BT-Drucksache 17/4255

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP - Drucksachen 17/3183, 17/4236 - Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zum begünstigten Flächenerwerb nach § 3 des Ausgleichsleistungsgesetzes und der Flächenerwerbsverordnung (Zweites Flächenerwerbsänderungsgesetz - 2. FlErwÄndG)

Vom 15. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4255
17. Wahlperiode 15. 12. 2010

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Cornelia Behm, Fritz Kuhn, Stephan Kühn, Friedrich Ostendorff,
Alexander Bonde, Dr. Harald Terpe und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
– Drucksachen 17/3183, 17/4236 –

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zum begünstigten
Flächenerwerb nach § 3 des Ausgleichsleistungsgesetzes und der Flächen-
erwerbsverordnung (Zweites Flächenerwerbsänderungsgesetz – 2. FlErwÄndG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP wird den berechtigen
Ansprüchen der Alteigentümer, die Opfer der Bodenreform in der sowjetisch be-
setzten Zone (SBZ) und der damit verbundenen vollständigen Enteignung und
Vertreibung wurden, auf eine Verbesserung der Erwerbsmöglichkeiten von land-
und forstwirtschaftlichen Flächen aus dem Bestand der BVVG Bodenverwer-
tungs- und -verwaltungs GmbH nur zum Teil gerecht.

Der Deutsche Bundestag begrüßt insbesondere die neue Stichtagsregelung, die
die Kaufpreise für die Flächen für den begünstigten Erwerb durch Alteigen-
tümer auf dem Niveau des 1. Januar 2004 einfriert.

Jedoch verknüpft der Gesetzentwurf die mit der neuen Stichtagsregelung ver-
bundene Verbesserung zugleich mit einer Verschlechterung der Erwerbsansprü-
che durch die Erhöhung des Kaufpreises durch Anrechnung von 75 Prozent der
im Entschädigungs- bzw. Ausgleichsleistungsbescheid ausgewiesenen Zinsen.
Die gegebene Begründung, es solle eine Überkompensation vermieden werden,
da dem Erwerber im Gegenzug die Wertsteigerungen der erworbenen Flächen
seit dem 1. Januar 2004 zugute kommen, greift nicht, da auch jedem Alteigen-
tümer, der die Flächen tatsächlich bereits bis 2004 kaufen konnte, diese
Wertsteigerungen zugute kamen, ohne dass sie ihnen nachträglich in Rechnung
gestellt werden. Genauso wenig muss er die seitdem mit den Flächen erzielten
Erträge abführen.
Die Bundesregierung hat es daneben versäumt, die Regelung aufzuheben, dass
jeder Erwerber lediglich als Pächter oder als Eigentümer begünstigt erwerben
kann. Es gibt jedoch keine sachliche Begründung dafür, dass ausgerechnet die-
jenigen Alteigentümer, die nach 1989 einen landwirtschaftlichen Betrieb wieder
eingerichtet haben und sogar Flächen von der BVVG pachten und in der Folge
begünstigt erwerben konnten, ihre ohnehin nicht allzu umfangreichen Erwerbs-
ansprüche als Alteigentümer (ursprünglich lediglich ca. 30 Hektar) verlieren.

Drucksache 17/4255 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. den Verkauf von land- und forstwirtschaftlichen Flächen der BVVG mit
sofortiger Wirkung auszusetzen;

2. die Privatisierungsgrundsätze vor Wiederaufnahme der Privatisierung von
land- und forstwirtschaftlichen Flächen durch die BVVG so zu ändern, dass
– durch ein geeignetes Verfahren sichergestellt ist, dass für den begünstigten

Alteigentümererwerb auch in dem Fall hinreichend viele Flächen reser-
viert bleiben, dass sämtliche anspruchsberechtigten Alteigentümer ihre
Ausgleichsleistung für den begünstigten Flächenerwerb nutzen wollen,

– der Prozess der Konzentration der landwirtschaftlichen Nutzflächen in
immer größeren Betrieben und der Entstehung eines neues Großgrund-
besitzes bisher ungekannten Ausmaßes in Ostdeutschland nicht weiter
befördert wird;

3. zu ermitteln, wie viele Anträge auf Ausstellung eines Ausgleichsleistungsbe-
scheides von Alteigentümern von land- und forstwirtschaftlichen Flächen
noch zu bearbeiten sind;

4. dafür zu sorgen, dass die Ausgleichsleistungsbescheide deutlich beschleunigt
erstellt werden;

5. dafür zu sorgen, dass sämtliche Ausgleichsleistungsbescheide zukünftig
einen Hinweis auf die Sechsmonatsfrist, innerhalb derer die Inanspruchnahme
der Erwerbsansprüche angemeldet werden muss, enthalten;

6. zu gewährleisten, dass sämtliche Alteigentümer, die eine befristete rückwir-
kende Erwerbsmöglichkeit erhalten, von dieser Möglichkeit auch erfahren;

7. den Verkauf von land- und forstwirtschaftlichen Flächen der BVVG erst nach
Änderung der Privatisierungsgrundsätze gemäß der Nummer 2 wieder auf-
zunehmen.

Berlin, den 14. Dezember 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Die sofortige Aussetzung der Privatisierung von BVVG-Flächen soll sicherstel-
len, dass sämtliche Alteigentümer, die ihre Ausgleichsleistung für den begüns-
tigten Erwerb von BVVG-Flächen nutzen wollen, diesen gesetzlichen Anspruch
auch tatsächlich realisieren können. Außerdem soll er verhindern, dass die Pri-
vatisierung von BVVG-Flächen weiterhin die Konzentration der landwirtschaft-
lichen Nutzflächen in immer größeren Betrieben und der Entstehung eines neues
Großgrundbesitzes bisher ungekannten Ausmaßes in Ostdeutschland befördert.

Dieser Verkaufsstopp ist im Interesse der Alteigentümer angezeigt, da deren ge-
setzliche Erwerbsansprüche formal und moralisch Vorrang haben gegenüber den
Direkterwerbsansprüchen von Flächenpächtern und dem Flächenerwerbsinter-
esse von Bietern, die sich an Flächenausschreibungen der BVVG beteiligen.
Formal, weil nur die Ansprüche der Alteigentümer im Gegensatz zu den sons-
tigen Ansprüchen gesetzlich festgelegt sind und moralisch, weil es sich bei der
Ausgleichsleistung um eine begrenzte Entschädigung für die ausgeschlossene
Rückgabe der bei der Bodenreform in der SBZ enteigneten land- und forstwirt-

schaftlichen Flächen handelt, die längst überfällig ist.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4255

Angesichts der absolut unangemessenen langen Bearbeitungszeiten bei der
Erstellung der Ausgleichsleistungsbescheide, für die die Alteigentümer nicht
verantwortlich sind, wäre es daher inakzeptabel, wenn diese nach Ausstellung
des Ausgleichsleistungsbescheides ihre Ausgleichsleistung nicht mehr zum be-
günstigten Erwerb von BVVG-Flächen nutzen könnten, weil bereits sämtliche
BVVG-Flächen an Direkterwerber oder an Meistbietende verkauft worden sind.
Zur Vermeidung dieses Falles ist im Privatisierungskonzept der BVVG bisher
kein Verfahren festgelegt worden. Es muss daher vor einer Fortführung der
Privatisierung in den Privatisierungsgrundsätzen durch ein geeignetes Verfahren
sichergestellt werden, dass für den Alteigentümererwerb hinreichend viele Flä-
chen reserviert bleiben. Wenn es tatsächlich 11 000 statt wie angenommen 5 000
Alteigentümer sein sollten, die einen Ausgleichsleistungsbescheid erhalten und
diesen für den Flächenerwerb nutzen wollen, dann wäre es bei einem durch-
schnittlichen Flächenanspruch von bis zu 30 Hektar im Extremfall tatsächlich
möglich, dass fast sämtliche der derzeit noch vorhandenen 350 000 Hektar für
den Alteigentümererwerb benötigt werden.

Vor dem Hintergrund der Ungleichbehandlung von Alteigentümern, je nach-
dem, ob sie zwischen 1945 und 1949 oder nach 1949 enteignet wurden, ist es
angebracht, dafür zu sorgen, dass sämtliche Betroffene der Bodenreform zwi-
schen 1945 und 1949, die einen Anspruch auf Ausgleichsleistung haben, auch
von ihren Erwerbsmöglichkeiten erfahren.

Um dennoch im Sinne des Privatisierungsauftrages des Treuhandgesetzes mög-
lichst rasch die Privatisierung der restlichen land- und forstwirtschaftlichen
Nutzflächen, die nicht für den begünstigten Alteigentümererwerb benötigt wer-
den, wieder aufnehmen zu können, ist es erforderlich, zu ermitteln, wie viele An-
träge auf Ausstellung eines Ausgleichsleistungsbescheides von Alteigentümern
von land- und forstwirtschaftlicher Flächen noch zu bearbeiten sind. Außerdem
ist aus diesem Grund die Erstellung der Ausgleichsleistungsbescheide deutlich
zu beschleunigen, denn nicht jeder Empfänger eines Ausgleichsleistungsbe-
scheides wird auch tatsächlich land- und forstwirtschaftliche Flächen erwerben.
Die Beschleunigung ist auch angebracht, damit die Alteigentümer endlich – es
sind bereits mehr als 20 Jahre seit der Wiedervereinigung vergangen – zu ihrer
gesetzlich garantierten Entschädigung in Form der Ausgleichsleistung kommen.

Der Verkaufsstopp im Interesse der Vermeidung der Flächenkonzentration in
Ostdeutschland ist angebracht, da eben diese derzeit immer stärker in den Fokus
der Öffentlichkeit gelangt und in der Öffentlichkeit immer stärker kritisiert wird.
Es besteht ein großes wirtschaftliches und politisches Interesse daran, vermachte
Agrarstrukturen zu verhindern, in denen es in mehreren Dörfern praktisch nur
noch einen Agrarbetrieb mit vielen tausenden Hektar Betriebsfläche gibt. Es
liegt auf der Hand, dass die derzeitigen Privatisierungsgrundsätze die Bildung
immer größerer Betriebe sowohl durch den möglichen Direkterwerb von bis zu
450 Hektar landwirtschaftlicher Flächen als auch durch den Verkehrswertver-
kauf im Wege der Ausschreibung befördert.

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