BT-Drucksache 17/4704

Vorbereitung einer Reform der Infrastrukturfinanzierung

Vom 9. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4704
17. Wahlperiode 09. 02. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Sören Bartol, Martin Burkert, Petra
Ernstberger, Iris Gleicke, Ulrike Gottschalck, Michael Groß, Hans-Joachim
Hacker, Gustav Herzog, Johannes Kahrs, Ute Kumpf, Kirsten Lühmann,
Thomas Oppermann, Florian Pronold, Dr. Frank-Walter Steinmeier und
der Fraktion der SPD

Vorbereitung einer Reform der Infrastrukturfinanzierung

CDU, CSU und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag vom 26. Oktober 2009
eine Reform der Infrastrukturfinanzierung angekündigt.

Sie haben erklärt, dass sie die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft
mbH (VIFG) weiterentwickeln wollen, u. a. mit der Prüfung der Herstellung
eines Finanzierungskreislaufs Straße unter direkter Zuweisung der Lkw-Maut
an die VIFG und Herstellung ihrer Kreditfähigkeit in begrenztem Umfang.

Außerdem hat die Bundesregierung 2009 die Absicht erklärt, verkehrsträgerbe-
zogene Finanzierungskreisläufe stärken zu wollen. Im Rahmen des Bundes-
haushalts 2011 ist die alleinige Zuweisung der Lkw-Mauteinnahmen in die
Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen in der Straße zum ersten Mal er-
folgt. Die Straße ist vollständig von den Einnahmen der Lkw-Maut, die z. B. im
Jahr 2010 um rd. 370 Mio. Euro geringer ausgefallen sind als angenommen, ab-
hängig. Die Schieneninfrastruktur ist im Gegenzug komplett von den Steuer-
einnahmen des Bundeshaushalts abhängig.

Darüber hinaus enthält der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP die
Ankündigung, dass die Bundesregierung Kriterien zur Priorisierung von Inves-
titionsprojekten entwickeln will. Im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen
Überprüfung der Bedarfspläne Schiene und Straße hat die Bundesregierung die-
ses Vorhaben nicht umgesetzt. Die Aufstellung eines neuen Investitionsrahmen-
plans für die Jahre 2011 bis 2016 ist bisher noch nicht verbindlich zugesagt.

Außerdem ist es geplant, dass neue Modelle für die Beteiligung Privater im
Rahmen von ÖPP-Projekten (ÖPP: Öffentlich Private Partnerschaften) im Be-
reich der Infrastrukturfinanzierung vorangetrieben werden.

Nach Vorstellung der Bundesregierung sollen, wie im Deutschen Bundestag und
Bundesrat nach der Föderalismuskommission II im Jahr 2009 beschlossen, im
Einvernehmen mit dem betroffenen Bundesland Bundesstraßen mit geringer

Fernverkehrsrelevanz zurückgestuft werden.

Die Umsetzung der Festlegungen zur Infrastrukturfinanzierung im Koalitions-
vertrag ist bisher noch nicht erfolgt. Offensichtlich herrscht Stillstand in der
Verkehrspolitik der Bundesregierung.

Drucksache 17/4704 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was waren nach Kenntnis der Bundesregierung die Gründe dafür, dass der
Vorschlag der Verkehrspolitiker von CDU, CSU und FDP, eine Regierungs-
kommission zur Reform der Infrastrukturfinanzierung einzusetzen, nicht in
der Endfassung des Koalitionsvertrags als Grundlage der Arbeit der Bun-
desregierung festgeschrieben wurde?

2. Wann haben seit September 2009 die Gespräche zwischen dem Bundes-
ministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung auf Fachebene und auf Ebene der politischen Leitung zur
Herstellung einer Kreditfähigkeit der VIFG stattgefunden, und was waren
die Ergebnisse der Treffen?

3. Welche Vertreter der VIFG waren seit September 2009 an den Gesprächen
innerhalb der Bundesregierung zur Herstellung einer Kreditfähigkeit der
VIFG beteiligt?

4. Welche Vorschläge haben die Vertreter der VIFG zur Herstellung der Kredit-
fähigkeit der VIFG für das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt-
entwicklung erarbeitet, und wie bewertet die Bundesregierung diese?

5. Mit welcher Zielsetzung will die Bundesregierung die Kreditwürdigkeit
der VIFG einführen?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage des Staatssekretärs im
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Prof. Klaus-
Dieter Scheurle, vom 14. September 2010 beim Parlamentarischen Abend
des Deutschen Verkehrsforums e. V., dass auf Dauer die VIFG in der heu-
tigen Form nicht zu finanzieren sei und abgeschafft gehöre, und welche
Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dieser Aussage?

7. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage des Staatssekretärs im
Bundesministerium der Finanzen, Werner Gatzer, vom 14. September 2010
beim Parlamentarischen Abend des Deutschen Verkehrsforums e. V., dass
die Voraussetzung für eine Kreditfähigkeit der VIFG wäre, dass die Höhe
der Zinsen für die Kredite, die die VIFG aufnehmen würde, nicht höher sein
dürften als die Zinsen, die der Bund als Kreditnehmer zu leisten hätte?

8. Wie setzt die Bundesregierung eine Kreditfähigkeit der VIFG in Höhe der
Hälfte der jährlichen Einnahmen aus der Lkw-Maut um?

9. Wie berücksichtigt die Bundesregierung bei der Einführung einer Kredit-
fähigkeit der VIFG die schwankenden jährlichen Einnahmen aus der Lkw-
Maut vor dem Hintergrund, dass im Jahr 2010 nach Aussagen der Bundes-
regierung rund 370 Mio. Euro Mindereinnahmen bei der Lkw-Maut zu
verzeichnen sind, und werden bei der Umsetzung der Kreditfähigkeit die
Einnahmen aus der Ausdehnung der Lkw-Maut auf vierspurige Bundes-
straßen berücksichtigt?

10. Wird die Bundesregierung im Frühjahr 2011 im Rahmen der Planungen für
den Einzelplan 12 des Bundeshaushalts für das Jahr 2012 eine Direkt-
zuweisung der Einnahmen aus der Lkw-Maut an die VIFG prüfen?

11. Wird es im Finanzierungskreislauf Straße, innerhalb dessen die Einnahmen
aus der Lkw-Maut nur noch in die Finanzierung von Infrastrukturmaßnah-
men bei der Straße fließen und keine Steuermittel mehr zur Verfügung ge-
stellt werden, aufgrund der Mindereinnahmen bei der Lkw-Maut im Jahr
2010 in Höhe von 370 Mio. Euro in den Jahren 2011 bis 2013 zu Verzöge-
rungen beim Beginn von neuen Straßeninfrastrukturprojekten kommen?

12. Wird die Bundesregierung bei Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur
Projekte auf der Straße, Schiene und Wasserstraßen nach deren gesamtwirt-
schaftlicher Vorteilhaftigkeit priorisieren?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4704

13. Wird die Bundesregierung bei Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur
Projekte auf der Straße, Schiene und Wasserstraßen mit dem höchsten Nut-
zen-Kosten-Faktor prioritär umsetzen, und bedeutet dies, dass Bedarfsplan-
projekte mit dem höchsten Nutzen-Kosten-Faktor früher umgesetzt werden
als mit einem geringeren Faktor?

14. Welche Aus- und Neubauprojekte bei der Straßen-, Schienen- und Wasser-
straßeninfrastruktur haben für die Bundesregierung bis zum Jahr 2013
Priorität und sollen innerhalb der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes
in welcher Höhe pro Projekt jährlich finanziert werden?

15. Welche Engpässe, Knoten, Hauptachsen und Hafenhinterlandanbindungen
bei der Straße, bei der Schiene und bei der Wasserstraße will die Bundes-
regierung bis zum Jahr 2013 mit welchem finanziellen Volumen prioritär
beseitigen bzw. ertüchtigen, und welche Projekte können nach Ansicht der
Bundesregierung erst nach dem Jahr 2013 umgesetzt werden?

16. Wie wird die Bundesregierung in Zukunft weitere sogenannte F-Modelle
beim Bau von Straßeninfrastrukturprojekten des Bundes im Rahmen von
ÖPP-Finanzierungen unter der Beteiligung von privaten Geldgebern um-
setzen, und wenn ja, bei welchen Verkehrsprojekten ist eine Realisierung
als F-Modell geplant?

17. Wird sich die Umsetzung von F-Modellen in Zukunft weiterhin auf
Brücken- und Tunnelprojekte in der Straßeninfrastruktur beschränken, oder
wird die Bundesregierung die gesetzlichen Grundlagen für eine darüber
hinausgehende Realisierung von F-Modellen schaffen?

18. Wie bewertet die Bundesregierung die Bedenken des Bundesrechnungs-
hofes gegenüber der Realisierung von weiteren acht ÖPP-Projekten beim
Ausbau und der Erweiterung von Bundesfernstraßen?

19. Wie bewertet die Bundesregierung die Bedenken der zuständigen Fach-
abteilung des Bundesministeriums der Finanzen, dass der Ausbau der A 8
zwischen Ulm-Elchingen und dem Dreieck Augsburg/West sowie der Aus-
bau der A 9 in Thüringen zwischen der Anschlussstelle Lederhose und der
Landesgrenze zu Bayern als ÖPP-Modell nicht wirtschaftlicher als die kon-
ventionelle Realisierung im Rahmen von Bundeshaushaltsmitteln ist, und
was waren die Gründe für das Bundesministerium der Finanzen, dem Druck
des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung nachzuge-
ben und der Realisierung der beiden Projekten trotzdem zuzustimmen?

20. Wie ist der aktuelle Verfahrensstand bei der Vorbereitung der Ausschrei-
bung und Vergabe, und was sind die Gründe für die bisher entstandenen
Verzögerungen bei der Realisierung der folgenden ÖPP-Projekte

a) Abschnitt der A 6 zwischen Wiesloch-Rauenberg und Weinsberg (Baden-
Württemberg),

b) Abschnitt der A 30 zwischen Rheine Nord, Lotte/Osnabrück und Müns-
ter Süd (Nordrhein-Westfalen),

c) Abschnitt der A 7 zwischen Bordesholm und Hamburg/Nordwest sowie
zwischen Salzgitter und Drammetal (Niedersachsen),

d) Abschnitte auf der A 45, der A 60 und der A 643?

21. Liegen der Bundesregierung Daten zum Substanz- und Gebrauchswert, zur
Nutzungsintensivität, Staus und Verfügbarkeit aller Bundesfernstraßen
(Bundesautobahnen und Bundestraßen) vor, und welche Aussagen kann die
Bundesregierung auf der Grundlage der Daten zum Zustand und der Quali-
tät in den einzelnen Bundesländern machen?

Drucksache 17/4704 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

22. Ist die Bundesregierung in der Lage, dem Ausschuss für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages die Daten zum Substanz- und
Gebrauchswert, zur Nutzungsintensivität, Staus und Verfügbarkeit aller
Verkehrsträger (Straße, Wasserstraße und Schiene) zur Verfügung zu stel-
len, und wenn nein, warum nicht?

23. Welche Bundesstraßen stuft die Bundesregierung mit welcher Begründung
mit einer geringen Fernverkehrsrelevanz ein?

24. Hat die Bundesregierung gemäß des Beschlusses des Deutschen Bundes-
tages und des Bundesrates in Folge der Föderalismuskommission II aus dem
Jahr 2009 den Verkehrsministerien der Länder noch vor Ende des Kalender-
jahres (d. h. bis Ende 2009) schriftlich und für den Bund verbindlich mit-
geteilt, welche Straßen(abschnitte) ihre Bedeutung soweit verloren haben,
dass ihre Einstufung als Bundesstraße nicht mehr zu rechtfertigen ist, und
wenn nein, was waren die Gründe dafür?

25. Welche Gespräche haben zwischen der Fachebene des Bundesministeriums
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung wie auch der politischen Spitze des
Bundesverkehrsministeriums mit der Fachebene der zuständigen Ministe-
rien wie auch der zuständigen Fachminister der Bundesländer zur Abstu-
fung von Bundesstraßen mit geringer Fernverkehrsrelevanz seit September
2009 mit welchem Ergebnis stattgefunden?

26. Zu welchen Ergebnissen ist die Bundesregierung in ihren seit Ende 2009
andauernden Gesprächen mit Vertretern der Deutschen Bahn AG (DB AG)
über die Einführung einer Regelung, die einen Verbleib der im Netz der
DB AG erwirtschafteten Gewinne in der DB Netz AG vorsieht, gekommen,
und wie wird die rechtliche Ausgestaltung einer neuen Regelung zur Stär-
kung der Eigenmittelfähigkeit der DB Netz AG erfolgen?

27. Welche Argumente tragen die Vertreter der DB AG gegenüber der Bundes-
regierung vor, warum ein Verbleib der Erlöse aus dem DB-Schienennetz
bei der DB Netz AG nicht zielführend ist, und wie bewertet die Bundes-
regierung die Bedenken der DB AG?

28. Sollen nach Ansicht der Bundesregierung, bei einer Kappung des Ergebnis-
vertrages im Falle eines erwirtschafteten Verlustes seitens der DB Netz AG,
diese auch durch die Holding ausgeglichen werden, und wie will die
Bundesregierung einen solchen Ausgleich garantieren?

29. Welche neuen Sanktionsmöglichkeiten hat die Bundesregierung im Rahmen
der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) mit der DB AG seit
2009 eingeführt, und wird zukünftig nicht mehr die DB AG Holding der
Vertragspartner des Bundes bei Abschluss der LuFV sein?

30. Welche Initiativen ergreift die Bundesregierung, um die LuFV mit der
DB AG so weiterzuentwickeln, dass auch witterungsabhängige Leistungs-
merkmale der Infrastruktur mit einem Koeffizienten bewertet und in den
jährlichen Bericht mit aufgenommen werden?

31. Welche Konsequenzen hätte nach Ansicht der Bundesregierung die Tren-
nung von Netz und Betrieb?

32. Will die Bundesregierung entsprechend der Vereinbarungen des Koali-
tionsvertrags zwischen CDU, CSU und FDP und angesichts des sich bereits
erholten Kapitalmarktes eine ertragsoptimierte Privatisierung der Transport
und Logistiksparten einleiten, und wie soll eine solche Privatisierung im
Detail aussehen?

33. Welche Konsequenzen werden dabei für den DB-Konzern und den kon-

zerninternen Arbeitsmarkt erwartet?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/4704

34. Wie bewertet die Bundesregierung die Einführung einer LuFV für den Er-
halt und Betrieb von Bundesfernstraßen mit den Bundesländern?

35. Ist der Bundesregierung bekannt, dass einige Bundesländer wie Branden-
burg, Hessen, Saarland und Nordrhein-Westfalen einem Pilotversuch im
Sinne einer LuFV Straße offen gegenüber sind, und wird sie in diesem Jahr
in direkten Gesprächen mit den Bundesländern eine Umsetzung einer
LuFV Straße sondieren?

36. Welche Vorschläge hat die Bundesregierung seit Ende 2009 für eine Redu-
zierung der Haushaltsabhängigkeit bedarfsgerechter Verkehrsinvestitionen
erarbeitet, und wie soll die mehrjährige Planungs- und Finanzierungssicher-
heit für Investitionsprojekte in der Verkehrsinfrastruktur nach Ansicht der
Bundesregierung verbessert werden?

Berlin, den 9. Februar 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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