BT-Drucksache 17/4089

Sachstand über abgelassene Chemikalien in den Rhein

Vom 1. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4089
17. Wahlperiode 01. 12. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Oliver Kaczmarek, Dirk Becker, Marco Bülow, Gerd
Bollmann, Ulrich Kelber, Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Dr. Bärbel Kofler,
Ute Kumpf, Dr. Matthias Miersch, Thomas Oppermann, Frank Schwabe, Ute Vogt,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Sachstand über abgelassene Chemikalien in den Rhein

Der Rhein ist eine der wichtigsten internationalen Schifffahrtsstraßen der Erde
und die bedeutendste Wasserstraße Europas. Das Transportvolumen und die
Transportkapazität des Rheins zwischen Rheinfelden bei Basel und der deutsch-
niederländischen Grenze beliefen sich 2002 auf etwa 200 Mio. Tonnen/Jahr.
Seine Bedeutung wird weiter zunehmen. Im Vergleich zu 2002 wird für das Jahr
2015 für den Rhein eine Steigerung des Güterverkehrsaufkommens um durch-
schnittlich 2 bis 3 Prozent pro Jahr erwartet.

Am 7. November 2010 berichtete das Magazin „WESTPOL“ des WDR über
Frachtschiffe, die ihre Tanks ausspülen und das giftige Abwasser mit dem Rest
ihrer Ladung anschließend in den Rhein kippen. Immer wieder würden Experten
des Landesumweltamtes in Nordrhein-Westfalen feststellen, dass Giftstoffe den
Fluss schwer belasten. 15 000 Proben nähmen die Gewässerschützer jährlich.
Ihr Ergebnis: Der Rhein werde oft als Mülldeponie benutzt. Im Jahr 2010 wären
bereits 17 Schadstoffwellen festgestellt worden, dabei handele es sich um
Schadstoffwellen oberhalb der Meldeschwelle. Diese Zahlen sind alarmierend,
weil der Rhein nicht einfach „nur“ eine Schifffahrtsstraße ist, sondern viele um-
liegende Städte auch mit Trinkwasser versorgt und Lebensraum für zahlreiche
Arten ist.

Die Gewässerschutzpolizei und die Gewässerschützer des Landesumweltamtes
unternehmen alles, um den Verursachern auf die Spur zu kommen. Sie können
genau feststellen, um welchen Stoff es sich handelt und wo die Chemikalie un-
gefähr in den Rhein geleitet wurde. Mit diesen Daten könnte man die Täter stel-
len, weil jede Schiffsbewegung beim Wasser- und Schifffahrtsamt eingeht. Das
Problem: Die Daten über diese Schiffsbewegungen müssen laut Vorschrift nach
vier Stunden wieder gelöscht werden. Die Schiffe haben das Überwachungsge-
biet dann schon wieder verlassen und die Polizei hat nichts mehr in der Hand.
Laut dem „WESTPOL“-Beitrag würde es die Polizei begrüßen, wenn sie die Da-
ten über die Schiffsbewegungen mindestens acht Tage abfragen könnte. Dies
wäre nur unter den engen Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht formuliert

hat, möglich. Es besteht ein Dilemma zwischen Datenschutz und Umweltschutz,
zu Lasten des Umweltschutzes.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung das Problem von heimlich und illegal ab-
gelassenen Chemikalien in den Rhein für den Umweltschutz?

Drucksache 17/4089 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Wie beurteilt die Bundesregierung das Problem von heimlich und illegal
abgelassenen Chemikalien in den Rhein für den Schutz des Trinkwassers?

3. Wie oft wurden in diesem Jahr Schadstoffmessungen am Rhein vorgenom-
men?

4. Wie oft lag die Schadstoffbelastung des Rheins bisher in 2010 über der
Meldeschwelle?

5. Gibt es einen fachlichen und behördlichen Austausch über das Problem
zwischen dem Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen, der Wasserschutz-
polizei und den Behörden des Bundes (beispielsweise der Wasser- und
Schifffahrtsverwaltung)?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung das Problem, dass es in Deutschland am
Rhein keine Entsorgungsstellen für Ladereste der Frachtschiffe wie etwas
in Holland gibt?

7. Was will die Bundesregierung gegen dieses Problem unternehmen?

8. Beabsichtigt die Bundesregierung, eine gesetzliche Regelung zu schaffen,
die für die Speicherung von Daten über Schiffsbewegungen eine Frist von
acht Tagen oder mehr vorsieht?

Falls ja, wie beabsichtigt die Bundesregierung, eine entsprechende Rege-
lung konkret auszugestalten, damit sie der Rechtsprechung des Bundesver-
fassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung (Urteil vom 2. März 2010,
Az. 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08) entspricht?

9. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag, den Schiffsbetreibern als
präventive Maßnahmen aufzuerlegen, Bescheinigungen über die ord-
nungsgemäße Entsorgung der Schadstoffe vorzulegen und im Falle des
Nichtvorlegens ein Bußgeld zu erheben?

10. Mit welchen weiteren Maßnahmen will die Bundesregierung verhindern,
dass der Rhein weiterhin als Mülldeponie missbraucht wird und damit auch
die Gesundheit der Menschen in den umliegenden Städten gefährdet wird?

11. Sind der Bundesregierung vergleichbare Probleme von anderen Flüssen und
Bundeswasserstraßen bekannt?

Berlin, den 1. Dezember 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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