BT-Drucksache 17/3689

Einsatz von Nanosilber in verbrauchernahen Produkten zum Schutz von Mensch und Umwelt stoppen

Vom 10. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3689
17. Wahlperiode 10. 11. 2010

Antrag
der Abgeordneten Nicole Maisch, Birgitt Bender, Ulrike Höfken,
Maria Klein-Schmeink, Dorothea Steiner, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell,
Bettina Herlitzius, Winfried Hermann, Bärbel Höhn, Dr. Anton Hofreiter,
Kai Gehring, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg),
Ingrid Nestle, Friedrich Ostendorff, Dr. Hermann Ott, Markus Tressel,
Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Einsatz von Nanosilber in verbrauchernahen Produkten zum Schutz von Mensch
und Umwelt stoppen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Einsatz von Nanomaterialien in fest gebundener Form kann große Poten-
tiale für eine Steigerung des nachhaltigen Wirtschaftens, vor allem im Hinblick
auf Ressourcenschonung und Energieeffizienz haben. Problematisch ist jedoch
der Einsatz von Nanomaterialien in ungebundener Form, da die hohe biologi-
sche Mobilität von Nanopartikeln und die damit verbundenen Gefahren für
Mensch und Umwelt nur unzureichend erforscht sind, insbesondere fehlen
Langzeitstudien. Besonders kritisch ist vor diesem Hintergrund der stark stei-
gende Einsatz von Nanosilber in verbrauchernahen Produkten wie zum Beispiel
Verpackungen von Obst und Gemüse, Kosmetik, Computertastaturen, Socken,
Unterwäsche oder Zahnbürsten zu bewerten.

Während in den USA Nanosilber bereits seit 2007 als Pestizid gilt und damit
registrierungspflichtig ist, gibt es weder in der EU noch in Deutschland spezi-
fische Vorschriften zum Schutz von Mensch und Umwelt bei der Verwendung
von Nanosilber. Verbraucherinnen und Verbraucher haben so gut wie keine
Möglichkeit, zu erfahren, in welchen Produkten Nanosilber verwendet wird.

Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) empfiehlt, auf die Verwendung von
nanoskaligem Silber oder nanoskaligen Silberverbindungen in Lebensmitteln
und Produkten des täglichen Bedarfs solange zu verzichten, bis die Datenlage
eine abschließenden gesundheitliche Risikobewertung zulässt und die gesund-
heitliche Unbedenklichkeit von Produkten sichergestellt werden kann.

Durch eine großflächige und kontinuierlich niedrig dosierte Verbreitung von
nanoskaligen Silberverbindungen kann die Entstehung von resistenten Krank-

heitserregern befördert werden. Damit droht die Gefahr, dass Silber langfristig
nicht mehr als wichtige Waffe gegen antibiotikaresistente Keime im medizini-
schen Bereich verfügbar wäre.

Der wachsende Eintrag von Nanosilber in verbrauchernahen Produkten wider-
spricht auch dem ressourcensparenden Umgang mit Edelmetallen. Das Umwelt-
bundesamt (UBA) empfiehlt darum, aufgrund unbekannter Risiken für die Um-

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welt im Sinne eines vorsorgenden und ressourcenschonenden Umweltschutzes
einen Eintrag von Nanosilber in die Umwelt zu vermeiden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. das Inverkehrbringen von verbrauchernahen Produkten mit Nanosilber zu
verbieten, um eine nachhaltige Gefährdung von Mensch und Umwelt aus-
schließen zu können,

2. eine Liste aller bis zum Verbot mit Nanosilber produzierten und in Deutsch-
land auf dem Markt erhältlichen verbrauchernahen Produkte zu erstellen und
diese Liste sowie eine Bewertung von Studienergebnissen zu den Risiken für
Mensch und Umwelt durch Nanosilber der interessierten Öffentlichkeit zu-
gänglich zu machen.

Berlin, den 9. November 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Der Einsatz von Nanomaterialien in ungebundener Form ist grundsätzlich
problematisch, weil die hohe biologische Mobilität von Nanopartikeln und die
damit verbundenen Gefahren für Mensch und Umwelt bisher generell nur un-
zureichend erforscht sind. Vor diesem Hintergrund ist in besonderem Maße der
stark steigende Einsatz von Nanosilber in verbrauchernahen Produkten. Unter
Nanosilber werden Partikel von elementarem Silber in einer Größe von weniger
als 100 nm verstanden.

Nach Schätzungen der Umweltorganisation BUND sind rund 300 Produkte im
verbrauchernahen Bereich auf dem Markt. Die Autoren einer Studie im Auftrag
des Gesundheitsministeriums Österreich vom Februar 2010 gehen von rund 250
Produkten mit Nanosilber auf dem Weltmarkt aus.

Verbraucherinnen und Verbraucher haben bisher über einzelne Studien oder von
Verbänden selbst angelegten Listen so gut wie keine Möglichkeit, über ein trans-
parentes und verbindliches Produktregister oder über andere unabhängige Infor-
mationsquellen zu erfahren, in welchen verbrauchernahen Produkten Nanosilber
verwendet wird. Verbrauchernahe Produkte sind Produkte, mit denen der Ver-
braucher täglich in Berührung kommt, die in direkten Kontakt mit der Haut
kommen oder die verzehrt werden wie z. B. Textilien, Kinderspielzeuge, Kos-
metik oder Lebensmittel. Zwar setzt sich auf der Ebene der EU derzeit Belgien
in seiner Funktion als EU-Ratspräsident für ein Nanomaterialien-Register ein,
doch die Widerstände gegen die Einführung eines Registers sind vor allem von
Seiten einiger Industrieverbände sehr groß.

Auch gibt es bisher keine umfassenden Kennzeichnungsvorschriften – die EU-
Kennzeichnungsvorschrift für die Verwendung von Nanomaterialien in Kosme-
tik gilt erst ab 2013. In anderen Bereichen wie zum Beispiel für Lebensmittel,
Lebensmittelverpackungen oder bei Textilien gibt es, wenn Nanomaterialien
verwendet werden, keine rechtlich verbindlichen Kennzeichnungsvorschriften,
mit deren Hilfe sich die Verbraucher informieren können.

Zwar machen sich Hersteller von Gebrauchsgegenständen schon seit langem die
antimikrobiellen Eigenschaften von Silberionen zunutze. Einer der wesentlichs-

ten Unterschiede zu herkömmlichen Silberionen ist jedoch, dass Silbernano-

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partikel über einen längeren Zeitraum hinweg kontinuierlich Silberionen abge-
ben, die für die antimikrobielle Wirkung verantwortlich sind. Nanosilber zeigt
deshalb auch bei sehr geringen Konzentrationen eine starke Langzeitwirkung
gegenüber einer Vielzahl von Mikroorganismen.

Die Autoren der oben erwähnten Nanosilber-Studie im Auftrag des Österreichi-
schen Gesundheitsministeriums weisen darauf hin, dass es derzeit keine ge-
sicherten Daten gibt, die die Notwendigkeit eines breiten Einsatzes von Nano-
silber in Konsumprodukten begründen. Nachgewiesen ist jedoch, dass der
Einsatz von Silberionen im medizinischen Bereich unter kontrollierten Bedin-
gungen und in hoher Dosierung wichtig ist im Kampf gegen Krankheitserreger,
vor allem gegen antibiotikaresistente Keime. Aus diesem Grund warnen inzwi-
schen zahlreiche Experten – so zum Beispiel auch das Bundesamt für Risikofor-
schung (BfR) in seiner Stellungnahme zu Nanosilber vom Dezember 2009 – vor
dem Einsatz von Nanosilber in Konsumprodukten, da durch eine großflächige
und kontinuierlich niedrig dosierte Verbreitung von nanoskaligen Silberverbin-
dungen die Entstehung von resistenten Krankheitserregern befördert werden
könnte. Damit droht die Gefahr, dass Silber langfristig nicht mehr als wichtige
Waffe gegen pathogene Keime im medizinischen Bereich verfügbar wäre.

Das BfR weist weiterhin darauf hin, dass Nanosilber sich nicht nur außen an
menschliche Zellen anlagern kann, sondern auch biologische Barrieren durch-
dringen und somit in die Zellen eindringen kann. Eine Bewertung der mit einer
breiten Anwendung von Nanosilber verbundenen gesundheitlichen Risiken sei
laut BfR derzeit nicht abschließend möglich. Das BfR empfiehlt, auf die
Verwendung von nanoskaligem Silber oder nanoskaligen Silberverbindungen in
Lebensmitteln und Produkten des täglichen Bedarfs solange zu verzichten, bis
die Datenlage eine abschließenden gesundheitliche Risikobewertung zulässt
und die gesundheitliche Unbedenklichkeit von Produkten sichergestellt werden
kann.

Der wachsende Eintrag des Nanosilbers gefährdet nicht nur Verbraucher,
sondern führt auch zu bisher unbekannten Risiken für die Umwelt. Schon jetzt
ergibt sich aus Daten nationaler und internationaler Gesundheitsbehörden, dass
wegen der möglichen gesundheitlichen Risiken und der bereits vorhandenen
Silberbelastung des Menschen aus Nahrung und Trinkwasser jede zusätzliche
Erhöhung der Silberaufnahme vermieden werden sollte. Von Silber in Nanoform
geht ein noch höheres toxisches Potential als von mikroskaligem Silber aus. So
habe laut einer Stellungnahme des Umweltbundesamtes (UBA) eine Studie
gezeigt, dass die Sterblichkeitsrate von Wasserflöhen – bei gleicher Konzen-
tration – bei Nanosilber höher ist als bei mikroskaligem Silber.

Auch das UBA empfiehlt in seiner Stellungnahme vom Oktober 2009 im Sinne
eines vorsorgenden Umweltschutzes einen Eintrag von Nanosilber in die Um-
welt zu vermeiden. Nanosilber löst sich beim Waschen zum Beispiel aus den
Textilien und gelangt ins Abwasser. Die Risiken hinsichtlich einer möglichen
Schädigung aquatischer Lebewesen und nützlicher Bakterien durch den Eintrag
von Nanosilber in den Kläranlagen und im Ackerboden sind unzureichend
erforscht.

Zu kritisieren ist auch die Ressourcenverschwendung von Edelmetallen durch
den Einsatz von Nanosilber in verbrauchernahen Produkten wie Putztüchern,
Strümpfen und Hemden – also in Artikel mit relativ kurzer Nutzungszeit – bei
denen nach jeder Wäsche Silberpartikel ins Abwasser gespült werden können.
Für Deutschland ergibt sich laut UBA eine Schätzung der gesamten Silber-
einsatzmenge von rund 8 Tonnen pro Jahr, wobei rund 1,1 Tonne Silber in Be-
reichen zum Einsatz kommen, in denen es als Nanosilber benutzt wird.

In den letzten Jahren einigten sich an der Nanotechnologie interessierte Wirt-

schafts- und Wissenschaftszweige zwar auf Verhaltensgrundlagen für den Um-

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gang und Einsatz von Nanomaterialien. Diese Selbstverpflichtungserklärungen
führten jedoch offensichtlich nicht dazu, dass die Hersteller freiwillig auf den
Einsatz von Nanosilber in Konsumprodukten verzichten. Ein Blick auf die
Dynamik, mit dem der Einsatz von Nanosilber in Konsumartikeln voranschreitet
und gleichzeitig ernstzunehmende wissenschaftliche Studie vor den Risiken von
Nanosilber für Mensch und Umwelt warnen, zeigt deutlichen Handlungsbedarf,
dass der Einsatz von Nanosilber in verbrauchernahen Produkten aus Gründen
des vorsorgenden Verbraucher- und Umweltschutzes verboten werden muss.

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