BT-Drucksache 17/4755

zu dem Antrag der Abgeordneten Josip Juratovic, Anette Kramme, Iris Gleicke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD - Drucksache 17/1770 - Für eine soziale Revision der Entsenderichtlinie

Vom 11. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4755
17. Wahlperiode 11. 02. 2011

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Josip Juratovic, Anette Kramme, Iris Gleicke,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
– Drucksache 17/1770 –

Für eine soziale Revision der Entsenderichtlinie

A. Problem

Die Entsenderichtlinie wird nach Darlegung der Antragsteller den ihr ursprüng-
lich zugrunde liegenden Zielen des Arbeitnehmerschutzes und eines fairen Wett-
bewerbs ohne Lohndumping nicht mehr gerecht. So habe der Europäische Ge-
richtshof mit den Urteilen zu Laval, Rüffert und Luxemburg diese Richtlinie
entgegen der ursprünglichen Intention zu einer „Maximalrichtlinie“ erhoben,
wonach die Mitgliedstaaten nicht über das dort vorgesehene Schutzniveau für
entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hinausgehen dürften. Der
Europäische Gerichtshof habe darüber hinaus mit seiner Entscheidung Viking
die Grundfreiheiten des Binnenmarktes über zentrale soziale Grundrechte
gestellt. Die SPD-Fraktion fordert daher eine Revision der Entsenderichtlinie, so
dass sie ihrer ursprünglichen Ausrichtung entsprechend wieder Mindest-
standards setze. Ferner müsse das Arbeitnehmer-Entsendegesetz mit Blick auf
die Vollendung der Arbeitnehmerfreizügigkeit in diesem Jahr auf alle Branchen
ausgeweitet werden.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.
D. Kosten

Kostenberechnungen wurden nicht angestellt.

Drucksache 17/4755 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/1770 abzulehnen.

Berlin, den 9. Februar 2011

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Katja Kipping
Vorsitzende

Dr. Johann Wadephul
Berichterstatter

entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern herzu- gleichen Ort. Durch eine Revision der Entsenderichtlinie

stellen, sei das Arbeitnehmer-Entsendegesetz durch die Ver-
einbarung flächendeckender tarifvertraglicher Mindestlöhne
auf alle Branchen auszuweiten. Dies sei insbesondere hin-

könne man dieses Prinzip umsetzen und dafür Sorge tragen,
dass die Richtlinie entsprechend ihrer ursprünglichen Aus-
richtung wieder ein Mindeststandard werde. Auch mit Blick
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4755

Bericht des Abgeordneten Dr. Johann Wadephul

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 17/1770 ist in der 51. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 1. Juli 2010 an den Aus-
schuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung
und an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik-
folgenabschätzung, den Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union, den Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie sowie den Rechtsausschuss zur Mitberatung
überwiesen worden.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die in Deutschland mit dem Arbeitnehmerentsendegesetz
umgesetzte Richtlinie 96/71/EG (Entsenderichtlinie) wurde
mit den Urteilen Laval, Rüffert und Luxemburg des Euro-
päischen Gerichtshofes nach Einschätzung der Antragsteller
entgegen ihrer ursprünglichen Intention zur „Maximalricht-
linie“ erhoben. Damit habe die Entsenderichtlinie für
entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nun ein
Schutzniveau vorgegeben, über das die Mitgliedstaaten nicht
hinausgehen dürften. Darüber hinaus habe der Europäische
Gerichtshof unter anderem durch die Entscheidung Viking
die Grundfreiheiten des Binnenmarktes über zentrale soziale
Grundrechte, wie die Tarifautonomie und das gewerkschaft-
liche Streikrecht, gestellt.

Daher fordert die SPD-Fraktion eine Revision der Entsende-
richtlinie, um deren grundlegende Zielsetzung wieder zu
stärken – die Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs ohne
Lohndumping und den Arbeitnehmerschutz. In diesem Zu-
sammenhang müsse entsprechend der Monti-Klausel auch
das Grundrecht auf Tarifverhandlungen und kollektive Maß-
nahmen in allen europäischen Rechtsvorschriften, die Fragen
der Entsendung berühren, verankert werden. Des Weiteren
müsse, um arbeitsrechtlichen Missbrauch durch „Briefkas-
tenfirmen“ zu verhindern, eine klare Definition von „grenz-
übergreifenden Dienstleistungen“ gegeben werden. Damit
Mitgliedstaaten öffentliche Aufträge zu den lokal üblichen
Arbeitsbedingungen und Bezahlungen vergeben könnten,
müssten Tariftreueklauseln durch die Entsenderichtlinie und
die Vergaberichtlinie unterstützt werden. Zudem sollten
nationale Tarifverträge auch für entsandte Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer Gültigkeit besitzen. Damit seien höhere
Schutzstandards gewährleistet. Nicht zuletzt solle auch ein
effizienter Überprüfungs- und Durchsetzungsmechanismus
der Mitgliedstaaten und Sozialpartner in die Revision der
Entsenderichtlinie einbezogen werden. Eine Erfassung aller
in den jeweiligen Mitgliedstaaten entsandten Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmer erscheine daher notwendig. Um
faire Arbeitsbedingungen, insbesondere im Wettbewerb mit
ausländischen Unternehmen und ihren nach Deutschland

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik-
folgenabschätzung, der Ausschuss für die Angelegen-
heiten der Europäischen Union sowie der Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie haben den Antrag auf Druck-
sache 17/1770 in ihren Sitzungen am 9. Februar 2011 be-
raten und dem Deutschen Bundestag gleichlautend mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die
Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.
die Ablehnung empfohlen. Der Rechtsausschuss hat am sel-
ben Tag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktion der SPD bei Stimm-
enthaltung der Fraktion DIE LINKE. bei Abwesenheit der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung emp-
fohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Antrag auf
Drucksache 17/1770 in seiner 48. Sitzung am 9. Februar
2011 abschließend beraten und dem Deutschen Bundestag
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP ge-
gen die Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE
LINKE. die Ablehnung empfohlen.

Die Fraktion der CDU/CSU beurteilte die Situation der Ar-
beitnehmer in der EU als grundsätzlich nicht schlecht. Die
über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz geltenden Mindest-
löhne seien auch von ausländischen Dienstleistungserbrin-
gern einzuhalten. Der Vertrag von Lissabon habe die sozia-
len Grundrechte der Arbeitnehmer aufgewertet. So würden
in den Artikeln 3 und 152 ausdrücklich die soziale Markt-
wirtschaft, sozialer Fortschritt und die Rolle der Sozialpart-
ner erwähnt. Die im Antrag genannten Urteile zu Laval,
Rüffert, Luxemburg und Viking würden so heute vom Euro-
päischen Gerichtshof wahrscheinlich nicht mehr gefällt wer-
den. Wenn man nun ein Zusatzprotokoll zur Gleichrangig-
keit der sozialen Grundrechte mit wirtschaftlicher Freiheit
aufnehmen wolle, müsse beachtet werden: Grundrechte
müssten gegeneinander abgewogen werden und ein fairer
Ausgleich gefunden werden. Ob dies in allen Mitgliedstaaten
durchsetzbar sei, sei aber fragwürdig. Jetzt gelte es weiter zu
verhandeln und die nationalen Einwirkungsmöglichkeiten
sowie die Schutzrechte voll zu erhalten. Die EU-Kommis-
sion plane, bis Ende 2011 ihre Ideen zu einer Revision der
Entsenderichtlinie zu präsentieren. Das solle man abwarten.

Die Fraktion der SPD unterstrich ihre Forderung nach glei-
chen Lohn- und Arbeitsbedingungen für gleiche Arbeit am
sichtlich der baldigen Vollendung der Arbeitnehmerfrei-
zügigkeit erforderlich.

auf die Vollendung der Arbeitnehmerfreizügig in diesem
Jahr müsse Lohndumping bekämpft werden. Nur wenn deut-

Drucksache 17/4755 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
lich werde, dass die EU für bessere Lebensbedingungen
auch für Werktätige sorge, werde die EU von den Menschen
letztlich akzeptiert.

Die Fraktion der FDP schloss sich der Fraktion der CDU/
CSU an. Die Ergebnisse der EU-Kommission sollten abge-
wartet werden. Es sei nicht sicher, ob sich eine Position mit
den neuen Mitgliedstaaten finden lasse oder ob es zu einer
Reduzierung des Schutzniveaus auf europäischer Ebene
kommen werde. Für Initiativen gebe es daher derzeit keinen
Anlass.

Die Fraktion DIE LINKE. stimmte den Zielen des Antrags
der Fraktion der SPD grundsätzlich zu. Aber es fehle an der
Verankerung einer sozialen Fortschrittsklausel, etwa zum
Streikrecht, zum Koalitionsrecht und zur Tarifvertragsfrei-
heit, mit der festgeschrieben wird, dass Grundrechte Vorrang

vor den unternehmerischen Grundfreiheiten des EU-Binnen-
marktes hätten. Daher enthalte sich die Fraktion der Stimme.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erinnerte an
den Handlungsbedarf nach den genannten Urteilen des Euro-
päischen Gerichtshofs. Man unterstütze daher die Initiative
der antragstellenden Fraktion. Die genannten Urteile seien
ein sozialer Rückschlag gegenüber den Binnenmarktfreihei-
ten. Werde zwischen sozialen Standards und wirtschaft-
lichen Binnenmarktinteressen künftig kein Gleichgewicht
geschaffen, sei die Akzeptanz der EU gefährdet. Deswegen
bestehe ein gesamtpolitisches Interesse, den Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmern ein Mindestmaß an sozialer
Sicherheit zu garantieren. Wegen des deutlichen Handlungs-
bedarfs bei der Entsenderichtlinie werde man dem Antrag
zustimmen.

Berlin, den 9. Februar 2011

Dr. Johann Wadephul
Berichterstatter

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