BT-Drucksache 17/432

Deutsche Polizei-Ausbildungshilfe in Afghanistan

Vom 13. Januar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/432
17. Wahlperiode 13. 01. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Inge Höger, Harald Koch,
Paul Schäfer (Köln), Raju Sharma und der Fraktion DIE LINKE.

Deutsche Polizei-Ausbildungshilfe in Afghanistan

Der Einsatz deutscher Polizisten in Afghanistan findet in einem zunehmend mili-
tarisierten Umfeld statt. Das drückt sich zum einen durch die verstärkten Aktivi-
täten von Aufständischen aus, zum anderen in der immer intensiveren Zusam-
menarbeit von Polizei und Militär. So bilden Polizisten im Rahmen des Focused
District Development (FDD) seit Beginn des Jahres 2009 gemeinsame Police
Mentoring Teams mit Feldjägern der Bundeswehr.

Die zunehmende Verquickung von Polizei und Militär drückt sich auch in der
neuen Nato Training Mission (NTM) aus. Diese stellt laut eines „Fact Sheet“ des
vom Pentagon dominierten CSTC-A (Combined Security Transition Command-
Afghanistan) „Berater, Mentoren und Trainer“ zur Verfügung, um der afghani-
schen Regierung dabei zu helfen, ihre Polizei- und Militärkräfte „zu organisie-
ren, zu trainieren, auszustatten, einzusetzen und zu unterstützen, um den Auf-
stand niederzuschlagen“. Diese Tätigkeit wird auch von privaten Sicherheits-
bzw. Militärdienstleistern, also Söldnerfirmen, wahrgenommen.

Die Anzahl der in Afghanistan eingesetzten deutschen Polizisten ist im vergan-
genen Jahr auf 142 angestiegen. Dennoch erscheint zweifelhaft, ob die Bundes-
regierung ihr Ziel erreicht, im Jahr 2010 insgesamt 250 Polizisten in Afghanistan
zu stationieren, von denen 200 vom bilateralen deutschen Team und 50 von
EUPOL Afghanistan gestellt werden sollen. Die Gewerkschaft der Polizei wie
auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter warnen zu Recht vor einer Militari-
sierung der Polizeiarbeit und äußern Sorge um die Sicherheit der Beamten im
Kriegsgebiet Afghanistan. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das deutsche Poli-
zeiteam geringere Sicherheitsstandards als EUPOL gewährleistet.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welchen Schwerpunkt hat derzeit die Tätigkeit des bilateralen Polizeikontin-
gents, und welche Veränderungen sind hierbei vorgesehen?

2. Welchen Stellenwert hat hierbei das Engagement im Rahmen des FDD einge-
nommen, und wie viele deutsche Polizisten waren bzw. sind hieran beteiligt?

3. Wie gestalten sich die Unterstellungs- und Kommandoverhältnisse bei ge-
mischten Einsätzen von Polizisten und Militärs, insbesondere im Rahmen des

FDD?

a) Wer entscheidet beispielsweise über den Abbruch einer Ausbildungsmaß-
nahme anlässlich akuter Gefährdung, und was geschieht, wenn die Risiko-
einschätzung bei Polizisten und Soldaten unterschiedlich ausfällt?

b) Verfügen die Polizisten über eigene Fahrzeuge, um gegebenenfalls ein
Risikogebiet verlassen zu können, oder sind sie auf Fahrzeuge der Bundes-
wehr oder anderer ISAF-Armeen angewiesen?

Drucksache 17/432 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Aus welchen Ausbildungsabschnitten besteht die Unterstützung der Bun-
deswehr für das FDD?

a) Wie ordnet sich die Basisausbildung, die schon bisher durch Feldjäger
geleistet wurde, in das FDD ein?

b) Wie viele weitere deutsche Soldaten sind im Rahmen des FDD engagiert,
und wie viele Police Mentoring Teams will die Bundesregierung in die-
sem Jahr zur Verfügung stellen?

5. Welcher Lehrplan liegt dem FDD zugrunde (bitte im Wortlaut der Antwort
beifügen. Falls die Bundesregierung der Bitte zur Übermittlung des Wort-
lauts nicht nachkommt, bitte die Gründe hierfür nennen und die wesent-
lichen Grundzüge des Lehrplans erläutern)?

Wer hat den Lehrplan entwickelt, und in welchem Rahmen ist er mit dem
bilateralen deutschen Polizeiteam (GPPT) und EUPOL abgestimmt wor-
den?

6. Welche Ausbildungsmaßnahmen sind im Rahmen der NATO Training Mis-
sion (NTM) bislang konkret durchgeführt worden, und welche sind derzeit
geplant (bitte eine Gesamtschau angeben und separat die unter Beteiligung
der Bundeswehr erfolgten bzw. geplanten Maßnahmen darstellen)?

7. Welche Art von Zusammenarbeit wird es zwischen deutschen Polizisten und
Militärs durch die NTM geben?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung aus heutiger Sicht, angesichts des auch
vom Bundesminister der Verteidigung konstatierten faktischen Kriegszu-
standes in Afghanistan und der zunehmenden Zusammenarbeit mit dem
Militär, das Erfordernis eines Parlamentsvorbehalts für Auslandseinsätze
der Bundespolizei?

9. Welche einsatzbedingten Mehraufwendungen sind im Jahr 2009 für den Ein-
satz deutscher Polizisten in Afghanistan ausgegeben worden, und aus
welchen Haushaltstiteln?

a) Welche Planungen bestehen für das Jahr 2010?

b) Wie beurteilt die Bundesregierung das Verhältnis dieser Ausgabenposten
zu den einsatzbedingten Mehraufwendungen für den Einsatz der Bundes-
wehr?

10. Hat die Bundesregierung mittlerweile eine statistische Übersicht, wie viele
Bewerbungen vonseiten der Bundespolizei sowie Länderpolizeien es im
Jahr 2009 für Auslandseinsätze insgesamt sowie speziell für Afghanistan ge-
geben hat und wie viele hiervon erfolgreich waren (bitte gegebenenfalls dar-
legen)?

11. Trifft es zu, dass es keine nennenswerte Reservelage bei den Bewerbern gibt,
und wenn nein, auf welche Zahlen stützt sich die Bundesregierung bei ihren
Planungen?

a) Erwägt die Bundesregierung, zum Erreichen ausreichender Zahlenstär-
ken die auf Bundestagsdrucksache 16/8476 genannten Mindeststandards
für Bewerber abzusenken oder sind diese bereits gesenkt worden (ge-
gebenenfalls genauere Angaben)?

b) Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung unternommen und ge-
denkt sie noch zu unternehmen, um die Motivation deutscher Polizisten
zur Verpflichtung nach Afghanistan zu erhöhen?

12. Wie weit ist mittlerweile der angestrebte Aufbau eines Auslandsstellenpools

der Bundespolizei gediehen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/432

13. Inwiefern gibt es Planungen, spezielle Einheiten für Auslandseinsätze auf-
zustellen?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung das Problem von Karrierenachteilen für
Polizisten, die mehrere Monate im Ausland Dienst tun?

Welche Maßnahmen unternimmt sie, um diese Benachteiligungen – oder die
subjektive Sorge von Polizisten um eine solche Benachteiligung – abzu-
bauen?

15. Müssen Polizisten bzw. deren Angehörige mit ähnlichen Versicherungs-
problemen rechnen, wie sie im Falle von Bundeswehrsoldaten berichtet wer-
den (Kriegsklauseln in Lebens- oder Unfallversicherungen), und wenn ja,
welche Kompensationsmaßnahmen unternimmt die Bundesregierung?

16. Wie viele der deutschen Polizisten sind im Jahr 2009 außerhalb der Nord-
provinzen eingesetzt worden, und für wie lange?

Wie viele sollen im Jahr 2010 außerhalb der Nordprovinzen eingesetzt wer-
den, und für wie lange?

17. Wie viele deutsche Polizisten waren bislang insgesamt in Afghanistan?

Wie viele hiervon zweimal, wie viele dreimal, wie viele öfter, und wie lange
ist die durchschnittliche Stehzeit?

18. Wie viele deutsche Polizisten sind seit dem Jahr 2002 verletzt worden und
wie viele ums Leben gekommen, und wie viele von ihnen durch mittelbare
oder unmittelbare Feindeinwirkung (bitte nach Jahren aufgliedern)?

19. Hat die Bundesregierung Überlegungen angestellt, inwiefern sich die Ge-
fährdung für deutsche Polizisten durch die starke Verquickung von Polizei-
ausbildung und Militär erhöht, und wenn ja, mit welchem Ergebnis, und wel-
che Konsequenzen zieht sie daraus?

a) In welcher Art von Fahrzeugen (bitte Typ und Anzahl angeben) werden
deutsche Polizisten in Afghanistan transportiert, und geschieht der Trans-
port ausschließlich mit diesen Fahrzeugen?

b) Sollen weitere geschützte Fahrzeuge angeschafft werden, und wenn ja,
wie viele, zu welchen Kosten, und aus welchem Etat werden diese bestrit-
ten?

c) Inwiefern unterscheiden sich die Sicherheitsstandards des bilateralen
deutschen Teams von denen von EUPOL, und wie wird dies begründet?

20. Was ist darunter zu verstehen, dass laut Kabinettsbeschluss vom 18. Novem-
ber 2009 künftig ein „besonderes Augenmerk auf die Ausbildung robuster
Polizeieinheiten“ gelegt werden solle?

Was ist mit dem Begriff „robust“ gemeint, und inwieweit sind damit auch
militärische Fähigkeiten bzw. Fähigkeiten zur Aufstandsbekämpfung ge-
meint?

21. An welchen „Schlüsselpositionen innerhalb des afghanischen Innenministe-
riums sowie der wesentlichen Polizeibranchen in Kabul und ausgewählten
Provinzen“ (BMI-Homepage) haben deutsche Polizisten im Jahr 2009 die
afghanischen Behörden im „Training on the job“-Verfahren begleitet (bitte
die einzelnen Dienststellen, Abteilungen und Referate angeben), und an wel-
chen Positionen ist dies für das Jahr 2010 geplant?

a) Inwieweit ist den hierbei eingesetzten Polizisten Einblick in schriftliche
Unterlagen möglich, und sind hiervon auch vertrauliche Dokumente be-
troffen?

Drucksache 17/432 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
b) Was sind aus Sicht der Bundesregierung die wesentlichen Erkenntnisse
aus dieser Tätigkeit über die Arbeitsweise der afghanischen Sicherheits-
behörden?

22. Welche Ausbildungen mit welchem Inhalt werden derzeit von deutschen
Polizeibeamten angeboten, wie lange sind die entsprechenden Kurse, und
wie viele Polizisten sollen im Jahr 2010 daran teilnehmen?

23. Wie viele afghanische Polizisten sind inzwischen von deutschen Polizisten
bzw. Polizeitrainern ausgebildet worden (bitte nach Ausbildungsinhalten
und -abschlüssen aufteilen und angeben, wie lange die jeweiligen Kurse ge-
dauert haben)?

Sind hierbei Absolventen der Vier-Tages-Kurse durch Feldjäger enthalten?

a) Wie sind die unterschiedlichen hierzu veröffentlichten Zahlen zu inter-
pretieren (22 000 Polizisten von 2002 bis 2007 laut Jahresbilanz des Bun-
desministeriums des Innern 2008, 17 000 Polizisten zuzüglich 7 000 Ab-
solventen der Polizeiakademie Kabul nach Angaben des Leitenden Poli-
zeiberaters der deutschen Botschaft in Kabul in dessen Stellungnahme
zur Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages, Aus-
schussdrucksache 16(4)531 F)?

b) Wie viele afghanische Polizisten sind derzeit in den unterschiedlichen
Polizeieinheiten einsatzbereit?

24. Wie viele Polizisten sind seit 2002 von anderen Nationen ausgebildet wor-
den, und wie bewertet die Bundesregierung Rolle und Bedeutung des deut-
schen Anteils?

25. Wie bewertet die Bundesregierung diese Zahlen im Vergleich zu den ur-
sprünglich angestrebten Zielen?

26. Ist beabsichtigt, dass auch im Rahmen von EUPOL Ausbildungsmaßnah-
men durchgeführt werden, und welche Planungen gibt es gegebenenfalls
hierzu?

27. Welche privaten Sicherheits- und Militärunternehmer sind derzeit bei der
Polizeiausbildung in Afghanistan aktiv, und welche Bedeutung haben sie für
diese?

Berlin, den 13. Januar 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.