BT-Drucksache 17/4129

Erdgas-Blowout vor der Küste Schottlands

Vom 6. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4129
17. Wahlperiode 06. 12. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Ralph Lenkert, Dorothee Menzner,
Sabine Stüber und der Fraktion DIE LINKE.

Erdgas-Blowout vor der Küste Schottlands

Am 21. November 1990 ereignete sich in der Nordsee vor der Küste Schott-
lands ein Erdgas-Blowout. Darüber berichtete am 4. Oktober 2010 Hans-
Jochen Luhmann, Wissenschaftler am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt,
Energie GmbH, im Internet-Informationsportal „wir-klimaretter.de“. Danach
habe die britische Tochter des Mobil-Konzerns seinerzeit bei einer Bohrung
nach Öl versehentlich eine Methanblase getroffen. Der Lizenznehmer habe an-
schließend die Explorationsrechte an die britische Regierung zurückgegeben,
welche diese auch angenommen habe.

Seit dem Unfall sollen aus dem Bohrloch Unmengen von Gas entweichen. Dass
dadurch Jahr für Jahr beträchtliche Mengen an verschiedenen Treibhausgasen
in die Atmosphäre gelangen, scheint jedoch weitgehend in Vergessenheit gera-
ten zu sein. Laut Hans-Jochen Luhmann hätten Forscher vom Leibniz-Institut
für Meereswissenschaften an der Universität Kiel im Oktober 2006 einen
Tauchgang zur Austrittsstelle durchgeführt. Diese „Stichprobe“ sei die einzige
unabhängige Bestandsaufnahme der Situation. Laut Beschreibung des Portals
ist der Krater des Blowouts rund 20 Meter tief und hat einen Durchmesser von
75 Meter. Nach Hans-Jochen Luhmann hätten die Untersuchungen ergeben,
dass aus dem Bohrloch immer noch – und wohl auch künftig – jährlich etwa
0,3 Millionen Tonnen Methan ins Meer gelangten. Unter Berücksichtigung des
Wärmetriebs von Methan, von Umwandlungsprozessen sowie der Annahme,
dass nur rund ein Drittel der austretenden Methanmenge letztlich in die Atmos-
phäre gelange, gehe es insgesamt um den Eintritt von Treibhausgasen in die At-
mosphäre, die ein Äquivalent zu einer jährlichen Menge von 2,7 Millionen
Tonnen Kohlendioxid sei. Damit trage die Quelle in der Nordsee mit 0,4 Pro-
zent zur britischen Emissionsbilanz bei.

Die britische Regierung stehe nun in der Pflicht, gegen Ende der Verpflich-
tungsperiode 2008 bis 2012 mit der Abgabe einer entsprechenden Menge von
Kyoto-Zertifikaten (Assigned Amount Unit – AAU) für den Unfall zu haften,
so Hans-Jochen Luhmann weiter. Über die fünf Jahre der Kyoto-Periode ge-
rechnet gehe es bei dem sprudelnden Bohrloch um eine Größenordnung von
0,4 Mrd. Euro, wenn man die Tonne Kohlendioxid mit 30 Euro bewerte.

Schreibe man den Zustand bis 2020 fort, so summiere sich die Summe auf
1,2 Mrd. Euro, so der Wissenschaftler.

Drucksache 17/4129 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Über welche Informationen verfügt die Bundesregierung bezüglich der Ur-
sachen, des Verlaufs und der Langzeitwirkungen des Erdgas-Blowouts von
1990, war der Blowout Thema auf europäischer Ebene?

2. Welche Mengen an Klimagasen wurden nach Information der Bundes-
regierung in den einzelnen Jahren seit 1990 durch den Blowout

a) in das Meereswasser,

b) in die Atmosphäre

freigesetzt?

3. Hat die Bundesregierung Informationen darüber, ob der Gas-Blowout jen-
seits des Treibhauseffekts andere Umweltschäden im Meer oder an der
Meeresoberfläche verursacht hat, und wenn ja, welche?

4. Hat die Bundesregierung Informationen darüber, ob es seitens der damali-
gen Betreiber oder der britischen Regierung Versuche gab oder gibt, das
Bohrloch bzw. die Gasaustrittsstelle wieder zu verschließen?

5. Hat die Bundesregierung Informationen darüber, ob sich das Bohrloch
bzw. die Gasaustrittsstelle am Blowout grundsätzlich wieder verschließen
lässt, oder ist dies technisch ausgeschlossen?

6. Hat die Bundesregierung Informationen darüber, ob es wirtschaftliche
Gründe gibt, die einen Verschluss des Bohrlochs verhindern?

7. Wie werden in Europas Hoheitsgebieten unfallbedingte Groß-Emissionen
bei der Erdöl- und Gaserkundung bzw. -förderung haftungsrechtlich behan-
delt?

8. Entspricht es nach Information der Bundesregierung den Tatsachen, dass
die britische Regierung nach dem Blowout die Explorationsrechte von der
britischen Tochter des Mobil-Konzerns zurückgenommen hat, und wenn ja,
welche Folgen hat diese Rücknahme für die Haftung bezüglich der Folgen
des Blowouts?

9. Ist es zutreffend, dass die britische Regierung im Rahmen des Kyoto-Pro-
tokolls für die zusätzlichen Klimagas-Emissionen haftet, die durch den
Blowout freigesetzt werden, und dafür am Ende der Verpflichtungsperiode
2008 bis 2012 gegebenenfalls eine entsprechende Menge AAU vorlegen
muss, sofern nicht anderweitig entsprechende Äquivalente eingespart wer-
den?

10. Ist es zutreffend, dass im Emissionsbericht der britischen Regierung im
Rahmen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen argumentiert
wird, die anthropogene Ursache des Blowouts sei nicht erwiesen, und wenn
ja, wie steht die Bundesregierung dazu?

11. Entspricht es den Tatsachen, dass unfallbedingte Groß-Emissionen bei der
Erdöl- und Gaserkundung bzw. -förderung im europäischen Emissionshan-
delssystem nicht berücksichtigt werden?

12. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass unfallbedingte Groß-Emis-
sionen bei der Erdöl- und Gaserkundung bzw. -förderung in das europäi-
sche Emissionshandelssystem aufgenommen werden sollten?

13. Wird sich die Bundesregierung in der EU dafür einsetzen, unfallbedingte
Groß-Emissionen bei der Erdöl- und Gaserkundung bzw. -förderung in das
europäische Emissionshandelssystem aufzunehmen, und wenn nein, wa-
rum nicht?

Berlin, den 16. November 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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