BT-Drucksache 17/4452

Besserer Schutz vor Krankenhausinfektionen durch mehr Fachpersonal für Hygiene und Prävention

Vom 19. Januar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4452
17. Wahlperiode 19. 01. 2011

Antrag
der Abgeordneten Bärbel Bas, Mechthild Rawert, Dr. Carola Reimann, Petra
Ernstberger, Elke Ferner, Dr. Edgar Franke, Iris Gleicke, Angelika Graf
(Rosenheim), Petra Hinz (Essen), Ute Kumpf, Dr. Karl Lauterbach, Steffen-Claudio
Lemme, Hilde Mattheis, Thomas Oppermann, Ewald Schurer, Dr. Marlies Volkmer,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Besserer Schutz vor Krankenhausinfektionen durch mehr Fachpersonal
für Hygiene und Prävention

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In deutschen Krankenhäusern werden jährlich rund 18 Millionen Patientinnen
und Patienten (2009) behandelt. Allein die gesetzliche Krankenversicherung
gab 2009 55 Mrd. Euro für eine Versorgung auf höchstem medizinischen und
pflegerischen Niveau aus. Trotz aller Anstrengungen gibt es eine besorgnis-
erregende Entwicklung der Krankenhausinfektionen. Alle bisher unternomme-
nen Maßnahmen haben nicht zu einer flächendeckenden Eindämmung der
Krankenhausinfektionen geführt. Besonders besorgniserregend ist die Entwick-
lung bei antibiotika-resistenten Keimen. In deutschen Krankenhäusern infizie-
ren sich signifikant mehr Patientinnen und Patienten als in den Einrichtungen
vergleichbarer Gesundheitssysteme (nord-)europäischer Nachbarländer.

Alle in der fachlichen und politischen Auseinandersetzung genannten Zahlen
sind so gravierend, dass sie eine direkte Aufforderung zum Handeln darstellen.
Die stetig steigende Zahl der Infektionen bedeutet für die betroffenen Patientin-
nen und Patienten und deren Angehörige zusätzliches Leid, längere und sich
wiederholende Krankenhausaufenthalte und in vielen Fällen den Tod. Dadurch
wird das Vertrauen der Bevölkerung in die hervorragende medizinische und
pflegerische Versorgung durch stationäre Einrichtungen empfindlich gestört.
Zudem fügen Krankenhausinfektionen den deutschen Krankenhäusern und
dem deutschen Gesundheitssystem einen massiven wirtschaftlichen Schaden
zu.

Eine im Krankenhaus erworbene Infektion bedeutet aber nicht zwangsläufig,
dass ein Zusammenhang zwischen der medizinischen Behandlung und dem
Auftreten der Infektion existiert. Dieser ist nur in den seltensten Fällen und un-
ter erheblichem diagnostischem Aufwand zu beweisen. Grundsätzlich verste-

hen wir heute viel besser, welche Infektionsquellen und Übertragungswege
Krankenhausinfektionen haben. Diesen ist mit wirksamen Präventionsmaßnah-
men zu begegnen.

Der Bundesminister für Gesundheit und die Regierungskoalition der CDU/CSU
und FDP haben angekündigt, mit den Landesgesundheitsministern über das
Thema Krankenhaushygiene zu sprechen. Dem bekannten politischen Hand-

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lungsschema des Bundesgesundheitsministers folgend, ist es bei dieser Ankün-
digung geblieben. Die Bundesregierung und die Regierungskoalition sind
konkrete Pläne oder Vorschläge schuldig geblieben, wie sich die Krankenhaus-
hygiene bundesweit verbessern könnte.

Zumindest in den Bundesländern Bayern, Berlin, Bremen, Nordrhein-West-
falen, dem Saarland und Sachsen wird der Herausforderung bereits durch Kran-
kenhaushygieneverordnungen Rechnung getragen. Zentraler Ansatz der Verord-
nungen ist eine bessere Hygieneschulung des Krankenhauspersonals durch ent-
sprechendes Hygienefachpersonal (Facharzt für Hygiene und Hygienefachpfle-
gekräfte). Die Empfehlung der 79. Gesundheitsministerkonferenz der Länder
vom 30. Juni 2006 hat zudem dazu geführt, dass in vielen Regionen flächen-
deckend Netze aus beteiligten Akteuren zur Bekämpfung von Krankenhaus-
infektionen (insbesondere MRSA) entstanden sind. Neue Erkenntnisse werden
auch durch zeitlich begrenzte Modellprojekte gewonnen, wie dem Screening
von sämtlichen neu aufgenommenen Patienten in allen Akutkrankenhäusern des
Saarlandes im Herbst 2010.

Diese Anstrengungen und Entwicklungen werden ausdrücklich begrüßt. Um
einen bundeseinheitlichen Standard bei der Bekämpfung von Krankenhaus-
infektionen zu gewährleisten, ist eine bundesgesetzliche Regelung bei der
Krankenhaushygiene angesichts der Schwere des Problems unumgänglich.

Das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim
Menschen (Infektionsschutzgesetz) hat sich bei der Vorbeugung von übertrag-
baren Krankheiten, der frühzeitigen Erkennung von Infektionen und der Ver-
hinderung ihrer Weiterverbreitung in vielen Fällen bewährt. Neben der Melde-
pflicht in § 6 sind in § 23 die Berichtspflichten zu Krankenhausinfektionen ein-
geführt. Zudem wird dort dem Robert Koch-Institut (RKI) die fachliche Kom-
petenz für bundeseinheitliche Hygieneempfehlungen zugesprochen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert deshalb die Bundesregierung auf,

1. den § 23 des Infektionsschutzgesetzes so zu ergänzen, dass in allen deut-
schen Krankenhäusern Fachärzte für Hygiene und Hygienefachpflegekräfte
in ausreichender Zahl eingesetzt werden, um die Hygieneempfehlungen und
den Infektionsschutz in der medizinischen und pflegerischen Arbeit umzu-
setzen;

2. die Bundesländer darin zu unterstützen, eigene, den Anforderungen an die
heutigen Arbeits- und Behandlungsabläufe in medizinischen und pflege-
rischen Einrichtungen angepasste, Hygieneverordnungen zu erlassen.

Berlin, den 19. Januar 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

Begründung

Durch die Bestellung von gut ausgebildetem Hygienefachpersonal wird sicher-
gestellt, dass die bestehenden aktuellen wissenschaftlich begründeten Stan-
dards und Leitlinien zur Hygiene und Infektionskontrolle in allen deutschen
Krankenhäusern wirksam angewandt werden.

Die bekannten Zahlen zu Krankenhausinfektionen und die durchweg positiven

Erfahrungen in Ländern wie den Niederlanden oder Dänemark lassen den

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Schluss zu, dass vor allem die Empfehlungen der beim RKI errichteten Kom-
mission für Krankenhaushygiene in Deutschland nicht ausreichend umgesetzt
werden. Zur Behebung dieses Defizits ist zusätzliches Hygienefachpersonal in
den Krankenhäusern unverzichtbar. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft
für Krankenhaushygiene e. V. sind 75 Prozent der zur Umsetzung der bestehen-
den Richtlinien nötigen Stellen im ärztlichen wie pflegerischen Bereich nicht
eingerichtet oder nicht besetzt. Die Benennung von „Hygienebeauftragten“
kann diesen Mangel an Fachpersonal nicht auffangen.

Es ist dringend geboten, mehr Hygienefachpersonal in die Krankenhäuser zu
bringen. Eine bundeseinheitliche Regelung im Infektionsschutzgesetz ist der
schnellste und der Schwere des Problems angemessene Weg. Die so induzierte
Nachfrage nach entsprechend ausgebildetem Fachpersonal wird zudem einen
positiven Impuls setzen, um die Situation an den Lehrstühlen für Krankenhaus-
hygiene und anderen Aus- und Weiterbildungseinrichtungen des Fachs zu ver-
bessern.

Weiterhin lassen sich international erfolgreiche und bewährte Strategien durch
Hygienefachpersonal besser umsetzen. Dazu zählen etwa ein effizienterer Anti-
biotikaeinsatz oder eine schnelle Identifikation von besiedelten Patienten bei
der stationären Aufnahme. Präventionserfolge durch eine verbesserte Kranken-
haushygiene stärken nicht zuletzt auch den Wettbewerb im stationären Versor-
gungsbereich. Dadurch gewinnt die Krankenhaushygiene auch Bedeutung bei
den Vertragsverhandlungen zwischen den Krankenkassen und den Kranken-
häusern.

Es bleibt den Bundesländern vorbehalten, eigene Krankenhaushygieneverord-
nungen zu erlassen. Weitergehende Regelungen sind aus Sicht des Bundes-
gesetzgebers dabei ausdrücklich zu begrüßen.

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