BT-Drucksache 17/4001

Aktuelle Entwicklungen bei der geplanten Neubaustrecke Wendlingen - Ulm

Vom 30. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4001
17. Wahlperiode 30. 11. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, Dr. Valerie Wilms,
Bettina Herlitzius, Stephan Kühn, Ingrid Nestle, Daniela Wagner und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Aktuelle Entwicklungen bei der geplanten Neubaustrecke Wendlingen–Ulm

Der „stern“ hat am 18. November 2010 ein Schreiben des Eisenbahn-Bundes-
amtes zitiert, mit dem – in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Ver-
kehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) keine Baufreigabe für den Bau der
Neubaustrecke Wendlingen–Ulm erteilt wurde. Weiter zitiert der „stern“ aus
einer bisher geheim gehaltenen Unterlage der Deutschen Bahn AG aus dem Jahr
2002, die damals die Baukosten schon mit 2,884 Mrd. Euro beziffert hat. Die
Finanzierungsvereinbarung vom 2. April 2009 geht hingegen von 2,025 Mrd.
Euro mit Preis- und Planungsstand 2004 aus. Außerdem wird in dem Bericht des
„stern“ aus einem internen Analyse-Papier der Deutschen Bahn AG zitiert, in
dem es heißt: „Der Gesamtterminplan ist unter den aktuellen Randbedingungen
nicht mehr realistisch und der Inbetriebnahmetermin 2019 nicht mehr zu hal-
ten.“ Am 11. November 2010 wurde zudem die Bedarfsplanüberprüfung u. a.
auch für das Projekt Ausbaustrecke (ABS)/Neubaustrecke (NBS) Stuttgart–
Ulm–Augsburg vorgestellt, die einige Fragen, insbesondere hinsichtlich der
Darstellung des Ergebnisses aufgeworfen hat.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wann erfolgte die Abstimmung zwischen dem Eisenbahn-Bundesamt (EBA)
und dem BMVBS, dass es für die Neubaustrecke vorläufig keine Baufreigabe
in finanzieller Hinsicht gibt, über die der „stern“ am 18. November 2010 be-
richtete, und von welchen Gründen ließ sich das BMVBS bei dieser Entschei-
dung leiten?

2. Welche Bedingungen muss die DB Netz AG erfüllen, damit das EBA eine
Baufreigabe erteilen kann, und wann wird dies voraussichtlich der Fall sein?

3. Sind die Mehrkosten beim Boßler- und dem Steinbühltunnel in Höhe von
280 Mio. Euro, die das EBA anmerkt, vollständig durch den Kostenrahmen
des Projekts von 2,89 Mrd. Euro abgedeckt, oder muss dieser Betrag teil-
weise oder vollständig dazu addiert werden, und wenn ja, in welcher Höhe?

4. Welche Erkenntnisse über die Baukostensteigerungen liegen dem EBA und

dem BMVBS im Detail für diese beiden Tunnelbauwerke vor, und inwieweit
haben diese bei der Nachberechnung des Projekts Eingang gefunden?

5. Von welcher Kostensteigerung pro Tunnelkilometer beim Boßler- und beim
Steinbühltunnel geht das EBA aus?

6. Von welchen Tunnelkilometerkosten beim Albvorlandtunnel, den Widder-
stalltunnel und dem Albabstiegstunnel geht das EBA aktuell aus?

Drucksache 17/4001 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

7. Welche Erkenntnisse liegen dem EBA hinsichtlich möglicher Kostensteige-
rungen für den Albvorlandtunnel, den Widderstalltunnel und den Alb-
abstiegstunnel vor?

8. Welche Maßnahmen zur Ermittlung möglicher Baukostensteigerungen bei
der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm, insbesondere der Tunnelbauwerke,
haben das EBA bzw. das BMVBS eingeleitet?

9. Hat die Bundesregierung das im „stern“ zitierte Papier der Deutschen Bahn
AG „Betriebliche Aufgabenstellung zur Umsetzung der Konzeption 21“
von 2002 von der Deutschen Bahn AG angefordert, um zu prüfen, ob die
Deutsche Bahn AG schon vor acht Jahren von Baukosten von 2,884 Mrd.
Euro ausging?

Wenn ja, welches Ergebnis hat die Prüfung dieses Papiers erbracht?

Wenn nein, warum nicht?

10. Wird der Bund, wie vertraglich vorgesehen, die im Juli 2010 bereits ein-
gestandenen 865 Mio. Euro Baukostensteigerung beim Projekt NBS Wend-
lingen–Ulm vollständig tragen oder strebt er eine höhere Kostenbeteiligung
von den anderen Projektbeteiligten an?

11. Müsste der Finanzierungsvertrag zur NBS Wendlingen–Ulm geändert wer-
den, wenn sich Dritte an den Baukostensteigerungen stärker beteiligen sol-
len als bisher?

12. Wäre eine solche Vertragsänderung einseitig durch einen der Vertragsbetei-
ligten möglich, oder bräuchte es dafür das Einverständnis aller Vertragsbe-
teiligten?

13. Welches Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) wurde jeweils für die beiden
Teilabschnitte Wendlingen–Ulm und Ulm–Augsburg der ABS/NBS Stutt-
gart–Ulm–Augsburg errechnet?

14. Warum wurde in der gesamten Bedarfsplanüberprüfung nur eine einzige
Variante gerechnet, bei der vom Zielnetz 2025 abgewichen und unterstellt
wurde, dass ein Bedarfsplanprojekt (ABS/NBS Stuttgart–Ulm–Augsburg)
zeitlich vor einem anderen (Mottgers-Spange) realisiert wird?

15. Welcher Unterschied besteht in der Realisierungswahrscheinlichkeit der
Mottgers-Spange mit einem ermittelten NKV von 2,0 im Unterschied zur
NBS Rhein/Main–Rhein/Neckar (Frankfurt–Mannheim) mit einem NKV
von 1,2, die beide dem Zielnetz 2025 angehören?

16. Welches NKV würde sich für die ABS/NBS Stuttgart–Ulm–Augsburg erge-
ben, wenn die Variante unterstellt wird, dass die NBS Rhein/Main–Rhein/
Neckar (Frankfurt–Mannheim) zeitlich später realisiert wird?

17. Hält es die Bundesregierung für seriös, das Ergebnis der Variantenuntersu-
chung für die ABS/NBS Stuttgart–Ulm–Augsburg ohne Mottgers-Spange
in Anlage 3 grafisch so darzustellen, als sei der NKV-Wert der Variantenun-
tersuchung der maßgebliche und mit den NKV-Werten der anderen unter-
suchten Projekten vergleichbar?

18. Welche Annahmen führten dazu, dass auf der Neubaustrecke Güterverkehre
prognostiziert werden, obwohl im Vergleich die Altstrecke im Filstal so-
wohl die Kapazität hat, um den unterstellten Güterverkehr auf der NBS zu
bewältigen als auch niedrigere Steigungsparameter und geringere Trassen-
gebühren aufweisen kann, wodurch sie für den Güterverkehr attraktiver ist
als die Neubaustrecke?

19. Welche Schlüsse für die Prognose von Schienengüterverkehr auf der NBS

Wendlingen–Ulm zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass auf der
NBS Nürnberg–Ingolstadt auch dann keine Güterzüge verkehren, wenn es

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4001

erlaubt ist, also nachts, wenn keine schnellen Reisezüge die Strecke befah-
ren?

20. Welches Nutzen-Kosten-Verhältnis ergibt eine nachträgliche Bewertung
der NBS Nürnberg–Ingolstadt unter Berücksichtigung der tatsächlichen
Baukosten und der tatsächlichen Nutzung bzw. Nichtnutzung durch den
Güterverkehr?

21. Welcher Nutzenanteil wird dem Güterverkehr auf der NBS Wendlingen–
Ulm zugerechnet, und welches Nutzen-Kosten-Verhältnis würde sich erge-
ben, wenn kein Güterverkehr auf dieser Strecke angenommen würde?

22. Welches Nutzen-Kosten-Verhältnis würde sich für die NBS Wendlingen–
Ulm ergeben, wenn die unterstellten Tunnelkilometerkosten von den unter-
stellten 30 Mio. Euro auf 40 bzw. 50 Mio. Euro steigen würden (zum Ver-
gleich: die Tunnelkilometerkosten für den Gotthardbasistunnel in der
Schweiz liegen nach Auskunft des BMVBS bei 64 Mio. Euro)?

23. Wie bewertet die Bundesregierung die verfassungsrechtliche Auffassung
unter Berufung auf Artikel 104a des Grundgesetzes, dass sich das Land
Baden-Württemberg nicht an den Kosten eines Bedarfsplansprojekts des
Bundes beteiligen darf, da dieses im ausschließlichen Kompetenzbereich
des Bundes liegt?

24. Welche eigenen Rechtsgutachten und mit welchen Ergebnissen hat die Bun-
desregierung in der Vergangenheit zu der Frage beauftragt, wenn Länder
sich an Kosten für eine Aufgabe beteiligen wollen, die verfassungsrechtlich
eindeutig im ausschließlichen Kompetenzbereich des Bundes liegen?

25. Trifft es zu, dass der Ausbau des Bahnknotens Stuttgart Teil der Bedarfsplan-
maßnahme „2. Weiterer Bedarf, lfd. Nr. 10 Ausbau von Knoten (3. Stufe)“
ist, wie der Infrastrukturvorstand der Deutschen Bahn AG, Dr. Volker Kefer,
in seiner schriftlichen Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Aus-
schusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundes-
tages am 10. November 2010 schreibt?

Falls ja, warum hat der Ausbau des Knotens Stuttgart die niedrigste Priorität
(Weiterer Bedarf, 3. Stufe) beim Knotenausbau im Bedarfsplan Schiene er-
halten, und welche Knotenausbaumaßnahmen (Auflistung nach Einzelmaß-
nahmen) haben eine höhere Priorität und sind noch nicht umgesetzt?

Welche Einzelmaßnahmen des Ausbaus des Knotens Stuttgart sind Bedarfs-
planmaßnahmen und müssten durch den Bund gezahlt werden?

Berlin, den 30. November 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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