BT-Drucksache 17/4258

Finanzierung der Pflegeversicherung als solidarische Aufgabe

Vom 15. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4258
17. Wahlperiode 15. 12. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hilde Mattheis, Bärbel Bas, Petra Crone, Elke Ferner,
Petra Ernstberger, Dr. Edgar Franke, Iris Gleicke, Angelika Graf (Rosenheim),
Ute Kumpf, Dr. Karl Lauterbach, Steffen-Claudio Lemme, Caren Marks, Aydan
Özog˘uz, Thomas Oppermann, Mechthild Rawert, Dr. Carola Reimann, Ewald
Schurer, Dr. Marlies Volkmer, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Finanzierung der Pflegeversicherung als solidarische Aufgabe

Die Pflegeversicherung hat sich seit ihrer Einführung 1995 bewährt. Menschen,
die pflegebedürftig sind, können sicher sein, dass die Solidargemeinschaft mit
Leistungen und Hilfeangeboten für sie eintritt. Gesellschaftliche Entwicklun-
gen machen Reformen notwendig. Mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz
wurden 2008 richtige Weichen gestellt. Neben wichtigen Leistungsverbesse-
rungen vor allem für demenziell erkrankte Pflegebedürftige sowohl im ambu-
lanten als auch im stationären Bereich, der Dynamisierung der Leistungen
sowie einer umfassend verbesserten Pflegeberatung wurde die Finanzierung
mit dem aktuellen Beitragssatz bis voraussichtlich 2014 sichergestellt. Neben
der langfristigen Sicherung einer gerechten Finanzierung durch eine Bürgerver-
sicherung Pflege bleibt für die Fraktion der SPD insbesondere die Neudefini-
tion des Pflegebedürftigkeitsbegriffs – weg von der „Minutenpflege“ – auf der
Reformagenda.

Die Bundesregierung hat angekündigt, die Finanzierung durch eine Einführung
einer „verpflichtenden, individualisierten und generationengerecht gestalteten“
Kapitaldeckung umzustellen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Bis zu welchem Zeitpunkt ist nach derzeitigem Erkenntnisstand der Bundes-
regierung die Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung mit dem aktuel-
len Beitragssatz unter Beibehaltung des derzeitigen Leistungsspektrums
gesichert?

Zu welchen Zeitpunkten müsste auf der Basis des jetzt geltenden Rechts der
Beitragssatz um jeweils ein Zehntel Prozentpunkt angehoben werden, um in
den kommenden 40 Jahren die Finanzierung der sozialen Pflegeversiche-
rung zu sichern?
2. Von welchen Grundannahmen hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung,
des Altersaufbaues der Bevölkerung und der altersspezifischen Pflegewahr-
scheinlichkeiten geht die Bundesregierung bei ihrer Schätzung aus?

Drucksache 17/4258 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Um wie viel müsste der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung auf
der Basis der in Frage 2 abgefragten Grundannahmen der Bundesregierung
jeweils angehoben werden, um die bestehenden Leistungen bis zum Jahr
2020, bis zum Jahr 2030, bis zum Jahr 2040 und bis zum Jahr 2050 mit
dann unverändertem Beitragssatz zu finanzieren

a) bei einer Beitragssatzanhebung im Jahr 2012,

b) bei einer Beitragssatzanhebung im Jahr 2013,

c) bei einer Beitragssatzanhebung im Jahr 2014,

d) bei einer Beitragssatzanhebung im Jahr 2015?

4. Wie hoch wäre der derzeitige Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung,
wenn auch die Pflichtversicherten in der privaten Pflegeversicherung ein-
kommensabhängige Beiträge in eine alle Bürger umfassenden Pflegever-
sicherung bezahlen würden (wenn keine genauen Einkommensdaten der
privat Pflegeversicherten vorliegen, bitte Daten aus geeigneten Untersu-
chungen, z. B. dem sozioökonomischen Panel, verwenden)?

5. Wie lange würde der derzeitige Beitragssatz ausreichen, um die Leistungen
einer alle Bürger umfassenden Pflegeversicherung zu finanzieren, wenn
alle Pflichtversicherten in der heutigen sozialen und privaten Pflegever-
sicherung einkommensabhängige Beiträge in diese alle Bürger umfassende
Pflegeversicherung bezahlen würden?

6. Wird die Bundesregierung künftige Ausgabensteigerungen alleine den Ver-
sicherten aufbürden, oder bleibt es bei der zumindest nominal paritätischen
Finanzierung des Beitrages, nachdem die Arbeitgeber schon bei der Ein-
führung der Pflegeversicherung durch Wegfall eines Feiertages nicht belas-
tet worden sind?

7. Hält die Bundesregierung den im Entwurf des Pflege-Versicherungsgeset-
zes vom damaligen Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung unter
Leitung vom Bundesminister Norbert Blüm für das Jahr 2030 prognosti-
zierten Beitragssatz von 2,3 Beitragssatzpunkten immer noch für ausrei-
chend, um die demografische Entwicklung und die geplanten Leistungs-
verbesserungen zu finanzieren?

8. Wie würde sich der Beitragssatz der Pflegeversicherung bei Umsetzung der
vom Beirat zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs erarbeiteten
unterschiedlichen Szenarien im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung
des Pflegebedürftigkeitsbegriffes entwickeln?

9. Von welchen Annahmen geht die Bundesregierung für das zukünftige Ver-
hältnis von häuslicher und stationärer Pflege aus?

10. Welche Angebots- und Infrastrukturverbesserungen für die häusliche
Pflege sind notwendig, um das Verhältnis zugunsten der häuslichen Pflege
zu verändern und damit die demografisch bedingten Ausgabensteigerungen
der Pflegeversicherung zu reduzieren?

11. Was wird mit der im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vor-
gesehenen Einführung einer „verpflichtenden, individualisierten und gene-
rationsgerecht gestalteten“ kapitalgedeckten Zusatzversicherung zur bishe-
rigen Pflegeversicherung bezweckt?

12. Ist damit nur eine finanzielle Abfederung für die durch den demografischen
Wandel steigenden Ausgaben geplant, oder soll ein Teil der bisherigen
Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung ausgegliedert und künftig
über eine obligatorische bzw. freiwillige private Versicherung abgesichert

werden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4258

13. Falls es sich um eine private zusätzliche Absicherung des Pflegerisikos
handelt, werden die Versicherungsprämien mit oder ohne Risikozuschlägen
für Alter, Geschlecht, mögliche Vorerkrankungen oder bereits bestehende
Pflegebedürftigkeit berechnet?

14. Wie hoch werden nach derzeitigem Kenntnisstand der Bundesregierung die
voraussichtlichen Versicherungsprämien bemessen sein?

15. Wie hoch schätzt die Bundesregierung jeweils den jährlichen Verwaltungs-
kostenanteil bei einer monatlichen obligatorischen individuellen Versiche-
rungsprämie von 10 Euro, 15 Euro und 20 Euro?

Wie hoch ist nach Meinung der Bundesregierung die jährlich erwartbare
Rendite einer solchen individuellen Kapitalanlage unter Berücksichtigung
der Verwaltungskosten?

16. Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkung der langfristigen Fest-
legung auf eine Kapitaldeckung auf den „Jobmotor“ Pflege?

17. Wie will die Bundesregierung angesichts der Finanzmarktkrise das Risiko
von Kapitalanlagen, die für den Zweck der Pflege gebildet werden, aus-
schließen?

18. Was soll nach Ansicht der Bundesregierung mit Kapitalanlagen von Perso-
nen werden, die nicht pflegebedürftig werden und nicht auf das Angesparte
zurückgreifen müssen?

19. Welche monatliche Prämienhöhe ist nach Auffassung der Bundesregierung
auch für Rentnerinnen und Rentner und andere Bezieher vergleichsweise nied-
riger Einkommen tragbar, ohne dass ein sozialer Ausgleich eingeführt wird?

20. Wer trägt, für den Fall, dass ein sozialer Ausgleich eingeführt werden soll,
diesen für Bezieher von Arbeitslosengeld I, für Bezieher von Arbeitslosen-
geld II, sowie für Empfänger von Leistungen nach dem Zwölften Buch So-
zialgesetzbuch?

21. Wie sollen die Leistungen einer privaten Zusatzversicherung aussehen?

22. Wie wird sich die neue private Zusatzversicherung von bereits bestehen-
den Zusatzversicherungen zur Absicherung des Pflegebedürftigkeitsrisikos
unterscheiden?

23. Koppelt die Bundesregierung die Einführung des neuen Pflegebedürftig-
keitsbegriffs mit der geplanten Einführung einer kapitalgedeckten Zusatz-
versicherung zur bisherigen Pflegeversicherung, oder wird der neue Pfle-
gebedürftigkeitsbegriff losgelöst von einer Zusatzversicherung eingeführt?

24. Soll die Pflegeversicherung künftig auch Verbesserungen der Pflegeinfra-
struktur finanzieren bzw. wie sollen die Kommunen, falls die Pflegever-
sicherung diese Finanzierung nicht übernehmen soll, für die notwendige
Verbesserung der Sozialraumplanung unterstützt werden?

25. Welche Initiativen plant die Bundesregierung, die Pflegeausbildung auf
allen Ebenen durchlässiger zu machen?

26. Wird die Bundesregierung künftig wieder die dreijährige Umschulung
geeigneter Bewerber durch die Bundesagentur für Arbeit fördern, und
wenn ja, wie lange?

27. Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung, damit die Alten-
pflegerinnen und Altenpfleger künftig „hervorragend“ (Bundesminister für
Gesundheit Dr. Philipp Rösler) bezahlt werden können?

Berlin, den 15. Dezember 2010
Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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