BT-Drucksache 17/4690

Brennelemente-Zwischenlager am Forschungszentrum Jülich ertüchtigen

Vom 9. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4690
17. Wahlperiode 09. 02. 2011

Antrag
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Hans-Josef Fell,
Bärbel Höhn, Ingrid Nestle, Dr. Hermann Ott, Dorothea Steiner, Cornelia Behm,
Bettina Herlitzius, Winfried Hermann, Ulrike Höfken, Dr. Anton Hofreiter,
Undine Kurth (Quedlinburg), Friedrich Ostendorff, Daniela Wagner,
Dr. Valerie Wilms, Kai Gehring und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Brennelemente-Zwischenlager am Forschungszentrum Jülich ertüchtigen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Auf dem Gelände der Forschungszentrum Jülich (FZJ) GmbH, Mitglied der
Helmholtz-Gemeinschaft, lagern 152 Castoren mit etwa 300 000 hochradio-
aktiven Brennelementekugeln aus dem 1988 stillgelegten Versuchsreaktor AVR
(Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor) Jülich. Die gültige Genehmigung für
die Zwischenlagerung dieser Castoren in Jülich läuft im Jahr 2013 aus.

Die Forschungszentrum Jülich GmbH plant die Verlagerung der Castoren von
Jülich in das Brennelementezwischenlager Ahaus.

Jeder Transport ist eine Gefährdung der Bevölkerung und der Umwelt. Daher
müssen die Transporte so weit wie möglich vermieden werden. Da die Castoren
des FZJ nur einzeln oder zu zweit per LKW zu transportieren sind, wären min-
destens 76, unter Umständen aber bis zu 152 Transporte von Jülich nach Ahaus
erforderlich. Diese Transporte können bei einer Ertüchtigung des Zwischen-
lagers in Jülich entfallen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● als beherrschende Mehrheitsgesellschafterin den Vorstand des Forschungs-
zentrums Jülich zu veranlassen, den Antrag auf Einlagerung der 152 Casto-
ren mit Brennelementekugeln aus dem AVR Jülich in Ahaus zurückzuzie-
hen,

● stattdessen die Voraussetzungen für eine verlängerte Zwischenlagerung in
Jülich zu schaffen, bis die hochradioaktiven Brennelemente in ein geneh-
migtes Endlager verbracht werden können, und

● das Zwischenlager in Jülich auf den Stand der Technik zu bringen. Das be-
inhaltet z. B. eine Sicherung gegen einen Flugzeugabsturz.
Berlin, den 8. Februar 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Drucksache 17/4690 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Begründung

Die Forschungszentrum Jülich GmbH, an der der Bund mit 90 Prozent und das
Land Nordrhein-Westfalen mit 10 Prozent beteiligt sind, hat bereits vor länge-
rer Zeit zwei parallele Anträge an das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ge-
stellt:

1. Verlagerung der Castoren von Jülich in das Brennelementezwischenlager
Ahaus;

2. Verlängerung der Zwischenlagergenehmigung für die Castoren in Jülich.

Das FZJ hat zwischenzeitlich das Genehmigungsverfahren zur Einlagerung in
Ahaus aktiv vorangetrieben, während der Antrag zur Verlängerung der Zwi-
schenlagergenehmigung in Jülich nicht forciert wurde. Im Wesentlichen be-
gründet der Vorstand des FZJ den Vorzug der Verlagerung mit der Behauptung,
der Transport nach Ahaus und die Einlagerung der 152 Castoren dort seien
billiger als ein Weiterbetrieb eines Zwischenlagers in Jülich. Außerdem sei die
Lagerung von Atommüll bei einer Helmholtz-Großforschungseinrichtung
ungünstig.

Dabei bleibt dem FZJ ohnehin noch sehr lange eine atomare Großaltlast erhal-
ten: Der 2 000 Tonnen schwere und 26 Meter hohe Reaktorbehälter des AVR ist
derart stark verstrahlt, dass er nicht zerlegt werden kann, sondern analog zu
russischen Atom-U-Booten mit Leichtbeton ausgeschäumt und als Ganzes in
einer wenige hundert Meter entfernten, eigens dafür errichteten Halle für
etliche Jahrzehnte zwischengelagert werden muss, bis seine Strahlung auf ein
vertretbares Maß für eine Zerlegung und Endlagerung abgeklungen ist. Die
Verlagerung des Reaktorbehälters ist erforderlich, weil das Erdreich unter dem
Reaktorstandort nach einem schweren Störfall im Jahr 1978 stark verstrahlt ist
und nach dem Rückbau des Reaktors dekontaminiert werden muss.

Die vom FZJ favorisierte Verlagerung der Castoren nach Ahaus widerspricht
dem Prinzip der dezentralen Zwischenlagerung zur Vermeidung unnötiger
Atommülltransporte. Ob die Verlagerung des Atommülls nach Ahaus für die
öffentliche Hand tatsächlich billiger ist als der Verbleib in Jülich, wäre aber zu-
nächst einmal zu überprüfen. Nach Aussage des Vorstands des FZJ sind die
Castoren nur einzeln oder zu zweit per LKW zu transportieren. Das heißt, es
wären über einen Zeitraum von weniger als zwei Jahren mindestens 76, unter
Umständen aber bis zu 152 Transporte von Jülich nach Ahaus erforderlich. Al-
lein die notwendigen Polizeieinsätze hierfür würden erhebliche Kosten verursa-
chen – von den Unfallrisiken, die solche Transporte mit sich bringen, ganz zu
schweigen.

Ohne nachvollziehbare Legitimation und ohne Endlagerperspektive ist kaum
überzeugend zu begründen, warum der in Jülich produzierte Müll nach Ahaus
verbracht werden sollte. Bei der Bevölkerung fehlt die Akzeptanz sowohl für
die Transporte als auch für die Zwischenlagerung in Ahaus, auch weil das Zwi-
schenlager in Ahaus im gleichen Jahr wie das in Jülich errichtet wurde und
ebenfalls nicht dem heutigen Stand der Technik entspricht.

Deshalb muss es das Ziel sein, den Atommüll so lange in Jülich zu lagern, bis
ein genehmigtes Endlager zur Verfügung steht, und das Zwischenlager entspre-
chend zu ertüchtigen. Das beinhaltet Ertüchtigungsmaßnahmen, z. B. für den
Fall eines Flugzeugabsturzes.

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