboni
vorzugehen. Der Missbrauch von Marktmacht ist schwer nachzuweisen, und die
Markteffekte sind wenig untersucht. Insbesondere längerfristige Auswirkungen
auf den Wettbewerb und auf die Verbraucher stehen bisher nicht im Fokus.
Anders als auf EU-Ebene fällt eine Prüfung der direkten Schädigung der Ver-
braucher nicht in den Aufgabenbereich des Bundeskartellamtes. Zwar ermög-
licht das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in § 54 Absatz 2 ausdrück-
lich die systematische Einbeziehung der Verbraucherinteressen, doch wird diese
Möglichkeit bisher nicht umfassend ausgeschöpft. Deshalb muss geprüft
werden, ob und ggf. mit welchen Änderungen beim Wettbewerbsrecht effektiver
gegen den Missbrauch von Marktmacht und negative Auswirkungen für Ver-
braucherinnen und Verbraucher vorgegangen werden kann.

Leidtragende des Missbrauchs von Marktmacht sind nicht nur der Wettbewerb
selbst, sondern vor allem die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die
Verbraucherinnen und Verbraucher. Denn der gnadenlose Preiskampf geht zu
Lasten der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und der Qualität der Pro-
dukte.

Mit Verweis auf den Preisdruck vergeht in der hiesigen Ernährungswirtschaft
kaum eine Tarifverhandlung ohne Forderung der Unternehmensvertreter nach
niedrigeren Löhnen und geringeren Sozialleistungen. Bei Produkten wie Obst
aus Mittelamerika sind die Auswirkungen in den Herkunftsländern und entlang
der Lieferkette fatal: Hungerlöhne und menschenunwürdige Arbeitsbedingun-
gen werden immer wieder von Hilfsorganisationen aufgedeckt (z. B. von
Oxfam in der Studie „Endstation Ladentheke“, 2008). Insbesondere für die
Menschen in den Entwicklungsländern sind faire Löhne zur Sicherung ihrer
Existenz notwendig. Faire Preise, die zugleich faire Löhne garantieren, müssen
daher über die nationalen und europäischen Grenzen hinaus gedacht und umge-
setzt werden. Die endgültige Abschaffung aller handelsverzerrenden interner
Stützungen im europäischen Agrarbereich sowie der EU-Agrarexportsubven-
tionen ist grundlegende Voraussetzung für eine weltweit faire Preis- und Lohn-
gestaltung.

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Doch nicht nur an Beschäftigungsentgelt und Lohnnebenkosten wird gespart,
sondern auch an den Zutaten und der Produktionsweise – zu Lasten von Tieren
und Umwelt, und auf Kosten der Qualität. Ob beim Erdbeerjoghurt ohne Erd-
beeren, beim Käseimitat oder beim Klebeschinken, Verbraucherinnen und Ver-
braucher werden über Produktinhalte und Herstellungsbedingungen im Un-
klaren gelassen oder gar getäuscht: Immer häufiger werden billigere Ersatz-
stoffe in der Lebensmittelproduktion eingesetzt und für die industrielle Verar-
beitung oder Lagerung optimierte Verfahren genutzt, die nicht tierartgerecht
und ressourcenschonend sind, und so den Bedürfnissen der Verbraucher nach
nachhaltig erzeugten Lebensmitteln nicht entsprechen.

Auch die Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher ist beschränkt,
denn die Auswahl der angebotenen Produkte kann vom Lebensmittelhandel
durch seine Marktmacht entscheidend beeinflusst werden. So kann bestimmten
Produkten oder Produzenten der Marktzugang verwehrt und Alternativange-
bote aus dem Markt gedrängt werden (wie z. B. Frischmilch von der länger
haltbaren ESL-Milch).

Verbraucherinnen und Verbraucher haben bisher wenig Möglichkeiten, durch
ihr Einkaufsverhalten den Markt bzw. die sozialen und ökologischen Bedingun-
gen mitzubestimmen. Zwar liefern einige Anbieter sogenannte Nachhaltigkeits-
berichte und werben mit sozialen Arbeitsbedingungen oder besonders umwelt-
verträglich hergestellten Produkten. Doch ist die Verlässlichkeit solcher Aus-
sagen für Verbraucher oft nicht nachvollziehbar und hat wenig Orientierungs-
wert, wenn verständliche und vergleichbare Informationen über Herkunft und
Produktionsbedingungen fehlen. Solange aber der Preis die einzige verlässliche
Information bleibt, werden sich Verbraucher daran orientieren – und damit unwis-
sentlich möglicherweise umweltschädliche Produktionsweisen, Dumpinglöhne
oder gar Menschenrechtsverletzungen unterstützen, ohne dies zu wollen.

Durch Transparenz mehr Glaubwürdigkeit zu schaffen, liegt nicht nur im Inte-
resse der Verbraucher, sondern dient auch den Unternehmen: Nach einer globa-
len Managementbefragung 2010 von Ernst & Young ist der Entzug gesell-
schaftlicher Akzeptanz und das Verfehlen gesellschaftlicher Verantwortung
eines der TOP-10-Risiken für Unternehmen in der Zukunft. Auch das Kölner
IFH Institut für Handelsforschung GmbH kommt in einer neuen Studie zu dem
Ergebnis, dass die soziale Verantwortung eines Unternehmens „entscheidend“
für seinen Erfolg werden wird.

In einigen EU-Ländern wie Frankreich, Großbritannien, Dänemark und
Schweden gibt es bereits gesetzliche oder freiwillige Verpflichtungen der Un-
ternehmen, im Rahmen ihrer Jahresberichte auch über ihre Aktivitäten im Be-
reich der gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung zu berichten. Dabei
wird die EU-Richtlinie 2003/51/EG zur Änderung und Modernisierung der Jah-
resabschlüsse als Basis für einen Ausbau der Informations- und Transparenz-
kultur genutzt, die neben den bisher üblichen Berichtspflichten über finanzielle
Aspekte auch ökologische und soziale Informationen umfasst. Aktuell soll die
EU-Modernisierungsrichtlinie überprüft werden. Die EU-Kommission führt
dazu eine Konsultation durch, um Verbesserungsmöglichkeiten bei der Offen-
legung von Informationen nichtfinanzieller Art durch Unternehmen zu unter-
suchen.

Es gibt bereits verschiedene internationale Initiativen, die einen Leitfaden im
Bereich der Offenlegung sozialer und ökonomischer Informationen bieten, wie
die Global Reporting Initiative GRI, die Initiative UN Global Compact, die
OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, die Extractive Industries
Transparency Initiative im Rohstoffsektor und seit November 2010 den ISO
26000 Leitfaden zur sozialen Verantwortlichkeit von Organisationen und

Unternehmen. Die Empfehlungen der ISO 26000 sind rechtlich nicht bindend,
beziehen sich aber auf verbindliche internationale Standards wie ILO-Kern-

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arbeitsnormen und UN-Menschenrechtserklärung. Unternehmen, die sich an
ISO 26000 orientieren, sollen zum Beispiel ihre Lieferanten fair bezahlen,
keine Kinderarbeit dulden und regelmäßig über die sozialen und ökologischen
Folgen ihrer Arbeit berichten. Die global akzeptierten Leitlinien der ISO 26000
können deutsche oder europäische Unternehmen bei der Einhaltung von Sozial-
und Umweltstandards auch bei Zulieferern außerhalb der EU unterstützen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. eine umfassende Untersuchung der Einkaufspraktiken des Lebensmittelein-
zelhandels in Deutschland zu veranlassen, die auch die Auswirkungen ent-
lang der Produktionskette auf die Beschäftigten im In- und Ausland, die Ver-
braucher und die Umwelt berücksichtigt;

2. zu prüfen, wo die Möglichkeiten des bestehenden Kartellrechts zur Bekämp-
fung des Missbrauchs der Nachfragemacht und der Anwendung unfairer
Einkaufspraktiken nicht ausreichen und welche Änderungen nötig sind;

3. dafür zu sorgen, dass die in § 54 Absatz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbs-
beschränkungen vorgesehenen Möglichkeiten zur systematischen Integration
der Verbraucherperspektive voll ausgeschöpft werden. Dabei sollte die Nut-
zung von statistisch zuverlässigen Daten über Verbraucherverhalten und Pro-
bleme von Verbrauchern in Märkten ein wesentlicher Bestandteil sein;

4. zu prüfen, wie das Verbot des Verkaufs von Lebensmitteln unter Einstands-
preis neu und praktikabel geregelt werden kann;

5. eine unabhängige Ombudsstelle einzurichten, mit einem Beirat, in dem Han-
del, Industrie, Wissenschaft, Gewerkschaften, Verbraucherverbände, Um-
welt- und Entwicklungshilfeorganisationen paritätisch vertreten sind;

Diese Ombudsstelle soll

– (Sammel)Beschwerden zu unfairen Einkaufspraktiken wie die Zahlung
von Treueboni oder willkürlichen Auslistungen auch anonym von Arbeit-
nehmern, Lieferanten und Nichtregierungsorganisationen entgegenneh-
men. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Beschwerdeführer keine
Nachteile erleiden. Solche Beschwerden sollten auch die Lieferkette bis in
die Produktionsländer betreffen dürfen;

– Streitschlichtungsbefugnisse haben und als Mediator fungieren können,
der für die Streitparteien verbindliche Schiedssprüche fällen darf. Dazu
gehört auch die Verhängung von Strafzahlungen. Während der Verhand-
lung der Fälle sollte eine Auslistung unzulässig sein;

– Ermittlungen/Untersuchungen zu unfairen Einkaufspraktiken (insbeson-
dere Auslistungsverfahren) und deren negativen Auswirkungen auf Arbeit-
nehmer und Umwelt entlang der Lieferkette einleiten können und gegen-
über den Unternehmen Anspruch auf Auskunft haben. Die Ergebnisse der
Untersuchungen sollten öffentlich einsehbar sein;

– eine Liste unzulässiger und unfairer Einkaufspraktiken wie die rückwir-
kende Änderung von Verträgen, Zahlung von sogenannten Hochzeitsboni
erstellen, die in das Kartellrecht integriert werden sollte;

– willkürliche Auslistung von Lieferanten und unangemessen niedrige Ein-
kaufspreise sollten als unzulässige Einkaufspraktiken eingestuft werden
können;

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6. gemeinsam mit Lebensmittelproduzenten/Zulieferern und dem Lebensmit-
telhandel Maßnahmen zur Vereinfachung von Vereinbarungen zu erarbeiten,
die Verständlichkeit und Übersichtlichkeit für die Vertragspartner gewähr-
leisten, Konditionen auf wenige, standardisierte Varianten begrenzen und
klare Grenzen für Vereinbarungen und deren Handhabbarkeit festlegen;

7. in Deutschland flächendeckend einen gesetzlich garantierten Mindestlohn
von 8,50 Euro einzuführen;

8. sich auf europäischer und internationaler Ebene für weltweit faire Löhne
und die verbindliche Einhaltung von sozialen und ökologischen Mindest-
standards einzusetzen;

9. sich für die endgültige Abschaffung aller handelsverzerrenden innereuro-
päischen Stützungen und aller EU-Agrarexportsubventionen einzusetzen;

10. im Rahmen der Verbraucherforschung zu untersuchen,

– welche Ansprüche Verbraucherinnen und Verbraucher an soziale und
ökologische Herstellungsbedingungen und Auswirkungen auf Umwelt
und Gesellschaft haben bzw. welche Kriterien Ihre Auswahl beim Ein-
kauf beeinflussen;

– welche Informationen sie über Produktionsbedingungen und Auswir-
kungen haben, woher die Informationen stammen und für wie glaub-
würdig diese eingeschätzt werden;

– in welcher Form und wo Verbrauchern die wichtigsten Informationen
betreffend soziale und ökologische Herstellungsbedingungen und Aus-
wirkungen vergleichbar und verständlich dargeboten werden sollten;

11. auf den Ergebnissen der Verbraucherforschung aufbauend

– Informationen über Einhaltung und Inhalt ökologischer und sozialer
Standards für Verbraucher verständlich, vergleichbar und leicht zugäng-
lich zur Verfügung zu stellen, damit sie für eine selbstbestimmte Aus-
wahl beim Einkauf genutzt werden können;

– eine verbindliche Herkunftskennzeichnung der Produkte einzuführen;

12. im angekündigten Entwurf zur Reform des Verbraucherinformationsgeset-
zes einen gesetzlichen Informationsanspruch der Verbraucher über Sozial-
und Umweltstandards in Unternehmen und in der Zulieferkette vorzuse-
hen;

13. die Nationale Strategie zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unter-
nehmen (Aktionsplan CSR) frühzeitig zu evaluieren und eine breite Betei-
ligung der Unternehmen sowie hohe Standards für Verbrauchertransparenz
und -information sicherzustellen;

14. sich bei der Überprüfung der EU-Richtlinie 2003/51/EG (Modernisie-
rungsrichtlinie) für umfassende Berichtspflichten für Unternehmen über
menschenrechtliche, soziale und ökologische Bedingungen in Handel und
Zulieferketten, unabhängig von der Auswirkung auf den Geschäftsbetrieb
der Unternehmen, einzusetzen;

15. sich auf allen Ebenen für die Umsetzung der Agenda für menschenwürdige
Arbeit und die Umsetzung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Ar-
beitsorganisation ILO sowie die Stärkung von Menschenrechten und Ar-
beits- und Sozialstandards im Rahmen der Revision der OECD-Leitsätze für
multinationale Unternehmen einzusetzen;

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16. Maßnahmen zur praktischem Umsetzung der Norm ISO 26000 zu ergreifen
bzw. zu prüfen, wie die dort entwickelten Prinzipien gesellschaftlicher
Verantwortung (Rechenschaftspflicht, Transparenz, ethisches Verhalten,
Achtung der Interessen der Anspruchsgruppen, Gesetzestreue, Achtung
internationaler Verhaltensstandards, Achtung der Menschenrechte) in den
Unternehmen verankert werden können und Mustervorhaben zu unter-
stützen;

17. in Deutschland tätige Lebensmittelunternehmen zur umfassenden Publika-
tion der sozialen und ökologischen Bedingungen im Handel und den Zulie-
ferketten, unabhängig von deren Auswirkung auf den Geschäftsbetrieb der
Unternehmen, zu verpflichten. Die Informationen aus den Publikationen
der Unternehmen sollen in einer öffentlich zugänglichen Datenbank für
Verbraucher verständlich aufbereitet und vergleichbar zusammengeführt
werden;

18. in Deutschland ansässige Lebensmittelunternehmen zur Einhaltung men-
schenrechtlicher, sozialer und ökologischer Mindeststandards im eigenen
Betrieb und in der gesamten, ggf. auch grenzüberschreitenden Zulieferkette
zu verpflichten;

19. dafür zu sorgen, dass bei der Vergabe von Aufträgen durch den Bund die in
§ 97 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gegebenen Möglich-
keiten genutzt werden, um nur solche Lebensmittelunternehmen zu berück-
sichtigen, die soziale und ökologische Mindeststandards im eigenen Betrieb
und in der Zulieferkette einhalten.

Berlin, den 23. Februar 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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