BT-Drucksache 17/4391

Senkung der Schwefeloxid-Emissionen von Schiffen

Vom 12. Januar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4391
17. Wahlperiode 12. 01. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Bettina Herlitzius, Winfried Hermann,
Dr. Anton Hofreiter, Stephan Kühn, Ingrid Nestle, Daniela Wagner
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Senkung der Schwefeloxid-Emissionen von Schiffen

Die Ost- und Nordsee gehören zu den sogenannten Sulphur Emission Control
Areas (SECAs), in denen strengere Grenzwerte für den Schwefelgehalt von
Schiffsbrennstoffen gelten. Der für Weltmeere geltende Grenzwert von
4,5 Prozent Schwefel ist hier auf 1,0 Prozent begrenzt, 2015 soll er laut revidier-
ter Fassung des Annex VI des MARPOL-Abkommens vom Oktober 2008 auf
0,1 Prozent sinken. Für die übrigen Gebiete ist für 2012 ein Grenzwert von
3,5 Prozent festgelegt, der bis spätestens 2025 auf 0,5 Prozent sinken soll.

Ost- und Nordsee gehören zu den am stärksten belasteten Meeren. Etwa 80 Pro-
zent des Verkehrs findet in Küstennähe statt. Zum Schutz der Gesundheit von
Anwohnern und Beschäftigten sind bereits in Häfen Treibstoffe mit 0,1 Prozent
Schwefelanteil vorgeschrieben – der jedoch immer noch hundertmal höher ist
als der zulässige Grenzwert für Dieselkraftstoff im Straßenverkehr. Die SECAs
leisten in Nord- und Ostsee wie auch an den gesamten Küsten Nordamerikas
einen wichtigen Beitrag zur Luftreinhaltung sowie zum Gesundheits- und
Meeresschutz.

Die Absenkung der Schwefelwerte kann über die Verwendung hochwertiger
Treibstoffe oder Filteranlagen erreicht werden. Vonseiten bestimmter Reede-
reien werden nun jedoch Kostensteigerungen durch den Einsatz von höherwer-
tigem Schiffstreibstoff vermutet. Der Verband Deutscher Reedereien (VDR) hat
in einer Studie des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik in Bremen1

die Folgen untersuchen lassen. Danach werden Wettbewerbsverzerrungen zu-
ungunsten der Reedereien befürchtet. Die Kostensteigerungen seien so massiv,
dass es zur Verlagerung des Schiffsverkehrs auf Landrouten kommen würde
und bestimmte Routen auf Nord- und Ostsee zukünftig nicht mehr bedient wer-
den könnten.

Gleichzeitig möchte die EU-Kommission die bestehende Richtlinie zum Schwe-
felgehalt in Kraftstoffen (1999/32/EG) revidieren, da die Grenzwerte für Schwe-
fel- und Stickstoffoxide weiterhin überschritten werden. Die geplante Revision
will die 2008 im Rahmen der Internationalen Maritimen Organisation (IMO)

beschlossenen Grenzwerte in EU-Recht umsetzen, da nicht alle EU-Staaten das
MARPOL-Abkommen ratifiziert haben.

1 Lemper, Burkhard et al.: Die weitere Reduzierung des Schwefelgehalts auf 0,1 Prozent in Nord- und
Ostsee im Jahr 2015: Folgen für die Schifffahrt in diesem Fahrtgebiet. Bremen, September 2010.

Drucksache 17/4391 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welcher Form war das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-
wicklung in die Beauftragung, Konzeption und Durchführung der Studie
des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) eingebunden, und
inwiefern wurde Einfluss auf die untersuchten Fragestellungen genommen?

2. Wie bewertet das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick-
lung die Ergebnisse der ISL-Studie, und welchen Einfluss haben die Ergeb-
nisse auf die Position zum Vollzug des Annex VI des MARPOL-Abkom-
mens?

3. Wie wird die Annahme der ISL-Studie bewertet, dass eine bestehende Feste
Fehmarnbeltquerung als negative Folge für den Schiffsverkehr in Zusam-
menhang mit den SECA-Regelungen ab 2015 gesehen wird, obwohl der
Bau dieser Verbindung äußerst umstritten ist und frühestens 2020 fertig-
gestellt sein könnte?

4. Wie wird bewertet, dass als Alternative zum Schiffsverkehr nur punktuell
Straßen, nicht jedoch Zugverbindungen, untersucht wurden?

5. Wie wird die Annahme einer Wettbewerbsverzerrung in der ISL-Studie
zwischen Land- und Seeverkehr vor dem Hintergrund betrachtet, dass auf
Schiffstreibstoffe im Gegensatz zu Lkw-Diesel keine Energiesteuer er-
hoben wird, und wie hoch wird die jährliche Steuerersparnis für Schiffs-
betreiber hierdurch angenommen?

6. Wie wird die Annahme einer Wettbewerbsverzerrung in der ISL-Studie
zwischen Land- und Seeverkehr vor dem Hintergrund der Tonnagegewinn-
ermittlung für deutsche Reeder beurteilt, die laut Zentrum für Europäische
Wirtschaftsforschung2 mit 500 Mio. Euro zu den zwanzig wichtigsten
Steuervergünstigungen der deutschen Wirtschaft zählt?

7. Wie viele deutsche Reedereien im SECA-Gebiet lassen sich mittels Ton-
nagegewinnermittlung besteuern, und welches Volumen hatten die Subven-
tionen für die Reeder in diesem Gebiet?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die Eignung und Realisierbarkeit von
Abgasnachbehandlungssystemen als Alternative zur Absenkung des
Schwefelanteils für den Schiffstreibstoff in den SECA-Gebieten?

9. Wie beurteilt die Bundesregierung die Eignung und Realisierbarkeit von
LNG-Antrieben (LNG: Liquefied Natural Gas) als Alternativantriebe in
SECA-Gebieten?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung die Nutzung des Rückstandsöls aus Raf-
finerien (HFO) als Schiffstreibstoff im Hinblick auf die Wirkungen auf das
Ökosystem und die wirtschaftlichen Vorteile der Mineralölwirtschaft durch
die damit reduzierte Entsorgung von Raffinerieabfällen?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die Annahme in der ISL-Studie (Anmer-
kung in Kapitel 3.8, Seite 3 bis 13), dass die im Sommer 2010 unmittelbar
nach Einführung der verschärften Schwefelanforderungen für die SECA-
Gebiete ermittelte Preisdifferenz zwischen HFO mit bisherigem Schwefel-
gehalt, HFO mit 1 Prozent Schwefelanteil und Gasöl mit 0,1 Prozent
Schwefelanteil für den Betrachtungszeitraum der Studie als konstant an-
genommen wird?

2 Vergleiche Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln/Zentrum für Euro-

päische Wirtschaftsforschung: Evaluierung von Steuervergünstigungen. Köln/Kopenhagen/Mannheim,
Herbst 2009.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4391

Erwartet die Bundesregierung Skaleneffekte mit Auswirkung auf die Preis-
bildung nach einer entsprechenden Anpassung der Erzeugungsprozesse in
den Raffinerien?

12. Welche Position nimmt die Bundesregierung derzeit gegenüber der IMO
ein, und ist eine Revision dieser Position seitens der Bundesregierung mög-
lich?

13. Wie bewertet die Bundesregierung die von der EU-Kommission beabsich-
tigte Revision der bestehenden Richtlinie zum Schwefelgehalt in Kraftstof-
fen, mit der die Übereinkunft des MARPOL Annex VI EU-Recht würde?

14. Würde die Bundesregierung eine Revision der Richtlinie zum Schwefelge-
halt begrüßen?

Falls nein, was sind die Gründe hierfür?

15. Welche Möglichkeiten gibt es nach Ansicht der Bundesregierung zur
Änderung des Annex VI des MARPOL-Abkommens, und gibt es Bestre-
bungen zu deren Umsetzung?

16. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Position der europäischen
SECA-Anrainer zur Umsetzung des Annex VI des MARPOL-Abkom-
mens?

17. Wie würde sich nach Ansicht der Bundesregierung die Wettbewerbs-
situation von Reedereien in Nord- und Ostsee verändern, wenn auch das
Mittelmeer und der an Europa direkt angrenzende Teil des Atlantiks zu
SECA-Gebieten erklärt werden würden?

Berlin, den 17. Dezember 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.