BT-Drucksache 17/4040

Strategie für Klimaschutz im Verkehr vorlegen

Vom 1. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4040
17. Wahlperiode 01. 12. 2010

Antrag
der Abgeordneten Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, Dr. Valerie Wilms,
Sylvia Kotting-Uhl, Bettina Herlitzius, Ingrid Nestle, Daniela Wagner,
Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Oliver Krischer,
Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, Dr. Hermann Ott,
Dorothea Steiner, Markus Tressel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Strategie für Klimaschutz im Verkehr vorlegen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Angesichts des fortschreitenden Klimawandels sind in naher Zukunft sehr deut-
liche Reduktionen der Treibhausgase erforderlich. Weltweit müssen die Treib-
hausgase bis 2050 um 50 Prozent gegenüber 1990 zurückgehen. Dazu sind die
Industriestaaten in der Pflicht, ihre Emissionen im gleichen Zeitraum zwischen
80 Prozent und 95 Prozent abzusenken. Die Bundesregierung hat sich zu einer
Reduktion von 40 Prozent der Treibhausgase bis 2020 gegenüber 1990 bereit
erklärt.

Eine solche Emissionsminderung erfordert große Anstrengungen in allen Sek-
toren. Vor allem der Verkehrsbereich muss hierzu einen nicht unerheblichen
Beitrag leisten, denn er verursacht heute rund ein Fünftel aller Treibhausgas-
emissionen (THG-Emissionen). Der „Nationale Inventarbericht zum Deutschen
Treibhausgasinventar 1990 – 2008“ (UBA Climate Change 3/2010) beziffert
die Emissionen des Verkehrs in 1990 mit 162,61 Mio. Tonnen und in 2008 mit
152,33 Mio. Tonnen. Während in Deutschland in nahezu allen Sektoren die
Emissionen gegenüber 1990 zurückgehen, sind im Verkehrsbereich die Min-
derungen nur äußerst gering. Ursächlich hierfür ist der ungebrochene Anstieg
des Verkehrsaufwands. Er hat im Zeitraum 1991 bis 2007 im Güterverkehr
(gemessen in Tonnenkilometern) um 66 Prozent und im Personenverkehr (ge-
messen in Personenkilometern) um 26 Prozent zugenommen. Die Erfolge fahr-
zeugspezifischer Emissionsminderungen werden durch dieses Wachstum
nahezu vollständig aufgezehrt. So sind über Instrumente zur Emissionsminde-
rung an den Fahrzeugen hinaus auch verkehrsvermeidende und verkehrsver-
lagernde Maßnahmen zu ergreifen. Berechnungen des Umweltbundesamtes zur
Folge müssen im Verkehrssektor 40 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr gegenüber 1990
eingespart werden, um das Klimaschutzziel 2020 zu erreichen.
Die Bundesregierung hat 2007 Eckpunkte eines Integrierten Energie- und
Klimaprogramms (IEKP) beschlossen, die auch Vorgaben für den Verkehrssek-
tor enthalten. Obgleich im vergangenen Jahr Energieverbrauch und Treibhaus-
gasemissionen leicht abnahmen, ist dies weniger mit den IEKP-Maßnahmen als
vielmehr mit der Wirtschaftskrise zu erklären. Mit der konjunkturellen Er-
holung nehmen die Emissionen wieder zu. Denn zahlreiche der angekündigten
Maßnahmen im Verkehrsbereich sind noch nicht oder nicht in angekündigter

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Form umgesetzt worden. Überdies wurden mit den beiden Konjunkturprogram-
men zur Eindämmung der Finanz- und Wirtschaftskrise von der Bundesregie-
rung Maßnahmen ergriffen, die vielfach eher negative Auswirkungen auf das
Erreichen der Klimaziele im Verkehrsbereich haben. Auch das Sparpaket der
Bundesregierung enthält Maßnahmen, die einer Minderung der Emissionen im
Wege stehen. Erst im September 2010 wurde die angekündigte Erhöhung der
Lkw-Maut zurückgenommen und so ein wichtiges klimapolitisches Lenkungs-
instrument fallen gelassen.

Der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Dr. Norbert
Röttgen, hebt in einem Brief vom 14. September 2010 an die Abgeordneten der
Regierungsfraktionen zum Energiekonzept hervor, dass der größte Handlungs-
bedarf in den Sektoren Verkehr und Gebäude liege. Wörtlich heißt es: „Ohne
eine deutliche Reduzierung des Energieverbrauchs im Gebäudebereich und im
Verkehr wird Deutschland seine Klimaziele und seine energiepolitischen Ab-
sichten deutlich verfehlen.“ Das Energiekonzept unter der Federführung des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie hat die Herausforderung
Mobilität allenfalls gestreift. Die im Verkehrsbereich skizzierten Maßnahmen
bleiben zumeist Ankündigungen und Aufforderungen.

Diesem Anspruch wird das Energiekonzept der Bundesregierung 2010 in kei-
ner Weise gerecht. Es werden keine Sektorziele zur CO2-Reduktion für den
Verkehrsbereich genannt. Überdies findet sich keine Maßnahme, die etwa bei
Stadtentwicklung oder Siedlungsstrukturen ansetzt, um Verkehre zu vermeiden.
Kernbereiche nachhaltiger Mobilität wie ÖPNV (Öffentlicher Personennahver-
kehr), Rad- und Fußverkehr werden noch nicht einmal erwähnt. Das Energie-
konzept der Bundesregierung bleibt die Instrumente schuldig, mit denen das
Ziel der Emissionsminderung erreicht werden soll. Im Verkehrsbereich bleibt
das Energiekonzept der Koalition sogar noch hinter dem Meseberg-Programm
zurück.

Auch die von der Bundesregierung angekündigte Revision des IKEP steht für
den Verkehrsbereich noch aus. Das fachlich zuständige Bundesministerium für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung will erst Ende 2010 bzw. Anfang 2011 ein
Klimaschutzprogramm für den Verkehr vorlegen. Bisher hat die Bundesregie-
rung im Verkehrsbereich weder die Voraussetzungen für konkrete Maßnahmen
zur Emissionsminderung geschaffen noch die technologischen Innovations-
potenziale erschließen können. Wenn die Klimaziele eingehalten werden sol-
len, muss Deutschland bis 2020 eine Senkung der CO2-Emissionen des Ver-
kehrs um 30 Prozent und bis 2050 um 80 Prozent gegenüber 1990 erreichen.
Dies sind bis zum Jahr 2020 rund 40 Mio. Tonnen pro Jahr. Die „renewbility-
Studie“ im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit prognostiziert in ihrem Klimaschutzszenario beim Zusam-
menwirken aller Maßnahmen eine mögliche Minderung der THG-Emissionen
im Verkehr von 23 Prozent bis 2030; dies sind rund 52 Mio. Tonnen (direkte
und indirekte Emissionen Basisjahr 2005).

Allein fahrzeugspezifische Minderungen und Umstellungen auf alternative
Kraftstoffe oder Elektroantriebe reichen nicht aus; Ziel muss auch eine deut-
liche Reduktion des Verkehrsaufwandes sein. Neben der Verbesserung der Fahr-
zeugeffizienz stehen: Verkehrsmeidung durch entsprechende Stadt- und Ver-
kehrsplanung, der Umstieg auf klimafreundliche Verkehrsmittel, die effiziente
Verwendung von Energie für Mobilitätszwecke und der Ersatz fossiler durch
erneuerbare Energien beim Klimaschutz im Verkehrsbereich im Mittelpunkt.
Klimafreundliche Mobilität ist auf eine funktionsfähige Infrastruktur angewie-
sen, die intelligent vernetzt wird und so nachhaltige Verkehrsströme moderiert.
Dafür muss etwa die umweltfreundliche Schiene als auch der ÖPNV insgesamt

massiv ausgebaut werden.

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Für eine wirksame Minderung der klimarelevanten Emissionen müssen für den
Verkehrsbereich klare Ziele mit konkreten Zahlen und Zeitplänen festgelegt
werden. Die CO2-Reduktionsziele sind wirksam zu instrumentieren und deren
Einhaltung per Monitoring zu überwachen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

klare CO2-Reduktionsziele mit überprüfbaren Zeitplänen für die Jahre 2020,
2030, 2040 und 2050 für den Verkehrsbereich zu definieren und für die Umset-
zung folgende Maßnahmen zu ergreifen:

Emissionsreduktion und Effizienz der Verkehrsträger erhöhen

1. verbindliche Grenzwerte der CO2-Emissionen im gesamten Kfz-Verkehr,
d. h. für alle neuen Fahrzeugtypen: Pkw, leichte und schwere Nutzfahrzeuge
(Lkw), Busse und Motorräder ohne Anrechnung zusätzlicher Maßnahmen
wie Biokraftstoffe oder „Ökoinnovationen“; d. h.:

a) verbindliche Grenzwerte für Pkw ab 2020 von mindestens 80g/km und
50 g/km ab 2030,

b) Festlegung eines Grenzwerts für leichte Nutzfahrzeuge von 160 g CO2/
km ab 2015 und 135 g CO2/km ab 2020,

c) Grenzwertfestschreibung für den durchschnittlichen Flottenverbrauch al-
ler anderen Fahrzeugtypen mit verbindlichen Zielwerten für die Jahre
2015, 2020 und 2030, die einen weitergehenden Reduktionspfad frühzei-
tig festlegen,

d) Definition von CO2-Grenzwerten sowie Grenzwerten für Luftschadstoffe
für alle mobilen Maschinen und Gräte;

2. Einsatz von Leichtlaufreifen und -ölen für den gesamtem Straßenverkehr ge-
setzlich festschreiben;

Verkehrsvermeidende und klimafreundliche Verkehrs- und Siedlungsplanung

3. bundesweite Vorgaben für die klimaschutzorientierte Integration der Ver-
kehrs- und Siedlungsplanung;

4. Orientierung der Raumordnungsstrategie an der Vermeidung induzierter
Verkehrsflüsse, verpflichtende Planungsvorgaben für „Stadt der kurzen
Wege“;

5. Reform der Grundsteuer, die mehr Steuergerechtigkeit schafft und Flächen-
verbrauch vermeidet;

6. Umwandlung der Entfernungspauschale in eine pauschale Mobilitätszulage;

7. Förderung des Mobilitätsmanagements und des Carsharing;

Verlagerung des Verkehrs auf umweltfreundliche Verkehrsmittel

8. Verdopplung des Anteils des öffentlichen Verkehrs bis 2020 und umwelt-
verträglicher Ausbau des ÖPNV (dichterer Takt, zusätzliche Linien, län-
gere Betriebszeiten, attraktivere Fahrzeuge);

9. Steigerung der Attraktivität des Rad- und Fußverkehrs durch Verbesserung
des Wegenetzes, optimierte Verkehrssicherheit und Serviceangebote;

10. gesetzliche Grundlagen für die Einführung einer Citymaut;

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11. Trennung von Netz und Transport bei der Eisenbahn, damit Investitionen
in das Netz mit dem höchsten volkswirtschaftlichen und ökologischem
Nutzen erfolgen;

12. Netzausbau der Schiene auf der Basis eines integralen Taktfahrplans 2020
(Deutschland Takt) unter Berücksichtigung des Schienengüterverkehrs,
Reaktivierung und Sanierung bestehender Strecken;

13. Umwidmung der Mittel für unwirtschaftliche und ökologisch riskanter
Schienengroßprojekte (z. B. Stuttgart 21) und Aufstockung der Neu- und
Ausbaumittel um 500 Mio. Euro mit zinslosen Darlehen für Investitionen
in die Schiene;

14. Vorrang der Erhaltungsinvestitionen von Straßenverkehrsinfrastruktur:
Umwidmung von 600 Mio. Euro für Neu- und Ausbau von Autobahnen;

15. Entwicklung eines umfassenden Bundesmobilitätsplans statt eines sektora-
len Bundesverkehrswegeplans;

16. Beendigung des Wasserstraßenneubaus;

Klimafreundliches Verbraucher- und Fahrverhalten fördern

17. Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf deutschen Autobahnen auf
120 km/h für Pkw und auf 100 km/h für Kleintransporter, von Tempo 80 auf
einbahnigen Landstraßen und Tempo 30 in geschlossenen Ortschaften als
Regelgeschwindigkeit mit Ausnahmen (etwa für Hauptverkehrsstrecken);

18. Reform der Pkw-Kennzeichnungspflicht mit Energieeffizienzklassen (A
bis G) anhand der Größe des Fahrzeuges (z. B. Footprint) und des CO2-Aus-
stoßes pro Kilometer, regelmäßige Anpassung an den Stand der Technik;

19. Maßnahmen zur Förderung und Schulung kraftstoffsparenden Fahrens;

20. Schaffung von Benutzervorteilen für Nullemissionsfahrzeuge etwa durch
Änderung der Straßenverkehrsordnung zur Parkbevorrechtigung von Car-
sharing und Elektrofahrzeugen, Einführung einer blauen Plakette für Null-
emissionsfahrzeuge zur Umweltzoneneinfahrt;

Steuer- und finanzpolitische Maßnahmen für mehr Klimaschutz ergreifen

21. gesetzliche Verpflichtung zur Anschaffung besonders verbrauchsarmer
Fahrzeuge für das gesamte öffentliche Beschaffungswesen;

22. Koppelung der ÖPNV-Förderung des Bundes an den steigenden Einsatz
erneuerbarer Energien (Modellprogramm 100 Städte mit klimaneutralem
ÖPNV);

23. Komplette Umstellung der Kfz-und Dienstwagenbesteuerung für Pkw,
leichte Nutzfahrzeuge und Lkw auf die Bemessungsgrundlage Verbrauch
(CO2) nach einem Bonus-Malus-System; Fahrzeuge mit einem überdurch-
schnittlich hohen Verbrauch sind steuerlich deutlich stärker zu belasten;

24. Ausweitung der Lkw-Maut auf Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen und schrittweise
auf das gesamte Straßennetz;

25. Einbezug aller externen Kosten (für Klimabelastung, Lärm, Gesundheits-
schäden) aller Verkehrsträger;

26. Erhöhung der Energiesteuer auf alle Kraftstoffe; Anhebung der europäi-
schen Mindeststeuersätze für Benzin und Diesel;

27. Erhebung einer EU-weiten CO2-Steuer;

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28. Vollversteigerung der CO2-Zertifikate im Luftverkehr und Einbezug der
nicht-CO2-Emissionen durch den Faktor 3;

29. Einführung einer europäischen Kerosinsteuer und Erhebung der Mehrwert-
steuer auf alle Auslandsflüge;

30. Ausrichtung der Luftverkehrssteuer an ökologischen Kriterien (weiterge-
hende Differenzierung nach Streckenlängen, Economy/Business Class/
First Class und Nachtflug);

Förderung von alternativen Kraftstoffen und Techniken verbessern

31. Höhere Besteuerung, stufenweise Einschränkung bis zum langfristigen
Verzicht fossiler Kraftstoffe;

32. Nutzung von Biokraftstoffen nur bei Einhaltung verbindlicher ökologi-
scher und sozialer Standards;

33. Erhöhung des Ökostromanteils bei der elektrifizierten Schiene bis 100 Pro-
zent in 2030;

34. Förderung von Elektroautos und Plug-In-Hybriden mit einem breiten Maß-
nahmenmix (Ziel: 2 Mio. Fahrzeuge in 2020), Einführung einer degressiv
ausgestalteten Kaufprämie von 5 000 Euro ab 2011 für Fahrzeuge, die we-
niger als 60 g CO2/km ausstoßen;

35. Forschungsförderung für Niedrigemissionsschiffe für die See- und Binnen-
schifffahrt mit energiesparenden Technologien und alternativen Antriebs-
systemen;

36. europaweite Verpflichtung für die Hersteller von Kraftfahrzeugen, bis 2020
mindestens 10 Prozent der verkauften Produkte als Nullemissionsfahrzeug
anzubieten.

Berlin, den 30. November 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Die IEKP-Maßnahmen sollten im Verkehrssektor bis 2020 insgesamt CO2-Ein-
sparungen von 33,6 Mio. Tonnen erbringen. Aber bereits geplante Maßnahmen,
wie etwa die Abschaffung des Steuerprivilegs für schwere Dienstwagen, wur-
den gar nicht in Angriff genommen. Andere, wie die Umstellung der Kfz-
Steuer auf den CO2-Ausstoß oder die Pkw-Energieverbrauchskennzeichnung,
die CO2-Grenzwerte für Pkw oder die Lkw-Maut wurden so stark abge-
schwächt, dass sie nur einen Bruchteil ihres tatsächlichen Minderungspoten-
zials erbringen. Ein Beispiel: Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission
sah vor, dass alle neuen Pkw ab 2012 im Durchschnitt nur noch 120 Gramm
CO2/km ausstoßen dürfen. Vor allem die Bundesregierung hatte aber im De-
zember 2008 eine deutlich abgeschwächte CO2-Grenzwertfestlegung durchge-
setzt. Die 120 Gramm müssen stufenweise und erst bis 2015 erreicht werden.
Außerdem wurde die Vorgabe durch die Anerkennung so genannter Ökoinno-
vationen auf den CO2-Grenzwert verwässert. Im Ergebnis führte das dazu, dass
die Autoflotte zumindest bis 2012 real sogar noch einen höheren CO2-Durch-
schnittswert als 2007 haben darf. Dies obwohl inzwischen zahlreiche Fahr-

zeuge deutscher und ausländischer Hersteller auf dem Markt sind, die schon
jetzt den ursprünglichen Grenzwert erfüllen. Dessen ungeachtet, hält die Bun-

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desregierung bei den Verhandlungen um einen EU-weiten CO2-Grenzwert für
leichte Nutzfahrzeuge erneut an ihrer Blockadepolitik fest.

Die Bundesregierung hat, wie im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und
FDP festgeschrieben, eine Revision der IKEP-Maßnahmen mit dem Ziel der
Weiterentwicklung der Klimaschutzinstrumente im Verkehr als Teil eines um-
fassenden Energiekonzeptes angekündigt. Auch der Bundesrat erklärt mit Be-
schluss vom 18. September 2009 zur „Mitteilung der Kommission der Europäi-
schen Gemeinschaften – Eine nachhaltige Zukunft für denn Verkehr: Wege zu
einem integrierten, technologieorientierten und nutzerfreundlichen System“
(KOM(200) 279 endg.; Ratsdok. 11294/09) … für sachgerecht, auf Grund der
klimaschutzpolitischen Anforderungen ein ambitioniertes Minderungsziel für
die verkehrsbedingten Klimagasemissionen zu definieren“ (Bundesratsdruck-
sache 603/09).

Im „Bericht zur Nachbereitung der Klimakonferenz in Kopenhagen und den zu
ziehenden Konsequenzen“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (BMVBS) vom 25. Januar 2010 an den Ausschuss für Ver-
kehr, Bau und Stadtentwicklung heißt es hierzu: „Die Sektoren Gebäude und
Verkehr sind für rund 40 Prozent des CO2-Ausstoßes und etwa 70 Prozent des
Endenergieverbrauches in Deutschland verantwortlich. BMVBS wird deshalb
ein sektorspezifisches Energie- und Klimakonzept für die Bereiche Verkehr und
Gebäude aufstellen (Ausschussdrucksache 1/(15)19, S. 3).“

In zahlreichen Studien werden die Reduktionspotenziale und Effizienzgewinne
durch Klimaschutzmaßnahmen modelliert (vgl. TNO Science and Industry
2006 im Auftrag der EU-KOM oder verschiedene Studien des Umweltbundes-
amtes; UBA Climate Change 8/09 und 14/2009, Texte 5/2010). In allen Exper-
tisen werden auch positive ökonomische Wirkungen klimapolitischer Maßnah-
men im Verkehrsbereich abgebildet. Etwa in der Studie „Gesamtwirtschaftliche
Wirkungen von Energieeffizienzmaßnahmen in den Bereichen Gebäude, Unter-
nehmen und Verkehr“ (UBA Climate Change 8/09), hier werden in verschiede-
nen Szenarien sowohl die IEKP-Maßnahmen also auch die weitergehenden
Maßnahmen im MesebergPlus Szenario (z. B. Tempolimit) als positive Impulse
für die Volkswirtschaft ausgewiesen.

Neben den UBA-Studien unterstreicht auch die vom Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit beauftragte Studie „renewbility.
Stoffstromanalyse nachhaltige Mobilität im Kontext erneuerbarer Energien“
(Öko-Institut, Juni 2009), dass nur ein Bündel verschiedener Maßnahmen:
Emissionsminderung (Grenzwerte und technologische Innovationen für Fahr-
zeuge), Verkehrsvermeidung (Verbesserung des ÖPNV, Rad- und Fußver-
kehrs), Verkehrsverlagerung (Effizienzsteigerung und Ausbau im Güterver-
kehr), ökonomische und finanzpolitische Instrumente sowie Verhaltensände-
rungen ausreichende Emissionsminderungen im Verkehr sicherstellen können.

Dem gegenüber verkürzt die im Auftrag des Bundesministeriums für Wirt-
schaft und Technologie im August 2010 fertiggestellte Studie von EWI/GWS/
Prognos „Energieszenarien für das Energiekonzept der Bundesregierung“ die
notwendigen Maßnahmen im Verkehr im Wesentlichen auf den Ausbau der
Elektromobilität und den schrittweisen Ersatz fossiler durch biogene Treib-
stoffe. Dabei werden zahlreiche verkehrsvermeidende Maßnahmen und not-
wendige Änderungen im Verbraucherverhalten sowie alternative Mobilitäts-
angebote, bessere Information der Nutzer und Ausbau des ÖPNV außer Acht
gelassen.

Das Energiekonzept der Bundesregierung benennt als Ziel bis 2020 den End-
energieverbrauch des Verkehrs um 10 Prozent und bis 2050 um 40 Prozent ge-
genüber 2005 zu reduzieren. Damit ist erstmals gleichzeitig auch ein Mindest-

ziel für die Senkung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor festgelegt worden.

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Dieses Ziel bedeutet, dass Strategien und Maßnahmen zu entwickeln sind, mit
der der Endenergieverbrauch des Verkehrs – auch bei steigender Verkehrs-
leistung und unabhängig vom bereitgestellten Energiemix – in den nächsten
Jahren sinken muss. Die Umstellung der Energiebasis des Verkehrs auf erneu-
erbare Energien ist demnach in Bezug auf die Reduktion der CO2-Emissionen
additiv zu sehen und ersetzt nicht die Vorgabe des Energiekonzepts den Verkehr
insgesamt energieeffizienter zu bewältigen. Eine Steigerung der Verkehrs-
leistung erhöht zudem die Anforderungen an die Energieeffizienz. Nimmt die
Bundesregierung das gerade beschlossene Ziel ernst, müsste z. B. eine ver-
doppelte Güterverkehrsleistung bis zum Jahr 2050 ebenfalls mit 40 Prozent
weniger Endenergie bewältigt werden als im Jahr 2005.

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