BT-Drucksache 17/4148

Betrieb des Forschungsreaktors München II mit hoch angereichertem Brennstoff über 2010 hinaus

Vom 8. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4148
17. Wahlperiode 08. 12. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Eva Bulling-Schröter, Nicole Gohlke, Ralph
Lenkert, Dorothee Menzner, Sabine Stüber und der Fraktion DIE LINKE.

Betrieb des Forschungsreaktors München II mit hoch angereichertem Brennstoff
über 2010 hinaus

Im Forschungsreaktor München II (FRM II) der TU München werden mittels
Kernspaltung teilchenphysikalische Prozesse untersucht. Dieser seit 1988 ge-
plante und seit 1996 gebaute Reaktor ist als weltweit einziger neu erbauter
Reaktor auf den Betrieb mit hochradioaktivem Spaltmaterial mit 93 Prozent An-
reicherung (Fachbegriff: High Enriched Uranium – HEU) angelegt. Dieses kann
auch für den Bau von Atomwaffen verwendet werden. Die Bundesrepublik
Deutschland hat sich damit über international geäußerte Bedenken im Hinblick
auf die Gefahr einer Weiterverbreitung von Atomwaffen hinweggesetzt. Der
Erteilung einer Betriebsgenehmigung für FRM II ging ein längeres politisches
Tauziehen zwischen der Universität und der bayerischen Landesregierung auf
der einen und der damaligen rot-grünen Bundesregierung auf der anderen Seite
voraus. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(BMU) wie auch Umweltverbände sahen die Gefahr, dass Deutschland durch
die Forschung mit waffenfähigem Uran die weltweiten Bemühungen um eine
Eindämmung der zivilen Verwendung von HEU-Stoffen konterkarieren könnte.
International wird auch befürchtet, dass Dritte an waffenfähiges Material ge-
langen könnten, wenn dieses in zivilen, weniger gut bewachten Strukturen und
Institutionen genutzt und in entsprechenden Mengen vertrieben wird.

Im Ergebnis der Verhandlungen um die Betriebsgenehmigung hatte sich das
Land Bayern verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2010 auf den Betrieb mit einem
auf 50 Prozent angereicherten Brennstoff (MEU) umzustellen. Die TU München
hatte eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um den neuen Brennstoff zu entwickeln.

Die Bundesregierung stellte im Jahr 2009 fest, dass der mit 50 Prozent Uran
angereicherte Brennstoff frühestens 2016 einsatzfähig sei (Bundestagsdruck-
sache 16/12359). Die mit der Betriebsgenehmigung erteilte Auflage einer Um-
stellung auf MEU bis 2010 sei damit nicht einzuhalten. Die Bundesregierung
teilte mit, dass die atomrechtlich zuständige Behörde, das Bayerische Staats-
ministerium für Umwelt und Gesundheit, aus diesem Umstand Konsequenzen
ziehen müsse.

Der Ministerpräsident des Landes Bayern erklärte jüngst anlässlich eines Besu-

ches des Forschungsreaktors, dass die Fertigstellung eines mittel angereicherten
Spaltmaterials nunmehr nicht vor dem Jahr 2018 zu erwarten sei. Man sei „in in-
tensiven Verhandlungen mit dem Bund“, um die Umrüstung zu bewerkstelligen.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung kündigte an, im Herbst
2010 eine Vereinbarung mit dem Land Bayern zum Weiterbetrieb des FRM II
mit hoch angereichertem Brennstoff abschließen zu wollen (Süddeutsche Zei-
tung vom 9. August 2010).

Drucksache 17/4148 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Liegt bereits eine unterschriftsreife Vereinbarung mit dem Land Bayern
über den Weiterbetrieb von FRM II mittels des hoch angereicherten Brenn-
stoffs (HEU) vor?

Wenn nicht, wann wird dies der Fall sein?

2. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor, wonach sich die Ent-
wicklung des mittel angereicherten Brennstoffs zum Betrieb des For-
schungsreaktors um weitere zwei Jahre auf 2018 verschieben soll?

3. Wie wird die Verzögerung der Entwicklung von mittel angereichertem
Spaltmaterial begründet (bitte Quellen nennen)?

4. Inwieweit ist eine solch langfristige und mehrfach geänderte Prognose für
die Entwicklungsdauer eines Brennstoffes als seriös einzuschätzen?

5. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass
die Entwicklung eines mit 50 Prozent angereicherten Brennstoffs seit Er-
teilung der Betriebsgenehmigung im Jahr 2003 erfolglos bleibt?

6. Welche Länder, die ähnliche Neutronenquellen betreiben, arbeiten außer
Deutschland an der Entwicklung eines solchen mittel angereicherten
Brennstoffs (MEU)?

7. Inwieweit werden für die Entwicklung des mittel angereicherten Brenn-
stoffs Synergien mit internationalen Partnern, etwa den USA, genutzt (bitte
Projekte und Mittel auflisten)?

8. Aus welchen Ländern wird der hoch angereicherte Brennstoff für den Be-
trieb von FRM II importiert (bitte Anteile aufschlüsseln)?

9. Aus welchen Quellen stammen die nach Deutschland eingeführten hoch
angereicherten Brennstoffe (bitte genaue Angabe)?

10. Auf welchen Wegen wird der Brennstoff transportiert, und wer überwacht
die Lieferungen?

11. Werden aus Sicht der Bundesregierung mit dem Transport von waffenfähi-
gem Brennstoff Proliferationsgefahren, insbesondere vor dem Hintergrund
der derzeitigen Sicherheitslage, produziert?

12. Hat es seit Erteilung der Betriebsgenehmigung Störungen in der Lieferkette
des Brennstoffs gegeben?

13. Welche Störfälle hat es seit Inbetriebnahme des Forschungsreaktors ge-
geben (bitte auflisten)?

14. Inwieweit und zu welchem Zeitpunkt werden Anwohnerinnen und Anwoh-
ner sowie die weitere Öffentlichkeit über Störfälle informiert?

Berlin, den 8. Dezember 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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