BT-Drucksache 17/3762

Arbeitsbedingungen in der deutschen Fleischwirtschaft

Vom 11. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3762
17. Wahlperiode 11. 11. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Friedrich Ostendorff, Maria
Klein-Schmeink und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Arbeitsbedingungen in der deutschen Fleischwirtschaft

Ende Oktober 2010 wurde vor dem Düsseldorfer Landgericht der Prozess gegen
einen Subunternehmer der deutschen Schlachtindustrie eröffnet. Ihm wird vor-
geworfen, mit einem Firmengeflecht, bestehend aus 50 Unternehmen, rund
1 000 Werksarbeitnehmerinnen und Werksarbeitnehmer zum Teil schwarz und
zu Niedriglöhnen beschäftigt zu haben. Dem Finanzamt und den Sozialversiche-
rungen sind so ein Schaden in Millionenhöhe entstanden.

Der Vorgang ist kein Einzelfall in der deutschen Schlachtbranche, auch wenn es
bisher keinen Vorfall in dieser Größenordnung gegeben hat. Die Arbeitsbedin-
gungen und Arbeitsentgelte in der deutschen Schlachtindustrie sind schon seit
langem äußerst schlecht. In der Branche gibt es keinen Arbeitgeberverband. Trotz
Aufforderung durch die Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG)
konnte bisher weder ein Branchentarifvertrag vereinbart werden noch eine Ini-
tiative für einen branchenspezifischen Mindestlohn nach dem Arbeitnehmer-
Entsendegesetz gestartet werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hat sich die Zahl der Unternehmen in der deutschen Schlacht- und
Fleischverarbeitungsbranche seit 2005 entwickelt (bitte differenziert nach
Unterbranchenkategorien, wie Rinder-, Schweine- und Geflügelschlachtung,
und Betriebsgrößen)?

2. Welche Unternehmen zählen zu den zehn größten in der deutschen Schlacht-
und Fleischverarbeitungsbranche, wo sind deren Hauptsitze, wie viele Be-
schäftigte sind bei ihnen direkt als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an-
gestellt (bitte differenziert nach Geschlecht), und welche jährliche Schlacht-
leistungen haben sie?

3. Wie haben sich die Umsätze in der Schlacht- und Fleischverarbeitungs-
branche seit 2005 entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren)?

4. Wie hat sich die Zahl kommunaler gegenüber den privaten Schlachthöfen seit
2005 entwickelt (bitte nach Jahren aufgeschlüsselt), und worin sieht die Bun-
desregierung diese Entwicklung begründet?
5. Sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen dieser in der vor-
hergehenden Frage 4 abgefragten Entwicklung und der Entlohnung des Per-
sonals privater bzw. kommunaler Schlachthöfe?

Drucksache 17/3762 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

6. Wie viele Beschäftigte arbeiten seit 2005 in den jeweiligen Unterbranchen
der deutschen Schlacht- und Fleischverarbeitungsbranche in Vollzeit-,
Teilzeit- und geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen (bitte differen-
ziert nach Jahren und Geschlecht)?

7. Wie viele Beschäftigte in den jeweiligen Unterbranchen der deutschen
Schlacht- und Fleischverarbeitungsbranche sind seit 2005 als Leiharbeits-
kräfte, Werkvertragsnehmerinnen und Werkvertragsnehmer sowie sozial-
versicherungspflichtig Beschäftigte tätig (bitte differenziert nach Jahr, Ge-
schlecht und Herkunftsland)?

8. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass Werkvertragsverhältnisse
häufig nur als solche deklariert werden, um Beschäftigungsverbote für
Ausländer zu umgehen?

Wenn ja, wie viele derartige Fälle seit 2005 sind der Bundesregierung be-
kannt, und bei wie viel Beschäftigten?

9. Wie viele Kontrollen haben seit 2005 in der Schlacht- und Fleischverarbei-
tungsbranche in Bezug auf arbeitsrechtliche und sozialversicherungsrecht-
liche bzw. entsenderechtliche Normen stattgefunden, und welche Behör-
den haben diese Kontrollen durchgeführt (bitte differenziert nach Jahren)?

10. Welche und wie viele Verstöße wurden seit 2005 in der Schlacht- und
Fleischverarbeitungsbranche in Bezug auf Arbeitsentgelt, Arbeitsbedin-
gungen sowie arbeitsrechtliche Fragestellungen sowie Sozialversicherungs-
vorschriften festgestellt, und in welcher Gesamthöhe wurden Bußgelder
verhängt oder Verfahren eingeleitet (bitte differenziert nach Jahren)?

11. Prüft die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), ob es sich tatsächlich um
Werkarbeit handelt oder ob ein verdecktes Leiharbeitsverhältnis vorliegt?

12. Wie hoch ist die Ausbildungsquote in der deutschen Schlacht- und Fleisch-
verarbeitungsbranche?

13. Wie hoch sind die durchschnittlichen Stundenlöhne in der deutschen
Schlacht- und Fleischverarbeitungsbranche für direkt angestellte Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer, Leiharbeitnehmer und Leiharbeitnehme-
rinnen sowie im Rahmen eines Werkvertrages beschäftigte Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmer?

14. Wie hoch sind die durchschnittlichen Arbeitszeiten in der deutschen
Schlacht- und Fleischverarbeitungsbranche?

15. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über spezifische gesundheit-
liche Belastungen der Beschäftigten in der deutschen Schlacht- und Fleisch-
verarbeitungsbranche?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung der Arbeitsbelastung
der Beschäftigten in der Schlacht- und Fleischverarbeitung durch das
Schlachten im Akkord, und sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit,
einen zeitlichen Mindestaufwand pro Tier festzulegen?

17. Wie häufig kam es seit 2005 offiziell zu tierschutzrelevanten Vorkommnis-
sen, wie Verletzungen oder Misshandlungen, an Schlachthöfen (bitte nach
Jahren aufgeschlüsselt)?

18. Nach welchem Schlüssel wird die Anzahl

a) der amtlichen Tierärzte, und

b) der amtlichen Fachassistenten in der Fleischbeschau festgelegt, und wie
hat sich deren Zahl seit 2005 entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Jah-

ren)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3762

19. Wie sieht die Bundesregierung die Arbeitsbelastung

a) der amtlichen Tierärzte, und

b) der amtlichen Fachassistenten in der Fleischbeschau?

20. Wie ist die Entlohnung

a) der amtlichen Tierärzte, und

b) der amtlichen Fachassistenten in der Fleischbeschau geregelt, und wie
hoch sind die durchschnittlichen Verdienste?

21. Wie beurteilt die Bundesregierung die Unabhängigkeit der amtlichen Tier-
ärzte in der Fleischbeschau, und welche Schwierigkeiten gibt es hier aus
Sicht der Bundesregierung?

22. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass es in der deutschen
Schlachtbranche keinen Arbeitgeberverband als Tarifpartner auf Arbeit-
geberseite gibt?

23. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die Arbeits-
bedingungen und Arbeitsentgelte in der deutschen Fleischindustrie zu ver-
bessern?

24. Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen der Geschäftsprakti-
ken der deutschen Fleischindustrie auf das europäische Ausland?

25. Welches Zahlenmaterial liegt der Bundesregierung über Entlassungen und
Insolvenzen, verursacht durch Lohndumping in der deutschen Schlacht-
und Fleischverarbeitungsbranche, im Ausland, insbesondere in Dänemark
und Frankreich vor?

Wie viele Unternehmen aus der Schlachtbranche haben Betriebe bzw. die
Produktion von 2005 bis heute aus dem EU-Ausland nach Deutschland
verlagert?

26. Wie viele Tiere werden seit 2005 pro Jahr zur Schlachtung von Dänemark
nach Deutschland angeliefert (bitte aufgeschlüsselt nach Tierart und Jahr)?

27. Wie hoch ist in Dänemark

a) der tariflich vereinbarte Mindestlohn sowie

b) der Durchschnittslohn der in der Schlacht- und Fleischverarbeitung Be-
schäftigten?

28. Wie bewertet die Bundesregierung die Initiative der französischen Fleisch-
industrie, die eine Vereinigung gegen Sozialdumping gegründet hat und die
Europäische Kommission auffordert, Deutschland zu einem Mindestlohn
für die Schlacht- und Fleischverarbeitungsbranche zu zwingen?

29. Wird die Bundesregierung mit Blick auf die 2011 kommende Arbeitneh-
merfreizügigkeit in der Europäischen Union Maßnahmen ergreifen?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum sieht die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf?

30. Wie lange dauert es durchschnittlich bis andere Mitgliedstaaten der EU An-
fragen aus Deutschland im Hinblick auf die Bescheinigungen A 1 bzw.
E 101 beantworten?

31. Wie viele der in anderen Mitgliedstaaten der EU ausgestellten Bescheini-
gungen haben sich als fehlerhaft erwiesen?

Drucksache 17/3762 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
32. Wie beurteilt die Bundesregierung die Verwaltungszusammenarbeit mit an-
deren Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Bescheinigungen A 1 bzw. E 101
im Rahmen von Entsendungen?

Berlin, den 11. November 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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