BT-Drucksache 17/4498

Atommüll - Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe und Zwischenlager Nord

Vom 20. Januar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4498
17. Wahlperiode 20. 01. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Oliver
Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Dr. Hermann Ott, Dorothea
Steiner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Atommüll – Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe und Zwischenlager Nord

Das Zwischenlager Nord (ZLN), auch bekannt als Zwischenlager Lubmin, wird
von den Energiewerken Nord GmbH (EWN) betrieben, die sich vollständig in
Bundeseigentum befinden. Für Rückbau und Entsorgung der Wiederaufarbei-
tungsanlage Karlsruhe (WAK) ist die „Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe
Rückbau und Entsorgungs-GmbH“ (kurz WAK GmbH) zuständig, eine hundert-
prozentige Tochter der EWN. Mit der WAK und dem ZLN beschäftigten sich be-
reits mehrere Kleine Anfragen (siehe unter anderem Bundestagsdrucksachen
16/12989, 17/3756 und 17/4385).

Die Verglasung des hochradioaktiven Flüssigabfalls (kurz HAWC), besser be-
kannt als sogenannte Karlsruher Atomsuppe, ist mittlerweile abgeschlossen. Der
Rückbau und die Entsorgung der WAK und VEK (Verglasungseinrichtung) stel-
len jedoch weiterhin technisches Neuland in der großtechnischen praktischen
Anwendung dar. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass weitere
Probleme das gesamte Rückbauprojekt, das sich bereits mehrmals verzögerte
und verteuerte, abermals verzögern und verteuern.

Laut Kostenschätzung vom Dezember 2007 liegen die WAK-Gesamtprojekt-
kosten bei rund 2,63 Mrd. Euro, hiervon rund 2,2 Mrd. Euro für Verglasung und
Rückbau. Den Großteil der Kosten trägt der Bund. Vor dem Hintergrund des im
Atombereich geltenden Verursacherprinzips und der Tatsache, dass die Ener-
gie- und Atomwirtschaft in erheblichem Ausmaß von der WAK profitiert hat,
erscheint die Kostenaufteilung zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft
mehr als kritisch (siehe hierzu auch den Beitrag in der ARD-Sendung
„Kontraste“ vom 13. Januar 2011).

Laut Medienberichten ist zu erwarten, dass die hochradioaktiven Kokillen mit
der verfestigten Atomsuppe Mitte Februar in das Zwischenlager Nord transpor-
tiert werden (vgl. dpa-Meldung vom 4. Januar 2011). Die Antwort der Bundes-
regierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/4575 ergab
unter anderem, dass die EWN im Herbst 2010 eine Genehmigungsänderung für
das Zwischenlager Nord beantragt haben, deren wesentliche Punkte hier erfragt

werden sollen.

Drucksache 17/4498 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

Fragen zur WAK und VEK

1. Ist die Projektkostenschätzung für das Projekt WAK-Stilllegung und -Entsor-
gung vom Dezember 2007 immer noch aktuell, oder durch welches/welche
Dokument/Dokumente welchen Datums wurde diese oder Teile davon ak-
tualisiert?

Wie hoch werden die betreffenden Kosten darin neu beziffert, welche Kosten-
steigerungen in welcher Höhe und aufgrund welcher Ursachen werden aktuell
erwartet?

2. Soweit nicht unter Frage 1 bereits behandelt: Liegen der Bundesregierung
bereits erste Erkenntnisse und Prognosen vor, in welcher Höhe sich die
WAK-Gesamtprojektkosten durch Verzögerungen bei der Inbetriebnahme
von Schacht Konrad erhöhen könnten (ggf. bitte erläutern und beziffern)?

Falls nein, weshalb nicht, und bis wann sollen diese vorliegen?

3. Geht die WAK GmbH zusätzlich zu den in Frage 1 behandelten Kosten-
steigerungen intern bereits von weiteren möglichen Kostensteigerungen
gegenüber der Projektkostenschätzung von 2007 aus (ggf. bitte erläutern
und beziffern)?

Falls nein, sind der WAK GmbH intern (technische) Probleme hinsichtlich
des Anlagen- und Gebäuderückbaus von WAK/VEK bekannt, die zu Ver-
zögerungen und Kostensteigerungen führen könnten (ggf. bitte alle zu-
treffenden nennen, nicht nur eines/ausgewählte)?

4. Werden die Meilensteine „Gebäude-Entlassung aus dem Atomgesetz-
Geltungsbereich“ und „Grüne Wiese“ immer noch für 2020 bzw. 2023 er-
wartet?

Falls nein, für wann?

5. Liegt das neue Entsorgungskonzept einschließlich gesonderter Kosten-
schätzung für die nuklearen Inhaltsstoffe des HAWC-Behälters 81-21 bereits
vor?

Falls nein, weshalb nicht, und bis wann wird es nach aktuellem Stand voraus-
sichtlich vorliegen?

Falls ja, was soll im Wesentlichen mit diesen radioaktiven Inhaltsstoffen und
dem Behälter geschehen, und was sind die wesentlichen Positionen der
Kostenschätzung in welcher Höhe?

6. Welcher genaue Betrag in Euro lag dem in der Projektkostenschätzung von
2007 mit 32 Prozent bezifferten Anteil der Industrie an den WAK-Gesamt-
projektkosten zugrunde?

Wie hoch in Euro ist aktuell der Anteil der Industrie an den WAK-Gesamt-
projektkosten unter Einbeziehung von kalkulatorischen Anteilen an erwirt-
schafteten Zinsen?

7. Inwiefern kann die Industrie im Falle von Kostensteigerungen finanziell
herangezogen werden, und beabsichtigt die Bundesregierung in einem sol-
chen Fall, mit der Industrie erneut in Kostenverhandlungen zu treten (bitte
mit Begründung)?

8. Inwiefern und in welcher Höhe haben sich die Kostenerwartungen bezüglich
des im Zusammenhang mit WAK-Rückbau und -Entsorgung zwischen der
WAK GmbH und ihrem ehemaligen Gesellschafter Deutsche Gesellschaft
für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen (DWK) geschlossenen Ver-

trages über nukleare Entsorgungsleistungen geändert?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4498

9. Kann die Bundesregierung im Zusammenhang mit der WAK bestätigen,
dass der sogenannte Waste-Schlüssel ein Maß für die Nutzung der Anlage
von Brennstoffen aus bundeseigenen und Industriekraftwerken ist?

10. Mit welchem konkreten Rechenansatz/Rechenweg hat die Bundesregie-
rung ein WAK-Nutzungsanteil der Industrie von rund 40 Prozent ermittelt
(bitte mit Angabe der wesentlichen Rechenfaktoren und ihrer Höhe)?

11. Liegt der Bundesregierung oder der WAK GmbH eine Übersicht vor, aus
der hervorgeht, welche einzelnen Atommülllieferungen an die WAK es
wann aus welchen der Anlagen, deren jeweilige Gesamtmengen auf Bundes-
tagsdrucksache 16/13855 zu Frage 53 aufgeführt sind, gegeben hat?

Falls ja, welche Lieferungen an die WAK gab es wann aus welchen An-
lagen (bitte tabellarische Übersicht mit Datum, Masse und Abbrand)?

12. Welchem Bundesministerium liegt die auf Bundestagsdrucksache 16/13743
zu Frage 26 erwähnte Antwort der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW)
vor, mit der EnBW die erfragte Kenntnisnahme der betreffenden WAK-Ver-
träge durch das Parlament ablehnte?

Fragen zum Zwischenlager Nord

13. Liegen der Bundesregierung bzw. den EWN Erkenntnisse über die zuge-
hörigen Radionuklide zu den in der Tabelle auf Bundestagsdrucksache
17/1342 zu Frage 100 angegebenen Aktivitäten der radioaktiven Abwässer,
die am Standort Lubmin in die Ostsee eingeleitet werden, vor (ggf. bitte
ergänzte tabellarische Übersicht analog zu Bundestagsdrucksache 17/1342
zu Frage 100)?

14. Welche Regelungen und zulässigen Höchstmengen bezüglich spezifischer
Radionuklide enthalten die auf Bundestagsdrucksache 17/1342 zu Frage 100
genannten Genehmigungen für die Einleitung radioaktiver Abwässer in die
Ostsee?

15. Was sind die wesentlichen Änderungen, die die EWN mit der auf Bun-
destagsdrucksache 17/4009 zu Frage 7 genannten „Änderungsanzeige
Z3-007-09“ vom 25. September 2009 für die „Zwischenlagerung von festen
radioaktiven Reststoffen/Abfällen aus anderen kerntechnischen Anlagen
mit Leichtwasserreaktoren vor und nach einer Behandlung/Konditionierung
am Standort Lubmin/Rubenow“ beantragt haben (bitte Wortlautangabe der
wesentlichen Änderungen)?

16. Wurden die in der vorangegangen Frage behandelten beantragten Änderun-
gen bereits genehmigt (wann)?

Falls nein, bis wann wird aktuell mit ihrer Genehmigung gerechnet?

17. Haben die EWN in einem oder mehreren der Verträge für die Behandlung
und Lagerung von Atommüll im ZLN, die Gegenstand auf Bundestagsdruck-
sache 17/4009 waren, Leistungen vereinbart bzw. zugesichert, die sie nur
erbringen können, wenn die o. g. beantragte Änderungsanzeige Z3-007-09
genehmigt wird?

Falls ja, welche Leistungen in welchen Verträgen (falls zutreffend, bitte
ausführliche Antwort – auch dann, wenn die betreffende Genehmigung
mittlerweile bereits erteilt sein sollte)?

Drucksache 17/4498 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
18. Sofern in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 17/4009
nicht angegeben – von wann stammen die genannten Verträge mit Dritten
(gefragt wird nur nach dem Datum)?

Berlin, den 20. Januar 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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